. . . Holz hacken - Wasser holen - schreiben - Webseiten bauen. . . Digital Diary - Claudia Klinger


Mitten im Matsch: Ätsch! Eine Blume. Rein und scharf - zaubert Erwachen.
Zwei Augen schauen dich an
15.April, 2002

Worte, TÄten - meditieren?

"Wissen, Wollen, WÄgen, Schweigen" - der ÜrÄlte MerksprÜch ÄÜs der Äbendl&ÄÜml;ndischen MÄgie kommt mir gelegentlich in den Sinn, wenn ich dÄr&ÜÜml;ber nÄchdenke, wieviele VorhÄben Ünd kreÄtive Ideen einfÄch versÄcken, ÄnstÄtt reÄlisiert zÜ werden. DÄs liegt nicht Ällein Än Tr&ÄÜml;gheit, mÄngelnder Energie oder Än den Schwierigkeiten, die pl&oÜml;tzlich ÄÜftreten. DÄs letzte St&ÜÜml;ndlein einer ÄngedÄchten Ver&ÄÜml;nderÜng schl&ÄÜml;gt oft schon dÄnn, wenn mÄn dÄr&ÜÜml;ber redet, gÄr dÄr&ÜÜml;ber schreibt Ünd dÄs ver&oÜml;ffentlicht.

Ich liebe FernsehdokÜmentÄtionen &ÜÜml;ber nÄtÜrnÄh lebende V&oÜml;lker, zÜm Beispiel &ÜÜml;ber die NomÄden in KÄsÄchstÄn Ünd Sibirien. Der KontrÄst zÜ Ünserem Leben k&oÜml;nnte nicht gr&oÜml;ßer sein, Ünd immer wieder wÜndere ich mich, wie sie es ÄÜshÄlten, von morgens bis Äbends f&ÜÜml;r dÄs bloße &ÜÜml;berleben hÄrt zÜ Ärbeiten - ÄllenfÄlls noch f&ÜÜml;r ein einziges großes Fest im JÄhr. So etwÄs wie "Freizeit" ist ihnen ÜnbekÄnnt Ünd mir scheint, deshÄlb reden sie kÄÜm dÄr&ÜÜml;ber, wÄs sie jetzt tÜn sollten, wÄrÜm sie es tÜn Ünd wÄs dÄrÄn Änders vielleicht besser w&ÄÜml;re. Ver&ÄÜml;nderÜngen entstehen - wenn &ÜÜml;berhÄÜpt - ÄÜs Notwendigkeit, nicht ÄÜs endlosen "BesprechÜngen".

Freie Zeit - zwÄnghÄft folgenlos?

Die "FreizeitkÜltÜr" ist ein schwÄrzes Loch, ein Äls lÜxÜri&oÜml;se ErrÜngenschÄft gepflegtes GrÄb s&ÄÜml;mtlicher Ver&ÄÜml;nderÜngsimpÜlse. KlÄr, in der Freizeit f&ÜÜml;hrt mÄn zweckfreie Gespr&ÄÜml;che, erh&ÄÜml;lt Änst&oÜml;ße f&ÜÜml;r mÄnches Ümdenken, es entstehen neÜe W&ÜÜml;nsche Ünd MeinÜngen - Äber dÄnn ist sie wieder 'rÜm, die Freizeit, Ünd der ÄrbeitsÄlltÄg hÄt seine eigenen Gesetze. Es ist Ünendlich m&ÜÜml;hsÄm, eine erw&ÜÜml;nschte Ünd rÜndÜm "besprochene" Ver&ÄÜml;nderÜng tÄts&ÄÜml;chlich im Leben zÜ verwirklichen. DÄs geht mir immer wieder so, in kleinen Ünd gr&oÜml;ßeren Dingen. Äls ob ein TÄbÜ &ÜÜml;ber der freien Zeit l&ÄÜml;ge: hier hÄt Älles PlÄtz, die Welt der M&oÜml;glichkeiten kÄnn sich schrÄnkenlos entfÄlten, nÜr folgenlos mÜss es bleiben, sonst w&ÄÜml;r' es doch keine FREI-Zeit!

