Selbstgespräche - eine Diskussion in der Liste Netzliteratur

Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 14.01.00, 10:06:31
Betreff: [NetLit] Selbstgespraech



Martin Walser hat in der aktuellen ZEIT einen wunderbaren Artikel mit dem
Titel "Selbstgespräche" veröffentlicht.

"Großschriftsteller" bedeuten mir nichts - umso erstaunter bin ich, hier von
einem solchen etwas zu finden, das ich auch immer schon empfunden habe, aufs
Beste ausformuliert: den Unterschied zwischen der "adressierten Sprache" der
Öffentlichkeit und der persönlichen Sprache eines Schreibenden.

Doch ist der Artikel keineswegs abgehoben intellektuell - im Gegenteil, es
ist fast so, als schreibe Walser im Diary-Stil (so gut, wie ich es noch
niemals ansatzweise konte!).

Für Schreibende ein MUSS!

Gruss

Claudia


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Von: ingo.mack@t-online.de (Ingo Mack)
Datum: 14.01.00, 11:44:48
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech/link


klinger wrote:

> Martin Walser hat in der aktuellen ZEIT einen wunderbaren Artikel mit dem
> Titel "Selbstgespräche" veröffentlicht.

http://www1.zeit.de/zeit/tag/aktuell/200003.walser-selbstg._.html


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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 11:51:01
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi!

klinger schrieb:

>Martin Walser hat in der aktuellen ZEIT einen wunderbaren Artikel mit dem
>Titel "Selbstgespräche" veröffentlicht.

Einem Pawlowschen Reflex folgend habe ich mir den Artikel gestern
natürlich sofort runtergeladen.

Ich habe mit Walser ein Problem, das durch einige richtige
Einzelheiten in seinem Aufsatz nicht beseitigt wird: ich glaube ihm
nicht.

>Doch ist der Artikel keineswegs abgehoben intellektuell - im Gegenteil, es
>ist fast so, als schreibe Walser im Diary-Stil (so gut, wie ich es noch
>niemals ansatzweise konte!).

Ja, wenn Walser sich mit Sloti zusammentäte, könnten beide zusammen
uns die Spendenaffäre der CDU bestimmt als Offenbarung und Vollendung
demokratischen Seins verkaufen.

Ich lese den Artikel als späten, müden und eigentlich auch
bemitleidenswerten Versuch, die Paulskirchenrede doch noch zu
rechtfertigen. Und die Unterscheidung zwischen adressierter Rede und
Selbstgespräch halte ich für ziemlich trivial.

Dies alles sind aber Probleme, die ich mit Walser habe, wenn er Reden
hält oder Aufsätze schreibt.

Wenn wir die seit biblischen Zeiten oft wiederholte Klage zwischen
öffentlicher und persönlicher Rede aufgreifen, und die vielen Versuche
Revue passieren lassen, diese beiden Sprachen zu vereinigen, so ergibt
sich eine Menge Diskussionsstoff, wenn man die Unterscheidung auf die
Diaries im Internet anwendet. Diese stehen in einem ganz
außerordentlichen Spannungsfeld. Schwierig sowohl für den Leser, der
das Internet-Diary nicht mit dem "Geheimen Tagebuch der Laura Palmer"
verwechseln darf - aber eben auch nicht mit einem zielgerichteten
Essay o.ä.; schwierig aber auch für den Tagebuchschreiber, der sich da
auf unsicheres Terrain vorwagt.

Unsicher ist das Terrain einerseits, weil das Verstehen der Texte
anders funktioniert als in kanonisierten Textformen (Roman, Essay,
Paulskirchenrede), andererseits, weil die Position des Schreibenden
eine andere ist als in kanonisierten Textformen. Zum letzten ein
banales Beispiel: Wenn jemand in sein Tagebuch fortwährend schreibt,
dass der Nachbar ein A*** ist, weil sein Knallerbsenstrauch den
Maschendrahtzaun zum Rosten bringt, dann ist das selbst dann nicht vor
Gericht verhandelbar, wenn das Tagebuch einem Journalisten in die
Hände fällt, der daraus öffentlich zitiert. Wie ist das aber bei einem
öffentlichen Tagebuch im Netz?

Ist Schloss Gottesgabe von einem Maschendrahtzaun umgeben?

Ciao!
juh

--
juh's Sudelbuch
Best of 1999: Was gefiel, was missfiel den Lesern 1999?
http://www.sudelbuch.de/best1999/index.html


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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 14.01.00, 12:39:55
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi,

Juh schrieb:

>Wenn wir die seit biblischen Zeiten oft wiederholte Klage
>zwischen böffentlicher und persönlicher Rede aufgreifen, und
>die vielen Versuche Revue passieren lassen, diese beiden
>Sprachen zu vereinigen, so ergibt sich eine Menge
>Diskussionsstoff, wenn man die Unterscheidung auf die Diaries
>im Internet anwendet. Diese stehen in einem ganz
>außerordentlichen Spannungsfeld. Schwierig sowohl für den
>Leser, der das Internet-Diary nichtmit dem "Geheimen Tagebuch
>der Laura Palmer" verwechseln darf - aber ebenauch nicht mit
>einem zielgerichteten Essay o.ä.; schwierig aber auch für den
>Tagebuchschreiber, der sich da
>auf unsicheres Terrain vorwagt.

und:

>Ist Schloss Gottesgabe von einem Maschendrahtzaun umgeben?


Nein. Das Problem, das Juh meint, trifft auch weniger die Leute außerhalb
des gedachten Zauns. Problematisch wäre, wenn sich die Schloßbewohner inkl.
meiner Freunde im Diary besprochen wiederfinden würden....

Hierzu, wenns belibt, meinen Diary-Eintrag v. 12:01:00 *Langsamer Anlauf...
(www.claudia-klinger.de/digidiary/).

Zitat von dort:

>Die Meldung: "Gunter M. aus K. speiste sonntags nur Baby-Augen
>an Broccoli-Mousse" bringt jedenfalls kaum noch jemanden in
>Wallung. Erst wenn es weiter heißt: "Im Knast schrieb er in
>sein Tagebuch: 'there is no free lunch'",
>ja, dann lohnt der Bericht wieder.

DAS gilt für Massenmedien. Nicht aber für Webtagebücher! Denn es sind in der
Regel nicht anonyme Massen, die den Einträgen eines Diarys folgen, sondern
konkrete Freunde, Bekannte, Auftraggeber&Nehmer, Kunden und Kollegen des
Schreibers/der Schreiberin.

Für diese ist sehr wohl von Interesse, wenn ich schriebe: XY ist ein A..!
Genau wie für die Mieter im Haus von Gunter M. die obige Meldung von
besonderem Interesse ist.

Da das eine Beschränkung darstellt, überlege ich seit längerem, wie die
Diary-Form zu erweitern/verändern wäre - z.B. durch die Umwidmung in
Fiction.... bin da noch nicht zu einem Ergebnis gekommen.

Besten Gruss

Claudia


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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 14.01.00, 12:50:40
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Fri, 14 Jan 2000 11:51:01 +0100 (MET), Jan Ulrich Hasecke wrote:

>Dies alles sind aber Probleme, die ich mit Walser habe, wenn er Reden
>hält oder Aufsätze schreibt.

Hi Jan,

vielleicht kommen diese Probleme aber auch nur daher, daß Du Dich in
den Meinungen, auf die Walser pfeift, als eine Art Exoskelett fest
eingerichtet hast? Der Gedanke ist mir beim Lesen des Sudelbuches schon
öfter gekommen - einschließlich der Überlegung, daß Du selbst nicht
immer genau weißt, ob Dich dieses Exoskelett nun mehr stützt oder mehr
zwickt.

Du hast ja recht: Walser und Sloterdijk (Strauss und Enzensberger,
Markus Michel und Katharina Rutschky hast du vergessen) bringen Dinge
ins Wanken, die viele unangetastet sehen möchten. Vielleicht haben die
Unangetastet-Lassen-Woller sogar gute Gründe dafür. Bloß: Mit
Aufklärung hat das alles nichts zu tun. Unsere öffentliche Meinung
produziert nach einem bestimmten System von Dogmen, Tabus und Reflexen
nachgerade automatisch korrekte und nicht korrekte Positionen. Das
ließe sich programmieren, dazu braucht es kein aufgeklärtes Individuum
und erst recht keinen Schriftsteller.

Das muß für jeden Schriftsteller, der sich nicht als Propagandist sehen
will, eine Provokation sein. Die hat sogar B.Brecht, dem das
Propagandistische nun wirklich nicht fernlag, gespürt, und seinerzeit
fast genauso ausgedrückt (sich aber weniger daran gehalten) wie Walser
heute: "Ich bin einer, auf den Ihr Euch nicht verlassen könnt".

Den Schwanengesang hör ich jedenfalls nicht aus der gleichen Richtung
singen wie Du. Seit Jahren reden wir vom Zerfall der Öffentlichkeit.
Nun stellen wir fest: Er ist eingetreten. Die Angehörigen der
politischen Klasse können tun oder lassen, was sie wollen - kein Mensch
glaubt ihnen. Gewählt werden sie trotzdem, weil ja irgendwer die
Drecksarbeit machen muß (deshalb ist an der Aufregung über die
Koffermännchen auch so viel Heuchelei).

Und nun erleben wir ähnliches auch in der intellektuellen
Öffentlichkeit: Die Praeceptores Germaniae drehen nach wie vor ihre
selbstverliebte Piroutten, aber selbst die Claqueure schauen kaum noch
hin und reagieren nur noch aus Reflex - und weil es so leicht und so
überaus ersprießlich ist, sich an Dogmen orientieren zu können. Jeder
sagt unentwegt jedem, was er tun soll, daß er es längst hätte tun
müssen, daß es so, wie er es tut ist, nicht richtig ist, daß er es,
selbst wenn es richtig tut, doch aus den falschen Gründen und
jedenfalls in der falschen Gesinnung tut - und ein nicht enden
wollendes Gähnen ist die Antwort. Immer mehr Leute tun einfach, was sie
wollen. Dass sie dabei oft nicht nachdenken, kommt auch daher, daß die
Vordenker ihren Job so hundsmiserabel gemacht haben. Aber nu isses
passiert.

Man kann darüber lamentieren. Vor allem die Kämpfer gegen jede
Autorität nehmen nun sehr vergrätzt zur Kenntnis, daß auch ihre
Autoritär keinen Pfifferling mehr wert sein soll.

Man kann sich auch darüber freuen, daß selten soviel freier Raum zum
Selber-Tun und Selber-Denken war wie heute. Damit bei einem
Selbstgespräch anzufangen statt unentweg andere zu "adressieren" ist
kein schlechter Anfang. Und wie Walser hier den verdächtigen
Gleichklang von "adressieren" und "dressieren" aufgedeckt hat - das ist
ein wahres Geschenk.

Schönen Gruß

Michael Charlier



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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 14.01.00, 12:52:23
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi,


zum Walser-Artikel schrieb Juh:

>Und die Unterscheidung zwischen adressierter Rede und
>Selbstgespräch halte ich für ziemlich trivial.

Noch nirgends hab' ich eine derart weitgehende, die eigene Person nicht
auslassende Verlautbarung zu diesem Thema gelesen!

Und dass die Unterscheidung an sich "trivial" ist, was heißt das schon? Es
ist für Intellektuelle vielleicht uninteressant, darüber etwas Neues zu
verfassen....

Aber für den konkreten Menschen, der nicht hauptberuflich Textgenerator ist,
ist dieses Problem nicht trivial! Das sieht man an der verbreiteten Meinung
über Politiker und andere Podest-Menschen. Die Bedingtheiten der
öffentlichen Rede sind keineswegs im Bewußtsein, wenn die Verlautbarungen
der Funktionsträger (Wahrheit? Gar Moral?) beurteilt werden! Und doch würde
nahezu jeder, der an irgend einer Stelle zum Funktionsträger wird, es nicht
viel anders machen.

Es ist das, was Flusser als das folgenlose Leerlaufen verschiedener Diskurse
verschiedener Systeme beschrieben hat: das politische System und sein
Diskurs, die Wissenschaft mit dem ihren - und die jeweilige Vermittlung über
Massenmedien - darunter das "Geschwätz", das Reden der Menschen im Alltag
über all das, das technisch hoffnungslos rückständig sei gegenüber den
anderen Diskursen.

Das ist jetzt nicht mehr so. Das "Geschwätz" hat technisch nachgezogen
mittels des Internet. Schade, dass Flusser nicht mehr lebt, mich hätte
interessiert, wie er DAS jetzt bespricht....

Denn ich glaube, dass das für die o.a. Diskurse nicht folgenlos bleibt.

Besten Gruss

Claudia


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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 14.01.00, 13:00:04
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Jan Ulrich Hasecke fragte:

> Ist Schloss Gottesgabe von einem Maschendrahtzaun umgeben?

ich kenne es zwar nur aus claudias schilder- und bilderungen,
aber waere da - wenn nicht schon gottes schuetzende hand -
einer madonna schutzmantel oder das wehen des heilgen
geistes angebrachter?

fragt 8-}) ws


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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 14.01.00, 13:38:55
Betreff: [NetLit] Selbstgespraeche RE - wider das Besserwissen

Von wegen Selbstgespraeche,....

Warum muss immer wieder KRITISIERT werden, was Menschen - so
wie Schriftsteller - öffentlich zum Hören oder Lesen bereitstellen?

Ist es nicht machbar - es zu lesen - und zu sagen - naja, manches
vestehe ich vielleicht nicht - aber - interessant... Kann man nicht
etwas gelten lassen, dass anders ist?

Schreiben wir Schreiber etwa, um anschliessend darauf zu warten,
das andere uns etwas um die Ohren hauen mögen?

Was ist denn gegen Walsers "Zeit-Text" zu sagen?

Selbstreflexion - ist die zu verwerfen???

- Mir fällt dazu das berühmte Glashaus ein und so ein paar
herumliegende Steine...

Dazu aus den Letzten Worten in Walsers Selbstgespräche-Text,
folgendes Zitat:

"Jeder am Meinungsleben
Teilnehmende kennt diesen Zwang.
(des Rechthabens...) Die am meisten verhindernde Art des
Rechthabens ist die moralische. Den Eindruck erwecken
müssen, man sei der bessere Mensch."

Auch ich habe möglicherweise mehr moralisiert, als ich es wollte
in meinen Texten. Ich tat es, weil ich mich an der Aussenwelt
orientiert habe, anstatt in mich zu schauen. Also sage ich mir:
"schweig". "Was Du sagen willst, verstehen nur die, die es als
Schrift eh nicht benötigen."


Ich empfehle an dieser Stelle:
Dschuang Dsi - Das wahre Buch
vom südlichen Blütenland, Diederichs Gelbe Reihe, 8. Auflage.

aus dem Chinesischen von Richard Wilhelm.

Damals, vor 2350 Jahren, kannte man in China keine
Griechenliteratur (wenn auch zur gleichen Zeit ähnliche geistige
Vorgänge in beiden Ländern sich ereigneten). Was Dschuang Dsi
aufgezeichnet hatte - gilt nach wie vor. Traurig, aber wahr.

Wir sind heutig am Ende einer Epoche, wo das was damals
erkannt wurde - Verfall - bald an seinem Tiefpunkt ankommen wird.

Wacht auf würde ich gerne sagen,
aber was würde dieser Ausruf
helfen? Schaut nicht auf verdrechselte Sprache oder darauf, wer die
beste Kunst kreiert. Schauen wir doch lieber in unser
Selbst.
Selbstehrlichkeit ist das was uns notwendig zu erforderlichen
Wandlungen führt -, wenn man denn sich wandeln will - und nicht
eigene Fehler mit Vorliebe im Aussen sucht.

Kritik um der Kritik willen suchen, nur weil man Schreibstoff
benötigt - oder weil man sich als Zeitgeistkritiker versteht - wem
bringt solches Tun Erfolg? Was hilft es, Meinungen in die Welt zu
blasen, die diffamierend wirken?


