Claudia am 12. Juni 2012 —

Kein Wachstum ohne Staatsverschuldung – seltsam, oder?

Heute morgen las ich in der Frankfurter Rundschau einen Artikel von Dierk Hirschel zum Fehlschlag der Sparpolitik. Da schreibt er:

„Jetzt erkennen selbst hart gesottene Verfechter des Sparens, dass der Schrumpfkurs nicht zum Ziel führt. Deswegen lautet Merkels neue Zauberformel: „Sparen und Wachsen“. Die Berliner Zauberformel kann nicht wirken, da das Spardiktat jegliches Wachstum im Keim erstickt. Im Euroland kürzen die Kassenwarte bis 2013 rund 600 Milliarden Euro. Dadurch schrumpft das Sozialprodukt des gemeinsamen Währungsraums um ganze sieben Prozent, davon über zwei Prozent allein im laufenden Jahr. In Griechenland zerstört die Kürzungspolitik ein Viertel des Sozialprodukts. In Spanien und Portugal kostet das Spardiktat ein Siebtel der Wirtschaftsleistung. Kurzum: Ohne einen Stopp der Kürzungspolitik kommt die europäische Wirtschaft nicht mehr auf die Beine.“
FR, 11.6.2012

Im Grunde heißt das doch: Wachstum ohne staatliche Ausgaben bzw. mit weniger Ausgaben findet in Europa gar nicht mehr statt. Staatsausgaben sind doch aber immer Steuergelder plus geliehenes Geld. Da die Steuereinnahmen offenbar lange schon nicht reichen, wachsen die Schulden ins Unermessliche. Und wie wir heute wissen verlieren „die Märkte“ dann das Vertrauen in die Schuldner und die Zinsen auf Staatsanleihen wachsen ins Unbezahlbare. Dagegen etwas zu tun (Sparpolitik) soll nun aber auch falsch sein, weil dann nichts mehr wächst. Wird aber NICHT gespaart, steigen die Schulden und Zinsen doch weiter und die Bonität der Staaten nimmt noch weiter ab. (Nach einer staatlichen Unabhängigkeit von privaten Geldgebern strebt anscheinend sowieso niemand, auch seltsam!) „Retten“ die wenigen Länder, die noch „Vertrauen“ haben die anderen, verlieren auch sie perspektivisch das Vertrauen, denn dieses „Retten“ ist ja doch auch nichts anderes als weiteres Verschulden.

Also: Egal wie man es macht, es ist falsch.

Wie die unter dem letzten Posting andiskutierte Lösung „raus aus dem Euro“ sich da wohl auswirken würde? Wenn ALLE zu nationalen Währungen zurückkehrten, wären auch die jeweiligen Schulden wieder DM, Lire, Drachme etc. Alle Gläubiger der dann abwertenden „Schwachwährungen“ hätten massive Verluste – WER ist das heute noch?

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Diskussion

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6 Kommentare zu „Kein Wachstum ohne Staatsverschuldung – seltsam, oder?“.

  1. Verstehe immer nicht, warum alles mit wachstum gehen muss. Langsam müsste doch klar sein, das die „alten“ Industrienationen kaum noch wachsen können.

    Und woher kommt eigentlich der Begriff Märkte, bzw. das Kapital dahinter, sind es die Steuern, welche nicht bezahlt wurden, oder stammt es aus den prekären Bezahlungen der Arbeitnehmer in in Industriestaaten? Auf diese Fragen hätte ich gerne mal eine Antwort.

  2. @Aquii: das liegt am Zinssystem. Unternehmen, Staaten und auch Privatleute nehmen Kredit auf, um sich zu finanzieren. Wegen der Zinsen braucht es MEHR Geld, das zurück fließt, als per Kredit ausgegeben wurde. Woher soll das kommen, ohne Wachstum der Einkommen/Steuern/Gewinne?

    Gibt es kein Wachstum, muss gestrichen, gespart, gekürzt, entlassen werden, damit die Zinsen noch „bedient“ werden können.

    Die „Märkte“ sind einfach die Gläubiger der Kredite. Wenn die einem Schuldner nicht mehr trauen, steigen die Zinsen für dessen neue Kredite (Staatsanleihen bei Staaten), denn das Risiko wollen sie bezahlt bekommen.

    Käufer von Staatsanleihen sind nur wenige private Anleger, sondern im wesentlichen Institutionen wie Versicherungen, Rentenfonts, private Rentenversicherung, Banken. Staatsanleihen galten ja lange als „seriöseste“ Anlage, weil niemand glaubte, dass Staaten pleite gehen können.

    Zur Staatsanleihe und ihrer Bedeutung für Banken und Geldfluss insgesamt siehe

    http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/Wie_Staatsanleihen_funktionieren

  3. Hi Claudia,

    unsere politischen Vertreter haben sich in eine Falle manövrieren lassen, aus der sie nicht mehr raus kommen. Ich denke, dass man über Wachstumswahn, der auf Schulden aufgebaut ist, nicht mehr weiter diskutieren muss. In meinen Augen hat das auch nichts mit Wissenschaft zu tun, weil es mathematisch belegbar ist, dass dieses System alle ca. 80 Jahre crashen muss. Die Frage ist nur, warum wird diese Konstruktion nicht geändert ? Wenn ein Ingenieur eine Brücke konstruiert, die alle paar Jahre einstürzt, würde mit Sicherheit eine andere Konstruktion künftig Verwendung finden.

    Dieses Finanzsystem ist eher eine Konstruktion, die einseitige Interessen bedient, je mehr Kapital im System ist. Wobei sich das Kapital längst von der Wirtschaft abgekoppelt hat. Es wird heute ein Vielfaches am Finanzmarkt gehendelt, als an tatsächlicher Wirtschaftsleistung vorhanden ist.

