Claudia am 13. August 1999 —

Einen dicken Fisch von der Angel lassen

Fühle mich glücklich und erleichtert, vielkiloschwere Bedrückungen sind von mir abgefallen! Ein großer Auftrag, der sich schon einige Zeit angekündigt hatte, ist gestern gekommen und ich habe a b g e l e h n t .

Warum? Ganz konkret, in Gestalt von sechs Winword-Dateien, die ausgedruckt einen zentimeterhohen Papierstapel ergaben, lag das Projekt vor mir. Bisher war mir nur sein Finanzvolumen bekannt: 15000 Euro, eine für mich nicht gerade alltägliche Summe.

Ich blätterte durch den Stapel, betrachtete die Umengen „Content“, die man mit gutem Gewissen SO NICHT ins Web setzen könnte. Malte mir die erforderliche Kommunikation mit den Beteiligten aus, die alle vom Web nicht viel wissen. Dachte an den extremen Zeitdruck, der sich aus der Terminierung bis November ergab, an die zwangsläufige Vernachlässigung anderer Aufträge.

Und natürlich würde ich zu garnichts mehr kommen, was mir selber Freude macht: Keine Netzliteratur, keine Homepages über mein neues Domizil, keine Entwicklung von Online-Kursen, kein Schreiben in Mailinglisten, kein Mitwirken in Communities – und schon gar keine Arbeit im Garten, keine Ausflüge in die Umgebung, keine Fotospaziergänge im Moor, keine Pirsch auf Pilze….

Seit der Ablehnung fühle ich mich ein paar Kilo leichter. Ohne mein Wissen hatte dieses unüberschaubare Vorhaben meinen Horizont verdunkelt. Das Wissen: Selbst wenn ich jetzt mit allem Aktuellen gut fertig werde, dann kommt doch vielleicht noch DAS hinterher….. hatte mich völlig blockiert. Jetzt bin ich wieder frei, bin unbeschreiblich froh, dem Sog des „immer mehr“ ausgewichen zu sein.

Ein gutes Gefühl! Seltsamerweise genauso gut wie dasjenige, als ich das erste Mal einen solchen Auftrag BEKOMMEN und ihn als Meilenstein auf dem Weg in die Selbständigkeit gefeiert hatte. An Aufträge kommen, ist offenbar nur die halbe Miete – sie auch ablehnen können, ist ebenso unverzichtbar.

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