Claudia am 20. März 2001 —

Surftipp: Becz

Die Mail war ohne lange Vorrede:

„Ich falle gleich mit der Tür ins Haus: Möchte dich in meinen VOICES als neuen Webber vorstellen!

Und dann gleich die Fragen, interessante Fragen, die einen ins Nachdenken bringen: Wer bist du? Was siehst du morgens um 7.00 Uhr im Spiegel? Welche drei Dinge würdest du auf die berühmte einsame Insel mitnehmen? Was ist dein kostbarstes Eigentum? Deine persönliche Droge?

Direktheit gefällt mir, aber gottlob reagiere ich nicht mehr wie ein Automat, wenn sich ein Teil von mir geschmeichelt fühlt. Da schenkt mir jemand Interesse, will mich ‚ganz persönlich‘ verwebben, toll, – aber warum macht er das? Soll ich wieder mal „kostenlosen Content“ für irgend eine News-, Info- oder gar Shopping-Site abgeben? Becz? Nie gehört…

Also bin ich hingesurft – und war hin und weg: Ein echter Künstler ist da am Werk, jemand, der es liebt, wunderschöne Webseiten zu gestalten, bei denen alles stimmt. Besonders ins Auge fallen die fantasievollen Grafiken: für jede befragte Person ganz individuell erarbeitet, sogar mit Bezug zu den jeweiligen Antworten! Faszinierend. Auch Paeng fand ich unter den Befragten, einen der altbekannten Aktiven, die niemals bei irgend einem Schrott mitmachen. Mein Mißtrauen verflog im Nu, ich freute mich, daß dieser Becz mir unbekannterweise auch so eine Seite schenken wollte.

Wir kamen dann ins Plaudern und ich stöberte weiter durch seine Seiten. Obwohl Becz „erst“ seit 1999 im Netz ist, hat er den Bogen ‚raus. Schaut nur mal die Africa-Sektion an: allgemeine Infos über Mosambique, aber dann auch Sprache, Rezepte, Spiele und der Sound – selbst die LÖWEN (lesen!) fehlen nicht, an die wir denken, wenn wir Afrika denken. Und alles so webgerecht aufbereitet, wie es manche auch mit Millionen Venture-Capital nicht auf die Reihe bringen: kurz, aber nicht platt, unterhaltsam und doch informativ, etwas für den Kopf, aber auch für Herz, Auge, Ohr und Magen… – und trotzdem kurze Ladezeiten!

WER ist nun aber Becz? Neugierig klickte ich den Bereich „me“. Wie mittlerweile erwartet, findet sich auch hier nicht „das Übliche“, sondern eine Art Lebenslauf in Foto-Grafiken, sortiert nach den Weltgegenden, in denen er schon gelebt hat, zusammengeschnitten mit Kurz-Infos, was zur jeweiligen Zeit auf der Welt passiert ist. Tolle Idee, man nutzt es ganz spontan als Reise in die eigene Vergangenheit – und Becz gelingt so das Kunststück, sogar noch mit der eigenen Selbstdarstellung dem Leser zu dienen.

Beczs Welt ist damit noch lange nicht erschöpft: Man kann seine Gedanken über Webdesign und die Genesis seiner Seiten im Editorial nachlesen, selbstkritische Rückblicke finden sich ja sonst eher selten. Dass Becz weder passiv noch isoliert vor sich hin arbeitet, zeigen die Bereiche „action“ und „awards“: Wie das Web ansonsten aussieht, ist ihm offenbar nicht egal. Unter „stuff“ und „art“ gibt es viel zu stöbern, zu lesen und zu gucken: Ölbilder, Collagen, Grafik, auch Gedichte. Angesichts der Tatsache, dass die gesamte Weblandschaft voller erstaunlicher Fotoshop-Werke steht, reizt es dann schon zum Lachen, wenn im Bereich „Art – digi-art“ nur die Bemerkung steht: „Sorry ich arbeite noch dran“.

Becz ist ein Webber, der im Geist des Netzes arbeitet, das gefällt mir so an diesen Seiten. Nicht die schönen Oberflächen und Objekte sind dabei das Wichtigste, sondern die Kunst dahinter: das, was Hyperlinks im besten Fall transportieren – die Kunst harmonischen Gebens & Nehmens aus der Fülle heraus.

(Anmerkung: Die ursprüngl. enthaltenen Links funktionierten nicht mehr und wurden entfernt)