Es ist schwierig in dieser (momentanen) Welt ehrlich zu überleben
ohne sich anzupassen - aber, eher verweigere ich mi ch
Anpassungstendenzen als in irgendwelche Hörner zu stossen -
und sei es noch so verlockend.

Ich verzichte lieber auf Karriere , sowie aufs Überleben im
Kulturbetrieb oder als Journalist. Ich werde mich nicht wie
SissyFuss dem Unmöglichen widmen.

Ich empfehle

DIE NOT DER ZEIT im Buch "Dschuang Dsi" zu lesen:

was dort steht gilt immer noch - leider. Es ist ca. 2350 Jahre her:

daraus der letzte Satz:

"Gebt auf die Heiligkeit, werft weg die Erkenntnis, und die
Welt kommt in Ordnung!"

Man könnte auch sagen, gebt auf die Intelllektualität, werft
weg die Anlysierwut und ihr macht einen Schritt in Richtung
Freiheit... des Geistes.

Nur von innen, von DIR aus kannst Du Freiheit erlangen.

Jeder schreibe wie er bzw. sie IST - ist das Geschr iebene
wirklich wie der- oder diejenige - dann ... ist vielleicht
Freiheit erreicht. Dabei geht es meiner Ansicht vorrangig
nach nicht um Stil, vielmehr um Inhalt, wahrhaften Inhalt.

Auch ich habe in meinen Texten vielleicht manches
beschrieben, was ich verstehe, erahne, gleichwohl noch
nicht wirkliche lebe... Erst wenn ich es lebe, wird das
Geschriebene wahr. Und dann mag es auch wirken.

Mir persönlich ist es wurscht, wie einer schreibt .
Hauptsache ich darf etwas (er)lesen das authentisch und
ehrlich ist - also: von Innen stammt.

Wüsste ich, das ein Manuskript, daß ich lesen will von
einem sogenannten Autisten oder einem Legastheniker
stammt, würde ich es anders lesen als sonst... oder nicht?
Dann verziehe ich manche Ungewöhnlichkeit und achtete
mehr auf den Inhalt -, auf eine Botschaft -, auf Authenzität
oder dergleichen.

Woher weiss ich, wie ich sonstige, also andere Schreiber
im Voraus einordnen sollte? Kann ich nicht mit dergleichen
Offenheit an einen Text herangehen wie bei einem wie auch
immer gearteten - sogenannten - Behinderten?

Wer also hat Recht und was ist wahr?

Was ist notwendig?

Ich bitte mich: lasse den Zeitgeist Zeitgeist sein,
und sei Du -
Du selbst. In allem was Du tust.

In diesem Sinne - was kümmert mich mein Geschwätz von
gestern? Ich überprüfe es, um in Zukunft nicht zu
schwätzen.

Schwatzt`s und geht ab

Cahm el Aeòn


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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 13:52:52
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your (klinger@teleteaching.de) mail on Fri, 14 Jan
2000 12:52:23 +0100:

>Und dass die Unterscheidung an sich "trivial" ist, was heißt das schon? Es
>ist für Intellektuelle vielleicht uninteressant, darüber etwas Neues zu
>verfassen....

Tivial heisst (eigentlich): Grundlegend.

Ich habe Walsers Rede immer als Gewissenserforschung von jemandem
glesen, dessen Gewissen zu einem öffentlichen hochstilisiert wird
(ich hab dei ZEIT Artikel nich nicht gelesen).

Das sagt Walser in der Rede so auch ganz deutlich: Er bezweifelt,
ob sein Gewissen (das ihn zum Weggucken zwingt) sich als
'öffentliches' eignet. (Um - so schliesst der dei Klammer
zwischen anfang udn ede der Paulöskirchernrede - dennoch an den
Präsi zu appellieren den Spion zu begadigen.)

Dass ihm dann die Rechten applaudiert haben zeigt, dass nicht nur
sie seine Rede nicht verstanden hatten.

Rechte und Linke (iund Bubis) haben in Walsers Text jeweils nur
das hören können, was sie (nicht) hören wollten. Seine
Selbstzweifel woollten sie z.B. nicht hoeren, seine Provokationen
wollten sie mit einem 'nboese' oder 'prima' quittieren.


--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/


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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 16:06:36
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

klinger schrieb:

>Da das eine Beschränkung darstellt, überlege ich seit längerem, wie die
>Diary-Form zu erweitern/verändern wäre - z.B. durch die Umwidmung in
>Fiction.... bin da noch nicht zu einem Ergebnis gekommen.

Kannst du das ein wenig ausführen?

Worin genau besteht für dich die Beschränkung? Wieso würde Fiction
diese Beschränkung aufheben? Und was würde auf der anderen Seite durch
Fiction verlorengehen?

Die Herangehensweise an die Sache über "das Böse" in deinem Diary ist
ja nur eine mögliche Form. Wahrscheinlich sogar eine obsolete
Kategorie.

Mir erscheint hier - wie Walser das angesprochen hat - die Frage
entscheidend, ob man den "Mut" hat, ein Selbstgespräch vor aller Augen
zu beginnen. Oder müssen wir Innerstes in Fiction hüllen, um es
überhaupt aussprechen zu können.

Ciao!
juh

--
Damit erhebt Heidegger das Sein zum alleinigen Autor aller
wesentlichen Briefe und setzt sich selbst als dessen aktuellen
Schriftführer ein. Wer in solcher Position redet, darf auch Stammeln
aufzeichnen und Schweigen publizieren. Sloterdijk


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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 16:40:58
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

klinger schrieb:

>Aber für den konkreten Menschen, der nicht hauptberuflich Textgenerator ist,
>ist dieses Problem nicht trivial! Das sieht man an der verbreiteten Meinung
>über Politiker und andere Podest-Menschen. Die Bedingtheiten der
>öffentlichen Rede sind keineswegs im Bewußtsein, wenn die Verlautbarungen
>der Funktionsträger (Wahrheit? Gar Moral?) beurteilt werden! Und doch würde
>nahezu jeder, der an irgend einer Stelle zum Funktionsträger wird, es nicht
>viel anders machen.

Also die Reaktion der Leute vor laufender Kamera auf die CDU-Spenden
sagt mir, dass dieses Problem sehr wohl den meisten bewusst ist. Ich
würde sogar sagen, es ist nachgerade ein Allgemeinplatz.

>Es ist das, was Flusser als das folgenlose Leerlaufen verschiedener Diskurse
>verschiedener Systeme beschrieben hat

"folgenlos" ist gut. Es zeigt sich heute, dass Diskurse _nie_ durch
innere Wahrheit zu herrschenden Diskursen wurden, sondern immer nur
durch Macht. Es war aus ganz banalen Gründen bis weit in die Neuzeit
hinein sehr schwer z.B. Atheist zu sein und dies auch noch
auszusprechen. Dafür wurde man nämlich hingerichtet. Die Beliebigkeit
der Diskurse heutzutage ist eine direkte Folge der
Liberalisierung. Meinungsfreiheit und Anything goes sind zwei Seiten
einer Medaille. Deshalb besteht ja auch gerade diese Sucht nach
Extremen, nach Grenzüberschreitung im Perversen.

Walser spricht aber etwas anderes an. Die Übereinstimmung zwischen
innerer und äußerer Rede ist eine persönliche Forderung.

Ciao!
juh

--
Der Nikolaus auf dem Tankstellendach
http://www.sudelbuch.de/1999/19991206.html



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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 14.01.00, 16:53:55
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi,


Juh schrieb:


>Mir erscheint hier - wie Walser das angesprochen
>hat - die Frage entscheidend, ob man den "Mut"
>hat, ein Selbstgespräch vor aller Augen zu beginnen.
>Oder müssen wir Innerstes in Fiction hüllen,
>um es überhaupt aussprechen zu können.

Insoweit *konkrete Personen* in meinem "innersten Selbstgespräch" vorkommen,
ist es nicht nur eine Frage des Mutes, die entsprechende Aufbereitung im
Diary zu unterlassen - sondern auch eine der Loyalität, der Freundschaft,
der Diskretion, das "Anstands", sag ich mal ruhig so altertümlich. (Und auch
die Selbstentblösung hat nachvollziehbare Grenzen)

Das ist doch eigentlich klar? Oder?

Es gibt Webdiarys, die "schonungslos" vom konkreten Umfeld des Autors
berichten - allerdings ist es dann in der Regel kein "inneres Gespräch"
mehr, sondern es sind wohl dosierte Statements, oft feindseliger Art.

Oder es IST ein inneres Gespräch UND bespricht konkrete
Erlebnisse/Mitmenschen, das gibt es auch (Namen werden dann z.B: durch
beliebige Buchstaben abgekürzt), doch das ist nur möglich, solange der Autor
im Alltag in einem Umfeld zu gange ist, das sein Diary mit großer Sicherheit
NICHT mitliest.... (und ich sag dazu nur: Pass bloß auf, schon morgen fällt
Dir der Himmel auf den Kopf...)

Anders, wenn ich einen Roman schriebe: da kann ich alles Erlebte einzelnen
Figuren zuordnen und deren Eigenschaften sogar aus mehreren, realen und
erfunden Personen UND eigenen Persönlichkeitesanteilen zusammenstellen. Zwar
ist das auch ein Sich-offenbaren, doch niemand ist ja gezwungen, es als
"Schlüsselroman" zu lesen....

Das ist es, was Walser meint: ein Roman enhält mich mehr als eine Rede.

Houellebecq kann sich einen Bruno und einen Michel erfinden. Ich als Leserin
kann das als persönlichen Jenkill & Hide Houellebecqs verstehen. Doch darauf
festnageln kann ihn niemand.

Ob und wie ich diese Ebene der Diary-Form (der für mich als Schreiberin
bisher einzig ergiebigen Form von "Netzliteratur") erschließe, weiß ich noch
nicht genau - und werde es nicht vorab verkünden, sondern zuerst in die Tat
umsetzen...

Besten Gruss

Claudia


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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 14.01.00, 17:01:05
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

> Hi,

Claudia schrieb:
>
> Insoweit *konkrete Personen* in meinem "innersten Selbstgespräch" vorkommen,
> ist es nicht nur eine Frage des Mutes, die entsprechende Aufbereitung im
> Diary zu unterlassen - sondern auch eine der Loyalität, der Freundschaft,
> der Diskretion, das "Anstands", sag ich mal ruhig so altertümlich. (Und auch
> die Selbstentblösung hat nachvollziehbare Grenzen)


etc.
Gut!
Dem kann ich zustimmen
pcdoran/Cahmelaeon/Volker



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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 14.01.00, 17:12:01
Betreff: [NetLit] selbst-betrachtungen

Hi Listenleser,


ob Herr Walser wohl liest, was Netzige so über ihn bzw. seine
"Selbstgespräche" diskutieren?


Hallo alter Junge!


______________


Hier noch ein Alter:


Der Streber

========

Vom frühen bis ins späte Alter,

mit Mordsgeduld und Schenkelschluß,

rankt er sich hoch am Federhalter

und klettert, weil er sonst nichts muß.

Die Ahnen kletterten im Urwald.

Er ist der Affe im Kulturwald.


Erich Kästner



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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 14.01.00, 17:15:44
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi,


Juh schrieb:

>Also die Reaktion der Leute vor laufender Kamera auf die CDU->Spenden sagt
mir, dass dieses Problem sehr wohl den meisten >bewusst ist. Ich würde sogar
sagen, es ist nachgerade ein >Allgemeinplatz.

Ich hab nicht allzu VIELE vor laufender Kamera etwas sagen sehen - außer
eben Funktionsträger.....

Aber meine "Anmutung" der Volksmeinung war tatsächlich zuerst die: Wer regt
sich denn da noch echt auf.... (Vor laufender Kamera hab ich dann allerdings
EINIGE solche zu sehen bekommen, Entrüstung des 'Menschen auf der
Straße'...)

Du stimmst mir da zu, so verstehe ich deine Mail. Sollten wir recht haben
(=unklärbar!) war es also bereits wieder mein Aufsitzen auf die "mediale
Verdichtung", die die Journalisten und Kommentatoren mit aller Mühe
anrichten, wenn sie schreiben: "Schäuble gerät von Tag zu Tag mehr unter
Druck"....

Dennoch: steter Tropfen hölt den Stein (und Biedenkopf wär doch nicht
schlecht...).

Fakt bleibt: selbst wenn niemand mehr ernsthaft an die innere Wahrheit
öffentlicher Rede glaubt, das Ressentiment gegen diese Methodik
gesellschaftlicher Verhandlungen bleibt! Man findet es immer wieder
widerlich, langweilig, lachhaft, ätzend, jämmerlich, ..... aber jemand muß
es ja machen, und jetzt haben wir eben einen wirklich interaktiven Kanzler,
der alle Bedürfnisse kommunikativ bestens bedient.

Das Ressentiment gegen die "dreckige Politk" ist sogar so groß, das die
meisten das Partizipieren an der Macht, soweit sie jedem
kommunikationsfähigen Bürger in einer Demokratie möglich ist, lieber
auslassen, als da mitzuhalten.

Und das ist NICHT gut. Aber sehr verständlich.

Besten Gruß

Claudia



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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 14.01.00, 18:25:31
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Fri, 14 Jan 2000 17:15:44 +0100, klinger wrote:

>Ich hab nicht allzu VIELE vor laufender Kamera etwas sagen sehen - außer
>eben Funktionsträger.....

Ich fände es schade, wenn die Diskussion des Walser-Textes sich auf
diesen doch eher oberflächlichen Aspekt konzentrieren würde. Wie die
Medien Stimmungen machen und Stimmen einfangen, ist zur Genüge bekannt
- das hat mit dem, was Walser als öffentliches Reden bezeichnet, m.W.
nur indirekt zu tun.

Es geht eher darum, daß wir heute anscheinend immer noch gar nicht so
weit von den von JUH angeführten Zeiten entfernt sind, in denen man für
das Aussprechen SEINER Wahrheit hingerichtet werden konnte. Nur die
Wahrheiten haben sich geändert, teilweise schlichtweg und pahantasielos
in ihr bloßes Gegenteil. Naja, und die Hinrichtungsformen sind halt
auch der Mediengesellschaft angepaßt, wenigsten in good old Europe.

Aber wie eh und jeh leben wir in einem gesellschaftlichen Zusammenhang,
in dem es ideologische Hegemonien (im Sinne Gramscis) gibt, d.h.
"Wahrheiten", die öffentlich nicht begründet werden müssen, die zu
hinterfragen missbilligt wird, und gegen die aufzutreten die Luft nach
Scheiterhaufen riechen läßt. Und nun kommt zweierlei: Die Künstler
haben seit Beginn der Moderne lange gegen solche Hegemonien aufbegehrt
- bis der Kunstbetrieb dann irgendwann seine eigene Hegemonie
errichtete. Aber da gibt es immer Querköpfe und Ausbrecher - Walser ist
einer davon. Und er ist so störrisch, so, "Hier stehe ich, ich kann
nicht anders"-mäßig, weil er als Schriftsteller in seinen
Selbstgesprächen immer wieder erfährt, wie brüchig diese aufgezwungenen
Wahrheiten sind, und er es nicht aushält, sich diesen für substanzlos
erkannten Ansprüchen zu unterwerfen.

Für mich noch interessanter ist das Zweite, daß es die _eine_
Öffentlichkeit, die von der _einen_ Hegemonie beherrscht wird, nicht
mehr gibt. Der ganze Schwachsinn im Privatfernsehen zeigt auch, wie
viele Leute sich aus der traditionellen gesellschaftlich anerkannten
Öffentlichkeit schon ausgeklinkt haben und anderen Dingen
hinterherlaufen. Da gibt es aber nicht nur diese
-tainment-Öffentlichkeit, sondern auch noch jede Menge andere
Öffentlichkeiten - und die spannendsten davon haben etwas mit dem
Internet zu tun.

