Claudia am 13. September 2015 —

Die Krautreporter machen dicht

Vor dem Start ins zweite Jahr der Leser-finanzierten Krautreporter verkünden die Macher:

Liebe Krautreporter-Mitglieder,
am 15. Oktober beginnt das zweite Krautreporter-Jahr. Schon heute wollen wir euch auf eine wichtige Änderung aufmerksam machen: Nur Krautreporter-Mitglieder können in Zukunft unsere Beiträge lesen. Mitglieder können unsere Beiträge aber verschenken, indem sie diese für ihre Freunde und Follower freischalten.

krautreporter-webseiteWas für eine Wende! Ich hatte das Experiment im ersten Jahr unterstützt, gerade weil ich das Konzept „einige zahlen, alle dürfen lesen“ toll fand. Was folgte, waren gelegentlich ganz annehmbare Artikel, aber nichts, was mich vom Hocker gerissen hätte. Und ein mutwillig „selbst gestricktes“ Content Management System, das von allem krass abweicht, was sich im Web „rund um Artikel“ und Kommentargespräche als ergonomisch und sinnvoll erwiesen hat.

Mit einem entsprechend gestalteten WordPress hätte man es besser und bei weitem billiger machen können, aber in diesem Punkt blieben die Macher bis heute beratungsresistent – trotz vieler konstruktiver Kritik im Detail, die Mitglieder und andere Leser immer wieder vorbrachten.

Und nun die Abschottung, unterfüttert vom Glauben, die Mitglieder würden in Zukunft für die Verbreitung von Artikeln schon sorgen:

Wer eingeloggt ist und einen Link per Mail, Facebook, Twitter oder auf andere Art und Weise teilt, macht den Beitrag für andere zugänglich. Freigeschaltete Links bleiben für 48 Stunden gültig.
Warum diese Änderung? Erstens ist es fairer. Viele Mitglieder haben uns im Lauf des vergangenen Jahres gefragt, warum sie für etwas zahlen sollen, was andere kostenlos erhalten. Dieses „Trittbrettfahrerproblem“(collective action problem) lösen wir. Zweitens: Wir wollen weiter wachsen. Um attraktiv für neue Mitglieder zu sein, wollen wir euch mehr bieten als unsere E-Books, Podcasts, Events und das Recht mitzureden. Der Zugang zu unseren Geschichten soll in Zukunft das wichtigste Privileg sein.

Wo bitte ist das ein MEHR gegenüber dem bisherigen Zustand? Habe ich MEHR, wenn ich weiß, dass Andere jetzt WENIGER haben? Das ist eine Argumentation, die auf Geiz & Missgunst setzt. Mag sein, dass es einige gibt, die so denken, aber ein Mitglied schrieb dazu sehr richtig:

„Das Trittbrettfahrerargument kaufe ich Euch nicht wirklich ab, das war bisher noch nie ein Thema, nicht auf KR, nicht im Forum, nicht auf Twitter, nicht in Blogs.“

Und tschüss, Krautreporter!

Dass die Krautreporter gerade den Ast absägen, auf dem sie – noch – sitzen, wird in den Kommentaren zur Verkündigung der Paywall deutlich: Massenhaft steigen Mitglieder aus und Menschen, die noch überlegten, das 2.Jahr mitzufinanzieren, wenden sich ab. Vor allem wegen der Paywall, doch bei der Gelegenheit kommt auch all die Kritik nochmal auf den Tisch, die von den Machern des „Experiments“ schlicht ignoriert wurde. Kann man m.E. machen, wenn man von Anzeigenkunden finanziert wird, nicht aber bei einem Projekt, das von seinen Mitgliedern am Leben gehalten wird.

Meinen Kommentar auf Krautreporter
bilde ich hier ab, zur Erinnerung an meinen Abschied:

Ich hatte nicht verlängert, doch in letzter Zeit gelegentlich drüber nachgedacht, es doch noch zu tun. Diese Enscheidung macht für mich die Dinge klar: in einem Closed Club will ich nicht dabei sein – ein neuer Hauptgrund neben der unsäglichen Technik und der Weigerung, diese in Richtung allgemein üblicher Ergonomie (z.B. 1 Artikel = eine Seite) zu verändern.
Wäre die Entscheidung in die andere Richtung gegangen: Alle dürfen auch die Kommentare lesen, aber nur Mitglieder selber kommentieren – ja dann hätte ich sofort verlängert! Denn ich kommentiere auch sonst nicht, um nur die Autoren oder die paar Anderen im Thread anzusprechen, sondern schreibe für die von einem Medium bzw. Artikel generierte ÖFFENTLICHKEIT.

Hier zu kommentieren ist sowieso die reine Qual: Das „alles-auf-einer-Seite-Konzept“ macht es mühsam und umständlich, einem Kommentargespräch zu folgen und mehrfach zu kommentieren. Bis man das wieder findet und richtig aufgeklappt hat… von Links zu Kommentaren, wie sie jedes kleine Blog bietet, ganz zu schweigen! (Hier gibts ja nicht mal einen Link zum KR-Forum, nicht mal im Mitgliederbereich…).

Nun also die Abschottung mit der irren Hoffnung, mittels Links, deren Ziel binnen 48 Stunden verschwindet, wäre in Sachen Öffentlichkeit noch was zu löten! In Suchmaschinen kommt Krautreporter dann gar nicht mehr vor, Zitate mit Quellenverlinkung in Blogs gehen dann auch nicht mehr – und auf Twitter und FB werden User verärgert, die von alledem nichts wissen, aber 2 Tage zu spät auf die Links klicken, die ins Leere führen…

Wie man nur auf die Idee kommen kann, das könnte zukunftsfähig sein, ist mir schleierhaft!

Mehr zum Thema:

Warum jede Paywall dem Internet weh tut #krautreporter ;

Krautreporter – Entscheidung gefallen,

reporter.de: Liebe Krautreporter-Mitglieder – wirres.net

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