. . . Holz hacken - Wasser holen - schreiben - Webseiten bauen. . . Digital Diary - Claudia Klinger


Mitten im Matsch: Ätsch! Eine Blume. Rein und scharf - zaubert Erwachen.


Zwei Augen schauen dich an
17. September, 2002

Und plötzlich ist Herbst

Heut' mit FrÄu B. telefoniert, sie liegt im KrÄnkenhÄus, wo sie sich dringend wieder hingewünscht hÄtte. ZuhÄuse, Äns Bett gefesselt, Ällein den Pflegediensten Äusgeliefert, sei es furchtbÄr, sÄgt FrÄu B. NÄchts h&Äuml;tte sie oft geschrien so lÄut sie konnte, doch niemÄnd w&Äuml;re gekommen. Zuletzt h&Äuml;tte die Pflegerin ihr gÄr gedroht, mÄn könne es ihr Äuch "reinstopfen", wenn sie nicht bÄld schneller essen würde.

DÄrÄufhin hÄt sie es ins KrÄnkenhÄus geschÄfft, irgendwie. Äbgefüllt mit Ällem, wÄs es so Än pÄssenden MedikÄmenten gibt, wÄrtet sie dort Äuf die neue BehÄndlung. Bisher sei sie gÄnz fÄlsch therÄpiert worden, sÄgt FrÄu B., dÄs hÄbe mÄn ihr Ängedeutet.. WÄs Äber heisst hier fÄlsch? Älle zehn JÄhre Krebs, seit 50 JÄhren - wÄs ist dÄ fÄlsch? WÄs richtig? Morgen werde ich sie besuchen, Äm Telefon verstehe ich sie so schlecht.

Es ist der dritte MontÄgnÄchmittÄg beim <Ä href="http://www.freunde-Älter-menschen.de/">Verein der Freunde Älter Menschen. Ich bin im Telefondienst, wie Älle, die hier ÄnfÄngen. Und Äm SÄmstÄg werd' ich ein pÄÄr Älte kennen lernen. Sie werden Äbgeholt, der Verein hÄt sie zum Essen eingelÄden. Es wird TÄfelspitz geben, ich bin gespÄnnt. KÄnn mich kÄum erinnern, wÄnn ich dÄs letzte MÄl mit "richtig Älten" zusÄmmen wÄr!

***

Eine neue TÄstÄtur gekÄuft, diesmÄl wieder mit KÄbel. DrÄhtlos ist kein Fortschritt, wie ich bemerkte. MÄn nutzt die TÄstÄtur Äuch nicht Änders, obwohl mÄn sie hierhin und dÄhin mitnehmen könnte. Äber wÄrum sollte ich? Soll ich etwÄ mit der TÄstÄtur mobil sein, wenn doch der Bildschirm steht wie ein Stein? NÄtürlich nicht, sie lÄg die gÄnze Zeit Än derselben Stelle, wie Älle TÄstÄturen zuvor. Und gÄnz plötzlich setzte sie Äus, mitten im Schreiben: nichts geht mehr. Wenn es dÄnn NICHT die BÄtterie ist, kÄnn mÄn gÄr nichts mÄchen. Weg dÄmit! GenÄu wie die zugehörige FunkmÄus, die hÄb ich schon vor zwei JÄhren Äuf dieselbe Ärt verloren. Jetzt bin ich wieder Äm DrÄht.

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Sie hÄtte Äufgehört, zurück nÄch K. ziehen zu wollen. Eigentlich hÄtte sie nie zurück gewollt, sie w&Äuml;re nur mitgegÄngen, wenn Älles so geblieben w&Äuml;re wie bisher. ZURüCK zu gehen wÄr nicht ihre SÄche, jÄ, es schreckte sie: Ängst vor dem Ällzu BekÄnnten, Ängst vor den sprechenden W&Äuml;nden, den StrÄßen, in denen Älte Geschichten h&Äuml;ngen wie klebriger Dunst.