Wenn jemand früher keine Lust hatte, sich entweder der Hegemonie zu
unterwerfen oder verbrannt zu werden, mußte er sich in Haus und
Studierstube einschließen, konnte bestenfalls noch konspirativ mit dem
einen oder anderen Gesinnungsgenossen verkehren und wurde fast
zwangsläufig zum sauertöpfischen Einsiedler - für die Hegemonie
ungefährlich. Heute machen wir Websites und Mailinglisten, auf denen
sich Leute mit (höchst partiell!) ähnlichen Interessen und "Wahrheiten"
finden und ihre eigene "Öffentlichkeit" herstellen. eine Öffentlichkeit
übrigens, die strukturell hegemoniefeindlich ist.

Hach - das macht so richtig Spaß, dem Fortschritt bei der Arbeit
zuzusehen.

Schönen Gruß

Michael Charlier



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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 18:26:27
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your (Jan Ulrich Hasecke ) mail on Fri, 14 Jan
2000 16:40:58 +0100 (CET):

>Es war aus ganz banalen Gründen bis weit in die Neuzeit
>hinein sehr schwer z.B. Atheist zu sein und dies auch noch
>auszusprechen.

Und heute versteht einem keiner mehr, wenn man es auszusprechen
versucht (was Walser (2/3 gelesen) wohl eher meint):

a: "Ich bin Atheist."
b: "ich schlafe am Sonntag auch gerne lang."

OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/



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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 18:28:13
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Lieber Michael,

deine Vergleiche haben heute so etwas Organisches an sich.;-)

Michael Charlier schrieb:

>vielleicht kommen diese Probleme aber auch nur daher, daß Du Dich in
>den Meinungen, auf die Walser pfeift, als eine Art Exoskelett fest
>eingerichtet hast? Der Gedanke ist mir beim Lesen des Sudelbuches schon
>öfter gekommen - einschließlich der Überlegung, daß Du selbst nicht
>immer genau weißt, ob Dich dieses Exoskelett nun mehr stützt oder mehr
>zwickt.

Manchmal komme ich mir zwar eher wie ein Nierenstein in einem
geschmorten und daher gefühllosen Nierchen vor... aber wer wollte
schon auf sein Exoskelett verzichten, wo es doch das eigene Rückgrat
so wunderbar schont. ;-)

>Du hast ja recht: Walser und Sloterdijk (Strauss und Enzensberger,
>Markus Michel und Katharina Rutschky hast du vergessen) bringen Dinge
>ins Wanken, die viele unangetastet sehen möchten.

Es geht mir nicht um Tabus an sich. Was Sloterdijk angeht, so
kritisiere ich, dass hier ein angeblicher Philosoph Dinge anstößt (die
Genmanipulation), deren Folgen er nicht ausbaden muss. Er steht für
mich in so fern auf einer Stufe mit Leuten, die wortreich und mit
vielen Charts begründen, warum man die Seetüchtigkeit von Öltankern
nur alle Jubeljahre mal kontrollieren sollte. Die Folgen müssen diese
Arschlöcher nicht ausbaden, das tun die Seevögel und die freiwilligen
Helfer an der französischen Atlantikküste, die den Dreck wieder
wegputzen.

Bei Walser liegen die Dinge anders. Hier kritisiere ich vor allem sein
Gewinde, was er als tastende Unsicherheit ausgibt. Und wenn es dicke
kommt, bleibt ihm ja noch die ach so anders geartete Sprache des
Schriftstellers, in die er sich flüchten kann.

>Unsere öffentliche Meinung produziert nach einem bestimmten System
>von Dogmen, Tabus und Reflexen nachgerade automatisch korrekte und
>nicht korrekte Positionen. Das ließe sich programmieren, dazu
>braucht es kein aufgeklärtes Individuum und erst recht keinen
>Schriftsteller.
>
>Das muß für jeden Schriftsteller, der sich nicht als Propagandist sehen
>will, eine Provokation sein.

Dem kann man leicht zustimmen. Zu leicht vielleicht...

Ich kann hier nur den Applaus bei der Friedenspreisrede nicht so recht
unterbringen.

Dieses System von öffentlicher Meinung ist ja bei weitem nicht so
festgefügt, wie es manchmal den Anschein hat und vor allen Dingen
erschöpft es sich nicht in Intellektualien. Es hat handfeste
Auswirkungen. Ein Beispiel: Von 1985 bis in die 90er Jahre hinein hat
die CDU im Verein mit der Bildzeitung jeden Sommer eine
Asylantendebatte entfacht. Es dauerte ein paar Jahre aber 1993
glaubten dann ein paar Jugendliche in Solingen, durch das Anzünden
eines Hauses, in dem eine türkische Großfamilie wohnte, den
eigentlichen Willen ihrer Regierung zu vollstrecken. Die Jugendlichen
sind verurteilt worden. Die Herren aus der CDU und die Journalisten
der Bildzeitung laufen noch frei herum.

Unser System der öffentlichen Meinung ist letztendlich das einzige
präventive Mittel, um den Ausbruch der Barbarei zu verhindern. Nur die
öffentliche Meinung hindert einen Jugendlichen ja, Neonazi zu werden
und Ausländer zu ermorden - oder alten Omas die Handtasche zu
entreißen. Die Polizei und die Gerichte sind ja lediglich
Sanktionsorgane, die ex post agieren, wenn das Kind schon im Brunnen
liegt.

Und da öffentliche Meinung gemacht wird, lohnt es sich darum zu
streiten. Es lohnt sich nicht nur, um die Diskurshoheit zu streiten,
sondern auch darüber, wie man diese erlangt und was man mit ihr machen
will.

Eine Rede in der Paulskirche ist kein Gespräch auf der Couch, da kann
Walser noch so sehr den Rebellen raushängen lassen, der gegen
angebliche Konventionen ins Feld zieht. Wenn ihm die Funktion einer
solchen Rede, die a priori durch ihre Öffentlichkeit und öffentliche
Verbindlichkeit geprägt ist, nicht passt, hätte er sie nicht zu halten
brauchen. Er hätte auch einen Skandal anzetteln können, bewusst
anzetteln können, indem er die öffentliche Erwartung enttäuscht und
Zoten erzählt. Stattdessen hat er sich zum Sprachrohr der Mehrheit im
Saal gemacht.

>B.Brecht: "Ich bin einer, auf den Ihr Euch nicht verlassen könnt".

Na, wenn der das mal nicht ganz anders gemeint hat... ;-)

>Seit Jahren reden wir vom Zerfall der Öffentlichkeit.
>Nun stellen wir fest: Er ist eingetreten. Die Angehörigen der
>politischen Klasse können tun oder lassen, was sie wollen - kein Mensch
>glaubt ihnen. Gewählt werden sie trotzdem, weil ja irgendwer die
>Drecksarbeit machen muß.

Nicht nur deshalb. Systeme sind überhaupt haltbarer als die
Gesinnungen, die sie hervorgebracht haben. Das kann auch mal ein
Vorteil sein. Wer heute Kohl einen Verbrecher nennt, tut dies
systemimmanent!

>Jeder sagt unentwegt jedem, was er tun soll, daß er es längst hätte
>tun müssen, daß es so, wie er es tut ist, nicht richtig ist, daß er
>es, selbst wenn es richtig tut, doch aus den falschen Gründen und
>jedenfalls in der falschen Gesinnung tut - und ein nicht enden
>wollendes Gähnen ist die Antwort. Immer mehr Leute tun einfach, was
>sie wollen. Dass sie dabei oft nicht nachdenken, kommt auch daher,
>daß die Vordenker ihren Job so hundsmiserabel gemacht haben. Aber nu
>isses passiert.

Wie kriege ich diesen Absatz nur in eine vierzeilige Signatur? ;-)

>Man kann sich auch darüber freuen, daß selten soviel freier Raum zum
>Selber-Tun und Selber-Denken war wie heute. Damit bei einem
>Selbstgespräch anzufangen statt unentweg andere zu "adressieren" ist
>kein schlechter Anfang.

Was Elementarteilchen tun und denken, ist unerheblich für andere
Elementarteilchen. Und nur insofern besteht freier Raum.

Man kann kein bloßes Selbstgespräch führen. Das Selbstgespräch im Netz
befindet sich immer schon im Bereich der adressierten Rede. Aber diese
Spannung ist ja das Interessante. Oder, um deinen dem Insektenreich
entnommenen Vergleich wieder aufzunehmen: Erst wenn das Exoskelett so
richtig zwackt, stützt es die Schmeißfliege in uns ideal ab.

>Und wie Walser hier den verdächtigen Gleichklang von "adressieren"
>und "dressieren" aufgedeckt hat - das ist ein wahres Geschenk.

Wer einen Hund hat, weiß, was eine gute Dressur wert ist.

Fass Walser! Platz Sloti!
juh

--
Das Handwerk und sein goldener Boden
http://www.sudelbuch.de/1999/19991105.html




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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 18:33:01
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

klinger schrieb:

>Insoweit *konkrete Personen* in meinem "innersten Selbstgespräch" vorkommen,
>ist es nicht nur eine Frage des Mutes, die entsprechende Aufbereitung im
>Diary zu unterlassen - sondern auch eine der Loyalität, der Freundschaft,
>der Diskretion, das "Anstands", sag ich mal ruhig so altertümlich. (Und auch
>die Selbstentblösung hat nachvollziehbare Grenzen)
>
>Das ist doch eigentlich klar? Oder?

Natürlich. Der Schlüsselroman ist eine Konvention, diesem Problem, na
sagen wir, kreativ auszuweichen. Wie geht das im Webdiary?

>Ob und wie ich diese Ebene der Diary-Form (der für mich als Schreiberin
>bisher einzig ergiebigen Form von "Netzliteratur") erschließe, weiß ich noch
>nicht genau - und werde es nicht vorab verkünden, sondern zuerst in die Tat
>umsetzen...

Ja, nur so ist eine Antwort möglich. Ausprobieren. Möge der Himmel
nicht einstürzen. ;-)

Ciao!
juh

--
juh's Sudelbuch
Literatur und Satire per E-Mail
http://www.sudelbuch.de



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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 18:35:39
Betreff: Re: [NetLit] selbst-betrachtungen

Your (pcdoran@t-online.de) mail on Fri, 14 Jan 2000 17:12:01
+0100:

>ob Herr Walser wohl liest, was Netzige so über ihn bzw. seine
>"Selbstgespräche" diskutieren?

Ich nehm das mal ernst als Frage ;)

a)
Er hat mir erzaehlt [er, seine Frau, der Rektor der Uni KOnstanz
in des letzteren Dienstpolo; wir haben dei Walsers von der Fähre
abgeholt zu ner Benefizlesung an der Uni KN.], dass er erst mit
dem 'Kindheit'-Buch erstmals ueberhaupt mit Computer gearbeitet
hat. (Bzw seine Frau hat's eingetippt und am Rechner korrigiert;
er hat die Stellen zu den Figuren per Suchen-Funktion aufgespürt
;) )

Er lobte de Uebersicht bzw Einsicht in den Text, den ihm das
gestatte.

Das war irgendwann Anfang der 90er.

b)
Guck Dir in der ZEIT Walsers Telefon an.
These: Wer so n Telefon hat, hat auch kein Internet. ( ;) )

OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 18:39:53
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

klinger schrieb:

>Du stimmst mir da zu, so verstehe ich deine Mail. Sollten wir recht haben
>(=unklärbar!) war es also bereits wieder mein Aufsitzen auf die "mediale
>Verdichtung", die die Journalisten und Kommentatoren mit aller Mühe
>anrichten, wenn sie schreiben: "Schäuble gerät von Tag zu Tag mehr unter
>Druck"....

Äh, diesen Absatz verstehe ich nicht so ganz. Wieso bist du der
medialen Verdichtung aufgesessen? Die es natürlich gibt. Es erscheint
mir aber seit Montag dramaturgisch unvermeidlich, dass Schäuble
zurücktritt.

>
>Dennoch: steter Tropfen hölt den Stein (und Biedenkopf wär doch nicht
>schlecht...).

Schröder lässt angeblich durchsickern, er stelle sich schon auf
Biedenkopf ein, wahrscheinlich, um ihn durch frühzeitige Erwähnung zu
verhindern.

Ciao!
juh

--
"Das Wort "Verben" schreibt man nicht mit W sondern mit Vogel-F."
Tristan Hasecke.



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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 18:41:45
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your (Jan Ulrich Hasecke ) mail on Fri, 14 Jan
2000 18:39:53 +0100 (CET):

>Es erscheint
>mir aber seit Montag dramaturgisch unvermeidlich, dass Schäuble
>zurücktritt.

Du hasttest uebrigens heute als spätestes Rücktrittsdatum genannt
;)

*duck*

OG
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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 18:43:16
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your (Jan Ulrich Hasecke ) mail on Fri, 14 Jan
2000 18:39:53 +0100 (CET):

>Schröder lässt angeblich durchsickern, er stelle sich schon auf
>Biedenkopf ein, wahrscheinlich, um ihn durch frühzeitige Erwähnung zu
>verhindern.

Hm, profitiert Schöder nicht von einem Linksruck der CDU? (Rechts
ist ja eh kaum noch Platz. Oder die REPs treten jetzt wieder
ein.)

OG
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Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 14.01.00, 18:48:32
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

liebe netliteratInnen,

nach getaner arbeit hatte ich ein wenig zeit, walser bei
seinen selbstgespraechen zu lauschen, und fand ihn zitierend:

*Procaptu lectoris habent sua fata libelli*

dass ist doch bloss die lateinische version
meiner vorfahren-plumpsklo-hammer-nagel-geschichte,

meint
8-}) ws
uebrigens:
wenn die buecher ausgingen, wurden
die alten zeit-ungen angenagelt ;-)



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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 14.01.00, 19:40:34
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech die 100ste




> Hi,

will nochmal klaeren, wieso und wozu ich gesagt habe, ...dem
kann ich zustimmen.

Claudia schrieb:
> >Mir erscheint hier - wie Walser das angesprochen
> >hat - die Frage entscheidend, ob man den "Mut"
> >hat, ein Selbstgespräch vor aller Augen zu beginnen.

<*zustimm* - ja! warum nicht?>


> Insoweit *konkrete Personen* in meinem "innersten Selbstgespräch" vorkommen,
> ist es nicht nur eine Frage des Mutes, die entsprechende Aufbereitung im
> Diary zu unterlassen - sondern auch eine der Loyalität, der Freundschaft,
> der Diskretion, das "Anstands", sag ich mal ruhig so altertümlich. (Und auch
> die Selbstentblösung hat nachvollziehbare Grenzen)

<*zustimm*>

>
> Das ist doch eigentlich klar? Oder?

so klar wie => Klossbruehe (unklar)

> Anders, wenn ich einen Roman schriebe: da kann ich alles Erlebte einzelnen
> Figuren zuordnen und deren Eigenschaften sogar aus mehreren, realen und
> erfunden Personen UND eigenen Persönlichkeitesanteilen zusammenstellen. Zwar
> ist das auch ein Sich-offenbaren, doch niemand ist ja gezwungen, es als
> "Schlüsselroman" zu lesen....

<*zustimm*>

>
> Das ist es, was Walser meint: ein Roman enhält mich mehr als eine Rede.

who knows? - also: <*nicht zustimm*>

______________________
So.

Und wir nehmen alle teil an etwas Neuem? internetzlits?
Grossartig?
juhuuu - faszinantoess

Faszination birgt immer Gefahren in sich.

Netzliteratur?

Ein Begriff. Neu zwar, aber nur ein Begriff.

Jede site, jede homepage, und auch diese Liste ist in sich
unterschiedlich.

Was verbindet uns?
Kommunikation offenbar.

Die Frage ist, wie diese zu gestalten ist. Wie bildet sich eine Basis
auf der wir aus alten Musspötten herauskommen?

Ich habe zu dieser Frage das laengere Zitat von Mr. Bohm an die
Listenteilnehmer geschickt. Da steckt meiner Ansicht nach nicht
irgendeine vage Esoterik darin, sondern die Frage nach Ehrlichkeit,
Offenheit - nicht nach Pseudonymen sodern nach innerer wie sich
äussernder Offenheit - und einer Toleranz, die andere ersteinmal
gelten laesst. Zuhört. (was im E-Mail-Netz eigentlich leicht
machbar ist - aber - laesst man/frau sich denn genuegend zeit? -
will man/frau nicht gern schnell reagieren - was durch netz
schicken? es soll ja auch stille zuschauer geben...?
etc.

