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7.12. - Tip: Im Forum sind interessante Beiträge zu "Vom drin sein".
 
02.12.01 Vom "drin sein"

Das Chaos wächst, kann das noch jemand übersehen? Mit irrer Geschwindigkeit wächst das Netz und übernimmt die wichtigsten Funktionen in Wirtschaft und Gesellschaft: Information und Kommunikation. Web und E-Mail mit allen darauf aufsetzenden Diensten übertreffen alles vorher da gewesene so sehr, dass sich die Frage des "ob" schon nach wenigen Netz-Jahren gar nicht mehr stellt. Wer nicht "drin" ist, wird Nachteile haben, und deshalb bemühen sich Politiker und Funktionäre trefflich darum, allen gesellschaftlichen Gruppen den Zugang zu ermöglichen. Gut so, was sollten sie auch anderes machen, um der "digitalen Spaltung" entgegen zu steuern? Dass sie neuerdings selbst vor den Vorschulkindern nicht mehr Halt machen und demnächst bereits die Kitas Kleinkinder an den Computer setzen sollen, ist allerdings ein schlimmer Auswuchs. Erstmal muß man ja doch Leben lernen, bevor man darüber kommuniziert!
 
Alle sollen schnellstmöglich "rein" ins Netz. Was aber diejenigen heute schon anrichten und erleiden, die dem Ruf gefolgt sind und im Glauben, alles sei "ganz einfach", ihr Lernen auf automatische Programm-Installationen und die paar Mausklicks bis ins Web beschränkt haben, wird täglich deutlicher. Von zehn E-Mails, die ich derzeit bekomme, kommen drei mit dem aktuellen Virus im Anhang. "Virtuelles Leben", das sich ausbreitet, weil die Nutzer nicht wissen und auch nicht wissen wollen, was ihre Programme eigentlich tun. Wer nutzt schon alle Funktionen seines Mailprogramms? Ich wette, dass eine Menge Leute gar nicht weiß, dass das mit Outlook-Express mitgelieferte "Adressbuch" so voreingestellt ist, dass es alle Mailadressen, an die man jemals antwortet, eigenständig verdatet - eine willkommene Adressquelle für die Viren, die natürlich auf solche "automatischen" Standardeinstellungen ausgelegt sind. Alle Microsoft-Massenprogramme funktionieren nach dem Prinzip "Komfort vor Sicherheit" - und was das bedeutet, seit sich diese Linie im Netz verbreitet, kann man mehr und mehr täglich erleben (siehe ZEIT: Schluß mit lustig").
 
Am virtuellen Marterpfahl
 
Und weiter: Da schickt mir neulich ein Leser mal eben "ein paar Bilder" zum angucken: So etwa 100, verteilt auf mehrere E-Mails, jede sage und schreibe 2,5 Megabyte fett! Ich dachte, mich tritt ein Pferd! Hier in Friedrichshain bin ich dank Telekom ja wieder zu einem Analog-Modem verdammt (immerhin ist es fast so schnell wie ISDN). Mein Mail-Account war fast eine Stunde lahmgelegt. Der Sender hat natürlich von nichts gewußt, denn bei ihm flutscht das ja per T-DSL nur so 'raus.
 
Mag man sich vorstellen, was passiert, wenn nun immer mehr Ahnungslose das Netz über T-DSL kennen lernen und ihre multimedialen Mailprogramme so richtig ausgiebig nutzen? Mal da ein halbes Fotoalbum, dort ein kleines Filmchen, vielleicht ein Musikstück zur Untermalung - das reine Grauen! Das Netz wird zusammenbrechen, zumindest werden unzählige Empfänger, z.B. die ganze Landbevölkerung, per Leitungsverstopfung zeitweise abgehängt. Und niemand ist "schuld", den man auf Schadensersatz verklagen könnte.
 
Und nicht nur E-Mail nervt zunehmend, sondern auch Webdesigner und solche, die sich so nennen, tun ein Übriges, den Surfer verzweifeln zu lassen oder vor Ärger an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Elend fette Flash-Intros, die einen auf die Wartebank setzen, gar ganze Flash-Sites, die - nachdem man sich im dritten Untermenü endlich zum gesuchten Inhalt durchgehangelt hat, vollständig verschwinden, weil man aus Gewohnheit mal den Back-Button des Browsers benutzt hat anstatt der Site-internen Navigation. Manchen macht es auch richtig Freude, den Besucher durch Aufziehen eines formatfüllenden Fensters erstmal aller eigenen Navigationsmöglichkeiten zu berauben und dann vor einer weißen Fläche warten zu lassen (zu besichtigen z.B. auf www.affenkasten.de - der Name sei Warnung genug!).
 