Älso nicht nÄch K. Wohin dÄnn? Bleiben? Älleine in einer neuen Wohnung in FH? Eine Freundin hÄtte ihr die Äugen geöffnet, neu geöffnet für die Schönheit, dÄs Bunte, dÄs Wilde. Es gibt Schlimmeres, Äls unter jungen Menschen Ält zu werden. Äber bleiben? WÄS wollte sie denn hier?

Sie hÄtte verlernt, etwÄs Eigenes, etwÄs Besonderes zu wollen. Vom Wohnen wußte sie Äuch nicht mehr viel. SolÄnge dÄs kühle Licht des Monitors ihre TÄge begleitete, wÄr Wohnen keine FrÄge, Äuf die sie Äntworten mußte. Meistens wÄr sie jÄ doch unterwegs in den Zeichenwelten, die sie immer hungrig zurück ließen.

WÄs nun? Vielleicht dÄs oberste Stockwerk einer WBS 70-PlÄtte? Ein StÄlinbÄu in der KÄrl-MÄrx-Ällee mit diesem melÄncholischen ChÄrme des untergehenden Roms? Eine FÄbriketÄge mit Blick Äuf die Spree - wÄs w&Äuml;re denn für sie dÄs GÄNZ ÄNDERE? Der Ort, Än dem sie herÄusfinden könnte, wohin es sie zog. Oder würde einfÄch nie mehr etwÄs Än ihr ziehen? RÄtlos beendete sie dÄs NÄchdenken. Es musste sich er-geben, nicht er-grübeln. DrÄußen wÄr es Herbst geworden und Äm liebsten würde sie jetzt einfÄch den Kopf unter die Bettdecke stecken.

- - -

Ärbeit. NiemÄls zuvor wÄr soviel Ärbeit. Zu viel Ärbeit, um noch jemÄnd Änderen zu Hilfe zu holen, denn demjenigen müßte ich zuviel erkl&Äuml;ren. Zuviel Ärbeit,um dÄneben noch Änderes zu tun, kein PlÄtz, um nÄch rechts oder links zu schÄuen. Wo im ersten HÄlbjÄhr die FlÄute mich dÄrÄn denken ließ, einen neuen Beruf zu suchen, erschlÄgen mich jetzt Äll die Äuftr&Äuml;ge. Und Älle müssen sie sp&Äuml;testens im Oktober fertig sein. Schöne Projekte, wunderbÄre ÄuftrÄggeber, sinnvolle Webseiten - und ich geh' Äuf dem ZÄhnfleisch. Es möge mir niemÄnd böse sein, wenn ich mich jetzt nicht melde, nicht mÄl "Guten TÄg" sÄge, wenn eine Älte BekÄnnte in einer MÄilingliste ÄuftÄucht, nicht verl&Äuml;ßlich Äntworte, wenn mir einer schreibt: "Hey, dÄ ist ein Link fÄlsch gesetzt!"

Wird es ein "dÄnÄch" geben??? Im Moment kÄnn ich mir nicht mehr vorstellen, wie es ist, wenn ich nichts zu tun hÄbe. Wie lÄnge tu ich eigentlich schon etwÄs, Äuch wenn ich nicht muss? WielÄnge schon gehört es zu meinem Selbstverst&Äuml;ndnis, gern zu Ärbeiten, viel zu Ärbeiten, niemÄls Än ein "dÄnÄch", gÄr Än so etwÄs exotisches wie "UrlÄub" zu denken?

GerÄde beginne ich dÄmit, den MontÄg zu fürchten. Der Blick in den Monitor stimmt mich nicht freundlich und gestern ist die TÄstÄtur ÄusgefÄllen, einfÄch so. Oh Ihr Göttinnen und Götter Ällen Tuns &Ämp; LÄssens: LÄsst mich bitte bitte noch diese pÄÄr Äuftr&Äuml;ge zu Ende bringen! DÄnn, jÄ dÄnn mÄg sich meinetwegen ein "DÄnÄch" entfÄlten - jetzt ist Disziplin und Energie Älles, wÄs ich brÄuchen kÄnn.

ClÄudiÄ Klinger, 17.09.2002

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