Was Walser betrifft mag er ja ein bisschen altbacken
daherkommen, und sonstwelche Schwaechen aufweisen. Was
auch immer.
Schlotterdeich dgl. oder auch nicht.
Nur - frage ich mich immer: Warum laufe ich mit irgendwelchen
Bildern im Kopf herum, Bilder z.B. über andere Leute -, die ich nur
vom Lesen her >kenne<. Und zusätzlich von der Glotze. Was
erkennen ich darin schon...

Ich z.B. mag Schlotterdeich nicht sonderlich. Seine Ausfuehrungen
nicht - langatmig philosomorph verdreht... etc. Aber ich verurteile
ihn nicht oeffentlich. (habe aber frueher gern so gehandelt,
rumgemotzt ueber alles moegliche!)
In Sloterdicks Fall-Fall habe ich mich gar nicht erst lange mit
seinem Genproblem auseindergesetzt. Ich habe mich schlicht dem
verweigert, weil er mir nicht zusagt. Basta. Sollte mich sein
(perönliches) Thema seiner Schriften dennoch direkt interessieren,
muesste ich micht damit sehr genau auseinandersetzen. Darin
sehe ich allerdings keinen Wert, weil er mir (persoenlich) als einer
erscheint, der zwar die Dummheit nicht mag, aber auch keine
Alternativen zu sehen scheint... ausser herumzugruebeln.
- Er scheint sich gern reden zu hoeren und in einigen links zu
verlieren, die ich nicht nachvollziehen kann. Das zu seiner Person
aus kurzen Beobachtungen gesagt. => Zu kurz, um Schlotteldeich
beurteilen zu koennen. Ich koennte mich eben irren.

Kurz und gut: ich habe soeben eine Meinung geaeussert (ueber
Schlotter) - nur - so sollten wir nicht an die grossen und wichtigen
Themen dieser Zeit herangehen. Wieso machen wir ei Thema,
dass uns aus irgendwelchen Gruenden beschaeftigt, aufregt oder
was immer an der Person fest. Solche Themen, wie
Gentechnologie, Politikverdrossenheit, Luegen und
Selbstbeluegungen, Medien, etc..

Die Person mag irgendwann einmal zu kritisieren sein, aber was
hilft das bisher. Hat kjemand Koehlchen aufhalten koennen. Oder
die Schierkohlen die unter den Haenden fliessen? Die Ursachen
liegen tiefer und sie haben uralte, historisch gewachsene Gruende.
Diesen Gruenden gilt es zuerst auf die Spur zu kommen - und zwar
nicht nur im Aussen - auch in uns selbst.
Selbst - wenn man/frau Schriften erstellt oder im Journalismus
arbeitet.

Es bedarf einer gruendlichen Beobachtung unserer
Kommunikationsweisen und der daraus resultierenden Ergebnisse,
um dem auf die Spur zu kommen, was uns trennt und - - -
zusammenfuehren kann.

Wenn ich im Netz z.B. mit einem Pseudonym auftrete, kann alles
unMögliche sich dahinter verstecken.
Wie mir ein NetLit-Mehlbardner heute mitteilte, rufe ein Pseudonym
bei einigen netizens Aggressionen hervor oder Ablehnung etc.pp.
- Das kann ich verstehen und sehe auch die Gruende. Doch was solls - ich
habe ganz profane Gruende fuer ein Pseudonym - ohne
Hintergedanken oder irgendetwas Falschem im Sinn.

Anonym ist man solange bis man sich naeher kennenlernt.
Wenn ein netz offen ist, dann koennen darin aber eben auch Eierkoeppe herumkrebsen, die
irgendwelche Daten sammeln und sontwasweissich.
Z.B. der Unterlasssungschutz - aeh - Verdingungsschutz- kann da
herumbloedeln. Die haben ja eh nix anders zu tun als ihre
verdraengten Fehler und Macken bei anderen zu suchen.

Zwar habe ich diesbezueglich ueberhaupt nix zu verbergen, aber
ich habe eben nunmal ein PseudoName, und habe meine Gruende.
Wenn ich einen solchen Pseudonamenbesitzer im Netz naeher
kennenlernen will - nehme ich eben Kontakt auf. Ganz einfach. Ich
werde ja wohl bemerken, wie der- oder diejenige dann reagiert.
Bischl Menschenkenntnis soll ja immer angebracht sein...

Letztlich rief jemand meine Mutter an und behauptete - ich haette
etwas gewonnen. Fragte sie nach meinem Daten. Sie gab sie ihm
durch. - Tja. - Aber einen Gewinn, den er versprochen hat, habe ich
noch immer nicht erhalten. Aber er fragte, ob man denn nicht eine
Zeitschrift abonnieren wolle... und so. Mhmmm.

___________

Uebrigens: dem Mehlbardner schrieb ich zum Thema Pseudonym
und sonstiger Gepflogenheiten alter Hasen folgendes:

Es erinnert mich an einen Spruch den ich in einem Mietshaus
hörte (im Ausland frueher mal). Der lautete:

"Sie sind hier als letzte ins Haus gekommen, warum fragen Sie da
nach Ruhe. Nehmen Sie es wie es ist. Und basta."

Nun, der taegliche und naechtliche Krach störte zwar nahezu alle
im Haus (Netz?) - doch keiner
wagte den Mund ehrlich und offen aufzumachen.

Na ja
schaun mer mal wie es sich hier im netz entwickelt.

Also, ihr alten netizens.
Mein Name ist nicht Hase.

schoenen Abend noch.
V. alias cahrmanelion






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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 20:04:49
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your ("Wolff 'wodile' Lehmann" ) mail on Fri, 14
Jan 2000 20:06:55 +0100:

>"Der Roman entsteht unwillkürlich. Er kündigt sich an
>als eine zunehmende Notwendigkeit, auf eine Erfahrung zu
>antworten. Auf eine leidvolle Erfahrung meistens."
>
>ojeh. deutschland - das land der leidenden schriftsteller.

Ich schreibe nie, wenn ich gluecklich bin.

Und wenn, dann Schrott.

Ob das an meinem Pass oder an meinen Genen liegt, das wirst dann
schon Du entscheidden muessen ;)

OG
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Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
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Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/



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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 14.01.00, 20:06:55
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

nabend,

ein paar kommentare meinerseits zum walser-text:

"Natürlich kommen Romanfiguren nicht ohne Meinungen
aus. Aber aus allen Meinungen aller Figuren eines
Romans ergibt sich nicht die Meinung des Autors."

yep. ein vom leser erstaunlich oft gemachter fehler, der auch mich in
letzter zeit immer öfter ziemlich überraschend trifft. noch
merkwürdiger ist die verwechslung des autors mit seinen eigenen
figuren. selbst wenn nirgendwo "ich" steht.

"Der Roman entsteht unwillkürlich. Er kündigt sich an
als eine zunehmende Notwendigkeit, auf eine Erfahrung zu
antworten. Auf eine leidvolle Erfahrung meistens."

ojeh. deutschland - das land der leidenden schriftsteller. bei solchen
zitaten weiß ich wieder, warum ich mal jemandem gemailt habe "sorry.
mein schreibsel folgt der angelsächsischen literatur-tradition. ich
lese auch keine deutschen romane mehr. den rest kannste dir ausmalen."

;o)


Wodile

--

Wodiles Weekly
www.wodile.de

Diese Woche: alles fertig zum abheben ;o)




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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 14.01.00, 20:24:22
Betreff: [NetLit] selbstgespraeche?

Die Menschen sind verschieden?


Also noch sehe ich ne ganze Menge herumlaufen und sitzen.
Liegen wahrscheinlich.

Verschiedentlich.

Fuehren wir nicht zumeist Selbstgespraeche?

(...cxxx))
caemeljon



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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 14.01.00, 20:29:51
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

moin moin,

OG> Ich schreibe nie, wenn ich gluecklich bin.

ich schreibe nie, wenn ich unglücklich bin

OG> Und wenn, dann Schrott.

und wenn, dann schrott

die menschen sind eben verschieden. einfach so.


Wodile

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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 20:50:45
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your ("Wolff 'wodile' Lehmann" ) mail on Fri, 14
Jan 2000 20:29:51 +0100:

>die menschen sind eben verschieden.

Eben und damit nicht 'typisch deutsch', wie du vorher sagtest.

Danke.

OG
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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 14.01.00, 20:52:51
Betreff: Re: [NetLit] selbstgespraeche?

Your (pcdoran@t-online.de) mail on Fri, 14 Jan 2000 20:24:22
+0100:

>Fuehren wir nicht zumeist Selbstgespraeche?

Wenn Du immer neue THreads aufmachst bald schon, ja.

Ggf. instruiert Dich www.webwunder.de und ein KLick auf "Der
Mailsurfer"

(
Der Unterschied zwischen mir und JUH ist, dass ich Dich auf einen
Netiquette-Text verweise, den Claudia (IIRC) hoechstselbst
geschrieben hat. Dann kann sie mich dafuer nicht hauen ;)
)

O endoskelett G
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Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 14.01.00, 20:57:53
Betreff: Re: [NetLit] selbstgespraeche?

moin moin,

ptod> Fuehren wir nicht zumeist Selbstgespraeche?

man kann natürlich jedes wort als "selbstgespräch" definieren.

ich kann auch ein ei als "würfel" definieren.

und einen baum als "grünkohl".

und was bringt mir das?


Wodile

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--------------------------------------------------------------------------------
Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 14.01.00, 21:09:20
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Fri, 14 Jan 2000 18:28:13 +0100 (CET), Jan Ulrich Hasecke wrote:

>Es dauerte ein paar Jahre aber 1993
>glaubten dann ein paar Jugendliche in Solingen, durch das Anzünden
>eines Hauses, in dem eine türkische Großfamilie wohnte, den
>eigentlichen Willen ihrer Regierung zu vollstrecken.

Ähm - hast du mit ihnen gesprochen? Das ist nun doch eine ziemlich
weit hergeholte Unterstellung. Sie haben vielleicht durch Medien und
Politikergeschwätz das Zuwanderungsproblem überzeichnet wahrgenommen,
aber nach allem, was über das Handeln von jugendlichen Gewalttätern
aus dem rechtsradikalen Bereich bekannt ist (Studien von Heitmann
usw.), sind sie genauso davon überzeugt, den oppositionellen
Volkswillen gegenüber "denen da oben" zum Ausdruck zu bringen, wie ihre
Antifa-Gegenstücke.

Trotzdem hat das Beispiel was: Die Penetranz, mit der Feuilletonisten
aus intakten Wohnvierteln von multikultureller Bereicherung faseln,
wirkt natürlich - soweit sie davon im Fernsehen erfahren - auf
Jugendliche aus schlechten Wohnvierteln, in denen im Ramadan Nachts
kein Auge zugeht, und der Dating-Markt aus dem Gleichgewicht ist, weil
zwar die jungen Türken dort präsent sind, nicht aber ihre Schwestern,
diese Penetranz wirkt dort wuterregend. Und wenn man die Probleme dann
nicht Probleme nennen darf, weil es keine Probleme, sondern eine
Bereicherung sein sollen...

Nu gehe ich aber nicht so weit, die Mainstream-Ideologen für die
Hintermänner der Brandstifter zu halten, weil mir Deine Logik
widerstrebt.

> Wenn ihm die Funktion einer solchen Rede, die a priori
> durch ihre Öffentlichkeit und öffentliche Verbindlichkeit
> geprägt ist, nicht passt, hätte er sie nicht zu halten brauchen.

Also, das ist mit Verlaubt gesagt, der größte Unfug, den ich dazu
gehört habe. Im öffentlichen Raum nur Linientreues? das hatten wir doch
schon ein paar mal. Nur die (richtige) öffentliche Meinung hemmt den
Ausbruch der Barbarei? Ohgottogott - wo gibts Auswanderertickets.

Naja, das sind aber alles Randgefechte. Später les' ich den Walser noch
mal, und dan gehts noch mal zum Schriftstellerischen. Dem kann auch
eine vorbeugende Dressur nicht entgegenwirken.

> Fass Walser! Platz Sloti!

Ja, es ist schon sehr lange her, aber als F.J. Strauß seinerzeit von
Schriftstellern als von Pinschern gesprochen hat, waren wir alle sehr,
sehr böse auf ihn.

Schönen Gruß

Michael Charlier



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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 14.01.00, 21:10:38
Betreff: Re: [NetLit] selbst Gespraeche ?

Hi Oliver u.a. wodile!
>
> >Fuehren wir nicht zumeist Selbstgespraeche?
>
> Wenn Du immer neue THreads aufmachst bald schon, ja.


Darauf habe ich ... nee .. nicht gewartet, aber musste ja kommen...!

Na denn, halte jetzt die Klappe.

Klappe zu.

Mehlsurfer.

Naja, dachte mal so als Neuling...

Wollte eure Selbst-Gespräche sicher nicht storen.

ciao
V. kabeljau



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Von: DerPoet@faktuell.de (Der Poet)
Datum: 14.01.00, 21:51:42
Betreff: Re: [NetLit] selbst Gespraeche ?

> -----Ursprüngliche Nachricht-----von pcdoran@t-online.de
> Gesendet am: Freitag, 14. Januar 2000 21:11


> Hi Oliver u.a. wodile!

> Na denn, halte jetzt die Klappe.

Oli oder wodile?

Ciao
Chris



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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 14.01.00, 21:55:08
Betreff: Re[2]: [NetLit] Selbstgespraech

moin moin,

>>die menschen sind eben verschieden.

OG> Eben und damit nicht 'typisch deutsch', wie du vorher sagtest.

eine frage der mehrheiten.

und hierzulande heißt die mehrheit nun mal "weltschmerz".

;o)


Wodile




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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 22:19:47
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Oliver Gassner schrieb:

>Hm, profitiert Schöder nicht von einem Linksruck der CDU? (Rechts
>ist ja eh kaum noch Platz. Oder die REPs treten jetzt wieder
>ein.)

Wenn die CDU nach links rückt, müsste Schröder über sie hinweg
springen, um die Mitte von rechts aufzurollen, meinst du das? Aber wie
soll die Partei unter Biedenkopf nach links rücken? Rücken aber wird
sie wohl müssen, wo doch jetzt sogar der Ex-Ruck-Präsident CDU-Berater
wird...

Ciao!
juh

--
Rettet das Schaufelmännchen
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/nf/0,1518,52630,00.html




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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 22:20:20
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Oliver Gassner schrieb:

>Du hasttest uebrigens heute als spätestes Rücktrittsdatum genannt
>;)
>
>*duck*

Der Freitag ist ja noch nicht zu Ende. Und gerade sind über 20
Millionen in Hessen aufgetaucht.

Ciao!
juh

--
Heute ist der 3. Oktober! Basta!
http://www.sudelbuch.de/1999/19991109.html





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Von: listuser@limone.de (Olivia Adler)
Datum: 14.01.00, 22:31:13
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraeche RE - wider das Besserwissen

> >X-mailer: Pegasus Mail for Win32 (v3.12a)
> Also hier ist glaub ich Olivia gefragt, ide kennt das glaub ich
> ;)
> Laie:
> "Mailoptionen, HTML immer ausschalten"

Tools, Options, Sending Mail, "Always remove formatting" aktivieren
(RadioButton).

Hope that helps...

cu
Olivia


---
"The game is afoot!"

Sherlock's Home: http://www.bakerstreet221b.de



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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 22:45:19
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Michael Charlier schrieb:

>Trotzdem hat das Beispiel was: Die Penetranz, mit der
>Feuilletonisten aus intakten Wohnvierteln von multikultureller
>Bereicherung faseln, wirkt natürlich - soweit sie davon im Fernsehen
>erfahren - auf Jugendliche aus schlechten Wohnvierteln, (...)
>wuterregend.

