Claudia am 25. Mai 2010 —

Wieder online nach 8 medienfreien Tagen

Eine gute halbe Woche Urlaub hat es gebraucht, bis ich spürte, dass mir ‚was fehlt. Kein Internet, keine Zeitungen, kein TV: meine „Mediendiät“ geriet zur Nulldiät, obwohl ich mir sicherheitshalber einen USB-Stick mit allen Zugangsdaten eingepackt hatte. Das „Real Life“ an der in der Vorsaison noch recht lieblichen Costa Brava nahm mich dann allerdings so in Beschlag, dass dunkle Netzcafés und kühle Monitore einfach nicht lockten konnten – gut so!

Die kurze Reise hatte sich ergeben, da die Eltern meines Liebsten dort ein Ferienhaus haben – und eine Arztpraxis für Touristen, die lieber zu einem deutschen Arzt gehen. So kam ich dazu, eine beeindruckende Landschaft zu erleben, die heute vor allem eines zeigt: Was der Mensch liebt, zerstört er, indem er es besitzen bzw. damit Geld verdienen will. All diese Orte mit hässlichen Bettenburgen an einstmals schönen Stränden, die vielen Siedlungen, die sich wie Geschwüre die Berghänge hoch fressen – und alles quasi „im Schlaf“, denn außerhalb der Saison wohnt da kaum einer.

Und doch gibt es noch wunderschöne Orte: Vor allem Cadaques, einer der Wohnsitze von Salvador Dali, zeigt sich in unveränderter Schönheit, da der Künstler dort die Administration beeinflussen konnte, die Küste nicht mit Hotelburgen zu verschandeln. Dass es keinen Sandstrand gibt, hilft ebenfalls dabei, den Ort nicht im „Ballerman-Tourismus“ untergehen zu lassen.

Cadaques

Vielleicht werd‘ ich dieser Tage noch ein paar Fotostrecken auf Flickr oder Facebook zeigen, doch im Moment bin ich noch dabei, mich erst wieder ins „virtuelle Leben“ reinzufinden. Das Sitzen vor dem Monitor hab‘ ich natürlich nicht vermisst – wohl aber den Strom der „News“, der auf einmal abgebrochen war. Was ist nun mit NRW? Und mit dem Öl im Golf von Mexiko? Alles Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, doch gibt der ständige Zugriff auf die Nachrichtenlage ein Gefühl des Dabeiseins, dessen Fehlen ich nun deutlich spürte. Dafür gab es spannende Gespräche zu alledem, schöne Ausflüge und Wanderungen in katalanische Städtchen, Schwelgereien in vielerlei Fisch-Essen und am Ende einen Tag in Barcelona, der mich von dieser Stadt restlos begeisterte. Sie erschien mir als unglaublich „berlinischer“ Ort, nur eben nicht deutsch. In einem Hostel direkt an den „Ramblas“ nächtigten wir für 50 Euro in einer Art Besenkammer für Wander-Personal: am Kudamm gäbe es nichts Vergleichbares! :-)

Unbewegliche Figuren in Barcelona

Hier ein witziges Bild von den „unbeweglichen Figuren“, die auf den Ramblas als Touristenattraktion posieren: unglaublich, wie die das schaffen, so lange so still zu halten!

Diskussion

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13 Kommentare zu „Wieder online nach 8 medienfreien Tagen“.

  1. Willkommen zurück!

    Gerade dieses abreissen des Stromes der Nachrichten kenne ich auch aus der Vornetzzeit. Keine Tageszeitung (zumindest keine, die man lesen würde) und nach drei Wochen Urlaub an der ersten Bundesdeutschen Tankstelle schnell mal fragen, ob der Papst noch lebt und hoffentlich kein Flugzeug wieder entführt wurde. Dabei sich wie Robinson vorkommend, als wenn man Jahre weg gewesen war.

    Auch deswegen nehme ich kein „Netz“ mit und lasse das Telefon den ganzen Urlaub aus. Immerhin, da wir in deutschen Landen oft Urlaub machen, haben wir zumindest Montags unsere Wochenzeitung mit den Infos der vergangenen Woche.

    Zum „strandlos“ fiel mir ein. Als wir einmal dann doch Mallorca sehen wollten, baten wir um ein Küstenurlaubsdorf ohne Strand, um eben genau diesem eher schlecht beleumundetem Tourismus aus dem Weg zu gehen. Ich bin kein Touristenhasser, ich bin ja selbst einer, aber wenn man es sich aussuchen kann…

  2. Oh, danke für die Begrüßung! Es ist ein ernüchterndes und gerade deshalb nötiges Erlebnis, auch mal zu bemerken, wie überflüssig man doch ist! Wär ich gestorben und hätt mich gar nicht mehr gemeldet, wär das auch kaum aufgefallen… :-)

    Als ich 6 Wochen in Kambodscha war, hab ich per Netz weiter gearbeitet – allerdings nur das Nötigste, selbst die Lust aufs Berichten im Blog war total weg. Wie eigenartig: das sogenannte „Reale Leben“ ist gleich so überwältigend, ohne deshalb irgendwie spektakulär zu sein – wogegen die virtuelle Ebene sehr viel Spektakel bietet, jedoch nur einen Teil der Person ergreift und zum Vergessen/Vernachlässigen des „Rests“ verleitet.

