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Männersachen - Frauensachen

von Sascha Greinke

Das Geräusch, wenn sich die Nadel in die laufende Rille senkt und der kurze Moment dieser rumpeligen/rauschenden Stille, bevor der Song einsetzt, ist immer wieder orgastisch. Sehr lebendig, nicht so steril wie der orchestrale CD-Sound. Melanie nimmt ja an, daß ich die kleinen Silberlinge hasse, dem ist natürlich nicht so. Beide Abspielvarianten haben ihre Vor - und Nachteile, aber diese mit Melanie zu diskutieren führt zu nichts. Nach spätestens zehn Minuten sieht sie mich lächelnd an, steht auf und gibt mir einen schallenden Kuß, mit einem Kommentar der Kragenweite: "Schon klar, Alex!!". Eigentlich müßte ich ja sauer werden, bei soviel nicht ernstgenommen werden. Aber sowas können Frauen einfach nicht verstehen, außerdem liebe ich diese Frau.

Aus ihrem Arbeitszimmer höre ich ihre so vertraute und ebenso vermißte Stimme. Schade, daß Katja am anderen Ende hängt. Nicht daß ich etwas gegen Katja hätte, sie ist sicher irgendwie in Ordnung, aber sie hat uns gerade jetzt, nach einer langen Woche sexueller Abstinenz gestört und sie wird sicherlich noch eine halbe Stunde reden!! Dabei reden Frauen nur über Männer. Melanie denkt ich weiß das nicht!! Aber soweit blicke ich da ja schon durch.

Ich stehe auf und gehe in die Küche. Ihre Küche ist wirklich toll. Dort gibt es viele Sachen, wie zum Beispiel Besteck und verschiedene Trinkgefäße und dazu noch in Mengen. Bei mir sieht das ja doch ein wenig anders aus. Wahrscheinlich sind wir deswegen öfter bei ihr. Ich gieße ein Glas Orangensaft ein, schüttele zwei Eiswürfel dazu und mache mich auf ins Arbeitszimmer.

Sie sitzt auf dem Boden und dieser Anblick macht mich leicht wahnsinnig. Ich könnte sofort über sie herfallen, nicht ohne vorher das Telefonkabel aus der Wand zu reißen. Stattdessen stelle ich den Saft vor ihr ab und streichle leicht über ihren Nacken. Dieser leicht verschwommene "Mach-weiter-nein-warte-noch"-Blick, läßt mich wiederum in Richtung Tür verschwinden. In der Tür blicke ich mich um, und sehe grinsend, wie sie mir eine theatralische Kuß-Hand zuwirft. Ich bin zufrieden!! Würden wir jetzt im Bett liegen, wäre ich sicherlich zufriedener, aber ich bin schon sehr zufrieden. Sie macht es irgendwie, daß ich mit mir und der Welt zufrieden bin. Das hat sonst, in diesem Maße, niemand geschafft. Noch nicht einmal ich. Sie schlägt Seiten in mir an, die für mich noch komisch klingen; aber ich brauch keine Spielchen spielen und die alten Dämonen sind fast gänzlich eingeschlafen.

Ich blicke mich nocheinmal leicht schaudernd um, nur um noch einen kleinen Blick zu erhaschen. Ich habe mich an dieses neue Gefühl noch immer nicht gewöhnt. Aber langsam ist es mir nicht mehr so fremd. Ich bin glücklich!!! Dieses Gefühl ändert sich schlagartig, als mir bewußt wird, was ich den ganzen Tag zu verdrängen versucht habe. Ich habe zugesagt, heute Abend im "Luxenburg" Platten aufzulegen. Aber doch nur weil jemand krank geworden ist. Das "Luxenburg" ist so'n kleiner Laden, mit noch kleinerer Tanzfläche. Eben eine nette Kneipe mit Tanzgelegenheit, zu unhipper Musik. Soul und anderer alter Kram zieht ja auch nicht die Allgemeinheit an; zum Glück. Melanie mag den Laden sehr. Wahrscheinlich, weil er sehr viel Ähnlichkeit mit ihrem Wohnzimmer hat, von der Einrichtung her. Außerdem kennt sie dort viele Leute, alles so Pseudo-Künstler. Das Problem ist nur, daß sie noch nichts von meinem Termin weiß. Hätte ich es am Telefon erwähnt, wäre sie vielleicht nicht gekommen, das wollte ich ja auf gar keinen Fall riskieren. Sie vertritt die Meinung, daß wenn wir zusammen weggehen, auch ganz zusammen sein sollten. Sie wäre ja kein DJ-Groupie!! So'n Quatsch!! Meine buddies sind ungemein nett zu ihr, aber der Funke will nicht überspringen, was weiß ich warum!! Wenn wir weggehen und eine Freundin gesellt sich zu uns, bin ich auch für nicht absehbare Zeit abgemeldet. Ab und an drehen sie sich dann um, schauen mich an und lachen!! Das ist mir dann immer peinlich!!

Also was ist zu tun, denke ich, während ich eine neue Platte auf den Teller lege - das Grundig-Gerät ist wirklich schön, schlägt natürlich nicht mein Elac-Ding, aber das muß Melanie ja nicht wissen. Soll ich sofort die nackte Wahrheit sagen oder auf einen besseren Zeitpunkt warten. Wann ist ein besserer Zeitpunkt? Bevor oder nachdem wir uns in den Kissen gerangelt haben? Einen kleinen heftigen Meinungsaustausch wird es wohl eh geben!! Ist das kompliziert!!


Von Sascha Greinke im November 96

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