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Verkehrsunfall bei der Bäckerei

von
Carola Otto

Ich mußte verrückt sein, bei dieser Hitze nach Köln zu fahren, nur um meinem Bruder die vergessenen Papiere zu bringen. Aber als gestern nacht das Telefon klingelte und Eike mit krächzender Stimme bat, ihm die Sachen zu bringen, weil er mit einer bösen Erkältung im Bett liege, konnte ich nicht nein sagen. Zum Glück hatte mir mein Chef in der Werbeagentur kurzfristig den Nachmittag frei gegeben. Geschlaucht von der langen Fahrt in meinem kleinen Panda erreichte ich Köln.

Wie mußte ich noch mal fahren? Verdammt, ich konnte die Wegbeschreibung nicht mehr finden! Also mußte ich mal wieder nach Gefühl fahren. In der Hoffnung, daß mein Orientierungssinn mich nicht im Stich lassen würde, fuhr ich weiter.
Die nächste Ampel war rot. Ein Glück, da konnte ich noch mal in meiner Tasche nach der Wegbeschreibung suchen . Nichts! Ich mußte sie wohl in der Hektik heute morgen vergessen haben. Die Vergeßlichkeit scheint bei uns ein Familiensyndrom zu sein. Als ich hochblickte, sah ich eine Frau mit einem süßen Mischlingshund vor dem Buchladen. Der Schlauberger zog gerade seinen Kopf aus dem Halsband und schoß los. Hinter mir fingen die Autos schon an zu hupen. Daß die Ampel zwischenzeitlich grün geworden war, war mir entgangen.

Ich bog in die nächste Seitenstraße nur um mich kurz darauf vor einer Baustelle wiederzufinden. Frustriert folgte ich der Umleitung und verlor ganz die Orientierung. Plötzlich legte der Wagen vor mir eine Vollbremsung hin. Im letzten Moment konnte ich mein Auto noch zum stehen bringen. "DU IDIOT" brüllte ich los, da sah ich den Mischlingshund, wie er direkt vor dem anderen Auto über die Straße schoß und mit wehenden Ohren um die Ecke bog. In Gedanken entschuldigte ich mich bei meinem Vordermann, der bereits wieder angefahren war. Plötzlich höre ich Reifen quietschen und mein Auto wird von einem Stoß erschüttert. Das war zuviel für meine Strapazierten Nerven. Wutentbrannt und immer noch zitternd von dem Schock stieg ich aus, um dem Kerl hinter mir gehörig die Meinung zu sagen. Langsam öffnete sich die Tür des Vans. Die neugierigen Blicke des Bauarbeiters und der Blondine, die ihre Unterhaltung unterbrochen hatten nahm ich nur unbewußt war.

"Haben sie denn keine Augen im Kopf?", legte ich los und dann blieben mir die Worte weg. Denn in meiner Augenhöhe hatte ich die schönste Männerbrust die ich je gesehen hatte. Dabei war das blaue T-Shirt, das er trug, noch nicht mal eng. Vorsichtig hob ich meinen Blick nur um in ein paar strahlend braungrüne Augen zu blicken. "I’m terrible Sorry Mam!"sagte er und hob entschuldigend die Hände. Sehr schöne Hände nebenbei bemerkt, die so aussahen als ob sie auch hart zupacken können. Dann fing mein Gegenüber schallend an zu lachen. Ich muß zum schießen ausgesehen haben mit meinem verdatterten Gesicht und dem rotem Minikleid, das mir von der Hitze im Auto am Körper klebte und der lila Baseballkappe. Ach ja, barfuß war ich auch noch! Weil mich meine hohen Schuhe beim Autofahren stören, hatte ich sie ausgezogen. Jetzt mußte ich auch lachen.

