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Alltäglicher Tod beim Baecker

von
Carlos da Rocha

Es war einer der wirklich heißen Tage, vielleicht ein bißchen zu schwül für meinen Geschmack, unsereiner liebt es eben heiß und trocken. Dies war ein Tag, der förmlich nach Sex schrie, billiger, harter Sex. Die Frage nach dem ,Wo" und ,Mit wem" stellt sich unsereiner ja (glücklicherweises?) nicht. Gleich hier auf dem Ladentisch natürlich, mit jedem, den man kriegen kann. Was soll man denn auch machen, wenn man nur ein so kurzes Leben zur Verfügung hat?

Aber ich hatte Glück gehabt, mein Liebhaber war eher von der rauhen Art, viel Blut, leicht knorplig, etwas für Bauarbeiter. Ich wußte, daß uns nicht mehr viel Zeit bleiben würde, unser Liebesakt wurde von den verschiedensten Seiten bedroht, aber trotzdem war ich entspannt und konnte mich hingeben. Ich spürte seine sanfte Umklammerung, die sich langsam löste, als sich seine Ränder begannen in der Hitze nach oben zu biegen. Die Butter war geschmolzen und tief in mich eingedrungen, langsam pulste sie durch alle meine Poren. Meine Erregung stieg von Sekunde zu Sekunde und meine einzige Angst war, daß sich dieser stumpfsinnige Bauarbeiter, der schon die ganze Zeit lüstern durch das Schaufenster der Bäckerei glotzte, plötzlich entschließen könnte, Pause zu machen und mich und meinen Geliebten zu verschlingen bevor ich zum Höhepunkt gekommen war.

Etwas nervig waren die Lutscher-hin-Frösche-her-Diskussionen der kleinen Gören, die Ein-Familienhaus-Zwei-Kinder-Weiber waren Gott sei Dank ruhig, eine Gefahr für uns zwei bestand von dieser Seite sowieso nicht, schließlich war ich kein Vierkornbrötchen mit Kürbiskernen. Im Nachhinein erinnere ich mich jedoch noch an Kratzgeräusche an der Glastür und daß sich diese dann nur einen Spalt geöffnet hat. In diesem Moment interessierte mich das reichlich wenig, der Atem meines Liebhabers hatte sich in ein äußerst unanständiges Crescendo gesteigert und auch ich war jetzt endlich so weit...

Noch im Taumel der Hormone wurde es dann plötzlich dunkel. Und hier liege ich nun, mein Geliebter treibt irgendwo durch die Magensäure, ich konnte ihm noch nicht einmal ein liebes Wort zuflüstern. Das schlimmste ist aber, daß dieser doofe Köter mittlerweile alles gefressen hat, was ihm vor die Schnauze gekommen ist, dabei hatte er doch zu Anfang wenigstens guten Geschmack bewiesen. Schlimm, was in so einer ,anständigen" Bäckerei heute alles hergestellt wird, sogar die Anwesenheit eines Vollkornbrots muß ich jetzt dulden. Aber mir schwinden langsam die Kräfte, während meine hellbraune Kruste in dieser Siffe aufweicht und mein Teint verkommt. Stinkende Hundesiffe, Vollkornbrot... wie konnte ich so tief sinken?


25. September 1996 Copyright Carlos da Rocha

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