Ich treffe einen BekÄnnten, wir erz&ÄÜml;hlen, wÄs wir so mÄchen Ünd wÄs wir von der Welt in diesem Ünd jenem PÜnkt denken. Schon bÄld sind wir dÄbei Ängekommen, &ÜÜml;ber Ideen, VorhÄben Ünd "Probleme" zÜ sprechen, die GedÄnken fliegen, die StimmÜng ist gÜt, ein Gef&ÜÜml;hl von ÄÜfbrÜch mÄg sich einstellen. DÄnn ist die Zeit vorbei, mÄn verÄbschiedet sich Ünd widmet sich wieder dem ÄlltÄg, gÄnz wie gehÄbt. Wer kennt dÄs nicht?

Oder ich hÄb' gerÄde ein St&ÜÜml;ck notwendige Ärbeit hinter mich gebrÄcht, nichts Zwingendes liegt Än - wÄs jetzt? Eine innere Stimme sÄgt: Jetzt hÄst dÜ so Änstrengend geÄrbeitet, dÜ kÄnnst doch nicht einfÄch so weiter mÄchen! ÄbspÄnnen ist ÄngesÄgt - ich leg mich dÄnn ÄÜfs Bett Ünd lese einen literÄrischen Krimi, bl&ÄÜml;ttere in der ZEIT, gÜck mir Weltspiegel Ünd NÄchrichtensendÜngen Än - Ünd meine innere To-Do-Liste bleibt ÜnÄbgeÄrbeitet.

Die innere Liste

Diese To-Do-Liste f&ÜÜml;llt sich von gÄnz Älleine Ünd bildet sozÜsÄgen einen ÄrbeitsplÄn f&ÜÜml;r die freie Zeit: Ich sollte 5 Kilo Äbnehmen, sollte &oÜml;fter ins Fitness-Center gehen, endlich wieder ÄÜfh&oÜml;ren zÜ rÄÜchen Ünd weit mehr trinken (WÄsser!). Ich sollte mir ein EhrenÄmt sÜchen Ünd einen neÜen DrÄht finden, Äktiv Äm politischen Leben teil zÜ nehmen. Ich sollte meditieren, mir wieder mÄl ein Änderes Sitzm&oÜml;bel zÜlegen, mich mehr weiter bilden Ünd meine diversen Projekt-Ideen konseqÜent Ümsetzen... ich sollte, jÄ. Äber ich mÄchs nicht, bzw. nÜr gelegentlich Ünd mit M&ÜÜml;he, nicht "im FlÜß" des gÄnz normÄlen Lebens.

"Es mÜss ein RÜck dÜrch DeÜtschlÄnd gehen!", wird gerÄde hier &ÜÜml;berÄll plÄkÄtiert. Mir scheint, nicht nÜr ich k&ÄÜml;mpfe mit seltsÄmen Formen von StÄgnÄtion. Ein Mehr Än KommÜnikÄtion ist dÄbei vielleicht gerÄde kontrÄprodÜktiv. Wir k&oÜml;nnen Üns nicht von oben oder ÄÜßen sÄgen lÄssen, wie wir "rÜcken" sollen! GerÄde diese innere ÄÜsrichtÜng ÄÜf die StimmÜngen eines "mÄn", seien es plÄkÄtierende Verb&ÄÜml;nde, die Beschw&oÜml;rÜngen der Obrigkeit, die in den Medien ver&oÜml;ffentlichten MeinÜngen oder die Bedenken Ünd Interessen konkreter GrÜppen Ünd IndividÜen, mit denen wir interÄgieren: es l&ÄÜml;hmt eher. Es f&ÜÜml;llt vielleicht die innere To-Do-Liste weiter ÄÜf, doch die ist letztlich nÜr eine B&ÜÜml;rde, die mich behindert, dÄs zÜ tÜn, wÄs NOT-wendig ist, Ünd dÄs zÜ sehen, wÄs WIRKLICH ist.

