Claudia am 09. Mai 2000 —

Geschlechterkampf

Im TV schau ich mir gerade noch die Tagesschau und ab und an einen Fernsehkrimi an: Tatort, Polizeiruf, K3 etc.. In jedem einzelnen Film fällt mir auf, dass ihr gesellschaftliches Hauptthema – neben der eigentlichen Krimihandlung – das Geschlechterverhältnis ist. Und zwar aus der Sicht von Männern zwischen 40 und 60, die stets und ständig mit fähigen erfolgreichen Frauen konfrontiert werden und auf unterschiedliche Weise daran kranken, mal mehr, mal weniger humorig dargestellt. Frauen als Kommisarinnen, Staatsanwältinnen, Sonderkommisionsleiterinnen, Ausbilderinnen, Gerichtsmedizinerinnen – und Frauen in der Wirtschaft, an Top-Positionen, souveräne Frauen mit vielen Fähigkeiten, die, wenn sie denn mal in die Rolle der Verfolgten geraten, den Täter letztlich selber erledigen – der retten-wollende Mann kommt immer zu spät. Die Heldenrolle ist – für Männer – passé, zumindest im deutschen Fernsehkrimi.

Was da gezeigt wird, entspricht nicht der Realität. Keineswegs sind die Top-Positionen überall von Frauen besetzt oder auch nur gleich verteilt. Dass es in den Krimiwelten so dargestellt wird, bedeutet, daß sich Männer dieser Altersgruppe sehr stark mit den geänderten Verhältnissen auseinandersetzen. Offensichtlich erleiden sie einen Identitätsverlust, wenn Frauen heute ganz selbstverständlich viele Funktionen einnehmen, die dereinst dem „starken Geschlecht“ vorbehalten waren und damit offensichtlich sogar gut zurecht kommen. Jetzt, lange nach dem großen Schlagabtausch durch die Frauenbewegung (70er/80er-Jahre), kommt das wirklich zum Tragen, jetzt finden sich selbständige und selbstbewußte Frauen überall im Real Life, und nicht mehr im Bereich der Parolen, Forderungen, Vorwürfe, der Propaganda. Und mehr noch: die ehemals so stützende intellektuelle Solidarität in männerbündlerischen Verhaltensweisen ist nicht mehr Mainstream. Kein Mann kann mehr sicher sein, sich augenzwinkernd mit anderen Männern darum herumdrücken zu können, Frauen ernst zu nehmen.

Ich kann mir vorstellen, daß das nicht einfach ist. Und keinesfalls sind die aktuellen Schwierigkeiten dieser Männer nur Ausdruck von Konkurrenzverhalten, von Neid und Eifersucht auf zunehmende Erfolge des anderen Geschlechts, also bloße Besitzstandswahrung. Nein, die innere Ökonomie ist gestört, in die sie (anders als viele Jüngere) noch hineinsozialisiert wurden: Frau ist für das Innere zuständig, Mann für das Äußere. Eine Frau, die genauso „in der Welt“ lebt, wie früher nur Männer, steht nicht mehr als „das ganz Andere“ für den Ausgleich der Psyche zur Verfügung. Ja, sie braucht sogar selber diesen Ausgleich, den früher nur Frauen den Männern geben konnten, wie umgekehrt die Werte des Äußeren (Geld, Arbeit, Erfolg, Ruhm) nur von Männern kamen.

Frauen sind hier im Vorteil. Wenn sie mit ihren Männern nicht zurecht kommen, gibt es noch die anderen Frauen. Es ist für frau kein Problem, einer anderen ihr Herz auszuschütten, sich schwach zu zeigen – aber welcher Mann könnte sich das bei anderen Männern erlauben? Sie stehen also wirklich auf dem Schlauch und registrieren mit Grausen, daß auch der intimste Liebesdialog mit einer Frau nicht mehr bedeutet, dass sie alle eigenen Gedanken und Interessen „für ihn“ vergißt oder zurückstellt. Wie soll er sich also für den täglichen Kampf „da draußen“ regenerieren?

Immerhin trägt er nicht mehr alleine die Last der Welt. Ist nicht mehr gefordert, wegen der Verantwortung für andere, die sich nicht selbst durchbringen können, da draußen Rädchen im Getriebe oder erfolgreiche Kampfmaschine zu sein. Wenn er es doch noch tut, ist es sein persönlicher Spaß – und dessen sollte er sich gewahr werden. Eine schlichte Kosten-Nutzen-Rechnung bezüglich Karriere, Aufstieg, Erfolg, Gehaltserhöhung, Ruhm & Ehre ist oft ganz dienlich. Manche Menschen – Frauen und Männer – können das als lockeres Spiel betreiben, viele bringen sich aber auch damit um, verlieren sich selbst und alle konkrete Freude am Leben. Die „erotische Beziehung zum Kontoauszug“ tritt die beherrschende Stellung an, eine Form von Sterben auf Raten.

Die Alternative ist das Interesse für sich selbst – nicht als „Objekt“, das innen wie außen möglichst verwertbar und kompatibel zu stylen wäre (beginnend mit Bodybuilding bis hin zu „Positiv thinking“), sondern in einer eher forscherischen Art: Was tut mit gut? Wo ist meine Lust? Was macht mir – by doing, nicht „in der Zukunft“ – Freude? Aber auch der Blick auf das Gefürchtete gehört dazu: Was macht Angst? WIE geht sie wieder vorbei?

Mir tut leid, wie es geworden ist. Die Krimi-Männer haben mein Mitgefühl – sind es doch auch „meine Männer“, die von der letzten Welle des Geschlechterkampfes kalt erwischt wurden. Nicht, weil sie schlimmer gewesen wären, als Männer (und Frauen) vorher oder nachher, sondern weil sie „zufällig“ gerade da waren, zu dieser konkreten Zeit, als die Frauen sich bewegten. Gegenüber dieser Bewegung, die alle Geschlechterbeziehungen meiner Generation durchdrungen hat, gingen sie spontan in Abwehrhaltung oder in den vorauseilenden Gehorsam, reagierten also, anstatt sich auf sich zu besinnen. Nun ist der Kampf nicht mehr Thema Nr.1, die Erfolge der Frauen sind konkrete Realität, mann muß im Alltag damit leben, nicht nur „sich in einer Diskussion positionieren“. Im Grunde müssen sie sich auch bewegen, weit hinein ins Unbekannte (wie wir es schließlich auch gemacht haben!). Doch das ist zwischen 40 und 60 nicht mehr ganz easy, ich weiß.

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