    Ich schätze schon, dass man sich zur Euro-Einführung bereits im Klaren war, was ungleiche Handelsbilanzen für eine Auswirkung haben werden. Es gab etliche Warner und Kritiker, wie auch heute, auf die man aber nicht hört. Da stellt sich mir doch die Frage nach dem Warum ?

    Es hat den Anschein, einmal vorsichtig ausgedrückt, dass diese Krise einen ganz bestimmten Zweck verfolgt. Denn mit Angst lässt sich so gut wie Alles durchsetzen. Leider komme ich zu dieser Ansicht, weil es keinerlei politische Bestrebungen gibt, z.B. die in unglaublichem Umfang bestehende Steuerhinterziehung massiv anzugehen. Nach Recherchen im Internet sollen jährlich, nur alleine in Europa, Steuergelder in Höhe von 1 Billion Euro den Staatshaushalten vorenthalten werden. Würden die Staaten Mittel und Wege finden, um diese Steuerlöcher zu schließen, wären die Staatsschuldenkrisen kein Thema mehr.

    Merkwürdigerweise ist man in der Lage im Konfliktfall das Vermögen von Diktatoren einzufrieren, aber bei Steuerhinterziehern bleibt man tatenlos. Merkwürdig, oder ?

    Ein anderes aktuelles Beispiel ist Schlecker. Der Staat ist nicht in der Lage eine Auffanggesellschaft zu finanzieren, muss aber im Gegenzug auf über 1 Milliarde Steuern verzichten, die normalerweise bei dem Deal VW-Porsche angefallen wären.

    Wir sollen uns über die Zustände in Syrien aufregen, wobei für mich nach wie vor unklar ist, wer da alles seine Finger im Spiel hat und auf der anderen Seite tolerieren wir kommende unhaltbare Zustände, die bereits teilweise in den südeuropäischen Ländern eingekehrt sind. Wenn es eine aussagekräftige Statistik über Selbstmorde geben würde, die auf diese teilweise aussichtslosen Zustände hinweisen könnten, würden uns wohl die Augen übergehen.

    Es gibt kein Menschenrecht wenn es um´s Geld geht. Es sei denn, man würde davon profitieren.

    Wenn ich mir dann noch die Rede unseres neuen Bundespräsidenten bei der Bundeswehr verinnerliche, wundert mich gar nichts mehr.

  4. Vor kurzem sah ich mal eine Aufstellung über die Staatsverschuldung weltweit. Aus irgendwelchen Gründen bin ich davon ausgegangen, dass die Spitzenreiter aus den so genannten Entwicklungsländern kämen. Weit gefehlt: Die höchsten Staatsverschuldungsraten (in % des BIP) weisen die OECD-Länder auf!
    Anscheinend kann Wohlstand und hohe Wirtschaftsleistung nur durch hohe Staatsverschuldung erreicht werden.
    Was heißt das? Wohlstand ist nur möglich auf Kosten der Zukunft?

  5. eventuell wäre es eine möglichkeit wieder auf den boden der realen werte zu kommen, wenn die „börsensteuer“ nicht in höhe von 0, weissnichtwiewenig“
    sondern in höhe von 19% MEHRWERTSTEUER einkassiert wuerde?

    wie der begriff sagt ist der erwirtschaftete mehrwert zu versteuern, also wenn ein böersendeal in höhe von 1 milliarde euro 30 cent gewinn bringt andererseits 19% mehrwertsteuer kostet ist ganz schnell schluss mit lustigen fantasiemilliarden.

    wär doch mal was

    ps:
    der steuervorteil beim vw/porsche deal soll so um die 1,5 milliarden euro liegen
    (QUelle: salzgitter zeitung, juni 2012)
    die ahben erst alle freien aktien aufgekauft und dann eine aktie umverteilt damit war das ganze eine Unternehmensumgruppierung oder so ähnlich und kein steuerpflichtiger deal
    eine frechheit in meinen augen allen normalen geschäftstaetigen unternehmen gegenüber.

    das sind 1.500.000.000 euro die einfach so durch einen steuertrick
    in der vw kasse geblieben sind. legal.
    ist das so in ordnung, wirklich in ordnung??

  6. Ohne Schulden kann es kein Wachstum geben !

    Die Frage ist nur wehr die Schulden machen soll. In den Wirtschaftswunderjahren (1950..1970) war es die Wirtschaft die die Ersparnisse der Deutschen als Kredit genommen hat, und in Maschinen und Fabriken investiert hat.

    Heute macht das Ausland die Schulden für Deutschland. Jedes Jahr gehen zirka 250 Milliarden Euro von deutschen Sparern als Kredite ins Ausland, damit die dann unsere Waren kaufen können (der deutsche Exportüberschuss ist auch zirka 250 Mrd.) Wenn diese Lände dann pleite sind (seihe Griechenland) sind unsere Ersparnisse weg (Rettungsschirm). Wirtschaft, Staat und Private sparen alle im Augenblick netto gerechnet.

    Hätte man nicht die deutschen Firmen so stark steuerlich entlastet, und währen die Löhne höher (Agenta 2010), würde unsere Wirtschaft wohl endlich ausreichend investieren, und unser Erspartes wäre sicherer (weil in Deutschland investiert).

    Wenn niemand Schulden machen will kann nur noch der Staat mit Investitionen (auf Pump) nachhelfen. (siehe Roosevelt USA 30siger Jahre) Wenn niemand Schulden macht schrumpft die Wirtschaft, und alle werden ärmer !