Kein weiteres Klingeln! Wahrscheinlich ein Prospektverteiler. Ich entspanne, die Schmerzen kommen zuück, unbeirrt fahre ich fort im Ritual: Handtasche suchen, Inhalt prüfen: Ausweis noch da, Geldbeutel leer, der Hausschlüssel liegt auf dem Boden. Alles noch vorhanden, was der Stadtmensch zum Existieren braucht, welch ein Glück! Jetzt alle Klamotten aufsammeln, Matratze abziehen und in die Waschmaschine. Badewanne einlaufen lassen, Schaumbad dazu. Bevor ich in die Wanne steige, sauge ich Asche und Tabakkrümel vom Teppichboden, sammle die Kippen ein, dann muß ich den Dreck nicht mehr sehen, wenn ich 'rauskomme. Schnell noch eine Decke über die Matratze, Fenster auf: bald wird es wieder riechen, als wäre nichts gewesen. Und nun noch den Fernseher eingeschaltet, Vorabendprogramm - das gibt diesen beruhigenden Sound von Normalität: Waschmittel, Margarine und Nachrichten von Mord und Totschlag. Ich putze mir die Zähne, um den abgestandenen Geschmack und das pelzige Gefühl auf der Zunge loszuwerden, das Stechen beim Atmen läßt langsam nach. Wenn ich es jetzt noch schaffe, in der Wanne der Depression auszuweichen, dann bin ein neuer Mensch!
Aber wie lange?, fragt die Stimme des Abwärts, deine letzte Hose hat Risse, weil du im Suff überall hängenbleibst, Geld kommt erst übernächste Woche und dann mußt du alles bezahlen. Du bist jetzt sechsunddreißig und es geht steil bergab, keine drei Tage schaffst du mehr ohne zu saufen. Kennst Du noch irgendjemanden, auf den du zählen kannst? Sie ertragen dich gerade so, deine Freunde der Nacht, denn es geht ihnen besser, wenn es dir schlechter geht, relativ.

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