Claudia am 22. Februar 2023 —

Vom Fasten in der Diät-Gesellschaft

Ein bisschen absurd wirkt es durchaus: Seit Aschermittwoch wird das Thema „Fasten“ medial so richtig hoch gekocht, obwohl der Kampf gegen Übergewicht, die Suche nach gesünderer Ernährung, die Apelle im Stil „weniger ist mehr“ und „weg vom Fleisch“ sowieso ganzjährig mit einiger Vehemenz ausgespielt werden.

Na gut, wenn’s nun mal so ist: Vielleicht trägt die Vermutung, nun nicht mehr alleine Verzicht zu üben, zum besseren Gelingen bei, zumindest für eine Weile, die jetzt „Fastenzeit“ heißt. Wer jetzt einwerfen möchte, Fasten und Diäten sei doch nicht dasselbe und „Diät“ nicht mit einer „richtigen“ gesunden Nahrungsumstellung zu vergleichen, hat einerseits recht: Es ist nicht dasselbe, ABER es umfasst doch in allen Varianten Verzicht: Verzicht auf das Gewohnte, das „normale“ Genießen – und insofern ist es doch vergleichbar.

Spirituelles Fasten

Der Unterschied soll in der Motivation liegen: Beim Fasten zur Fastenzeit geht es um die spirituelle Dimension des Verzichts. Das Abstand nehmen von ganz gewöhnlichen Genussgewohnheiten und Süchten soll eine Verinnerung bewirken: Zu sich kommen, das Wesentliche im Leben wieder wahrnehmen, anstatt jegliche Momente der Besinnung mit Essen, Trinken, Streamen, TV und Social Media zuzuschütten. Der nebenbei eintretende Gewichtsverlust ist quasi nur ein Kollateralnutzen! :-)

Wie ich auf Twitter lese, stoßen sich einige an den religiösen Ursprüngen des Fastens, das von der katholischen Kirche in ganz besonderer Weise ritualisiert wurde. Ich denke mir dazu jedes Jahr: Das Fasten zwischen Aschermittwoch und Ostern ist „ursprünglich“ auch nur die religiöse Überhöhung einer Not, die in früheren, agrarischen Gesellschaften um diese Zeit eintrat: Die Ernte vom Vorjahr aufgebraucht, das Schwein zur Weihnachtszeit geschlachtet, die eingemachten Vorräte schwindend – Schmalhans war Küchenmeister, wie man früher sagte. Da kommt ein „spirituelles Motiv“ gerade recht, um nicht in Trübsaal zu verfallen!

Heute leben wir jedoch inmitten des Überflusses und haben ständig Zugriff auf Nahrungsmittel aus aller Welt. Selbst Armutsbetroffene bringen einiges an Übergewicht auf die Waage, wogegen Besserverdiener (z.B. Manager) heute schlanker sind, weil sie sich gesünderes Essen, Fitness-Center, Beratung und Unterstützung leisten können (natürlich immer nur im Durchschnitt, nicht alle!). Wo aber der Kampf gegen das Übergewicht in all seinen Facetten sowieso ganzjährig eine Rolle spielt, ist es schwer bis unmöglich, nun in der Fastenzeit auf „spirituell motivierten Verzicht“ umzusteigen, zumindest soweit es die Ernährung betrifft. „Medienfasten“ ist dann z.B. ein Mittel der Wahl – das wäre jedenfalls meine Methode, wollte ich da mitmachen.

Will ich das? Angesagt wäre es, schließlich bleiben hier viele Vorhaben liegen, die ein Agieren in der physischen Welt erfordern: Wohnung weiter ausmisten, aufräumen, putzen, die Spüle in der Küche sanieren, täglich fünf bis acht Kilometer laufen (zügig gehen!) – und natürlich auch im Garten die neue Saison vorbereiten, soweit es das Wetter erlaubt.

Spirituelle Motive sind das nicht wirklich? Stimmt! Aber ich nehme halt mit, was geht. Zwanghaftes „Verinnern“ klappt bei mir sowieso nicht. Vielleicht weil ich schon lange „zu mir gekommen“ bin und gerne auch wieder von mir weg gehe: nach draußen, ins reale Leben.

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