Claudia am 29. Juni 2020 —

Keine Demeter-Orangen? Toleranz wird Mangelware!

Heute früh wollte ich den Tag mal nicht mit News lesen beginnen, um mir nicht gleich die Laune zu verderben. Davon abgesehen geht die Konzentrationsfähigkeit schnell den Bach ‚runter, wenn ich über „dieses und jenes“ gefühlte 1001 Fakten und Meinungen aus aller Welt konsumiere. Also erstmal blogggen, etwas Konstruktives tun, harmlose, unstreitige Inhalte teilen, die gewiss niemanden aufregen.
Der kleine Bericht „Wilder Garten im Juni“ hat mir dann auch richtig Freude gemacht und schrieb sich wie von selbst.

Ramblerrose im Gartenblog

Bloß hätte ich den dann besser nicht auf @Gartenzeilen „vertwittert“, denn dabei lese ich immer auch ein paar Meldungen aus dem Newsfeed. Eigentlich sind das nur Tweets von Garten- und Naturfreunden, denen ich folge, ergänzt durch passende „gesponserte“ Postings. Ein solcher war heute dieser hier:


Das habe ich gerne weiter getweeted, denn ich finde es gut, Bauern aus dem Süden Europas direkt zu unterstützen anstatt Orangen aus dem Discounter zu kaufen.

Wer aber glaubt, so ein Angebot bliebe ohne Widerspruch, hat sich getäuscht. Es entspann sich folgende Konversation:

A: „Wenn es jetzt nicht Demeter wäre, könnte man es sich überlegen.“

B: „Was spricht gegen Demeter?“

A: „Pseudowissenschaftliche Esoterik auf Basis der „Ideen“ von R. Steiner“ (dazu ein zitierter Tweet, der auf einen Verriss der „anthroposophischen Landwirtschaft“ verlinkt.)

B: Werd ich mir mal in Ruhe durchlesen. Danke für den Link.

C (ich:) „Die Orangen sind trotzdem gut, auch die anderen Demeter-Anbauprodukte. Einfach mal leben und leben lassen…“

B: „Habe in dem Text jetzt auch nichts gefunden was gegen die Produkte spricht. Das Prinzip es direkt von Erzeuger zu kaufen finde ich auch gut. Und Demeter scheint viellicht komische Ansichten zu haben, aber ist ja weder menschenverachtend noch irgendwie anders schlimm“

C: „Es fehlt einfach an Toleranz, dieses Generve wegen jeder Form von „Andersglauben“ finde ich schlichtweg unsympathisch!“

A: „Werden auch mit Mist gefüllte Kuhhörner am Rande der Plantage vergraben um die kosmischen Energien in den Früchten zu bündeln? Frage für meinen Freund 😉“

C: „Selbst wenn – den Orangen macht das nix! Hornspäne und Mist sind im übrigen ganz übliche Düngergaben in vielen Gärten!“

A: „Gegen Hornspäne habe ich meines Wissens nichts gesagt – und nur weil etwas nicht schadet wird esoterischer Unfug nicht besser.“

C: „Ein Kuhhorn ist auch nix anderes. Und den Orangen schadet nicht, was der Anbauer glaubt.“

***

Ja, das ist eigentlich harmlos, ist noch nicht „Hass und Hetze“. Da will nur jemand keine Orangen kaufen, weil der Bauer nicht nur „bio“, sondern nach dem verschärften Demeter-System anbaut – und sich auch gleich ein wenig lustig machen und über die „Gläubigen“ erheben. Wobei Demeter-Anbau zweifellos esoterische Komponenten enthält, aber auch als besonders „strenges“ Bio gilt, besser als bloß „EU-Bio“.

Heftiger geht es zur Sache, wenn jemand eine Lanze für irgendwas Homöopathisches bricht. Erst recht, wenn sich mehr Anti-Glaubenskrieger einfinden und sich gegenseitig übertrumpfen. Das geht so auch bei vielen anderen Themen, die nicht auf Wissenschaft, sondern auf einem Glauben bzw. einer anderen Weltanschauung beruhen.

Dabei ist vieles, was das Leben lebenswert macht, überhaupt nicht wissenschaftlich, z.B. Liebe, Schönheit, Zärtlichkeit, Freundschaft, Staunen.