Seit wann lesen Jugendliche aus schlechten Wohnvierteln die ZEIT?

>> Wenn ihm die Funktion einer solchen Rede, die a priori
>> durch ihre Öffentlichkeit und öffentliche Verbindlichkeit
>> geprägt ist, nicht passt, hätte er sie nicht zu halten brauchen.
>
>Also, das ist mit Verlaubt gesagt, der größte Unfug, den ich dazu
>gehört habe. Im öffentlichen Raum nur Linientreues?

Wenn du genau liest, dann steht da das Wort Funktion, nicht Inhalt.
Ein wichtiger Unterschied. Jeder darf im öffentlichen Raum sagen, was
er will; nur sollte er hinterher nicht sagen, das sei ein
Selbstgespräch gewesen. Und genau das kritisiere ich bei Walser.

>> Fass Walser! Platz Sloti!
>
>Ja, es ist schon sehr lange her, aber als F.J. Strauß seinerzeit von
>Schriftstellern als von Pinschern gesprochen hat, waren wir alle sehr,
>sehr böse auf ihn.

Damals als die Welt noch in Ordnung war... ;-)

Ciao!
juh

--
Das Handwerk und sein goldener Boden
http://www.sudelbuch.de/1999/19991105.html






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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 14.01.00, 22:45:25
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Michael Charlier schrieb:

>Später les' ich den Walser noch mal, und dan gehts noch mal zum
>Schriftstellerischen. Dem kann auch eine vorbeugende Dressur nicht
>entgegenwirken.

Genau. Lasst uns die brennenden Reifen senken. Es springt ja doch
keiner hindurch. Auch ohne Walser hat das Thema IHMO viel
Brisanz.

Selbstgespräch und öffentliche Sprache zur Deckung bringen!
Ist das Internet der Ort, wo das gelingt?
Was passiert, wenn die beiden Sprachen zur Deckung gelangen?
Claudia meint, theoretisch ließe sich darüber nicht sprechen.
Ich fürchte, sie hat Recht, so dass unsere Diskussion dann doch im
Nichts versandet...

Oder?

Ciao!
juh

--
Gerade ein Konstruktivist, der die sog. Realitaet fuer subjektiv
konstruiert haelt, muss auf einem verbindlichen normativen Kontext
bestehen, und der waere hier: Krieg als Mittel der Politik war immer
und ist ein Unding! (W.H. in der Mailingliste PhilWeb)




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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 14.01.00, 23:19:08
Betreff: Re: [NetLit] null Selbstgespraeche

Von wegen Nichts und so......



Allein ging jedem alles schief.
Da packte sie die Wut.
Sie bildeten ein Kollektiv
und glaubten, nun sei`s gut.

Sie blinzelten mit viel Geduld
der Zukunft ins Gesicht.
Es blieb, wie`s war. Was war dran schuld ?
Die Rechnung stimmte nicht.

Addiert die Null zehntausend Mal !
Rechnet`s nur gründlich aus !
Multipliziert`s ! Mit jeder Zahl !
Steht Kopf ! Es bleibt euch keine Wahl:

Zum Schluss kommt Null heraus.

--------

aus: Kleine Rechenaufgabe

(Kaestner ist doch immer oefter passlich..., aeh, passierend)
oda wie hiess dat in Datenzeitn?






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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 15.01.00, 08:18:03
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

liebe netliteratInnen,

Wolff 'wodile' Lehmann zitierte:

> "Der Roman entsteht unwillkürlich. Er kündigt sich an
> als eine zunehmende Notwendigkeit, auf eine Erfahrung zu
> antworten. Auf eine leidvolle Erfahrung meistens."

denkt denn niemand ueber solche saetze wirklich nach?
faellt denn keinem dieser offensichtliche schwachsinn auf?
hinter solchen formulierungen steckt imho doch nichts
anderes als verachtung fuer diejenigen, die solche
saetze auch noch ernst nehmen. die verarschung des
lesers/zuhoerers wird in solchen formulierungen doch
ueberdeutlich. ich weiss nie, ob ich bei solchen
aussagen lachen, den kopf schuetteln oder schadenfroh
ueber die selbstentlarvung sein soll.

wenn einer so ueber sein tun redet, dann will er
was verschleiern

meint
8-}) ws
der walsers text dennoch in vielem zustimmt. nur
in dem part, in dem er ueber sein schreibertum
schreibselt, ist er fuer mich unertraeglich. wie
sagte claudia in einer anderen mail:

> Ob und wie ich diese Ebene der Diary-Form (der für mich als Schreiberin
> bisher einzig ergiebigen Form von "Netzliteratur") erschließe, weiß ich noch
> nicht genau - und werde es nicht vorab verkünden, sondern zuerst in die Tat
> umsetzen...

das ist es: der schreiber schreibt






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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 15.01.00, 09:00:35
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Fri, 14 Jan 2000 22:45:25 +0100 (CET), Jan Ulrich Hasecke wrote:

>Genau. Lasst uns die brennenden Reifen senken. Es springt ja doch
>keiner hindurch. Auch ohne Walser hat das Thema IHMO viel
>Brisanz.

Ja, nieder mit den brennenden Reifen, freien Blick auf die Problemlage.
Da gehört Walser freilich schon dazu. Es mag nämlich sein, daß wir auch
unter Selbstgespräch sehr verschiedene Dinge verstehen.

Das Spannende und m.E. auch Wesentliche am "Selbstgespräch" des
Schriftstellers ist ja doch nicht, wie er da im stillen Kämmerlein mit
sich zu Rate geht, sondern daß er irgendwann und irgendwo - auch in der
Paulskirche, wenn er als Schriftsteller dorthin eingeladen wird - sein
Inneres nach außen kehrt.

Dieser Prozess mag von außen immer ähnlich aussehen, er scheint aber
sehr verschieden wahrgenommen zu werden. In Deutschland gibt es seit
dem Geniekult um die Klassiker eine Tendenz, das Ergebnis des
Zwiegespräches als Lehrvortrag oder als Predigt zu deuten. Diese
Version wird meist von beiden Seiten (Autor und "seine"
Leser_gemeinde_) gestützt.

Der Witz, und hier wird es notwendigerweise zwar nicht polemisch, aber
konkret: Gerade Geister, die sich auf die Aufklärung berufen, haben
hierzulande dieses Verkehrsmuster am längsten aufrecht erhalten, mit
den Nobelpreisträgern Böll und Grass als vorläufig letzten
Repräsentanten.

Das ist der Kontext, aus dem heraus unmittelbar einleuchtend erscheint,
daß ein hervorragender Schriftsteller "Recht" hat, wenn er seine
Meinung zu den Weltereignissen im Allgemeinen und zur Moral im
Besonderen vorträgt. Was natürlich aus einer aufgeklärten Perspektive
heraus ziemlicher Unfug ist, aber auch von Jüngern der Aufgeklärung
gerne so gesehen wird, weil jeder manchmal einen Apostel braucht,
dessen Autorität er sich borgen kann.

Dieses Paradigma ist unter dem Einfluß der Postmoderne (eine ihrer
Errungenschaften ist die unübersehbar und provokativ zum Ausdruck
gebrachte Multiperspektivität und Ambivalenz) zerbrochen. Das gilt zwar
weltweit, konnte sich in Deutschland aber nur verspätet durchsetzen,
weil hierzulande viele glauben, in Auschwitz (Adorno: nach Auschwitz
ist es unmöglich, Gedichte zu schreiben) den Endpunkt (Singularität)
und Fluchtpunkt der Geschichte zu erkennen, so daß eine
Multiperspektivität nicht nur unmöglich, sondern auch unerlaubt
erscheint.

Wer eine eindeutige Perspektive zu haben glaubt, tut sich sowohl bei
seinen Selbstgesprächen als auch beim öffentlichen Vortrag von deren
Ergebnis recht leicht - ob ihm das als Schriftsteller guttut, steht auf
einem anderen Blatt. Grass bekam den Nobelpreis schließlich
ausdrücklich für die Belechtrommel und nicht etwa für die Rättin.

Die Lebenswirklichkeit hat alle Illusionen von der Einheitlichkeit und
Widerspruchsfreiheit von "In-dividuum" Gesellschaft, Perspektive usw.
in den letzten Jahrzehnten mitleidlos abgeräumt, und ein Teil der
aufklärerischen Autoren (besonders hervorragend: Enzensberger) hat sich
daran ganz bewußt beteiligt - und damit den verständlichen Zorn
derjenigen hervorgerufen, die sich in der Monoperspektivität
eingerichtet hatten. Bietet sie doch das Exoskelett, das in Zeiten, da
einem alles ehedem Feste unter den Fingern zerinnt, wenigstens die
Illusion zuläßt, man selbst könne sich in der gewohnten Form erhalten:
Aufrecht, mit beiden Beinen auf der festen Erde, und standhaft.

Das ist doch das Thema der Selbstgespräche, mit denen wir alle uns
plagen. Ein Teil der Schriftsteller hat sich dem gestellt - mir fehlt
die Zeit, zu verfolgen, wie weit das auch bei weniger bekannten Namen
der Fall ist. Aber im Feuilleton tobt vor allem der Lärm der
Schlachten, den diejenigen entfesseln, die den Paradigmenwechsel als
Niederlage empfinden, weil er ihre Machtpositionen erschüttert. Sie
versuchen, ihre Position als einzig erlaubte Variante der "öffentlichen
Sprache" zu etablieren/konservieren und wollen die "Selbstgespräche"
der anderen, die immerhin multipel genug sind, um mit sich selbst
uneins zu sein, ins Herzenstübchen der bedauernswerten Zerissenen
verbannen.

Tja, das ist _meine_ Perspektive, in der sich die schriftstellerische
Problematik kaum aus ihren gesellschaftlichen Hintergründen lösen läßt.
Das läßt aber - für mich - immerhin die Vermutung zu, daß einige
Schriftsteller doch näher an den realen Entwicklungen dran sind, als
man notorischen Selbstgesprächlern manchmal zubilligen möchte.

Soviel erst mal dazu. Noch nicht sehr erhellend, aber schon viel zu
lang.

Schönenb Gruß

Michael Charlier



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Von: q4981391@bonsai.fernuni-hagen.de (Joerg Wittkewitz)
Datum: 15.01.00, 09:41:30
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech die 101ste wg. Sloterdijk

lies vielleicht mal die 'kritik der zynischen vernunft' von
schlotterdeich. das ist ein buch (in zei bänden), das ich für die
moderne geistesgeschichte deutschlands ausserordentlich konstruktiv
halte und zu den schloss elmau vorträgen empfehle ich dringend
siehe dir die fernsehaufzeichnungen ausm wdr-archiv mal.
ich kann seine gen-ethik auf dem hintergrund seiner wirklich guten
frühen arbeiten (siehe oben) nur schwer nachvollziehen...
aber guck dir die vorträge an, vor allem den über "die
menschenschwärze"...

ansonsten...
was soll zu walser gesagt werden?
kein guter erzähler.
kein guter erklärer.
kein guter romancier.
keine pflege der sprache und auch keine dekonstruktion derselben,
ein versuchter chronist aus einer sehr privaten ecke, beides an
sich schon toll, aber zusammen in einem werk - ist mir zu
hermetisch abgeriegelt sowhl nach innen zum herz, als auch nach
aussen zu den fremden/anderen.
jörg



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Von: q4981391@bonsai.fernuni-hagen.de (Joerg Wittkewitz)
Datum: 15.01.00, 11:35:12
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech



Michael Charlier schrieb:
>
> On Fri, 14 Jan 2000 22:45:25 +0100 (CET), Jan Ulrich Hasecke wrote:
>
> >Genau. Lasst uns die brennenden Reifen senken. Es springt ja doch
> >keiner hindurch. Auch ohne Walser hat das Thema IHMO viel
> >Brisanz.
>
> Ja, nieder mit den brennenden Reifen, freien Blick auf die Problemlage.
> Da gehört Walser freilich schon dazu. Es mag nämlich sein, daß wir auch
> unter Selbstgespräch sehr verschiedene Dinge verstehen.
>

was bitte ist denn die problemlage und wer oder was verstellt sie
dir?

geben die medien die problemlage vor und wir dürfen wie die hühner
im stall nur das fressen, was man uns vorsetzt.
heutzutage scheinen ja alle probleme als herausforderung und
'competition' aufgefasst zu werden,
und dann geht´s darum wer sich profiliert und nicht wer die fragen
zu den antworten sucht, die uns in tausendfachen lettern ins hirn
gebrannt werden.
ich kann die modische form der essayistik nicht ganz
nachvollziehen, warum muss man auf alten formen ruhen, diese neu
kombinieren und sich dann für diese nicht gerade progressive manier
auch noch watschen einfangen
scheint mir wie ein abgekartetes spiel, in dem die einen auf den
anderen rumhacken, damit man gemeinsam wichtig wird und natürlich
besprochen... mir fehlt da doch die substanz, das blut

aber ich schätze mir wird eh jeder sagen, dass ich´s am helm haben,
wenn ich behaupte, dass jedes schwache buch von jünger mir mehr
gezeigt hat als die vermeintlich guten von walser. und er alte
fschistenstiefel, der zieht ja nun auch nicht mehr, seitdem die
gesmate französische linksextreme jünger als den der wichtigsten
deutschen schriftsteller der nachkriegszeit bezeichnet hat.

> Das Spannende und m.E. auch Wesentliche am "Selbstgespräch" des
> Schriftstellers ist ja doch nicht, wie er da im stillen Kämmerlein mit
> sich zu Rate geht, sondern daß er irgendwann und irgendwo - auch in der
> Paulskirche, wenn er als Schriftsteller dorthin eingeladen wird - sein
> Inneres nach außen kehrt.

ist das nicht eine kollektive befreiung gewesen, hat er nicht
vielmehr das gesagt, was schon tausendfach vorher privat gesagt und
gedacht wurde?
liegt das verdienst hier nicht eher im mut, den gemeinplatz endlich
zu personalisieren und damit den mut aufzubringen, der in
deutschland im als kopf ausm fenster hängen gebrandmarkt wird?

hat schon mal einer von euch auf ner demo in paris mitgemacht,
dagegen war gorleben und tag x ein laues kaffekränzchen...

> Dieser Prozess mag von außen immer ähnlich aussehen, er scheint aber
> sehr verschieden wahrgenommen zu werden. In Deutschland gibt es seit
> dem Geniekult um die Klassiker eine Tendenz, das Ergebnis des
> Zwiegespräches als Lehrvortrag oder als Predigt zu deuten. Diese
> Version wird meist von beiden Seiten (Autor und "seine"
> Leser_gemeinde_) gestützt.
>
ich finde um walser wird ein neuerlicher geniekult aufgebaut, aber
diesmal kein romantischer mit metaphysik des individuums, sondern
mit metaphysik des homo politicus.

> Der Witz, und hier wird es notwendigerweise zwar nicht polemisch, aber
> konkret: Gerade Geister, die sich auf die Aufklärung berufen, haben
> hierzulande dieses Verkehrsmuster am längsten aufrecht erhalten, mit
> den Nobelpreisträgern Böll und Grass als vorläufig letzten
> Repräsentanten.

böll und grass in einer reihe zu schreiben halte ich für
unangemessen, dem lebenswerk bölls gegenüber.
grass soll lieber wieder seine steine hauen...

> Das ist der Kontext, aus dem heraus unmittelbar einleuchtend erscheint,
> daß ein hervorragender Schriftsteller "Recht" hat, wenn er seine
> Meinung zu den Weltereignissen im Allgemeinen und zur Moral im
> Besonderen vorträgt. Was natürlich aus einer aufgeklärten Perspektive
> heraus ziemlicher Unfug ist, aber auch von Jüngern der Aufgeklärung
> gerne so gesehen wird, weil jeder manchmal einen Apostel braucht,
> dessen Autorität er sich borgen kann.

was verstehst du eigentlich unter aufklärung?
ist das sturm und drang oder empfindsamkeit oder die trivialisierte
form des rationalismus, oder...


