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Mittagspause beim Bäcker

von S.

Es war einer der Tage an denen es Spaß bereitet, von Praxis zu Praxis zu eilen um die Ärzteschaft von der Qualität meiner Produkte zu überzeugen. Der Sommer holte zu Höchstleistungen aus. Nur die hohe Luftfeuchtigkeit, die in der Kölner Bucht keine Seltenheit ist, machte mir zu schaffen. Zur Mittagszeit war es besonders heiß und schwül. Mit geöffnetem Schiebedach versuchte ich, mir Kühlung zu verschaffen. Die Mittagspause kündigte sich an, wie mir der wiederholte Blick auf meine Uhr zeigte. Ein Hungergefühl überkam mich, als ich den so oft gefahrenen Weg zu meiner Lieblingsbäckerei einschlug.

Eine Umleitung, ich hasse Baustellen! Gezwungenermaßen wählte ich einen Schleichweg durch eine noble Wohngegend. Es stockte mir der Atem als ich - von Reflexen gesteuert - aufs Bremspedal trat. Eine Promenadenmischung zwischen Collie und Schäferhund überquerte achtlos die Straße. Quietschend kam mein Wagen zum Stillstand. Noch mal gut gegangen, dachte ich, während ich weiterfuhr.

An der Bäckerei angekommen und nach erfolgreicher Parkplatzsuche bemerkte ich, welche Ausmaße diese Baustelle hatte. Unmittelbar vor der Bäckerei buddelte ein Bauarbeiter. Der hatte entweder genug von der Hitze oder einfach keinen Bock mehr. Angelehnt an seinem Spaten, eine filterlose Zigarette im Mund, glotzte er in Richtung Bäckerei. In der anderen Hand hielt er eine Bierflasche, die er gekonnt zwischen Zigarette und Lippen leerte. So sind dann wieder alle Klischees ins rechte Licht gerückt, ging es mir durch den Kopf. Ich konnte noch eine toupierte Blondine mit weißen Pumps beobachten, die sich angeregt mit dem verschwitzen Bauarbeiter unterhielt. Sie trug enge Leggins kombiniert mit einer bis zum Dekollet aufgeknöpften schrillen Bluse. Das MCM-Taschen längst out sind schien sie nicht sonderlich zu interessieren.

Plötzlich stieß ich mit einer angenehm duftenden jungen Frau zusammen. "Ich bitte vielmals um Entschuldigung", konnte ich nur stammeln. Es war eine Frau von der Art , die mir das Vokabular eines zehnjährigen Knaben verlieh. "Keine Ursache, ist ja nichts passiert" erwiderte sie in gepflegten Deutsch, was für Kölner eigentlich recht selten ist. Ich starrte sie an! Zwar war ich bemüht, meine Begeisterung nicht in dieser Form zum Ausdruck zu bringen, doch es gelang mir nicht: ihre rehbraunen Augen fesselten meine aufdringlichen Blicke. Sie lächelte, ein Stein, nein ein Fels fiel mir vom Herzen. "Ist wirklich alles in Ordnung? Wie wär's mit einer Tasse Kaffee?´ Ich war etwas abwesend und wollte gerade hier in die Bäckerei um Mittagspause zu machen." Sie griff in Ihr Haar und rückte ihre Bluse zurecht. "Tut mir leid, ich bin etwas in Eile, wie wärs ein andermal?" Wir tauschten die Telefonnummern aus und verabredeten uns für das kommende Wochenende.

Auf den letzten Metern zum aufbauenden Kaffee musterte ich noch das Traumpaar von der Baustelle. Ich konnte noch so einen blöden Spruch wie "Haben wir uns letze Woche nicht bei Amnesty International getroffen?" vernehmen. Diese Art Anmache war mir neu. Ich schmunzelte als ich die Bäckerei betrat, mir einen Kaffee bestellte und mich an den Tisch gesellte an dem ein Typ mit blauem Overall bereits Platz genommen hatte. Irgendwie kam mir der Hund in der Bäckerei bekannt vor.

Zugemutet von S. im September 96

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