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Und in der letzten Reihe...
von
Roger Nelke

Gott - was hasse ich diesen Job! Tagein, Tagaus in so einem Loch hocken - mit einem Kollegen, der den ganzen Tag in den Zähnen prockelt. Und wozu das Ganze? Um einem Mitglied der Arbeiterschaft auf die Finger zu schauen, der früher mal an irgendeiner Uni flotte Reden geschwungen hat.

Okay, Okay, Okay - bei Amnesty International wurde er auch gesehen und hat dort was über die Haftbedingungen in Deutschland erzählt - unserem Deutschland versteht sich - so what? Herr im Himmel, wir leben in den 90ern. Die Zeiten, in denen sich die Intellektuellen unters gemeine Volk mischten, um denen zu erklären was Freiheit ist, sind ja wohl wirklich vorbei. Und wenn, dann sind die bestimmt nicht auf den Bau gegangen, sondern in ein Stahlwerk oder so, wo die Aristokratie des Proletariats residiert.

Ja, und wozu das Ganze? Wem haben wir diesen glorreichen Auftrag zu verdanken, unser Vaterland zu retten? So einem Schreibtischarsch, der zu Zeiten der RAF die Beförderung verschlafen hat, und meint das jetzt nachholen zu können. Tja, neue Feindbilder sind rar! Bei den Neonazis weiß man ja nie, wem man eventuell auf den Füßen steht, und mit dem Rest der Subversiven ist auch kein Staat zu machen.

Ich würd' ja gern mal wissen, wozu der Typ immer zum Bäcker reinschaut. Ist der kleine Hunger ausgebrochen, ja ? Oder geht's um die Schnalle, die da gerade die Kinder füttert? Der Laden ist ja ganz schön besucht. Was der wohl für einen Umsatz macht?

Aha - die Schnalle verläßt den Laden. Raubtierfütterung beendet? Hey, die beiden reden miteinander, kennen die sich? So - bitte lächeln - gleich kommt das Vögelchen. Muß heute abend mal in der Kartei schauen, vielleicht haben wir sie dort ja schon abgelegt.

Jetzt geht sie. Scheint ja doch nichts gewesen zu sein - obwohl ich die ja schon lieber observieren würde als unseren Maurerprofessor da unten! Und gleich die nächste bitte. Aber die kennen sich sicher, so wie die sich benehmen. Warte mal - die kenne ich doch! Die war doch auch bei dem Treffen von Amnesty International. Endlich kommt Leben in die Sache! „Okay Kurt - steig der mal nach. Da sollten wir die Adresse haben!" (Und ich muß Dich nicht mehr beim Zähneputzen beobachten).

Und wieder hat uns der Alltag wieder - nix passiert, nur beim Bäcker ist Trubel. Aber da ist ja die Schnalle von eben wieder. Diesmal mit Kinderwagen - sehr originell! Die beiden gucken sich wider an - das ist irgend was im Busch. Ich glaube um die sollten wir uns mal kümmern.

„Ja meine Dame, wir sind von der Gesundheitreform nicht betroffen - wir machen noch Hausbesuche!"

copyright Roger Nelke1997 

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