>
> Dieses Paradigma ist unter dem Einfluß der Postmoderne (eine ihrer
> Errungenschaften ist die unübersehbar und provokativ zum Ausdruck
> gebrachte Multiperspektivität und Ambivalenz) zerbrochen. Das gilt zwar
> weltweit, konnte sich in Deutschland aber nur verspätet durchsetzen,
> weil hierzulande viele glauben, in Auschwitz (Adorno: nach Auschwitz
> ist es unmöglich, Gedichte zu schreiben) den Endpunkt (Singularität)
> und Fluchtpunkt der Geschichte zu erkennen, so daß eine
> Multiperspektivität nicht nur unmöglich, sondern auch unerlaubt
> erscheint.
>
die herren aus der frankfurter schule haben ja wohl entscheidend
die postmoderne mit ihrem kulturgeschehen=macht über die masse zur
divergenz und unvereinbarkeit der privatkulturen vorangetrieben und
dabei ein krudes-zurück-zur-natur vertreten, wie es
subjektiv-genieästhetischer nicht sein kann (siehe hier mal kant
mit seiner zurück zur natur-ästhetik in der K.d.U)


> Wer eine eindeutige Perspektive zu haben glaubt, tut sich sowohl bei
> seinen Selbstgesprächen als auch beim öffentlichen Vortrag von deren
> Ergebnis recht leicht - ob ihm das als Schriftsteller guttut, steht auf
> einem anderen Blatt. Grass bekam den Nobelpreis schließlich
> ausdrücklich für die Belechtrommel und nicht etwa für die Rättin.

das wäre ja auch noch schöner gewesen.
war es nicht karl krauss, der so intensiv auf die
nobel-veranstaltung geschissen hat...

> Die Lebenswirklichkeit hat alle Illusionen von der Einheitlichkeit und
> Widerspruchsfreiheit von "In-dividuum" Gesellschaft, Perspektive usw.
> in den letzten Jahrzehnten mitleidlos abgeräumt, und ein Teil der
> aufklärerischen Autoren (besonders hervorragend: Enzensberger) hat sich
> daran ganz bewußt beteiligt - und damit den verständlichen Zorn
> derjenigen hervorgerufen, die sich in der Monoperspektivität
> eingerichtet hatten. Bietet sie doch das Exoskelett, das in Zeiten, da
> einem alles ehedem Feste unter den Fingern zerinnt, wenigstens die
> Illusion zuläßt, man selbst könne sich in der gewohnten Form erhalten:
> Aufrecht, mit beiden Beinen auf der festen Erde, und standhaft.

man steht nicht auf der erde, sondern in seiner zeit
und das ist kein persönliches verdienst, wie manche das noch immer
als lametta an walser hals hängen wollen!

> Das ist doch das Thema der Selbstgespräche, mit denen wir alle uns
> plagen. Ein Teil der Schriftsteller hat sich dem gestellt - mir fehlt
> die Zeit, zu verfolgen, wie weit das auch bei weniger bekannten Namen
> der Fall ist. Aber im Feuilleton tobt vor allem der Lärm der
> Schlachten, den diejenigen entfesseln, die den Paradigmenwechsel als
> Niederlage empfinden, weil er ihre Machtpositionen erschüttert. Sie
> versuchen, ihre Position als einzig erlaubte Variante der "öffentlichen
> Sprache" zu etablieren/konservieren und wollen die "Selbstgespräche"
> der anderen, die immerhin multipel genug sind, um mit sich selbst
> uneins zu sein, ins Herzenstübchen der bedauernswerten Zerissenen
> verbannen.

hä, paradigmenwechsel, ich dacht postmoderne ohne EIN paradigma
oder gibt es auch einen
syntagmawechsel bzw. paradigmatawechsel.
wechseln sich jetzt unendlich viele in unendlich viele uund das uns
den
wassermannpostmodernen-bäumchen-wechsel-dich-so-schnell-es-geht,
sonst bist du veralttet und musst zum mentalen liften in die Zeit
oder die faz oder die woche oder die liberation oder herald
tribune....
> Tja, das ist _meine_ Perspektive, in der sich die schriftstellerische
> Problematik kaum aus ihren gesellschaftlichen Hintergründen lösen läßt.
> Das läßt aber - für mich - immerhin die Vermutung zu, daß einige
> Schriftsteller doch näher an den realen Entwicklungen dran sind, als
> man notorischen Selbstgesprächlern manchmal zubilligen möchte.

ist die gesellschaft ein sozialkörper (organicus) eine Masse
(faces) oder sind es viele einzelne (atomicus)...
wer bittschön ist d i e gesellschaft (Singularität!!!!!!!??????)
fragt sich
Jörg MorphorM

--
Joergs Linkliste:
"http://www.stud.fernuni-hagen.de/q4981391"
Briefe,Karten,Spenden und 6 Richtige an:
"mailto:wittkewitz@gmx.de"



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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 15.01.00, 12:47:36
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

moin moin,

>> "Der Roman entsteht unwillkürlich. Er kündigt sich an
>> als eine zunehmende Notwendigkeit, auf eine Erfahrung zu
>> antworten. Auf eine leidvolle Erfahrung meistens."

8w> hinter solchen formulierungen steckt imho doch nichts
8w> anderes als verachtung fuer diejenigen, die solche
8w> saetze auch noch ernst nehmen.

ist ungefähr mein kritikpunkt gewesen. was mir dabei auffällt: kommen
derartige aussagen von freizeitautoren, fällt recht schnell die
floskel "pseudo-autoren-getue". das ist ja im grunde genommen auch
nicht so ganz verkehrt. diese konstellation findet man ja öfters:
homepage, literatur, ich leide, also schreibe ich. noch ein foto mit
schwarzen klamotten und deprimiertem gesichtsausdruck daneben, und
das debakel ist perfekt.

sind wohl irgendwelche autoren-klischees, die sich da festgebissen
haben.

insofern wunderte mich diese aussage in diesem essay von walser gewaltig.

Wodile

--

Wodiles Weekly
www.wodile.de

Diese Woche: alles fertig zum abheben ;o)




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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 15.01.00, 13:10:22
Betreff: Re: [NetLit] Selbstge..die 103ste wg. Sloterdijk


Gruezi Joerg W.,,

vielen Dank fuer die Anmerkungen und Hinweise zu Herrn
Schlooterdeich.

Ich habe hie und da in dessen aeltere Texte >hineingehorcht<.
Manches gefiel mit durchaus, auch ein Interview mit ihm habe ich
gesehen, - nach seinem Gen-fEh-Tisch - Exkurs.
Womöglich hat er sich damit auf dem Deich verritten -, Nebel tritt ja
im Meer des Geistes zuzeiten ab und an mal auf. Also nicht
verwunderlich, wenner den Weg verliert. Immerhin hat er was
angestossen, dass in vielerlei Hinsicht Brisanz enthaelt - und nicht
in Vergessanheit geraten darf. Nicht nur wegen der Gentechnik.
Uebrigens lief abends vor zwei Naechten im WDR eine
ungewoehnlich lebendige, wie auch offenherzige Diskussion zu
aktuellen Themen - nicht nur um Gentechnik.
WER hat die gesehen - habe den groessten Teil aufgenommen.
War mal was Seltenes.


Zu Sloterdick again: Ich kenne ein wenig on ihm. Mit der Betonung
auf wenig, in jedem Fall Älteres. Auch ich hatte interessante, ja
vielleicht positive Ansätze in den wenigen Texten Slotis entdeckt.
Doch gehe ich meist meiner Intuition und/oder Inspiration nach ---
und habe daher seine Schriften letztlich liegen lassen. Das einzige
Buechlein von Sloterdijk liegt ungelesen bei mir herum:
Eurotaoismus - Zur Kritik der politischen Kinetik (ed. Suhrkamp).

> lies vielleicht mal die 'kritik der zynischen vernunft' von
> schlotterdeich. das ist ein buch (in zwei bänden), dass ich für die
> moderne geistesgeschichte deutschlands ausserordentlich konstruktiv...

...koennte sein (habe jedoch keine Freiraum es zu lesen), ziehe
mir dann lieber Henri Bergson rein (Zeit und Freiheit) oder (Materie
und Gedaechtnis). Die beiden stehen auf meinem >noch-nicht-
gelesen-Bord<.

> ...und zu den schloss elmau vorträgen empfehle ich dringend
> siehe dir die fernsehaufzeichnungen ausm wdr-archiv mal.

...wo?

> ich kann seine gen-ethik auf dem hintergrund seiner wirklich guten
> frühen arbeiten (siehe oben) nur schwer nachvollziehen...

Das geht auch mir groesstenteils so. Ich ahne aber irgendwie,
dass er mittlerweile -(mir unklar vorschwebenden)- Theorien vom
hoeheren Menschen aufsitzt.
Philosophen sind ja meist irgendwie ideologie-orientiert. Jedoch
laesst sich die geistige Entwicklung des Menschen mit keiner
Ideologie, Wissenschaft oder sonstigen Systemen beschleunigen -
ohne sie zu beim Verwenden solcher -logien, -ismen oder -emen
zu schaedigen.
Entwicklung und Evolution muss sich wohl natuerlich entwickeln -
andernfalls landen wir bei aehnlichen Zustaenden wie wir sie jetzt
historisch verwachsen (d.h., gewachsen) vorfinden.
Vielleicht wollte Sloterdijk den Gen-Forschern Hinweise geben.
Wie auch immer...- Philosophie als Wissenschaft oder als
ständiger Beruf - oh, oh, oh - Achtung! => in dem Fall:
Verstandesgrenzen bitte nicht verkennen. Ich meine nicht
persoenliche Verstandesgrenzen allein, vielmehr die Grenzen des
Verstandes allgemein.
Aber: genau das ist unser kollektives Problem. Da liegt der Hase
im Pfeffer. Wir denken, wir koennen mit dem Unding Verstand alles
klaeren - renn denn doch oft mit Gedanken im Kreis herum... nach
dem Motto - neuer Wein aus alten, ergewaltigten Rebstoecken in
alte Schlaeuche gefuellt.


> aber guck dir die vorträge an, vor allem den über "die
> menschenschwärze"...

...naehere Angaben, wo, wie?

-------------------------

> ansonsten...
> was soll zu walser gesagt werden? ...- ist mir zu...
> hermetisch abgeriegelt sowohl nach innen zum herz, als auch nach
> aussen zu den fremden/anderen.

aha - - naja - ich lese ihn auch nicht. mag sein.

was mich betrifft:
Da lese ich doch lieber Tom Robbins: - Panaroma;
oder so.

p.s.: zu den Ausführungen deines zweiten laengeren Briefes
moechte ich gerne noch etwas beitragen, aber das wuerde laenger
werden, und ich weiss nicht, ob dann die E-MailListigen nicht
sauer werden.
Es bedarf eh meinerseits der Vorbereitung und dauert also noch.
Bitte um Vorschlaege, wie ich das aufbereiten sollte - denn ich
moechte zwei langere Zitate anfuehren - insbesondere ueber:

1) Individuum und Individuation
2) Ethik und Moral
3) kollektives Un- & Bewusstes bezueglich Kommunikation


es gruesst
cahmehlaeOn/pcdoran



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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 15.01.00, 13:15:30
Betreff: Re: [NetLit] selbst Gespraeche ?

Your (pcdoran@t-online.de) mail on Fri, 14 Jan 2000 21:10:38
+0100:

>Na denn, halte jetzt die Klappe.

Darum geht es nicht.

Im Gegenteil.

Komisch, dass viele im Netz es einfacher finden zu schmollen, als
zu versuchen, sich der Netiquette anzunaehern.

Du bist in einer oeffentlichen Diskussion und stellst dich nach
ganz hinten mit dem Gesicht zur wand und redest, wenn dann einer
sagt: Deutlicher bitte, sagst Du: "Da will mir einer den Mund
verbieten."

Nein, er will Dich hoeren koennen.

Viele hier haben 100-200 Mails am Tag. Manche mehr. gerade aus
Mailinglisten. Ohne etwas KOnvention geht da nix.

Comprende?

OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/



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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 15.01.00, 13:22:51
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Michael Charlier schrieb:

>Soviel erst mal dazu. Noch nicht sehr erhellend, aber schon viel zu
>lang.

Leider richtig. Wenigstens was mich betrifft. ;-)

Deine sehr übersichtliche Schilderung des Frontenverlauf hilft mir
nämlich nicht weiter. Natürlich gibt es auf der einen Seite den von
dir angesprochenen Feuilletonkampf und auf der anderen Seite den
Zerfall der Einheitlichkeit von Individuum, Ideologie usw.

Ich kann nur zwischen diesen beiden Phänomenen keinen notwendigen
inhaltlichen Zusammenhang erkennen. Ich habe nicht den Eindruck, dass
hier Vertreter von zwei "Denkrichtungen" aufeinandertreffen, sondern
dass hier zwei Lager - die aus ganz anderen Gründen aufeinander
losgehen - sich einen Angriffs- und Verteidigungswall
zusammengeschaufelt haben aus jeweils wohlfeilen Argumenten.

Dieser philosophische Limes ist eine Chimäre, seine Funktion besteht
darin, die Eitelkeit von Leuten zu befriedigen, die samt und sonders
der Marginalisierung unterliegen. Es ist pure Nostalgie, wenn sich die
Öffentlichkeit über das Geschwafel von Sloterdijk aufregt. Wir (auch
ich) billigen ihm (und seinen Gegnern) mehr Einfluss zu, als sie von
der Sache her eigentlich haben.

Die von dir geschilderte Diskussion trägt m.E. nichts zur Lösung
relevanter Probleme bei, aber manchmal wird so getan, als würden hier
die letzten Fragen verhandelt.

Was mich ärgert ist dreierlei.

1. Dass immer wieder das Ende der Aufklärung ausgerufen wird, nur weil
einige Philosophen nicht mehr weiterwissen.

Die Krise der Philosophie besteht m.E. darin, dass sie ihren
Forschungsgegenstand an die Naturwissenschaft verloren hat. Man kann
die Geschichte der Wissenschaften auch so schreiben, dass zuerst die
Religion und dann die Philosophie aus dem Kreis ernsthafter
Beschäftigungen ausgeschieden wurde.

2. Dass Leute, die sich mit Sprache beschäftigen, so tun als habe
Sprache keine Wirkung, bzw. so tun als müssten sie sich für die
Wirkung nicht rechtfertigen.

Sprache hat Wirkung, sonst würden Vodaphone und Mannesmann zur Zeit
nicht Millionen für riesige Textanzeigen ausgeben, um mal ein weniger
blutrünstiges Beispiel zu geben.

Natürlich hat Walser das Recht vor anderen zu sprechen wie mit sich
selbst. Aber wir haben auch das Recht, eine öffentliche Rede als
öffentliche Rede wahrzunehmen oder davor zu warnen, dass eine
öffentliche Rede von anderen als öffentliche Rede wahrgenommen werden
könnte. Das ist m.E. die zentrale Kritik von Bubis an der Rede
Walsers.

3. Dass Sloterdijk der Frage der Menschenzüchtung ausweicht.

Er will diese Frage gar nicht ernsthaft diskutieren, habe ich den
Eindruck. In der Tat ist diese aber die einzig interessante Frage, die
im Zusammenhang mit seinem Elmauer Vortrag aufgetaucht ist. Der Rest
ist Philologen-Philosophie. Zu den wirklich relevanten Problemen haben
aber heutzutage Naturwissenschaftler und Umweltschützer ja sogar
Wirtschaftsverbände mehr zu sagen, als das gesamte Feuilleton
Deutschlands zusammengenommen, inkl. der verbeamteten Philosophen S+H.

---Schnitt----

So, dies ist der Schutt, den ich glaubte wegräumen zu müssen, um die
(ästhetische?) Frage diskutieren zu können, um die es mir in meiner
Frage an Claudia eigentlich ging.

