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28:07:00 Netzpolitik: Napster vom Netz
Gestern abend kam es in der Tasgesschau: die MP3-Tauschbörse Napster muss nach einem Gerichtsentscheid (Telepolis), den die Musikindustrie erwirkt hat, Freitag Nacht vom Netz. 20 Millionen Nutzer sind von der Verfügung betroffen und auch die LEGALEN Anwendungen des freien File-Sharing, z.B. die Verteilung von Musik noch unbekannter Gruppen mit deren Einwilligung, sind unterbunden.
Neulich hatte ich das Tool erstmalig ausprobiert, ich
wollte mir das mal ansehen und auch ein paar Stücke herunterladen, um
mal zu hören, was mensch heute so hört.
Da ich seit vielen Jahren die aktuelle Musik nicht mehr verfolge, ist mir ein Neueinstieg
über das CD-kaufen nicht möglich. Ich müsste in hunderte, ja tausende
Stücke hineinhören, um in der existierenden Musikvielfalt wieder so etwas
wie "meine Musik" zu finden - wie sollte ich
das bezahlen? Und WARUM sollte ich für ein paar Stunden
Probehören Unsummen bezahlen?
Gerade hab' ich von einer Untersuchung gelesen, (die erste, die
nicht im Auftrag der Musikindustrie erschien), die ergab, dass Leute,
die illegale mp3-Stücke herunterladen, MEHR CDs kaufen als andere. WEIL
sie so die Möglichkeit haben, andere Musikstile überhaupt erst mal zu hören!
Man muss sich vor Augen führen, was da als "finaler Musikmarkt"
seit Jahren die Wiederholung des Immergleichen zelebriert: Unzählige
CDs mit immer denselben "Best OF", "Oldies but Goldies", "Golden
30, 60, 70...".
Dazu die Zumutung, in digitalen Zeiten noch vorgegebene Titelsammlungen
kaufen zu sollen - bloss, weil die CD der Nachfolger der Vinyl-Platte
ist und es auf dieser so üblich war? Wie lange wollte die
Plattenindustrie uns den technischen Fortschritt eigentlich noch
vorenthalten?
Warum soll ich heute noch für Musikstücke bezahlen, die mir nicht
gefallen?
Zu Zeiten des Vinyls, ich erinnere mich gerade, war es übrigens
allgemein üblich, in jedem Plattenladen in angenehmer Atmosphäre in
die Platten hineinhören zu können, ohne Kaufzwang. Man musste zwar
dann die "ganze Packung" kaufen, auch wenn einem nur drei Stücke gefielen,
aber immerhin konnte man die Platte vorher hören.
Die CDs dagegen sind eingeschweisst, ich kann sie nirgends anhören.
Auf die heutigen Radiosender zu verweisen, ist ein Lacher! Wie
sollte ich in all diesen ganz ähnlich tönenenden
Info-Hit-und-Oldi-Sendern die paar wenigen Sendungen rausfinden, die
sich vielleicht mit einer bestimmten Musikrichtung intensiver befassen?
Wieviele Programmzeitungen müsste ich dazu durchforsten? Wieviel Zeit
opfern? Würde ich einen ausreichenden Überblick bekommen???
Wahrscheinlich binnen einiger JAHRE! Soviel Zeit habe ich aber nicht. Die real existierende Plattenindustrie hat mir den Weg zurück zur Musik praktisch verbaut - Napster hatte ihn wieder geöffnet.
Gut - bisher hab' ich auf der Ebene argumentiert, die den Vorwurf
annimmt, Napster sei ein "Programm für Urheberrechtsverletzungen". Wahr ist aber auch, dass es nicht angeht, einem Programmhersteller und
Serverbetreiber - also einem Infrastrukturdienstleister - den Umgang mit
Inhalten anzuhängen, den die Usern zu
verantworten haben.
Jeder, der Napster installiert, akzeptiert die AGB, in der
ausdrücklich zur Wahrung der Copyrights / der Urheberechte aufgerufen
wird.
Es ist wieder die alte Sache: Auch der Provider darf nicht für den
Inhalt meiner Mail verantwortlich gemacht werden, nicht die Post für
meine Briefe, nicht die Telekom für meine Worte. Wo kämen wir da
hin??? Würde jemand Microsoft verklagen, wenn sich herausstellt, dass
98% aller Erpresserbriefe und Morddrohungen auf Winword geschrieben
werden?
Anstatt zu klagen, sollte die Plattenindustrie Dienste leisten, die mensch heute
nachfragt, dann findet sie auch Kunden, die gerne zahlen. Ein zeitgemäßer Musikmarkt würde:
Alte Stücke müssten natürlich entsprechend BILLIG sein, schliesslich haben wir die alle schon ein paar mal bezahlt. Bei MP3.com haben sich zwei Plattenfirmen auf 1,5 Cents pro Stück eingelassen, darüber kann man doch reden... :-)
Das Wichtigste: Es muss möglich sein, Dateien frei zu tauschen und zu teilen, ohne dass es Dienstleistern verboten wird, dafür technische Infrastrukturen
anzubieten. Die rechtliche Verantwortlichkeit muss beim User liegen und nicht beim Provider.
Was wird geschehen?
Die Firma Napster kämpft natürlich auf dem Rechtsweg weiter - im Kern besagt die ergangene einstweilige Verfügung, dass auch legales Filesharing verboten sein soll. Ein Standpunkt, der wohl auf Dauer nicht zu halten sein wird.
Die Protestszene ist sich - wie immer - uneinig. Aktuell rufen einige Gruppen zu Protestaktionen auf, andere wollen die Firma Napster, die ja ein kommerzieller StartUp ist und deren System den zentralen Napster-Server braucht, um alle Nutzer zusammenzuschließen, nicht verteidigen. Sie erwarten, dass all die Millionen frustrierter User jetzt auf Alternativen umsteigen, z.B. die Variante OpenNap, oder Software wie
Gnutella. Die Zukunft läge in echten dezentralen Infrastrukturen (Peer to Peer-Netze), die von niemandem mehr abgeschaltet oder kontrolliert werden können. Leider befinden sich diese Systeme meist noch in einem Beta-Zustand, der vom normal-ahnungslosen User nicht ganz so easy genutzt werden kann. Vielleicht ändert sich das jetzt aber recht schnell. (Gerade mailt mir ein Freund: "Mit ein bißchen gutem Willen sollte es jeder können".)
Im Grunde geht es um die Fragen: Wem gehört das Internet? Wer bestimmt, wie es genutzt wird? Ich hoffe, dass es ALLEN gehören wird und nicht nur kommerziellen Akteuren.
Ein paar Protestaktionen:
http://boycott-riaa.com
http://www.petitiononline.com/Napster/petition.html
http://www.Napstermania.com
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© 1996-2000 Claudia Klinger
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