Claudia am 04. März 2008 —

Alltägliches aus Phnom Penh

HausaltarWo ich denn mit meinem Reisebericht abgeblieben sei, fragte Mohnblume in den Kommentaren zum ersten Kambodscha-Artikel. Recht hat sie, der ist nun schon fast drei Wochen her und ich hätte längst mehr schreiben wollen! Aber wollen und machen sind hier zweierlei Dinge, die in der tropischen Hitze erstmal zusammen finden müssen. Wenn ich dazu noch soviel erlebe, dass ich gar nicht weiß, wo anfangen, wenn ich dann endlich vor dem Laptop sitze, dann belasse ich es oft genug beim Nötigsten, nämlich meinen Auftragsarbeiten, die auch aus der Ferne erledigt werden müssen.

Das Anstrengende an so einer Reise in einen ganz anderen Kulturkreis ist – neben dem Klima, an das ich mich mittlerweile gewöhnt habe – die komplette Andersartigkeit sämtlicher Dinge des Alltags.

Gecko im Toaster Meist berichten Reisende ja vor allem das Spektakuläre, die großformatigen auffälligen Besonderheiten, die man dann auch immer wieder liest. Mir erscheint dagegen gerade erwähnenswert, dass nicht einmal ein Flaschenöffner so ist, wie man das bei uns gewohnt ist. Gestern hab‘ ich nämlich einen beschädigt, indem ich versuchte, mittels einer in Blech gefassten Öffnung an dem seltsam geformten Teil einen Kronkorken zu öffnen. Tja, der Korken blieb dran, das Blechteil sprang ab, es war nur eine VERZIERUNG!

Die Andersartigkeit der Toiletten findet eher meinen Beifall: Überall dort, wo die traditionellen Bodenschüsseln schon durch Sitz-Klos ersetzt wurden, gibt es neben der Wasserspülung einen zusätzlichen Schlauch mit eigenem Wasseranschluss. Natürlich auch noch Toilettenpapier für die, die es dennoch brauchen, doch finde ich den Schlauch sehr fortschrittlich und weit hyginischer als unseren heimischen Purismus, der vom französischen Bidet nichts gelernt hat. Klar, kostet ja mehr wegen des zusätzlichen Wasseranschlusses – doch in einem ARMEN Land wie Kambodscha leistet man sich das!

Armut ist relativ

Fahrrad-Rikscha in Phnom Penh

So relativieren sich manche Bewertungen, die beim ersten Hinsehen so naheliegend erscheinen. Phnom Penh hat zum Beispiel kein öffentliches Nahverkehrssystem. Versuche mit einer Buslinie durch die Hauptstraßen sind gescheitert, da diese von der Bevölkerung nicht angenommen wurden. Na klar, denn hier kann man sich von überall nach überall bequem von Tür zu Tür transportieren lassen – mittels Fahrrad-Rikscha, TukTuk oder Moped, die nicht nur für Touristen sehr erschwinglich sind.

Fahrrad-Rikscha

Dass offensichtlich viele Rikscha-Fahrer keine Wohnung haben, sondern in ihren Gefährten nächtigen, ist dann wieder undiskutierbar ARM. Und doch sieht man hier selten schlecht gelaunte Menschen, für mich der drastischste Unterschied zu Deutschland neben den Körperformen: hier sind alle schlank, agil, sehr beweglich – an der Beleibtheit und sichtbaren Kränklichkeit erkennt man den Europäer. Dabei sind es doch WIR, denen es richtig GUT geht – oder nicht?

Kabelbaum Dieses seltsame Objekt ist nicht etwa moderne Kunst, sondern ein Kabelbaum, wie sie hier überall herum stehen. die Stromversorgung ist dennoch kontinuierlich, zumindest, soweit ich es in meinem Besserverdiener-Viertel an der Riverside von Phnom Penh mitbekomme. Straßenbeleuchtung ist jedoch nicht weit verbreitet, manchmal stehen da zwar die Leuchten, doch es ist kein Geld da, sie auch zu betreiben. So kann es ganz schön finster werden in so manchen Gassen, und zwar schon um halb sieben, nicht nur im „Winter“.