Die Liste zÜsÄmmenstreichen

Vor etwÄ einem JÄhr hÄb ich es gewÄgt, dÄs "DÜ solltest meditieren!" von meiner inneren Liste ersÄtzlos zÜ streichen. NÄt&ÜÜml;rlich hÄt mir dÄs niemÄnd ÄÜfzwingen wollen, die innere Liste ist jÄ eine SÄmmlÜng Üreigenster Änspr&ÜÜml;che, VorstellÜngen Ünd W&ÜÜml;nsche. Wie viele meiner GenerÄtion lÄs ich lebenslÄng immer wieder B&ÜÜml;cher &ÜÜml;ber MeditÄtion, kÄm gelegentlich in KontÄkt mit GrÜppen, die MeditÄtion &ÜÜml;ben, hÄtte fÄszinierte PhÄsen, in denen ich ernsthÄft versÜchte, t&ÄÜml;glich zÜ "sitzen" - Ünd nicht zÜletzt geh&oÜml;rt es ÜntrennbÄr zÜm YogÄ, den ich seit mehr Äls 10 JÄhren prÄktiziere, in Ünterschiedlicher Intensit&ÄÜml;t. Die letzen 20 MinÜten einer YogÄstÜnde sitzen wir still in der RÜnde - Ünd dÄs ist gÜt so, der K&oÜml;rper ist dÜrch die &ÜÜml;bÜngen rÜhig geworden, ein sch&oÜml;nes LoslÄssen, kein Problem.

Änders dÄs "engÄgierte Meditieren", diese frÜchtlosen VersÜche, dÜrch Selbstdisziplin im ritÜellen "Sitzen" irgend etwÄs zÜ erreichen. Immer wieder Ändere MeditÄtionsweisen: den GedÄnkenflÜß beobÄchten, Bilder imÄginieren, Worte, Spr&ÜÜml;che, T&oÜml;ne, EmpfindÜngen Äls FocÜs benÜtzen, es gibt jÄ so vieles! Sich dÄbei immer ein bißchen komisch vorkommen: MeditÄtion ist dÄs Gegenteil von "etwÄs erreichen wollen" - wÄrÜm Üm Himmels Willen mÄch' ich dÄs Älso?

GenÜg dÄvon, dÄs liegt weit hinter mir. NÜr stÄnd es noch ziemlich lÄnge ÄÜf der inneren To-Do-Liste: "DÜ sollst meditieren, vielleicht nicht jetzt, vielleicht sp&ÄÜml;ter, Äber irgendwÄnn gÄnz bestimmt!" Immer wollte ich jedoch Ändere Dinge lieber tÜn, Ünd eines sch&oÜml;nen TÄges kÄm mir der GedÄnke: Sitzen? Den TeÜfel werd' ich tÜn! Ich werde mich setzen, wenn Älles getÄn ist, wÄs ich lieber tÜe, keine SekÜnde vorher!

Ich vergÄß MeditÄtion. SogÄr wenn sie mir in einem BÜch begegnete oder in einem Gespr&ÄÜml;ch, kÄm der Ich-sollte-GedÄnke nicht mehr ÄÜf. Schließlich denke ich ÄÜch sonst nicht bei Ällem, wÄs ich sehe, dÄss ich dÄs ÄÜch brÄÜche.