Das gemeine Spiel ist jedoch noch weiter zu treiben: Wer hat noch nicht erlebt, dass ein Pop-Up-Fenster sich nicht mehr schließen ließ oder das Schließen mit dem Aufspringen weiterer Pop-Ups "bestraft" wurde? Die Methoden der Porno-Sites werden zumehmend in den kommerziellen Sektor übernommen und immer öfter muß ich meinen eigenen Browser "abschießen" oder gar den PC neu starten, um aus irgend einer Falle - sei sie absichtlich gelegt oder durch Unfähigkeit erzeugt - wieder heraus zu kommen. Und was denkt und tut eigentlich der unkundige User, wenn ihn diese Dinge erwischen? Wird demnächst ein 80jähriger den ersten tödlichen Herzinfarkt erleben, weil er glauben muß, etwas "kaputt gemacht" zu haben am kostbaren Gerät?
 
Das Netz vergißt nicht
 
Ich könnte lange fortfahren mit der Schilderung mittlerweile netzüblicher Fallstricke - und noch gar nicht angesprochen ist der Bereich der sozialen Interaktion. Auch langjährige Nutzer bemerken mit zunehmendem Schrecken, dass das Netz nichts vergißt - und dass immer mehr Menschen Zugang haben, auch die Verwandten, Freunde, Nachbarn, die Vorgesetzten und Geschäftspartner. Auf der Suche nach alten Bekannten oder auch einfach aus Neugier machen sich mehr und mehr Menschen den Spaß, mal Vor- und Zuname von Bekannten z.B. in google.de einzugeben - und finden so allerlei Texte, die ein ganz neues Licht auf den "Gesuchten" werfen - und nicht immer ist es ein helles. Wer nun glaubt, er könne seine "Jugendsünden" aus dem Netz wieder restlos entfernen, etwa indem er den Herausgebern der einschlägigen Webseiten die Löschung alter Texte abverlangt, irrt. Nicht nur, dass sich natürlich jeder so einen Text zu jeder Zeit zuhause abspeichern konnte - der Text ist zwischenzeitlich "gewandert": auf Sicherungs- oder Geschenk-CDs, in Download-Pakete und natürlich in die Archive der Suchmaschinen. Google bietet z.B. archivierte Fassungen aller indexierten Webseiten - da kann man dann lesen, was gelöscht wurde.
 
Trifft uns das denn?
 
Als ich kürzlich gegenüber einem durchaus "netznah" lebenden Freund angesichts der aktuellen Virenflut ein paar der oben erwähnten technischen Chaos-Ursachen aufzählte, bedauerte er mich, weil mich als Webworkerin dies alles ja in meinem Arbeitsbereich ganz konkret betreffe. Das hat mich nun doch gewundert, denn es ist ganz dasselbe, als würde man es als alleiniges Problem der Bahnplaner und -techniker ansehen, wenn die ICEs nicht fahren wie sie sollen. Dass das Netz dabei ist, für Wirtschaft und Gesellschaft das zu sein, was für den Körper das Nervengeflecht ist, dürfte eigentlich kaum jemandem verborgen bleiben, der täglich mit seinen Kunden, Klienten, Patienten und Bekannten in aller Welt Mails und andere Daten austauscht, und seine Unternehmungen auf Webseiten bekannt macht.
 
Noch ist die Vernetzung nicht vollendet. Es fehlt noch ein ganz wichtiger existenzieller Bereich: Behördenvorgänge und rechtsverbindliche Verträge aller Art. An beidem arbeitet man mit aller Kraft, um auch diese Ebenen vollständig online ablaufen zu lassen. Dann spätestens wird es Ernst: Was uns jetzt noch gelegentlich vor wirklich existenziellen Folgen rettet, nämlich uns auf das ständige Nichtfunktionieren der Technik berufen zu können ("Sorry, die Mail muß im Nirvana gelandet sein", "oh, der Server ist ausgefallen", "ich hatte einen Virus im PC"...), das muß zunächst technisch und vor allem RECHTLICH verunmöglicht werden, damit die Vernetzung "vollständig" werden kann. Die rechtsverbindliche Signatur ist dafür unverzichtbar - und natürlich der Nachweis, dass eine Mail auch angekommen ist.
 
Schon heute erreichen mich mehr und mehr Emails, nach deren Eingang mich mein Mailprogramm in einem kleinen Pop-Up-Fensterchen fragt: "Lesebestätigung absenden?". Nein, ich tu' es nicht, nie! Vermutlich wissen ja wieder viele nicht, dass ihr Mailprogramm so voreingestellt ist, aber selbst wenn: Ich denke nicht daran, an meiner eigenen Überwachung mitzuwirken. Heute sind es Leser, Freunde und Bekannte, die sich keine Gedanken über weitere Folgen machen, wenn sie immer öfter "Lesebestätigung" verlangen - morgen ist es dann Standard und ich klebe fest im Netz wie die Fliege am Honigstreifen.
 


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+ © 1996-2001 Claudia Klinger
   Digital Diary - Vom Leben in den Netzen