Kambodschaner stehen deshalb sehr früh auf, die vielen Mönche noch früher – und da die Pagoden dicht gesäht sind, wird man am frühen Morgen des öfteren vom Singsang diverser Zeremonien geweckt. Meist sind es Begräbnisse oder Hochzeiten, die dann den ganzen Tag über zelebriert werden – mit einem Aufwand an Material und Einsatz, der auf mich recht befremdlich wirkt. Auch da relativiert sich das Verständnis von Armut: wer hätte denn bei uns soviel Zeit und Geld, dem Zeremoniellen so viele Ressourcen zu gönnen?

Zum Schluss für heut wieder ein Bild, das für sensible Gemüter eher gewöhnungsbedürftig sein dürfte:

Huehnertransport

Auf Mopeds wird einfach ALLES transportiert, so auch diese Hühner. Da es keine Kühlkette gibt, vermeidet man vorzeitiges Schlachten. So negativ mich so ein Anblick berührt, so sehe ich doch auch das glückliche und artgerechte Hühnerleben, das sich quasi überall einsehen lässt: auf den Straßen, in Gehöften und Hinterhöfen, in Restaurants und Werkstätten: überall laufen Hühner frei herum und dürfen machen, was sie wollen. Kein Vergleich zu unserer Käfig und sogar Freilandhaltung!

Demnächst schaffe ich es vielleicht, die „großen Themen“ zu bringen, denen ich hier begegnete: die Khmer-Hochzeit, das Jatropha-Projekt – und natürlich die Brunnen in Tani, die ich hier nicht einfach dazwischen schieben und mit einem Absatz abfertigen wollte.

Bis dahin alles Liebe aus der Ferne!

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Diskussion

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16 Kommentare zu „Alltägliches aus Phnom Penh“.

  1. Hallo Claudia,

    schön, dass Du uns wieder etwas berichtest, und zwar von den kleinen, eher selbstverständlichen Dingen, denn sie machen ja auch zum Großteil das Leben aus. Damit füllst Du meines Erachtens eine Marktlücke.

    Du schreibst:

    > Die Andersartigkeit der Toiletten findet eher meinen Beifall…

    Da kann ich nur voll zustimmen.

    Es ist wirklich befremdlich, dass wir „hoch zivilisierten“ Bewohner der ersten Welt bei unseren „stillen Geschäften“ einfach nicht davon lassen wollen, uns die Sch…. mittels trockenem Papier um unserer geschundenen unteren Körperöffnung herum so lange zu verschmieren bis es unangenehm oder vermeintlich „sauber“ wird. Pfui Deibel.

    In den 1970-er Jahren wurde ich glücklicher Weise mit den diesbezüglichen Gewohnheiten in der vedischen Kultur (Indien) vertraut gemacht. Seit dem: Nie wieder ohne Wasser!!!

    Gefällt mir, dass Du so ein Thema aufgreifst. Danke.

    Alles Liebe
    und viel Elan auch bei den großen Themen wünsch ich!

    Hermann

  2. Schoen, wieder von dir zu lesen. Hab weiterhin eine gute Zeit. Wie geht es den Brunnen, und wann machst du an der Hochzeit mit?

    Herzlichst

  3. […] Es ist ein seltsames und gleichzeitig beruhigendes Erlebnis, einzuloggen und in der Netzwelt alles “wie immer” vorzufinden. Ich lese, was gerade die deutschen Gemüter bewegt, ab und an schafffe ich auch einen Diary-Artikel mit Reiseeindrücken und zeige tropische Pflanzen im Gartenblog – dann aber ruft mich das “reale Leben”, das ohne das Internet ganz anders wäre. Dass ich hier bin, verdanke ich nämlich einer Netzfreundschaft – nie im Leben wär’ ich sonst nach Kambodscha gereist. Dabei ist es richtig spannend, wunderschön, seltsam, rundum beeindruckend – wer kann, sollte mal hinfliegen, und zwar nicht nur nach Angkor Wat! […]

  4. … und ich muss gleich ein wenig laecheln, wenn ich Vergleiche mit unserer „Hochzivilisation“ ziehe. Schon mal was das Bussystem betrifft. Zwar haben wir in Birmingham/USA ein solches. Aber niemand weiss wohin die Busse fahren, denn es gibt keinen Plan. Nicht weniger einen Fahrplan mit den genauen Zeiten. So fahren die Busse bei uns leer durch die Stadt und man jammert, dass das System keine Rendite abwerfe.

