Claudia am 14. Juni 2025 — 6 Kommentare

Kunst ohne Seele: Was bleibt, wenn KI alles erschafft?

Obwohl ich mir vorgenommen hatte, dass der nächste Diary-Artikel nicht wieder von KI handeln sollte, kann ich nicht anders. Immerhin wird es kein langer Text, sondern nur ein Hinweis auf ein Video, das mich schwer beeindruckt hat. Selten gelingt es jemandem, mich 50 lange Minuten so zu fesseln – aber Josh („JT Bundy“) hat es geschafft: In seinem leidenschaftlichen Video-Essay „Das Ende von Film, Kunst und vielleicht der Menschheit“ zeigt er, wie generative KI menschliche Kreativität bedroht.

Auch wenn ich nicht gleich die Menschheit in Gefahr sehe, und selbst (noch) nicht zu den von KI betroffenen Kreativen gehöre, hat mich seine Argumentation erneut ins Grübeln gebracht. Mit eindrucksvollen Beispielen aus der Filmgeschichte, persönlichen Anekdoten, vorgetragen mit viel Engagement und Herzblut, nimmt Josh uns mit auf eine Reise durch die aktuellen Herausforderungen der digitalen Kreativwelt. Es geht ihm um nichts Geringeres als die Seele menschlicher Kreativität, die er in Gefahr sieht, denn „KI ist kein Werkzeug. Sie hilft nicht, sie ersetzt„.

Dass es ein deutschsprachiges Video ist, hat dazu beigetragen, dass ich – ohne Ablenkungen durch Verständnisfehler oder Untertitel – fasziniert drangeblieben bin.

Sehr nachdenkenswert finde ich seine Ausführungen zum Wert schöpferischer Werke, die er auf jeglichen Wert menschlicher Leistungen ausweitet: Der wahre Wert von Kunst und kreativen Werken liege nicht im Endprodukt selbst, sondern in der Hingabe und dem persönlichen Wachstum, die in den Schaffensprozess einfließen. Auch in anderen Lebensbereichen seien es die menschlichen Erfahrungen – die Anstrengungen, das Lernen, das Scheitern, das Überwinden von Hürden –, die Dingen und Erfolgen Bedeutung verleihen.

Wenn KI diesen Prozess ersetzt und scheinbar mühelos perfekte Ergebnisse liefert, verlieren nicht nur Kunstwerke, sondern auch viele andere menschliche Leistungen ihren Wert. Was ist denn dann noch „der Mühe wert“? Und: was bleibt von unserer Kultur, wenn alles, was uns ausmacht – unser Streben, unsere Kreativität, unser Scheitern und unser Erfolg – plötzlich beliebig reproduzierbar wird?

Tja, jetzt ist es doch ein bisschen länger geworden. :-)

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Diskussion

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6 Kommentare zu „Kunst ohne Seele: Was bleibt, wenn KI alles erschafft?“.

  1. […] Danke, Claudia. […]

  2. Ki kann keine „Materiebilder“ wie Anselm Kiefer schaffen. Höchstens Abbilder davon.
    Aber ich habe schon Künstlerinnen klagen gehört. Der normale Schaffensprozess eines Künstlers ist es, durch „Versuch und Irrtum“ zu einem ihn überzeugenden Werk zu gelangen. Dafür braucht es zum Teil Wochen und Monate.
    Ich hörte mal, wie einem Keramiker zu einem Stück von ihm die Frage gestellt wurde: „Wie lange haben sie dazu gebraucht?!“
    Die Antwort: „7 Jahre“.
    Mir fällt auch Kafka ein, der sein Werk nicht veröffentlichen sehen wollte: Es war ihm nicht perfekt genug. Dieses Mitschwingen des Autors zwischen den Zeilen, das kann KI bestenfalls imitieren.

  3. Sehr eindrucksvoll. Ich mache mir viele Gedanken über das Thema. Hier kamen spezifische Aspekte hinzu, die darüber in ihrer Tiefe nochmals weit hinausgegangen sind. Wenn ich an den Fotobereich denke und die dort längst normal gewordene Nutzung von KI-generierten Inhalten, könnte ich auf Ideen kommen. Aber dann kann ich meine Fotos ja gar nicht mehr „verbessern“, gehts mir durch den Kopf. Wenn ich mir die Anzahl von Meisterwerken allein bei Insta oder Flickr ansehe, glaube ich, der Trend ist unumkehrbar. Ich kann nicht glauben, dass plötzlich alle so tolle Fotografen geworden sind. Aber vielleicht übertreibe ich auch nur – aus Neid.

  4. […] nun? Die Künstliche Intelligenz marschiert. Still, effizient, tiefgreifend. Chatbots schreiben Gedichte, Bildgeneratoren schaffen Kunstwerke, […]

  5. @Claudia:
    Das ist ein wirklich sehenswertes, kurzweiliges, interessantes und gut gemachtes Video!

    „Wir neigen dazu, die Auswirkungen einer Technologie kurzfristig zu überschätzen und die Auswirkungen langfristig zu unterschätzen.“ (Amara’s Law, benannt nach dem Informatiker Roy Amara).

    Ich denke, diese Regel trifft bei KI als Technologie besonders zu. Ich habe natürlich auch keine gut funktionierende Glaskugel, aber in dem von dir verlinkten Video von Josh werden die kurzfristigen Auswirkungen von KI meiner Ansicht nach zu dramatisch und dystopisch skizziert. KI wird langfristig die Welt (auch die gesamte Kreativ-Szene) radikal verändern – so wie der PC, das Web, das Smartphone in der jüngeren Vergangenheit. Davon bin ich überzeugt.
    Ob KI wirklich kein kreatives Werkzeug sein kann, mit dem talentierte Künstler kreative Werke „mit Seele“ schaffen können, lass ich mal offen. Ich denke, da müssen wir abwarten und beobachten, was in den nächsten Jahren so kommt (auf Plattformen wie YouTube, in der Werbung, im Kino usw.).

  6. @Günter, ich denke, da ginge eine ganze Künstlerepoche zuende.
    Ein berühmter Film zeigte Richter, wie er mit einem falschen Strich ein Werk “ versaute“, weil er in seiner Konzentration gestört wurde. Solche Störungen kennt Ki natürlich nicht. Aber schon vor 20 Jahren konnte man in Musikstücken Random- Spielfehler einbauen, das machte ein Musikstück authentisch. Das kann man natürlich auch in KI-Art.
    Insgesamt macht mir der Fortschritt von KI keine Freude, es sei denn, man könnte dahingelangen, solche Produkte klar ausweisen zu können. Vielleicht ginge somit dann der Zauber etwas verloren.
    Wenn ausgewiesen würde, dass ein Schauspieler klar eine bestimmte Sequenz selbst präzis gespiel hat, bekäme er mehr Hochachtung als je zuvor.
    Es kann aber durchaus sein, dass eine präzise schauspielerische Leistung zukünftig ihren Ursprung in einem Ki- Vorbild findet.

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