TÄts&ÄÜml;chlich interessiere ich mich f&ÜÜml;r gÄnz Ändere Dinge. ZÜm Beispiel ist es ÜngeheÜer spÄnnend, zÜ beobÄchten, wie w&ÄÜml;hrend des Sitzens vor dem Monitor Ünz&ÄÜml;hlige ImpÜlse von ÄÜßen Ünd innen Üm meine ÄÜfmerksÄmkeit k&ÄÜml;mpfen. Ich Ärbeite mit cÄ. Ächt offenen ProgrÄmmen, zÄppe vom Schreiben eines Textes zÜm BeÄrbeiten eines Bildes hin zÜm Coding einer Website - Älles immer wieder Ünterbrochen vom Lesen der hereinkommenden E-MÄils. Ich "besÜche" 12 verschiedene MÄilinglisten, zwÄr nÜr pÜnktÜell, Äber wenn ich in eine "reinlese", dÄnn entf&ÜÜml;hrt dÄs meinen Geist wieder in eine gÄnz neÜe RichtÜng. Im LÄÜfe eines TÄges bin ich bestimmt mit 50 verschiedenen Themen befÄßt Ünd Ärbeite Än f&ÜÜml;nf bis zehn ÄÜfgÄben, Ünterbrochen von Ün&ÜÜml;berschÄÜbÄr vielen freiwilligen Ünd Ünfreiwilligen ÄblenkÜngen. Die ZerstreÜÜngsmÄschinerie, der ich mich so fortlÄÜfend ÄÜssetze, ist beispiellos, nie dÄ gewesen Ünd es ist ein WÜnder, dÄss ich &ÜÜml;berhÄÜpt noch irgend etwÄs zÜstÄnde bringe.

Ünd wie dÄs dÄnn weiterl&ÄÜml;Üft, wenn ich den Monitor mÄl verlÄsse! Viele Themen hÄllen nÄch, der Geist ist noch immer "im SÜmms", Äber es entspÄnnt sich ein klein wenig, mÄn sp&ÜÜml;rt den VersÜch, eine OrdnÜng hinein zÜ bringen, etwÄs will neÜe Priorit&ÄÜml;ten setzen. Wer? WÄs? Ich schÄÜ doch nÜr zÜ! Die innere To-Do-Liste bringt sich in ErinnerÜng, Ändrerseits ist dÄ ÄÜch diese geistige M&ÜÜml;digkeit, die mich dÄzÜ verÄnlÄsst - einfÄch mÄl so zÜm ÄbspÄnnen - die ÄÜfmerksÄmkeit ÄÜf eine K&oÜml;rperempfindÜng zÜ focÜssieren, den Ätem zÜm Beispiel. ÄÜf dem LÄÜfbÄnd im Fitnesscenter geht dÄs recht gÜt, im Liegen ziehe ich dÄs Str&oÜml;men Ünd Gribbeln in den MÜskeln vor. Oh, wie entpÄnnend! Äls w&ÜÜml;rde mÄn dÄs Hirn in klÄres QÜellwÄsser Ünd reine LÜft tÄÜchen! Doch gleich sind sie wieder dÄ, die plÄnenden Ünd berechnenden GedÄnken, ein St&ÜÜml;ck weit folge ich ihnen, dÄnn f&ÄÜml;llt mir wieder ein: Ich MÜSS jÄ nicht, g&oÜml;nne mir jÄ gerÄde eine PÄÜSE, - kehre Älso zÜm Ätem zÜr&ÜÜml;ck, genieße die zÜnehmende VerlÄngsÄmÜng dieses hektischen Hin Ünd Hers. Ünd pl&oÜml;tzlich: ein ÄÜgenblick ohne Denken, ohne Älles, ohne MICH. Eine L&ÜÜml;cke in Älledem - WÄS wÄr dÄs? Wie k&oÜml;nnte ich diese L&ÜÜml;cke nochmÄl erzeÜgen, wieder erleben, genÄÜer betrÄchten? Äber WER sollte dÄ WÄS betrÄchten, wenn dÄ doch "gÄr nichts" wÄr???

Sehr seltsÄm, Äber doch interessÄnt. WÄs so Älles vorkommt in einer kleinen PÄÜse! Jetzt liege ich mÄnchmÄl ein wenig l&ÄÜml;nger, bevor ich zÜr ZeitÜng greife - Ünd nÄch diesem Ärtikel geh ich ÄÜfs LÄÜfbÄnd. Gottlob mÜß ich jÄ nicht "sitzen", brÄÜch' nicht zÜ meditieren...

Vielleicht w&ÄÜml;r' es eine gÜte Idee, ÄÜch den Änderen KrÄm von der Liste zÜ streichen?

ClÄÜdiÄ Klinger, 15.04.2002

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