Gemeinsam sahen wir und den Schaden an. Da fiel mir auch das Amerikanische Kennzeichen auf. Zum Glück hat es bei mir nur die Stoßstange erwischt und an seinem Auto war auch nur ein kleiner Kratzer. Als er mir vorschlug über die Schadensregulierung vorne in der Bäckerei bei einer Tasse Kaffee zu reden willigte ich freudig ein. Wir parkten die Autos, ich schlüpfte noch schnell in meine Schuhe und wir gingen gemeinsam in die Bäckerei. Aus den Augenwinkeln sah ich wie er mich von der Seite musterte und anerkennend nickte.

Die Bäckerei war voll und er stelle sich für die Kaffee an, während ich versuchte einen Platz an dem einzigen Stehtisch zu ergattern. Zwei der Männer begrüßten sich gerade wie ein frisch verliebtes Paar. Der junger Mann neben ihnen schob seine zwei Freunde freundlich grinsend einfach zur Seite Ich bedankte mich bei ihm und ließ meinen Blick durch die Bäckerei schweifen. Die typische Nachmittagsmischung von Kunden. Eine Gruppe von Muttis beim Kaffeeklatsch. Eine junge Frau mit Kind, das bestimmt schlief, so ruhig wie es war. Bestimmt organisiert sie noch einen Kuchen für den Kaffekranz mit Oma oder Schwiegermutter, da sie keine zeit zum Backen hat. Wie die typische Ehefrau mit Kind sah sie eigentlich nicht aus. Dann war da noch der Hund. Moment mal ein Hund beim Bäcker? Der sah genauso aus wie der Schlauberger der seinem Frauchen ausgehauen und dann vor das Auto gelaufen ist, doch keiner sonst schien ihn zu beachten. Schließlich landete mein Blick wieder bei Eric. Hmm er sieht gut aus in der Bundfaltenhose, man sieht nicht zu oft einen Mann der nicht nur ein breites Kreuz und schmale Hüften, sondern auch noch lange Beine hat. Während ich Eric so betrachtete schweiften meine Gedanken ab.

Ich stellte mir vor wie er mit den Tassen zu dem Stehtisch kommt, bemüht ja keinen Tropfen zu verschütten. Wir können die Augen nicht mehr voneinander lösen und langsam hebt er die Hand um mir zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. "I like your long red Hair" sagt er, während er sich die Strähne um den Finger wickelt. Langsam beugt er sich zu mir, nimmt mein Gesicht in beide Hände und wir küssen uns, erst langsam und zärtlich. Er drückt mich fester an sich und ich genieße das Gefühl dieses muskulösen Körpers, eng an den meinen geschmiegt. Dann nimmt er mich bei der Hand und wir gehen zu seinem Van. Vorsichtig hebt er mich hinein, legt mich auf den bemerkenswert sauberen Boden und schließt die Tür. Er legt sich neben mich und wir küssen uns wieder, diesmal leidenschaftlicher. Langsam öffnet er den Reißverschluß meines Kleides. Ich denke noch "zum Glück sind die Scheiben bei den US-Autos dunkel getönt". Da bleibt mir fast der Atem weg, als er zärtlich meinen Hals und die Schultern mit Küssen bedeckt. Ich spüre seine warme Hand auf meiner Brust, wie er zärtlich über meine Brustwarze streicht. "May I?" Seine Worte reißen mich plötzlich aus meinem Tagtraum und ich höre wieder das gemurmelt der Unterhaltungen der anderen. Mit einem Lächeln im Gesicht zieht er mir die Baseballkappe vom Kopf. Mein Haar das vorher darunter versteckt war ergießt sich über meinen Rücken und Schultern. Langsam hebt er die Hand und streicht mir zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wir küssen uns ohne auf die heftig tuschelnden Muttis in der anderen Ecke zu achten. Dann nimmt er mich bei der Hand und wir gehen zum Van. Ohne den Kaffee auch nur angerührt zu haben.

Das letzte was ich noch höre sind die Worte des entrüsteten Vertreter-Typen: "Wie kann so eine süße Frau sich nur mit einem Neger abgeben?"


17 Oktober '96

Copyright Carola Otto

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