    Was elektrische Leitungen betrifft, so sehe ich auch kaum einen Unteschied zu unserem Kabelsalat, der sich ueber alle Strassen und Plaetze hinzieht.

    Sag mal, kann das fruehe Aufstehen vielleicht auch klimabedingt sein, indem man auf diese Weise versucht, der grossen Hitze zu entgehen?

  5. Man steht früh auf, um viel Tageslicht mitzubekommen, denn der Tag ist kurz, um halb sieben ist es schon wieder dunkel!!

    Das mit den Bussen ist ja der Hammer! Und das in einem „hoch entwickelten“ Land!!

  6. Schöne Bilder :) Die Kultur und Lebensweise hat mich auch schon immer fasziniert. Ich hoff, ich kann mir das auch einmal live anschauen – bisher hats zeitlich bzw. durch meinen Beruf bedingt, noch nicht geklappt.

  7. Hallo Claudia,

    – mit Spannung ‚verfolge‘ ich Deine Berichte, welche wie alles, was Du schreibst, immer eine besondere Perspektive vermitteln – hab Dank dafür und komm wohlbehalten wieder in gewohnte Gefilde zurück!

    Mylo mit herzlichem Gruss

  8. Danke für diesen Bericht. Ich liebe Asien, auch wenn ich schon viele Jahre nicht mehr dort war. Es ist der Alltag, der das Leben dort so spannend für den Reisenden macht. Vieles passt nicht in unsere europäischen Vorstellungen, vieles ist aus der Ferne nicht zu verstehen. Ich rate jedem, Asien zu entdecken.

  9. Unsere europäischen vorstellungen passen wahrlich an vielen Stellen nicht – da hab‘ ich noch Stoff für viele Artikel, doch bei jetzt 36 Grad im Schatten nicht sooooo viel Power zum Schreiben..Naja, Ostermontag bin ich zurück im heimischen Schmuddelwetter!!

    Danke Euch für Eure netten Resonanzen!!
    Grüße aus der Ferne
    Claudia

  10. … waaaaaaaaas, nur 36 Grad? Na ja ein wenig Feuchtigkeit kommt noch dazu *laechel*

    Mach’s gut und fuelle dich mit Eindruecken
    Mohnblume

  11. Danek für den Bericht. ICh war letzten winter In P.P. und fand es eine der beeindrucksten Städte Süd-Ost-Asiens. Krass fand ich die sozialen Gegensäte, als ich in P.P. ausgehen wollte und in einer Hip-Hop-Disco (an der Riverside) landete, in der sich scheinbar die Kinder der Oberschicht Kambodschas versammelt hatte. Das waren Einblicke und Gespräche, die die Bilder der Straße stark kontrastierten.
    Erinnerungen. Ich wünsche Dir noch eine schöne weitere Reise

  12. Schön, die Welt mal aus anderen Augen zu sehen. Viele Reiseberichte „berichten“ einfach am Land vorbei. Bei dir ist das wundervoll anders.
    Danke dafür, Max

  13. Ersteinmal Danke für deinen wundervollen Bericht. Dein Schreibstil ist wirklich super, es macht einfach Spaß deine Einträge zu lesen. Besonders muss ich mal deine Fotos hervorbringen, der Kabelbaum und die Hühner gaben mir doch sehr zu denken. Du hast da wirklich gute Motive ausgesucht.

    Aber was ich eigentlich fragen wollte, meinst du du kommst nochmal dazu, einen Bericht über die Khmer-Hochzeit zu schreiben? Die interessiert mich nämlich brennend.

    LG Petti

  14. Ok, die Khmer-Hochzeit kommt auf die ToDo-Liste – das hatte ich ganz vergessen! (Und danke fürs Lob! VIEL SCHREIBEN bringt Gelingen… :-)

  15. […] den Rücken und reiste für sechs Wochen nach Kambodscha. Das tropische Klima, eine ganz andere Kultur, bunte Farben, exotische Gerüche, spektakuläre Altertümer – um zu wenig […]

  16. […] asiatischen Ländern stehen Insekten vielerorts schon lange auf dem Speiseplan. Auf meinen Reisen nach Kambodscha gab es da einiges zu sehen, z.B. diese frittierten Vogelspinnen aus Skun, das für diese […]