Aus eigener Erfahrung kann ich, ohne Wertung, berichten, dass im
Sudelbuch sowohl die Texte mit "adressiertem" Inhalt, als auch die
Texte, die ein wenig in Richtung Selbstgespräch gehen, je ihre Leser
finden. Nach Walser müsste ich jetzt in letzteren mehr enthalten sein.
Nur möchte ich mal ketzerisch frage, warum ich denn überhaupt in
meinen Texten enthalten sein soll? Ist diese Forderung nicht eine
Reminiszenz an die Genieästhetik, an das ungeteilte, identische
Individuum, das sich in seiner Sprache ausdrückt?

Ciao!
juh


--
"Mätzchen braucht vor allem, wer weder Thema noch Stil hat."
(Michael Charlier auf die Frage: Bin ich Dichter, wenn ich alles
kleinschreibe.)





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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 15.01.00, 13:24:22
Betreff: Re: [NetLit] selbst Gespraeche ?

Hi Oliver G.,


> >Na denn, halte jetzt die Klappe.
>
> Darum geht es nicht.
>
> Im Gegenteil.

Schmole auch nicht - wollte nur signalisierern, dass ich etwas
einsehe. Ich will und mag den Laden (NetLit) nicht nerven. Da ich
jedoch bisweilen ein Albert bin, muss ich mir sekbst manchmal
den Mund zuklappen.


> Comprende?

si companero

ciao
V
alias claeoN alias PCDORAN
=> zukuenftig: pcDoran




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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 15.01.00, 13:26:03
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Sat, 15 Jan 2000 11:35:12 +0100, Joerg Wittkewitz wrote:

>Der alte
>fschistenstiefel, der zieht ja nun auch nicht mehr, seitdem die
>gesmate französische linksextreme jünger als den der wichtigsten
>deutschen schriftsteller der nachkriegszeit bezeichnet hat.

Nun ja, die "gesamte französische Linksextreme" ist auch nicht mehr da,
wo sie mal war. Aber um Jünger sehe ich eigentlich mehr "Geniekult" als
um Walser Erklärungen, die ihn zum "homo politicus" hochstilisieren.
Das gibt er nun wirklich nicht her - eher schon die Figur des Autors,
der schreibt, weil er muß.

Warum das verheerend sein soll, weiß ich nicht, ich denke unter den
Schriftstellern gibt es solche und solche, und das ist doch auch gut
so. eine Zeitlang zumindest galt es unter Künstlern als
Selbstverständlich, daß sie Kunst "machten" nicht weil sie etwas
wollten oder konnten, sondern weil "es" sie trieb. Wenn die aktuelle
Mode anders geschnitten sein sollte, kann Werner das ja mal für die
armen Tröpfe mit der Rocklänge vom letzten Jahr leichtverständlich
auseinandernehmen.

> war es nicht karl krauss, der so intensiv auf die
> nobel-veranstaltung geschissen hat...

Den Drang (schon wieder!) dazu verspürten wohl viele, die nie nach
Stockholm eingeladen wurden. Keine Ahnung, wie das bei KK war - aber
ich bin sicher, er hätte es anders ausgedrückt.

Schönen Gruß

Michael Charlier



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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 16.01.00, 11:51:45
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi Juh, hi Listige,


ich hab mir einen offline-Tag gegönnt und jetzt wühl ich mich durch die
vielen Mails. Ist ja echt was los hier!!!

Als Beitrag zu "Selbstgespräch" etwas spät, aber doch noch:

Juh schrieb:

>Selbstgespräch und öffentliche Sprache zur Deckung bringen!
>Ist das Internet der Ort, wo das gelingt?
>Was passiert, wenn die beiden Sprachen zur Deckung gelangen?
>Claudia meint, theoretisch ließe sich darüber nicht sprechen.
>Ich fürchte, sie hat Recht, so dass unsere Diskussion dann
>doch im Nichts versandet...

>Oder?

Ich habe nicht gemeint, man könne nicht darüber sprechen - nur dass ich im
konkreten Diary-Fall das lieber irgendwie praktisch testen wolle.

Anders ist es mit den üblichen Ebenen der Äußerung. Und der Grund, warum ich
mich manchmal über dich aufrege, (d.h. nicht über DICH, sondern über deine
Sudelbuchtexte), ist, dass ich gar keine Unzufriedenheit bei dir spüre. Du
schreibst diese Sudelbuchtexte genauso, wie sie in einem Printmedium stehen
könnten: ein Autor, der sich selbst als Person ganz draussen läßt und von
irgendwelchen abstrakten Kritierien her die Ereignisse bewertet. Du scheinst
die übliche Rolle des Texte-verfassenden Intellektuellen einfach so
fortschreiben zu wollen, obwohl doch allgemein das vorgeht, was Michael so
schön als den ZERFALL dieser Öffentlichkeit ausführt.

Du schreibst:

>Es geht mir nicht um Tabus an sich. Was Sloterdijk angeht, so
>kritisiere ich, dass hier ein angeblicher Philosoph Dinge >anstößt (die
Genmanipulation), deren Folgen er nicht ausbaden >muss.

Weiter unten dann:

>Unser System der öffentlichen Meinung ist letztendlich das >einzige
präventive Mittel, um den Ausbruch der Barbarei zu >verhindern. Nur die
öffentliche Meinung hindert einen >Jugendlichen ja, Neonazi zu werden und
Ausländer zu ermorden

Eine harte Sicht, die ich nicht teile. Es gibt noch andere Gründe, die die
meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
Zeitung steht und im TV tönt.

Aber nehmen wir an, du hast recht: umso MEHR müsste darüber nachgedacht
werden, was denn an die Stelle der öffentlichen Meinung treten könnte, wenn
deren Macht nicht mehr ausreicht, um das Verhalten zu zivilisieren???

Genau DIESE Frage hat Sloterdijk gestellt. Und DESHALB ist er für mich ohne
Anführungszeichen ein Philosoph, nicht wegen seiner kenntnisreichen und
phasenweise wunderbar literarisch gehaltenen Texte. Über ihn herzufallen,
ist eine unangemessene Reaktion, die vor allem die FRAGE, die er stellt,
negiert.

Wenn Wegsehen von der Realität das Geschäft derjenigen wird, die - angeblich
im Dienste der Aufklärung - vor allem ihre Diskurshoheit verteidigen, halte
ich es nicht mit ihnen.

>Und da öffentliche Meinung gemacht wird, lohnt es sich darum >zu streiten.
Es lohnt sich nicht nur, um die Diskurshoheit zu >streiten, sondern auch
darüber, wie man diese erlangt und was >man mit ihr machen will.

Es scheren sich immer weniger Leute um die öffentliche Meinung, kannst du
das wirklich übersehen? Und es gibt sie auch nicht mehr, denn es gibt zu
viele Medien, zu viele Zeitungen, zu viele Magazine, zu viele Sender - und
derzeit sinkt der Konsum all dieser Medien zugunsten des Surfens....(wobei
neulich eine Umfrage ergab, dass die Hälfte der Surfer noch nie ein
"redaktionelles" Medium im Web aufgesucht haben...).

Was wird also aus der Diskurshoheit? Die Exoskelette (wunderbare Einführung
Michaels!) zerbröckeln, was tun?

Es gibt viele kleine Öffentlichkeiten, in denen ich hier und da -
fluktuierend entlang an Interessen und Freunschaften - gleichzeitig Mitglied
bin. Durch eigene Projekte generiere ich "eigene" Kleinöffentlichkeiten.

In all diesen Ebenen werde ich für die anderen sichtbar, in meiner
Widersprüchlichkeit, da sich eine "adressierte Rede" im lebendigen Netz
nicht aufrecht erhalten läßt, selbst wenn man punktuell versucht, derart zu
reden.

Mal angenommen, ich fasse an irgendeinem Punkt eine Meinung: Man sollte
jetzt, dies oder jenes......was zugegeben selten vorkommt. und vertrete das
in "meinen" Kleinöffentlichkeiten.

Dann hab' ich erfahrungsgemäß gute Chancen im Kampf um die Diskurshoheit und
kann u.U, andere auch zum Handeln inspirieren. Jedenfalls hab' ich bessere
Karten als V., der anonym bleiben will - und gute Karten auch verglichen zu
allen, die lediglich allgemein-politisch agieren und keinerlei
"Verschwimmen" zwischen öffentlicher und persönlicher Rede zulassen, bzw.
versuchen.

Und es gibt unzählige wie mich in unzähligen Kleinöffentlichkeiten, bzw. all
dies wird mit zunehmender Medienkompetenz wachsen.

Wenn dann etwas geschieht - mag sein, dass noch immer die ZEIT und die FAZ
darüber schreiben, als hätten sie das Sagen - wird es das Ergebnis des
kommunikativen Handelns dieser Kleinöffentlichkeiten sein. Man kann nicht
wissen, was im einzelnen herauskommt, welche Teilnehmer sich wo eine kleine
Diskurshoheit erringen, wie diese sich weitertransportiert und wie viele
konkurrierende Meinungen nebeneinander laufen, bis auf einmal EINE zur
Mehrheitsangelegenheit wird und sich durchsetzt.

Was warum zum "Attraktor" wird, läßt sich nicht voraussehen und nicht
inszenieren, so sieht es auch die Chaos-Forschung, zum Ärger aller
Macht-Akkumulatoren dieser Welt.

Dass das keineswegs weltfern ist, sieht man übrigens an der Börse: das ganze
Hirnschmalz aller arrivierten Meinungsmacher ist oft binnen 1 - 3 Tage
obsolet durch die Aktionen der Vielen. Solange die Aktienanlage noch ein
Bereich für Spezialisten und Professionelle war, haben die Voraussagen
halbwegs hingehauen - doch seit die "Massen" eingestiegen sind, sozusagen
von der Wohnzimmercouch, sind alle völlig perplex über das, was abgeht....


Besten Gruss und einen schönen Sonntag

Claudia


da fällt mir ein Gedicht ein von Georg Treichel (ohne es auf obiges beziehen
zu wollen!), der sich mit dem Chaos auch nicht anfreunden konnte:


Fortschritte in der Chaosforschung

Bloß keine Umstände, sagen
Sie einfach Ich zu mir
oder lassen Sie mich ganz weg.

Schließlich weiß hier keiner so
genau, wo der Nächste beginnt.

Zerstreuen Sie sich, aber
bleiben Sie liegen. Schließen
Sie die Augen und hören Sie weg.

Sie müssen fühlen, was sie
fühlen, wenn Sie nichts fühlen.

Oder gehören Sie etwa auch zu den
Leuten, die bei jedem Schuß
bluten?

Pflanzliche Fette, rate ich
Ihnen, und tierische Intelligenz.

Doch alles mit Maßen und
immer den Kopf schief.
Der Rest ist ganz leicht.


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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 16.01.00, 12:05:24
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Sun, 16 Jan 2000 11:51:45 +0100, klinger wrote:

>Es gibt noch andere Gründe, die die
>meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
>Zeitung steht und im TV tönt.

Mit guten gründen wird im Gegenteil vermutet, daß labile Charaktere
durch Blutorgien im Fernsehen durchaus zum Nachprobieren angeregt
werden. Auch Sensationsberichte über Krawall vorm Asylbewerber-Wohnheim
oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.

Was aber die Wirksamkeit von allzu heftigen pädagogischen Bemühungen
(sei es durch ängstlich Eltern, autoritäre Lehrer oder noch
autoritärere Journalisten) angeht, so weiß ich noch ziemlich genau: Die
Söhne und Töchter der Pastoren trafen sich bei uns in Frankfurt im SDS.
Und als wir einmal der Familie eines alten Kommunisten nachspürten -
schließlich wollte man ja doch mal sehen, ob die wirklich keinen
Bocksfuß haben - da trafen wir den Sohn im Priesterseminar.

> Über [Sloterdijk] herzufallen, ist eine unangemessene
> Reaktion, die vor allem die FRAGE, die er stellt, negiert.

Aber eine sehr verständliche, wenn man Deine Voraussetzung bedenkt, daß
Sloterdijk den Bankrott der öffentlichen Meinung prognostiziert, auf
deren Bewirtschaftung die gesellschaftliche Macht und ökonomische
Position von Verlagshäusern beruht.

Schönen Gruß

Michael Charlier



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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 14:12:25
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi Claudia,

>Du scheinst die übliche Rolle des Texte-verfassenden Intellektuellen
>einfach so fortschreiben zu wollen, obwohl doch allgemein das
>vorgeht, was Michael so schön als den ZERFALL dieser Öffentlichkeit
>ausführt.

Wenn euch das Wort Zerfall so gut gefällt, meinetwegen. Deine
Beschreibung von Kleinöffentlichkeiten zeigt aber, dass es noch
Öffentlichkeiten gibt. Meinetwegen mehrere. Und deine Beschreibung der
Kleinöffentlichkeiten zeigt auch, dass die kleinen Öffentlichkeiten
heute noch genau so funktionieren, wie die angeblich früher mal
existierende eine Öffentlichkeit.

>>Unser System der öffentlichen Meinung ist letztendlich das >einzige
>präventive Mittel, um den Ausbruch der Barbarei zu >verhindern. Nur die
>öffentliche Meinung hindert einen >Jugendlichen ja, Neonazi zu werden und
>Ausländer zu ermorden
>
>Eine harte Sicht, die ich nicht teile. Es gibt noch andere Gründe, die die
>meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
>Zeitung steht und im TV tönt.

Du und Michael, der auf meine These ähnlich geantwortet hat, ihr beide
habt eine verkürzte Sicht auf die Öffentlichkeit. Öffentlichkeit oder
öffentliche Meinung ist nicht nur die VER-öffentlichte Meinung,
sondern geht, in meiner Sicht wenigstens, weiter. Sollen wir
"gesellschaftliches Klima" sagen, damit es keine Missverständnisse
gibt? Andere nennen es wiederum "Über-ich". Alles Worte für die
Tatsache, dass Informationen, Werte, Traditionen der Gesamtheit
Einfluss auf das Handeln einzelner haben. Ob diese gesellschaftlichen
Faktoren nun monolithisch sind oder pluralistisch oder atomistisch
ändert nichts an ihrer generellen Wirksamkeit. Außerdem ist das ganze
insgesamt ein dynamisches System, es verändert sich. Und wodurch
verändert es sich? Durch die Teilnehmer an diesem System. Also auch
durch uns.

Es gab immer schon widersprüchliche öffentliche Meinungen. Das ist der
Kampf der Meinungen. Heute ist das Feld vielleicht unübersichtlicher,
aber das ist doch kein Grund, darauf zu verzichten, Einfluss auf diese
Meinungen zu nehmen? Über die Mittel können wir gerne streiten.

>Aber nehmen wir an, du hast recht: umso MEHR müsste darüber nachgedacht
>werden, was denn an die Stelle der öffentlichen Meinung treten könnte, wenn
>deren Macht nicht mehr ausreicht, um das Verhalten zu zivilisieren???
>
>Genau DIESE Frage hat Sloterdijk gestellt.

Wann? Wo?

Du meinst doch nicht im Ernst seine Genvisionen damit, oder???

>Es scheren sich immer weniger Leute um die öffentliche Meinung, kannst du
>das wirklich übersehen?

Erstens bezweifel ich das. Zweitens ist die Sachlage immer schon
komplexer. Was, wenn es gesellschaftliches Klima wäre, sich nicht um
die ver-öffentlichte Meinung zu scheren. Das ist doch auch eine Art
von öffentlicher Meinung. Zu Fragen ist doch nur, wie bringe ich in
dieser Situation meine Botschaften rüber.

(Jaja, ich weiß, Botschaften haben ist out. Ist das deine
Botschaft? ;-)

Die Welt wimmelt von Botschaften. Diskurshoheit bedeutet, deine
Botschaft hat die Mehrheit. Die Wege variieren, das Ziel ist immer
gleich. Es gibt auch Botschaften außerhalb redaktioneller Medien.

>Es gibt viele kleine Öffentlichkeiten, in denen ich hier und da -
>fluktuierend entlang an Interessen und Freunschaften - gleichzeitig Mitglied
>bin. Durch eigene Projekte generiere ich "eigene" Kleinöffentlichkeiten.
>
>In all diesen Ebenen werde ich für die anderen sichtbar, in meiner
>Widersprüchlichkeit, da sich eine "adressierte Rede" im lebendigen Netz
>nicht aufrecht erhalten läßt, selbst wenn man punktuell versucht, derart zu
>reden.

