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Das neue Klo vom Bäcker

von
Tom der Wal

Manchmal erlebt man die widersinnigsten Dinger auf dem Bau - mein Bedarf an Grotesken ist für's erste auf jeden Fall mal gedeckt.
Dabei fing der Tag eigentlich ganz normal an, d.h. eigentlich war's heute beim Losfahren noch zu früh, um vom Tagesanbruch zu reden; - ich mußte für einen erkrankten Kollegen in so einer Szene-Bäckerei in Köln eine Montage übernehmen.
Von meinem üblichen Einsatzgebiet Niedersachsen ist Köln recht weit weg und so mußte ich gegen 2.20 Uhr losfahren, um gegen 7.00 Uhr mit der Montage beginnen zu können.

Gut geschätzt ist halb gewonnen. Tatsächlich traf ich kurz vor 7.00 Uhr bei der Bäckerei ein, bugsierte meinen Diesel mit einigen Schwierigkeiten an einer Großbaustelle vorbei zum Lieferanteneingang, stellte mich kurz beim Bäcker vor und begann, meine Werkzeuge und die neuen Toilettentrennwände zu entladen.

Schon der erste Eindruck, von dem etwas verwirrt dreinschauenden Bäcker mit den zerzausten Haaren und dem frischen Knutschfleck, der rubinrot hinter seinem linken Ohr hervorflammte, teilte mir unausgesprochen mit, daß ich wieder mal mit druckreifen Geschichten, wie sie nur das Leben selbst schreiben kann, konfrontiert werden würde.

Kaum, daß ich damit begonnen hatte, die heruntergekommenen Nachkriegsstellwände, übersät mit Graffitis aus vier Jahrzehnten und faustgroßen Löchern in Kniehöhe zwischen den Kabinen, zu demontieren, tauchte ein Arzneimittelvertreter auf, sah sich suchend um, warf mir seine Visitenkarte an den Kopf und ging unverrichteter Dinge wieder.

Kurz darauf (ich war gerade dabei, mit meinem Kernbohrgerät die neuen Löcher zu bohren) rannte mich ein kalbsgroßes Etwas mit drei johlenden Kindern auf dem Rücken und einer halbverzehrten Sachertorte zwischen den Lefzen über den Haufen.
Nicht daß ich deswegen besonders verärgert gewesen wäre, schließlich kenne ich den unverwüstlichen Tatendrang ausgelassener Kinder von meinen beiden allerliebsten Knilchen nur zu genau, - nein eher ärgerte mich der hinterherrennende Kerl, dem wahrscheinlich seine Mutter heute noch die Krawatten aussucht und die Hemden bügelt.

Dem fiel bezeichnenderweise, nachdem er meine beiden Wassereimer umgeschmissen, mir rückwärtstorkelnd mit seinen roten Lackschuhen auf die Finger tretend, während er gleichzeitig den unter Druck stehenden Wasserschlauch von meinem Kernbohrgerät abriß (was begreiflicherweise zu einer spontanen Überschwemmung der Bäckertoilette führte),- nichts besseres ein, als mir lauthals "Scheiss Handwerker!" vorzuwerfen.

Na gut, ich blieb freundlich, gelassen, und zeigte dem Herrn höflich wo der Zimmermann das Loch gelassen hatte. Daß er dabei leider mit der Nase voran gegen die Kundentheke, an der gerade einige seltsame Herrschaften ihren noch seltsameren Neigungen nachgingen, knallte, kümmerte mich nicht weiter, da ich dringende Probleme, die keinen weiteren Aufschub duldeten, zu lösen hatte. Außerdem wollte ich heute noch nach Hause.

Etwas später brachte mir der Bäcker, belustigt zwinkernd , eine Tasse Kaffee, die ich dankend annahm.
Bei der Gelegenheit schwatzen wir ein wenig über Gott und die Welt. Fasziniert von seinen Ansichten und den Geschichten rund ums Bäckerhandwerk bin ich dann doch länger als geplant in der Bäckerei hängengeblieben .

Draußen versank gerade die Sonne rotglühend neben dem Kölner Dom im Rhein, als mir ein Mohammedaner anbot, bei Ihm zu übernachten. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und so kam ich auch noch - während wir an den Häuserwänden entlangstreiften - in den Genuß einiger erstklassiger Morgenlandgeschichten.

Handwerkergruß
-tdw-26.10.1996-

Copyright TdW / Ingo Mack

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