Claudia am 01. Dezember 2025 — 0 Kommentare

Tiktokisierung: Wie YouTube etablierte Langformat-Kanäle zerstört

„Erstelle einen bescheuerten Hai mit bescheuerten Turnschuhen und eine bescheuerte KI Stimme sagt dazu „Tralalero Tralali“ – so beschreibt der Mythenmetzger in seinem Video „Was sich für euch und mich auf YouTube ändert“ das Prompt, das kürzlich zu 10 Millionen Klicks führte!

Hai mit Turnschuhen

Weil das selbst für Youtube ein krasser Vorgang war, erzeugt von Content-Farmen, die mittels Bot-Programmen diese absurden Klickzahlen erzeugten, wurde zügig reagiert: Nurmehr Klicks von EINGELOGGTEN Zuschauern werden gezählt! Diese Veränderung schließt allerdings nicht nur „falsche“ Abrufe aus, sondern trifft auch ganz normale menschliche Youtuber mit etablierten Formaten. Warum? Weil nun mal ein hoher Prozentsatz der Zuschauer gar nicht erst einloggt. Die unterhaltsamen Videos des Mythemetzgers verloren so quasi über Nacht ca. 40.000 bisher gezählte Zuschauer – ein krasser Verlust, durchaus mit finanziellen Folgen.

Tiktokisierung: Es wird noch viel schlimmer!

Allein das ist schon schlimm genug, jedoch hat Youtube eine ganze Reihe Neuerungen angekündigt, die die Welle kurzer KI-Videos zu einer Monsterwelle anschwellen lassen werden – zu Lasten aller Produzenten, die aufwendig recherchieren und auf Qualität statt Quantität setzen. Mich lässt das nicht kalt, denn ich nutze Youtube recht intensiv: Nirgends sonst kann ich auf die Themen, die mich interessieren, durch so unterschiedliche „Brillen“ schauen, häufig in einer Info-Tiefe, die ich anderswo nicht bekomme.

Der Mythenmetzger ist eines der wenigen Unterhaltungsformate, die ich zwischenrein gerne mal schaue: Kurioses ohne Geschwurbel – nett! Und jetzt eben ein ausführliches Erklärvideo zu den grundstürzenden Neuerungen auf Youtube:

Weil ich aus Erfahrung weiß, dass Blog-Besucher/innen BLOGS LESEN und keine Videos schauen wollen, liste ich eucht die krassen Veränderungen des Youtube-Algorithmus hier kurz auf:

  • Tiktokisierung (1): Videos werden zunächst nur einer kleinen Testgruppe vorgeschlagen und steigen nur bei sofortiger positiver Resonanz (Likes, Kommentare, hohe Watchtime) in weitere Zuschauergruppen auf. Videos, die nicht unmittelbar nach dem Upload intensiv geschaut werden, erreichen so nie größere Zuschauerkreise und bleiben bei bestehenden Abonnenten „stecken“. Kanäle mit zeitversetztem Zuschauverhalten bekommen dadurch keine neuen Abonnenten mehr (Beim Mythemmetzger z.B. nur noch ein neues Abo pro Tag statt zuvor ca. 40.)
  • Tiktokisierung (2): Längere Videos werden quasi „bestraft“, indem nicht mehr wie bisher die absolute „Watchtime“ aller Zuschauer für das Ranking ausschlaggebend ist, sondern nurmehr die „prozentuale Zuschauerbindung“: Die sogenannte „Retention Rate“ misst, wie viel Prozent eines Videos die Zuschauer durchschnittlich ansehen, bevor sie abspringen. Schon eine Unterbrechung oder ein Zurückspulen beendet die „Watchtime“ – äußerst nachteilig für die Verfasser längerer Videos.
  • Tiktokisierung (3): Kurzformate (Shorts) können direkt auf Youtube erstellt werden – und zwar mittels KI-Tools, für die man ansonsten zahlen müsste:
    • Veo 3: Führender KI-Videogenerator, der Videos aus einfacher Texteingabe erstellt.
    • Edit with AI: Verwandelt ein einzelnes Foto automatisch in ein komplettes Video inklusive Text, Voiceover-Stimme und Hintergrundmusik.
    • Turn Audio into Video: Generiert passende visuelle Inhalte zu gesprochenem Audio und erstellt automatisch animierte Videos aus Podcast-Tonspuren.
    • Fotos in Bewegung: Überträgt Bewegungen aus Videos auf Standbilder, sodass statische Fotos beispielsweise Tanzbewegungen ausführen können (Trump tanzt dann wie Michael Jackson).
    • Objekt-Einfügung: Ermöglicht das nachträgliche Hinzufügen täuschend echter Objekte in bestehende Videos.
    • Speech to Songs: Verwandelt Tonspuren aus Videos in vollständige Musikstücke, ähnlich wie Suno oder Udio.

Der Mythenmetzger kommentiert das treffend:

„Nimmt man diese ganzen angekündigten Funktionen nun einmal zusammen, dann bedeutet das nichts weiter, als dass man nichts mehr machen muss. Ja, nichts mehr machen ist nicht ganz richtig! Man muss dann schon diese schwere Arbeit erledigen und einen Text eingeben, wie „erstelle mir ein Video über einen Elefanten“. Völlig erschöpft von dieser Anstrengung kann man sich dann in den Sessel zurückfallen lassen und der Rest erledigt sich dann von alleine.“

Sicher könnt Ihr euch vorstellen, welche Massen absurder, aber Aufmerksamkeit bindender KI-Kurzvideos künftig Youtube überschwemmen werden! („Bring your Ideas to life!“) Zwar wird man, wie ich es mache, auch künftig vor allem abonnierte Kanäle mit hochwertigen Inhalten nutzen können. Aber: wie viele davon werden solche Inhalte weiterhin produzieren, wenn sie vom Algorithmus so massiv diskriminiert werden?

***

Ich werde demnächts eine Seite erstellen, auf der ich gute Video-Kanäle versammle, die ich regelmäßig sichte – so analog zur Blogbibliothek, mal sehen, wie ich das umsetzen kann. Damit ich garnicht erst das Shorts & KI-Gewitter über mich ergehen lassen muss, dass demnächst Youtube-Besuche zur Qual machen wird.

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