  3. Hallo Claudia,

    och, ich denke, nach zwei Monaten hätten wir dich spätestens ernsthaft vermisst, und jemand würde die Polizei einschalten. Aber das Thema ist durchaus interessant (für mich jetzt irgendwie interessanter als die Costa Brava – da war ich 1980 das letzte mal …).

    Soo oft bin ich bislang noch nicht mit dem physischen Ende von Menschen konfrontiert worden, die ich nie gesehen habe, aber gut aus dem Netz kannte. Ein Beispiel ist http://goo.gl/rZcM – in dem Fall habe ich erst nach einem halben Jahr vom Tod eines früheren Online-Mitstreiters erfahren. Vielleicht kennst du ihn ja sogar auch noch, du warst ja damals auch im GERINT von CompuServe aktiv.

    Oder neulich: da hat sich auf Facebook ein alter SELFer wieder gemeldet – nach ein, zwei Monaten Abwesenheit. Schlaganfall, jetzt halbseitig gelähmt. Er war allerdings auch vorher eher wenig aktiv auf Facebook, deshalb hats keiner gemerkt.

    Auf die Dauer wird das organisiert werden müssen. Netzgerecht, mit einer Web-Plattform natürlich … http://misser.com ist leider nicht mehr frei, aber irgendwas wird den Foundern der Facebook- und Diaspora-Generation schon einfallen dafür. Noch wird das Netz jedenfalls zu sehr aus Sicht derer betrachtet, die in der Blüte ihres Lebens stehen und sich kein Ende vorstellen können. Auch da passiert hin und wieder was, ein schlimmer Unfall, mal ein Knochenkrebs … aber das ist was völlig anderes als die Zeit, wenn man erst mal „Senior“ ist. Ein Senior ist man, wenn man anfängt, regelmäßig die Todesanzeigen der Region zu studieren, aus der man stammt, weil man die ganzen Namen kennt … :-)

    viele Grüße
    Stefan Münz

  4. Verdammt nochmal, ich hab in diesem WordPress-Blog alles so eingestellt, dass JEDER unangemeldet kommentieren kann – und erst, wenn ein Kommentar 3 Links enthält, soll er in der Moderation landen!

    Statt dessen werden Kommentare meiner lieben Onlinefreunde ganz ohne Link in die Mod verschoben – ätzend! NIEDER MIT IT!!! (natürlich unzulässig hier, da WP kostenlos OpenSource ist!)

    @Stefan: dein Kommentr ist Labsal für meine Seele! :-) Wenn ich tot bin, ist es ja im Grunde egal, wann das einer bemerkt – aber als Lebende find ich es gut, wenn jemand sagt: nach zwei Monaten würd ich schon mal forschen…

    Schon in den 90gern kam der Gedanke auf „Was passiert mit meiner Homepage, wenn ich tot bin?“ Leider ist diese schöne Webseite verschwunden!

    Ich hab übers Netz schon einige Todesfälle ohne „Senior-Suche“ mitbekommen. Da war z.B. Klaus, dessen Ganzname und Daten mir grad nicht einfallen (Alzheimer?), der ein umtriebiger Webaktivist war und auf meinen öffentlichen Versuch, das Rauchen aufzugeben, glatt mitgemacht hat! Länger als ich… und er hat gemerkt, dass das Husten nicht aufhört, ist zum Arzt gegangen: Lungenkrebs! Zwei Jahre später war er tot.

    Da war ULLA, die mit einer Webseite zur Findung einer Alten-WG ihre Webkarriere begonnen hat – die mit einem Hirn-Pleurisma gelebt hat und an schnödem Leberkrebs gestorben ist… Sie hat mir ihre Festplatte vermacht, aber ihre Nachkömmlinge haben es nicht fertig gebracht, sie mir, einer bloß virtuellen Bekannten auch wirklich zuzusenden…

    Ja, ich hoffe, dem Web wird da noch einiges einfallen! Z.B. ist Ullas Domain altweibersommer.de zwar gelöscht, doch all ihre anderen Accounts tun noch so, als ob sie lebte – dazu hatten ihre „Nachlassverwalter“ als Netzferne einfach keinen Zugang:

    http://www.fotocommunity.de/pc/account/myprofile/416456

    http://www.flickr.com/photos/pellegrini/

    http://www.lady-mania.net/ullapellegrini.html

    Aber immerhin entstand auch eine Gedenk-Seite, keine Ahnung, von wem

    http://www.fotolog.com/marcelvangunst/70379885

  5. @ Claudia: Klar ist mir aufgefallen, dass erstaunlich lange kein neues Gedankenprodukt zu erspähen war. Aber positiv denkend ist mir nicht gleich Schlimmes in den Sinn gekommen sondern ich habe einfach angenommen, die Fleissige ist noch mehr busy als üblich. Schön zu lesen, dass es einfach eine gelungene Auszeit war.

