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Auf dem Weg heim vom Bäcker

von Carola Heine

Mit dem Lutscher in der Hand ging ich die Stufen vor der Baeckerei hinunter. Nur noch nach Hause und endlich aus den Bueroklamotten... In Gedanken war ich noch bei dem jungen Handwerker, der im Laden seinen Kaffee getrunken hatte und sich so traumverloren auf sein Rosinenbroetchen konzentriert hatte. Eigentlich mag ich es sehr, wenn Maenner auch mit den Haenden arbeiten, dachte ich und revidierte diesen Gedanken direkt wieder, als ich an der Baustelle vor dem Baecker vorbeimusste. Dort stand einer dieser grinsenden Halbaffen, ein direkter Nachfahre des Neandertalers mit dem primitiv-abschaetzenden Blick, einer von dem Typus, der Millionen von Frauen einen Umweg um Grossbaustellen machen laesst. Der Steinzeitmensch in Reinkultur glotzte in die Baeckerei und ich musste ihn bitten, aus dem Weg zu gehen, damit ich mit den Bueroschuhen nicht in den Zementschlamm treten musste. Natuerlich, es war schon ziemlich warm, aber er roch nach ALTEM Schweiss und ich haette ihm beinahe die Hand gegeben "Herzlichen Glueckwunsch, Sie koennten sich als Verhuetungsmittel patentieren lassen, bei Ihnen vergeht einem echt alles".

Andererseits, warum sollte ich mich mit ihm unterhalten, wo ich ihn doch dafuer hasste, dass er mich aus dieser sanft-wilden erotischen Stimmung gerissen hatte. Als es endlich bis zu ihm durchgedrungen war, dass ich keineswegs beabsichtigte, italienische Pumps den Heldentod sterben zu lassen, nur weil die Durchblutung in seinem oberen Drittel gestoert und alles Blut in seine Fortpflanzungsorgane gesackt war, trat er widerwillig aus dem Weg. Das Objekt der affenartigen Gelueste war inzwischen aus der Baeckerei getreten, eine dieser kleinen agressiven Frauen mit dem Terrier-Look: Keine oder kaum Haare, herausfordernder Gesichtsausdruck und garantiert eine rattenscharfe muellhaldengrosse Klappe. Sicher passte sie wundervoll zu ihm. Ich wurde schon wieder besser gelaunt, denn ich musste lachen.

Waehrend ich vorsichtig ueber die restliche Baustelle kletterte, hoerte ich gar nicht zu meiner Ueberraschung, wie der Affenmensch seinen Kollegen einen Vortrag darueber hielt, wie sein Traumfrauentyp so auszuschauen haette. Ein Steinzeit-Macho: Die Sorte, die sich selbst auf die Schultern klopft, alle ihm karrieremaessig ueberlegenen Maenner als Idioten bezeichnet und einen kleingeistigen Schrebergarten an Vorurteilen hegt und pflegt.... Alleine wie abschaetzig er die Fachverkaeuferin gemustert hatte, das sprach schon Baende. Fuer so einen war es nur natuerlich, bei der Mitbevoelkerung ein Interesse an seiner Meinung, seinen Interessen und Geluesten vorauszusetzen. Und fuer mich war es nur natuerlich, nach Hause und aus den Klamotten zu kommen. Meine Phantasie in der Baeckerei mit dem einen zu teilen, der sie mir nicht uebelnehmen und doch veruebeln wuerde. Den Lutscher hatte ich auch noch, und ausserdem noch was zu lachen.

August 1996 - Copyright Carola Heine

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