Claudia am 20. August 2013 —

Systemkrise: Neue Schuldner dringend gesucht!

Bekommt Ihr auch vermehrt Mails dieser Art:

„…nach eingehender Prüfung freuen wir uns Ihnen mitteilen zu können, dass Sie bei uns eine Mastercard, ohne Schufa Überprüfung, erhalten können. Dazu stellen wir Ihnen auf Wunsch einen Kreditrahmen bis zu 5.000 Euro zur Verfügung. Das alles ohne aufwendige Schufa-Anfrage und absolut Pfändungssicher!“

Natürlich klicke ich nicht auf die Links in solchen Mails und denke auch nicht ernsthaft daran – mal angenommen, die Versprechen stimmen – mich zu verschulden. Doch immerhin weiß ich von einem Freund, dass es tatsächlich leicht ist, binnen weniger Stunden per Internet an Kredite über X-tausend Euro zu kommen – und zwar ohne besondere Sicherheiten und mit bereits laufenden Krediten. Auch als Selbständiger und nicht mal zu Wucherzinsen.

Für mich ist das eines von mehreren Symptomen, dass es an der Finanzfront wirklich eng wird. Das System braucht neue Schuldner, doch die Staaten sparen, die Unternehmen halten sich ebenfalls zurück und viele potenzielle Konsumenten in den USA und Europa sind zu verarmt, um Konsum und Kreditaufnahme zu steigern. Die Zentralbanken halten die Zinsen (mit immer weniger Erfolg) auf niedrigst-Niveau, damit die Staaten nicht an ihren Schuldendiensten kollabieren, was wiederum etliche andere „systemisch wichtige“ Strukturen in heftige Bedrängnis bringt – nämlich Sparer und Versicherer, Rentenfonds und alle, die mittels normaler Zinsen ihre Zukunft sichern wollten.

Die Aktienblase scheint auch täglich vor dem Platzen zu stehen, wenn schon Soros darauf wettet und die ZEIT ONLINE schreibt:

„Das Ganze erweckt den Eindruck, dass die Notenbanken mit ihrem Latein am Ende sind. Sie wollen die Wirtschaft durch Anreize zum Schuldenmachen wieder in Schwung bringen. Das aber ist nicht leicht, wenn für so wichtige Akteure wie den Staat oder überschuldete Haushalte das genaue Gegenteil Priorität hat. Die Situation ähnelt dem Sprichwort: Die Pferde werden zur Tränke geführt, aber sie saufen nicht.“

Tja, so siehts aus. Man könnte denken, das gehe uns alles nicht viel an, sofern wir keine Anleger sind, die Sorgen des „Not-leidenden Kapitals“ also nicht teilen. Leider bleibt „das Kapital“ beim Sorgen machen nicht stehen, sondern flieht in die Sachwerte, spekuliert auf Rohstoff- und Lebensmittelpreise, kauft Immobilien und Ackerland auf, so dass die Mieten steigen und sich kein normaler Bauer noch einen weiteren Acker leisten kann. Und natürlich sollen die Löhne (noch)weiter nach unten gedrückt werden, wie gerade im Einzelhandel-Tarifstreit deutlich wird. Arbeiten „on demand“ zu Hungerlöhnen wird als neue Normalität aufgezwungen, wo sie nicht freiwillig als unumgänglich bzw. legitimer Preis für die „Selbstverwirklichung in der Arbeit“ angesehen wird.

Ich wundere mich oft, wie verschieden die Wahrnehmungswirklichkeiten sind, die ich täglich per Medien mitbekomme: Wahlkampf in Zeiten der Alternativlosigkeit, Finanzkrise, Eurokrise (=auf nach der Wahl vertagt), Überwachungsskandale, Abbau des Rechtsstaats, Netzpolitik am Ende und die gefühlt ewige, vergleichsweise gemütliche Debatte über die Zukunft der Zeitungen.

Und dann klicke ich weiter und schreibe im Gartenblog über die Brombeerernte. Weil: mir geht’s ja noch ganz gut!

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Grade nochmal Mail gecheckt:

„Guten Tag, Falls Sie Geld benötigen aus welchen Gründen auch immer bieten wir Ihnen Kredite zu guten Konditionen an bis zu 100 000 Euro. Auch ohne Schufa!“

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