  6. Hallo Claudia,

    keine Sorge, ich bins schon gewohnt, erst mal im Freischaltbereich deines Blogs zu landen :-)

    Web-Friedhöfe gibt es ja schon, wo man für zwanzig oder dreißig Jahre eine Memorial-Seite buchen kann. Auch bei Facebook gibt es Memorial-Seiten (vgl. Meldung letzten Herbst: http://goo.gl/kPYp). Aber es fehlt noch was: eine Art still-here-Ping-Service …

    viele Grüße
    Stefan Münz

  7. Schön, daß Du wieder da bist, Claudia, und schön, daß Du auch ohne Netz eine gute Zeit hattest!

  8. Hallo Claudia,
    ich habe unlängst einige ältere Links durchgesehen und festgestellt, daß so manche Seite (durch mangelnde Motivation ihrer Urheber) eingeschlafen ist. Ich fände gut, wenn es da eine Verfallzeit gäbe – die gibt es zum Beispiel im Sport für Wertungszahlen. Auch finde ich befremdlich, daß manche Seiten eigens für einen besonderen Anlaß errichtet worden sind und wenn dieses dann rum ist, ewig weiterzutümpeln scheinen.
    Aber vielleicht gibt es da ja schon Werkzeuge?

  9. @Uwe: danke!

    @Gerhard: Google zeigt Seiten, die lange nichts Neues brachten, in den Suchergebnissen immer weiter hinten an. Gegen eine „Verfallszeit“ spräche allzu Vieles: schließlich gibts Webseiten, die gar nicht auf Aktuelles aus sind, sondern einfach ein Thema erläutern – oder auch Selbstdarstellungen von Freiberuflern, die nur alle Jahre mal eine Änderung erfahren.

  10. Hallo Claudia,
    ich meinte ja Seiten mit Blogcharakter – nicht Präsentationen von Handwerksbetrieben oder ähnlichem. Wenn jemand eine Seite mit Blog- oder Chatcharakter völlig aufgibt, wieso hängen diese Sachen bis zum Sanktnimmerleinstag im Netz?

  11. @Gerhard: Das hab ich mich auch immer gefragt und sogar mal dazu was geschrieben (find ich jetzt grad nicht). Mein damaliger Löschvorschlag hat eine Menge Widerrede angeregt:

    -> man behält, was man hat, weil man nicht weiß, ob man nicht doch mal wieder Lust bekommt…

    -> man will nicht löschen, weil da ja doch viel Text steht, der noch manchmal Leser findet;

    -> man löscht nicht, damit die Links nicht ins Leere gehen

    Kurzum: man löscht genausowenig gern, wie man zuhause Dinge entsorgt, die man definitiv nicht mehr braucht oder auch niemals braucht.

    Und wenn ich selbst keine Lust mehr hätte, hier zu schreiben: ich täte mich auch verdammt schwer, 11 Jahre Digital Diary zu löschen!

  12. @Claudia,
    ja, so wird es mir verständlicher.
    Im „real live“ werfe ich auch ungern Dinge weg, so z.B. 2 wunderbare, nicht getragene Sommerhosen aus Italien, in die ich definitiv nicht mehr reinpassen werde. Und dann gelingt es trotzdem mal: Ich habe etwa vor einiger Zeit meine Zeichnungen aus drei Jahren un-durchgesehen weggeworfen (weil bessere nachkamen) – bereut habe ich es nie.
    Gruß
    Gerhard

  13. tja, Cadaques war mal schön, hab dort viele freie Zeit meiner Studienjahre Anfang der Siebziger verbracht, aber irgendwann gibt es einen Punkt, wo man nicht mehr zurückkehren möchte, weil man das ganze Elend nicht mehr sehen will…

    das war als ich zum Ersten Mal den Autostau erlebte, der schon an der Abzweigung zur Küste runter alles verstopfte…. los malos franceses wollten ihr Wochenende damit verbringen, den kleinen Ort zuzustopfen….

    so habe ich Erinnerungen an schöne Frühlingsnachmittage mit Schachspielen im Café, Tri Naranjus und Bocadillos con jámon

    heute sind da wahrscheinlich Frittenbuden und Burger, fürchte ich

    Gruss, Connie