Das tolle Rot einer Rose ist wissenschaftlich nur die Unfähigkeit der Blütenblätter, andere Wellenlängen als Rot zu reflektieren. Das wunderschöne Lied einer Nachtigall ist nur akustische Reviermarkierung. Und selbstverständlich sind Heilerfolge abseits von Pillen und OP „nur“ Placebo-Effekte – sollte man am besten alles verbieten, egal wie viele durch solche Placebo-Effekte kostengünstig gesunden.

Mehr hab‘ ich dazu heute nicht zu sagen.

***

Na, dass passt ja: Grade twitterte Gilbert über einen alten Beitrag hier: „Eine der schönsten Blog-Diskussionen zu Glauben und Spiritalismus in der Moderne“:

Über Gott oder: Wie glauben Gläubige?

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Diskussion

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10 Kommentare zu „Keine Demeter-Orangen? Toleranz wird Mangelware!“.

  1. Solche Sachen sind momentan typisch – alles muß bis in Kleinste zerlabert werden. Man kann ja manches von Demeter mitmachen und die Esoterik weglassen. Mir gefällt dort die Tierhaltung – die ist sehr streng. Rinder beispielsweise sind nicht enthornt (da kommen also die Hörner her…) und müssen zwingend Weidegang in der Herde haben. Was ist dagegen einzuwenden? Die vielen „Bio“-Label, die inzwischen in Europa zugelassen sind, haben das Thema „Bio“ mehr verwässert als verbessert – so ist es auch möglich, daß Rinder, die ihr ganzes Leben keine Wiese zu Gesicht bekommen, als „Bio“ deklariert werden dürfen – weil sie Biofutter bekommen. Sowas nenne ich dann nicht bio, sondern Beschiß. Auch bei der Homöopathe kann man sich ja aussuchen, was für einen selbst taugt – und den Rest läßt man weg. Wir können doch noch selber denken, oder? OK – da bin ich manchmal doch nicht mehr so sicher…
    Und zum Thema – was für wunderschöne Rosen! Wenn ich daran vorbeiliefe, müßte ich sofort die Nase reinstecken, ob sie duften. Ich habe leider keinen Garten, nur zwei Balkone, aber es ist der reinste Dschungel. Vor kurzem ging ein Mangokern auf, da bin ich furchtbar stolz drauf.

  2. schöner Artikel und auch schon eine schöne Antwort. Kompliment.
    ja Mensch findet es ach so schön, über andere zu urteilen, zu bestimmen. mensch, ach Mensch. Würde jeder vor der eigenen Türe kehren, was gebe das viel schönere Gedanken vor und hinter den Brettern*schmunzel

    Der Satz: „man kauft doch nicht bei…“ , Den haben wir doch schon mal… Ich erinnere mich, er führte zu sehr viel Unglück und größte Zerstörung.
    es tut gut, von Menschen zu lesen, die ihr Herz noch auf dem richtigen Fleck haben und ihren klaren Verstand achtsam benutzen.

    ich mag Rosen, ich mag Orangen, ich mag Menschen
    herzliche Grüße

  3. @Holly, @Dagmar:
    danke für Eure Kommentare! Tut gut, zu wissen, dass es noch Menschen gibt, die die Dinge ähnlich sehen und nicht wegen jedem Pipifax, der einem gegen den Strich geht, zu „Kampfmaßnahmen“ greifen – und seien es „nur“ Kaufboykott und Spott.

  4. Ich frage mich, Claudia, wo Du überall im Netz unterwegs bist und Dich in „gefühlt“ 1001 Dialoge verstrickst?! Wieso eigentlich?
    Das ergibt eigentlich keinen Sinn.
    Poste was aus deinem Garten und erfreue Dich an dem Schönen und Aufbauenden darin :-)

  5. @Gerhard:

    …Wenn es brenzlig wird in Yokohama,
    und man fragt sich dort: Wo kommt das her?
    dann geh ich Blumengießen, Blumengießen,
    denn das Immergrün macht mein Zimmer grün.
    Und den Winterhecken, Kräutern,
    Ringelblumen, Thymian und Mohn
    kann man Politik ja nicht erläutern.
    Wo ist mein Kerbelkraut? Ach ja, da ist es schon.

    Fern in Asien passiert ein Drama.
    In Belutschistan marschiert ein Heer.
    Und ich geh Blumengießen, Blumengießen,
    und mein Blätterkohl fühlt sich pudelwohl
    beim Blumengießen, Blumengießen,
    Herz, was willst du noch mehr?

    sang G. Kreisler 1968 und meinte es eher zynisch.
    Nun, ich möchte schon gerne wissen, was auf der Welt so alles vorgeht! „Blumengießen“ ist für mich eine schöne Abwechslung und Erholung, aber nicht alles.

