Zum 4. InternetBreakfastForum traf man sich im Berliner Kempinsky zum Thema: Welche
Dienste und Unternehmen haben Zukunft? Eine spannende Frage, die mich auch oft bewegt. Schade also, dass ich (noch) nicht hingehen konnte, dachte ich mir so, doch immerhin gab es gleich hinterher einen Ergebnisbericht:
Nein, Ihr braucht eigentlich gar nicht reinlesen, es steht wieder mal nur das drin, was derzeit geradezu litaneienhaft wiedergekäut wird, nämlich die tausendfach wiederholte
Beschwörung:
"Das mobile Internet ist der Zukunftsmarkt".
Frustrierend, langweilig, öd. Ich kann ja verstehen, dass diejenigen, die mit dem Web das ganz
große Geschäft machen wollten, es nach dem großen Scheitern nun
"mobil" nochmal probieren wollen. Viel Glück dabei, ich war schon
immer dafür, auch das schier Unmögliche möglich zu machen...:-)
Aber genau DIESER High-Commerce-Blick auf die Welt und das Netz legt immer weitere
Schichten Mehltau über die Wirklichkeit, so dass es Unkundigen immer
schwerer gemacht wird, den wahren Nutzen der Netze und Netzmedien zu
erkennen. Dagegen muss man mal wieder anstinken!
Bei der Frage, welche Dienste haben Zukunft, brauch' ich nur einfach
mal Menschen fragen, Menschen, die das Netz nutzen, nicht nur mal kurz
gucken. Und da seh ich auf der Ebene des "ganz normalen Lebens" jede
Menge unverzichtbare Anwendungen, die auch genutzt werden und die noch weit
"netziger" entwickelt werden können. Die Rede vom "Grossen Gespräch"
ist definitiv der Dreh- und Angelpunkt: Individuen, Initiativen, Organisationen und
Gruppen jeder Art können sich im Web ausdrücken, können mittels Mail,
Foren, Newsletter, Mailinglisten ohne Rücksicht auf Raum und Zeit
Communities bilden bzw. Kontakte knüpfen, zu welchen Zwecken auch
immer und ihre jeweilige Sache vorantreiben.
Zur Organisation des Alltags, von der Jobsuche über Wohnungssuche und Umzug bis hin
zum Kennenlernen eines neuen Stadtteils oder einer andere Stadt
(einschl. der dort ansässigen Aktiven) ist das Internet nicht mehr
wegzudenken. Auch Personal Publishing wird immer wichtiger: wer
flexibel immer neue Aufgaben in immer neuen Zusammenhängen wahrnimmt,
braucht zunehmend eine aussagekräftige Selbstdarstellung im Web, ein
"Home", wo Interessenten unterschiedlicher Lebensbereiche zu jeder
Zeit andocken können - und das wiederum will gelehrt und gelernt sein
- ein bißchen Ahnung muß schon sein, auch wenn man einen Dienstleister
beauftragt. Auch Kultur, Politik, sozialer Bereich und natürlich die
Wissenschaftler dehnen ihre Kommunikation mehr und mehr ins Netz
aus und lernen die spezifischen Vorteile kennen und schätzen.
Es gibt jede Menge zu tun - aber die Öffentlichkeit stiert auf die
Verlautbarungen der frustrierten Großkonzerne und auf die Pleiten
manch' größenwahnsinnigen StartUps, als wären deren Probleme unser aller
einzig öffentliches Interesse!
Ich rede hier nicht irgendwie idealistisch gegen das Kommerzielle
schlechthin an, wie käme ich dazu, lebe ich doch auch von
Webdienstleistungen, mit großer Freude sogar.
Aber kommerziell erfolgreich ist in einem positiven Sinne immer
der, der der Gesellschaft nützt/dient. Die ja "an sich" keinem
wirtschaftlichen Zweck nachgeht, sondern den unzähligen menschlichen
Interessen ihrer Mitglieder.
Musste ich mal los werden... :-) Und wenn ich zu guter Letzt mich noch frage, was ich eigentlich vom "mobilen Netz" will, dann ist mir das ganz klar: Ich möchte das ganz normale Internet, mit Web und Mail und FTP und, und, und... per UMTS schnell genug auf einem kleinen, leichten und billigen Notebook (bzw. ein abgespecktes Gerät) an jedem Ort der Welt zu nutzen. Wozu neue Dienste, extra für's Handy? Sicher gibt es da die eine oder andere gute Idee, die auch Abnehmer finden wird - aber das GANZE Internet ist unersetzbar, genau DAS möcht ich gern mobil. Und da bin ich sicher keine Exotin! Die ganzen Planungen, UMTS und Mobilnetz als NEUES (Markt-)FELD zu begreifen, stellt sich mir so betrachtet als der Versuch dar, uns - zumindest mobil - vom Netz abzukoppeln und mit teuren, extra aufbereiteten Häppchen abzuspeisen, einzeln zu bezahlen, versteht sich.
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+ © 1996-2001 Claudia Klinger
Digital Diary - Vom Leben auf dem Land und in den Netzen