Claudia am 03. August 1999 —

Gottesgabe, Tag 20: Maus und Hackebeil

Eigentlich hatte ich gehofft, ich würde hier morgens ums Dorf joggen, um endlich zu einer regelmäßigen körperlichen Betätigung zu kommen – ein typischer Städter-Gedanke, der hier nur noch absurd wirkt! Statt dessen reiße ich Gras von überwucherten Beeten, ziehe verdorrte Äste aus dem Wald, hacke Erde klein und häufe eine Menge altes Holz zu einem Berg, in der Hoffnung auf herbstliches Feuer-Machen. Doch was immer ich anfange, nach einer dreiviertel Stunde bin ich völlig erschöpft!

Ich wußte ja, daß ich nicht „fit“ bin – und es freut mich, hier keine Fitness-Übungen zu machen, sondern überall Arbeit zu sehen, zu der ich richtig Lust habe. Lust, die dann zwar allzu schnell wieder vergeht, aber ich vermute, das wird täglich besser – und schließlich zwingt mich nichts und niemand. Es ist vielmehr eine Freude, zu sehen, wie der wilde Pflanzenverhau sich langsam lichtet, wie alte Steintreppchen wieder zum Vorschein kommen, die irgendein Schloß-Eigentümer mal hat anlegen lassen. Und wie die alte Parkanlage schemenhaft wieder erkennbar wird, ahnbar eher, denn da ist noch eine Menge Gestrüpp und kleine Bäume, die die ursprünglichen Strukturen verdecken, sie wuchernd überwachsen haben. Wenn in einem Garten oder Park nichts gemacht wird, ist bald wieder übrall Wald, das kann man hier gut sehen.

Zwischen der Arbeit an der Maus und der Arbeit an Hackbeil und Säge springe ich im Moment noch ganz undiszipliniert hin und her – noch gibt es keine Routine, ständig möchte ich zu viel auf einmal und dann bin ich einfach müde. Noch nicht mal der Schlafrythmus ist regelmäßig, manchmal geh ich um 9 ins Bett, doch gegen halb 11 bin ich wieder wacher und lese bis 1. Morgens wache ich mal um sechs, mal um halb neun auf – nichts ist „normal“.

Daß nun niemand denkt, ich wäre zur Landarbeiterin geworden! Weit gefehlt, meine Einsätze sind sporadisch und kurz. (Die weitaus meiste Landarbeit macht Manfred). Öfters genieße ich auch einfach das Draußen-Sitzen, hab‘ uns dazu im Schweriner Plaza einen kleinen Tisch und vier Standard-Gartenstühle gekauft (Plastik-Guß, wie sie zu Millionen in der Welt stehen – auf denen sitzt man nämlich bequem, im Gegensatz zu vielen Stühlen mit weit besserem ästhetischem und ökologischem Ruf!). Sogar einen kleinen Grill konnte ich nicht auslassen, obwohl mein Lebensgefährte nicht gerade ein begeisterter Griller ist. Wir essen garnicht so oft Fleisch, doch ich steh‘ einfach auf Feuer in vielen Formen, auch beim Kochen.

Meine Auftragsarbeiten sind mir akut etwas über den Kopf gewachsen, es staut sich eine Reihe Projekte und ich frage mich, wie ich alles unter einen Hut bekomme. Auch die Papierwelt muß mal wieder berbeitet werden, die Steuererklärung ’98 zum Beispiel… garnicht dran denken! Ich muß irgend etwas ändern, doch WAS weiß ich noch nicht: Neue Routinen, ein neues „Selbst-Management“ – vielleicht ist es am besten, ich mache mal ‚Urlaub‘, was meine Brotarbeit angeht, und tobe mich erstmal hier körperlich aus.

Im Grunde bin ich ja hergekommen, weil das Element ERDE in all seinen Bedeutungen in meinem Leben bis jetzt zu kurz gekommen ist. Und es ist schon eine komische Sache, wie (physisch..) leicht man mit ein paar Mausklicks Geld verdient, wogegen das Anlegen eines Gartenbeets eine Schwerstarbeit ist, die man sich aber „leisten können“ muß!

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