    Es sind auch nicht „1010 Dialoge“, sondern News, die ich täglich mitbekomme. Auf ein paar Aggregatoren, nämlich Google News, Rivva.de – und manchmal noch der Nachrichtentisch. Auf Twitter schau ich, was in DE gerade „trendet“ – das ist z.B. eine gute Möglichkeit, aus der eigenen „Blase“ heraus zu kommen und Meinungen aus verschiedensten Richtungen zu bemerken.

    Mit dem Liebsten „verarbeite“ ich dann die wichtigsten Ereignisse in langen, interessanten Gesprächen – mich interessiert vieles – und seit „Corona“ ist es zeitweise noch deutlich interessanter geworden, zu schauen, wie die Gesellschaft auf „Krise“ reagiert.

  6. @Claudia, da hast Du es gut mit deinen langen Dialogen!
    Meine Frau wehrt immer ab, wenn ich vom neuen Stoff der Verschwörungsgläubigen berichten will. „Wieso liest Du das? Davon will ich nichts wissen!“.

  7. „…Wenn es brenzlig wird in Yokohama,
    und man fragt sich dort: Wo kommt das her?
    dann geh ich Blumengießen, Blumengießen…“
    Angesichts der Krisen in der Welt könnte man mit der Methode sogar Wasserpflanzen entmutigen… ;o)

  8. Danke, Claudia, für den Text und die Verlinkung auf meinen Tweet :)

    Ich muss ehrlich sagen, dass auch mir selbst es schwer fällt, nicht meine Prinzipien zu reiten. (Ich vermeide jetzt hier, darauf hinzuweisen, dass Liebe, Ästhetik, Staunen usw. sehr schön naturwissenschaftlich zu erklären sind). Mist, jetzt tu ich es schon wieder.

    Und wie das dann so ist, sehe ich aus meiner Perspektive die sehr Eifrigen und weniger toleranten DiskutantInnen dann oft auch auf Seiten der Esoteriker, Momöopathen und Theisten.

    Es ist natürlich auch eine Persönlichkeitspsychologische Frage, wer gern Prinzipien reitet und wer eher Toleranz übt.

    Es bleibt aber sehr interessant, warum es so aussieht, als drifteten alle polar auseinander und schlügen sich dazu immer mehr die Köpfe ein.

    PS: Angeblich schon wieder zu schnell meine Kommentare geschrieben, sagt deine Kommentar-KI.

  9. @Gilbert: kommt immer drauf an, WIE man es macht. Hier fand ich es besonders unpassend, einem spanischen Orangenbauern die Eso-Komponenten der Demeter-Lehre anzukreiden – und DESHALB die Orangen nicht kaufen zu wollen!
    Woher will er denn wissen, ob und inwieweit dieser Bauer die „esoterischen“ Aspekte überhaupt berücksichtigt? Das meiste am Demeter-System ist extrem physisch – und die „Kuhhörner“ werden vermalen und zu Präparaten verarbeitet, nicht komplett irgendwie rituell eingegraben.
    Grundätzlich gefällt mir die „ganzheitliche“ Demeter-Sicht der landwirtschaftlichen Dinge besser als das computer-gestützte Agieren im Korsett der „wissenschaftlichen“ Ackerbehandlung. Nicht in jedem Eso-Detail, aber in der grundsätzlichen Einstellung, die deutlich mehr will als nur Ertragsoptimierung.
    Prinzipenreiter und Besserwisser kommen natürlich in allen Ecken vor – mir fallen allerdings die Warrior für „Wissenschaft und sonst gar nichts!“ in letzter Zeit extrem auf. Wobei auch jede Art von Geisteswissenschaft bei Ihnen durchfällt: nur was man messen kann, ist wissenschaftlich – und alles andere möge doch aus der Welt verschwinden!

  10. @Gerhard: ich könnte nicht mit jemandem zusammen sein, der das Gespräch über Dinge, die mich bewegen, verweigert. Für mich war und ist es essentiell in einer Beziehung, „über Gott und die Welt“ bzw. „das Leben, das Universum und den ganzen Rest“ ausführlich reden zu können. Das war schon in Teeny-Zeiten so und ist immer so geblieben, hat sogar noch an Bedeutung gewonnen, je älter ich wurde. Und gilt nicht nur für den Liebsten, sondern ebenso für gute Freunde.