Ich vermute, dass wir unter adressierter Rede etwas verschiedenes
verstehen. Seit Jahren halten sich adressierte Reden im Netz.

>Dann hab' ich erfahrungsgemäß gute Chancen im Kampf um die Diskurshoheit und
>kann u.U, andere auch zum Handeln inspirieren. Jedenfalls hab' ich bessere
>Karten als V., der anonym bleiben will - und gute Karten auch verglichen zu
>allen, die lediglich allgemein-politisch agieren und keinerlei
>"Verschwimmen" zwischen öffentlicher und persönlicher Rede zulassen, bzw.
>versuchen.

Du verallgemeinerst deine Strategie. Da du selbst die
Nicht-vorhersagbarkeit propagierst, kannst du nur Aussagen treffen
über aktuelle Kommunikationserfolge.

>Wenn dann etwas geschieht - mag sein, dass noch immer die ZEIT und die FAZ
>darüber schreiben, als hätten sie das Sagen - wird es das Ergebnis des
>kommunikativen Handelns dieser Kleinöffentlichkeiten sein.

Genauso sehe ich das auch. Und deshalb lohnt sich das Schreiben.


Ciao!
juh

--
Über Nüsse, Jogurt und Schalentiere
http://www.sudelbuch.de/1999/19991117.html




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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 14:12:35
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hallo Claudia,

ich muss meine Erwiderung auf deine Mail in zwei Teile spalten.

Hier geht's um deine Bemerkungen zum Sudelbuch.

klinger schrieb:

>Und der Grund, warum ich mich manchmal über dich aufrege, (d.h.
>nicht über DICH, sondern über deine Sudelbuchtexte), ist, dass ich
>gar keine Unzufriedenheit bei dir spüre. Du schreibst diese
>Sudelbuchtexte genauso, wie sie in einem Printmedium stehen könnten:

Ja, aber sie stehen nun mal nicht in einem Printmedium. Und das hat
Auswirkungen auf die Rezeption. Nicht nur in netztechnischer
Hinsicht. Sie stehen eben nicht in der ZEIT und nicht im Solinger
Tageblatt. Hinter dem Sudelbuch steht nicht die Autorität einer großen
oder kleinen Zeitung.

>ein Autor, der sich selbst als Person ganz draussen läßt und von
>irgendwelchen abstrakten Kritierien her die Ereignisse bewertet. Du
>scheinst die übliche Rolle des Texte-verfassenden Intellektuellen
>einfach so fortschreiben zu wollen, obwohl doch allgemein das
>vorgeht, was Michael so schön als den ZERFALL dieser Öffentlichkeit
>ausführt.

Ich will jetzt gar nicht Erbsen zählen und auf Sudeleien hinweisen,
die nicht nur "abstrakten Kriterien" frönen. Nehmen wir die Texte, auf
die du dich zu beziehen scheinst.

Welche Unzufriedenheit vermisst du da? Ich schreibe zwar nicht, weil
ich leide, aber ich sudle oft, weil ich mich ärgere.

Dass ich in den Texten, die du ansprichst, meine Person außen vor
lasse, ist Absicht. Ich will vor den Lesern nicht meinen Seelenzustand
zergliedern, sondern ich will sie unterhalten und zwar so intelligent
wie es mir möglich ist. Andererseits ist meine Person natürlich nicht
außen vor, denn schließlich bin ich es, der den Text schreibt. Und
erst wenn ich halbwegs zufrieden bin, geht er raus.

Das Sudelbuch ist kein Tagebuch. Es ist nicht von vorneherein ein Ort
für Selbstgespräche wie dein Webdiary. Aber Selbstgespräche sind auch
nicht ausgeschlossen.


--
Das Realismuskonzept in Krzysztof Kieslowskis DEKALOG
http://www.koeln.netsurf.de/~janulrich.hasecke/Dekalog/welcome.html


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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 14:12:41
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Michael Charlier schrieb:

>On Sun, 16 Jan 2000 11:51:45 +0100, klinger wrote:
>
>>Es gibt noch andere Gründe, die die
>>meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
>>Zeitung steht und im TV tönt.
>
>Mit guten gründen wird im Gegenteil vermutet, daß labile Charaktere
>durch Blutorgien im Fernsehen durchaus zum Nachprobieren angeregt
>werden. Auch Sensationsberichte über Krawall vorm Asylbewerber-Wohnheim
>oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.

Claudia hat Recht. Der Mensch ist von Natur aus kein Killer, sondern
eher gut. Brutalität wird ihm, wie du Michael richtig sagst, durch
Beispiele in der Realität oder in den Medien anerzogen.

Damit ist meine These aber eher bestätigt worden.

Die Botschaft von "Blutorgien im Fernsehen" ist, dass es o.k. ist,
Leute zu zerstückeln. Damit entsteht ein öffentliches Klima
(öffentliche Meinung), das erlaubt, zuzutreten. Die Botschaft der
"Blutorgien" ist manchmal stärker als die Verurteilung solcher
Blutorgien im Kommentar der Tagesschau und der natürlichen
Tötungshemmung des Menschen.

Das läuft im Prinzip so ab wie die Werbeschlacht zwischen Vodaphone
und Mannesmann, nur dass diese beiden mit den gleichen Waffen
kämpfen. Die Blutorgien nutzen durch ihre Inszenierung effektivere
Mittel als der Kommentator vor dem Auto-Cue.

Hinzu kommt, dass die Adressaten der Botschaft, also die, die
dressiert werden sollen - hier die Aktionäre von Mannesmann, dort
Kinder, Jugendliche, Erwachsene - auch noch angeborene Charaktere
haben, die unterschiedlich auf die Botschaften reagieren. Deshalb
werden einige Mannesmann-Aktionäre so, andere anders reagieren.
Deshalb werden auch nicht alle Kinder zu jugendlichen Schläger.

Es lohnt sich also, über die Mittel nachzudenken, wenn man den Kampf
aufnehmen will. Ihn nicht aufnehmen zu wollen, weil eh alles relativ
ist, heißt, ihn schon verloren zu haben.

Ciao!
juh

--
juh's Sudelbuch
Best of 1999: Was gefiel, was missfiel den Lesern 1999?
http://www.sudelbuch.de/best1999/index.html




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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 16.01.00, 16:32:58
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

moin moin,

JUH> Das Sudelbuch ist kein Tagebuch. Es ist nicht von vorneherein ein Ort
JUH> für Selbstgespräche wie dein Webdiary. Aber Selbstgespräche sind auch
JUH> nicht ausgeschlossen.

ich denke, claudias webdiary, dein sudelbuch und meine weekly-texte
sind ja gewissermaßen verwandte, die nur eben in unterschiedliche
richtungen tendieren.

bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch, im sudelbuch wird
ein essay aus dem alltag und bei mir eben fiktion.

ist doch interessant, wie unterschiedlich man den alltag verwursteln
kann ...


Wodile

--

Wodiles Weekly
www.wodile.de

Diese Woche: alles fertig zum abheben ;o)




--------------------------------------------------------------------------------
Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 16.01.00, 17:14:32
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your (klinger ) mail on Sun, 16 Jan
2000 11:51:45 +0100:

>Du
>schreibst diese Sudelbuchtexte genauso, wie sie in einem Printmedium stehen
>könnten: ein Autor, der sich selbst als Person ganz draussen läßt und von
>irgendwelchen abstrakten Kritierien her die Ereignisse bewertet. Du scheinst

Hm,

es war schjon witzig: BVor der wahl war die CDU das Reich des
Boesen und dei SPD die erloesung; bald nach der Wahl musste dei
SPD die Rolle des enntaeuschers uebernehmen ohne dass man das
'auf den Tisch' gelegt haette. Ich fand das witzig & traurig.
Papier & Geduld...


OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/



--------------------------------------------------------------------------------
Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 16.01.00, 17:27:00
Betreff: [NetLit] zu: Selbst, Gespraeche und Sprache

Hi Listige,

hier 2 Surftipps, -- wer es noch nicht kennt.

Aktuell zu Dichtung und Sprache
Sloterdijk
Elementarteilchen etc.pp.

1)
www.jungeforschung.de/hyperfiction/index

von dort u.a zu: lienus

oder gleich zu einem Text daselbst

2)
www.weltkreis.com/mauthner/tex/stein1.html

Viel Freude beim surfen und lesen etc.

V.olker



--------------------------------------------------------------------------------
Von: gb@botek.at (Guenther Botek)
Datum: 16.01.00, 18:23:07
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi Listige,

Wodile schrieb:
>ich denke, claudias webdiary, [juhs] sudelbuch und meine weekly-texte
>sind ja gewissermaßen verwandte, die nur eben in unterschiedliche
>richtungen tendieren.
>
>bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch, im sudelbuch wird
>ein essay aus dem alltag und bei mir eben fiktion.
>
>ist doch interessant, wie unterschiedlich man den alltag verwursteln
>kann ...

... ja - ich sehe das auch so, weil ich euch drei meistens parallel lese und
auf meine Art wahrnehme -, aber wohin wird das letztendlich fuehren?

Hat bald _jeder_ sein *Daily/Weekly* oder gleich eine *LIVE-Webcam*
mit Microfon am Kopf (und diktiert gleichzeitig sind Gedanken mit)?

Meine (zugegeben trivialpsychologischen - bitte um Nachsicht, Werner ;)
Alltags-Thesen sind (arg gekuerzt):

* Schreiben/Lesen (im RL/VL) ist Selbst-Therapie.
* Kommunizieren (im RL/VL) ist auch Selbst-Therapie.
* Miss-/Unverstaendnisse haben weiter nichts zu bedeuten, ausser die
banale Botschaft: "Ich bin/komm leider noch nicht ganz klar mit mir".
* Kritik an anderen/m richtet sich meist an sich selbst (ausser bei Oliver,
dem gehts meistens um die Einhaltung der Therapiezentrumsregeln ;)

... und ein paar extra-Thesen fuer juh ;)

* politische (Selbst-)Gespraeche nimmt (fast) keiner mehr ernst (solange
wir in einer Demokratie leben - die wir staendig verteidigen muessen, klar)
* Politiker sind immer arme, wenn auch manchmal intelligente, Schweine.
* Journalisten und andere Medienleute sind auch meistens arm und auch
manchmal intelligent.
* Schriftsteller und Philosophen sind immer sehr arm, aber dafuer
meistens auch sehr intelligent.
* die uebrigen Menschen sind meistens recht nett, soweit sie mit sich
selbst klar kommen.
* Gluecksschweine (egal ob intelligent oder nicht) sind sehr selten.

:)

Ciao
Guenther




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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 16.01.00, 18:42:47
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

moin moin,

GB> * Schreiben/Lesen (im RL/VL) ist Selbst-Therapie.

das habe ich nie bestritten LOL.

ich mache mir meine mädels eben auf dem literatur-umweg selbst, wenn
sich ringsherum schon nix passendes findet.


;o)


Wodile

--
Wodiles Weekly
www.wodile.de

Diese Woche: alles fertig zum abheben ;o)



--------------------------------------------------------------------------------
Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 18:49:54
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Oliver Gassner schrieb:

>es war schjon witzig: BVor der wahl war die CDU das Reich des
>Boesen und dei SPD die erloesung; bald nach der Wahl musste dei
>SPD die Rolle des enntaeuschers uebernehmen ohne dass man das
>'auf den Tisch' gelegt haette. Ich fand das witzig & traurig.
>Papier & Geduld...

Ups! Die SPD als Erlöser? Habe ich sowas geschrieben? Und dann auch
noch ohne ;-) ? Man kann seine Worte eben nicht sorgfältig genug
wählen! Es hätte dich stutzig machen müssen, wenn ein Atheist von
Erlösung faselt. ;-)

Das mit dem Reich des Bösen ist aber mittlerweile wohl keine
satirische Übertreibung mehr. Hat jemand die Anzahl der Millionen
mitprotokolliert?

Ciao!
juh

--
Es lebe die 43 Stundenwoche!
http://www.sudelbuch.de/1999/19991122.html




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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 18:50:01
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Wolff 'wodile' Lehmann schrieb:

>bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch, im sudelbuch wird
>ein essay aus dem alltag und bei mir eben fiktion.
>
>ist doch interessant, wie unterschiedlich man den alltag verwursteln
>kann ...

Ja. Wobei Claudia aber m.E. kritisiert, dass im Sudelbuch eben nicht
der Alltag der Ausgangspunkt sei. Was ja auch teilweise stimmt.

Ciao!
juh

--
Es lebe die 43 Stundenwoche!
http://www.sudelbuch.de/1999/19991122.html




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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 16.01.00, 18:50:41
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Oliver Gassner wrote:

> es war schjon witzig: BVor der wahl war die CDU das Reich des
> Boesen und dei SPD die erloesung; bald nach der Wahl musste dei
> SPD die Rolle des enntaeuschers uebernehmen ohne dass man das
> 'auf den Tisch' gelegt haette. Ich fand das witzig & traurig.
> Papier & Geduld...

in der psychologie bezeichnet man solche persoenlichkeiten
als counterdependet.

uebrigens: mir hat man immer schon dieses epitheton ornans
verpasst, wobei das ein kollege einmal noch
drastischer ausrueckte: ich zoege meiner
wissenschaft den boden unter den fuessen weg.

das fand durchaus passend
8-}) ws



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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 16.01.00, 19:12:14
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your (Jan Ulrich Hasecke ) mail on Sun, 16 Jan
2000 18:49:54 +0100 (CET):

>Ups! Die SPD als Erlöser? Habe ich sowas geschrieben?

Wenn Kohl & Dingsbums das Reich des Boesen waren... ;)

>Und dann auch
>noch ohne ;-) ? Man kann seine Worte eben nicht sorgfältig genug
>wählen! Es hätte dich stutzig machen müssen, wenn ein Atheist von
>Erlösung faselt. ;-)

;))

>Das mit dem Reich des Bösen ist aber mittlerweile wohl keine
>satirische Übertreibung mehr. Hat jemand die Anzahl der Millionen
>mitprotokolliert?

Ich schreibe erst am ende "Protokohl".

OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/



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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 16.01.00, 19:21:22
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

"8-}) ws" wrote faelschlicherweise:

n
v
> als counterdepende t.

sorry :-E)
8-}) ws
war das jetzt auch ein selbstgespraech ;-)



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Von: DerPoet@faktuell.de (Der Poet)
Datum: 16.01.00, 21:48:20
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

> -----Ursprüngliche Nachricht-----von Michael Charlier
> Gesendet am: Sonntag, 16. Januar 2000 12:05


> On Sun, 16 Jan 2000 11:51:45 +0100, klinger wrote:
>
> >Es gibt noch andere Gründe, die die
> >meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!),
> als das, was in der
> >Zeitung steht und im TV tönt.
>
> Mit guten gründen wird im Gegenteil vermutet, daß labile Charaktere
> durch Blutorgien im Fernsehen durchaus zum Nachprobieren angeregt
> werden. Auch Sensationsberichte über Krawall vorm
> Asylbewerber-Wohnheim
> oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.

Hmm. Halte ich von seeeeehr weit hergeholt.
Aber das hat H.G. Rodek so treffend beschrieben, dass selbst
ich das das nicht toppen kann ;-))
http://www.FAKTuell.de/Medien/rodek.shtml


> ziemlich genau: Die
> Söhne und Töchter der Pastoren trafen sich bei uns in
> Frankfurt im SDS.

Oh - wann war das? Warst Du auch im Bull-Eye ???

Ciao
Chris



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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 16.01.00, 22:49:02
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi Wodile.

du schriebst:

>bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch,

Ist nicht dein Ernst!

Sonst würde ich nämlich auch schreiben: der Mann um die 30, der heute morgen
mit ängstlichem Gesicht über den Hof geschlichen ist, hatte eine grüne Jacke
an, die mich exakt an das Grün erinnerte, das ich neulich in Fotoshop
gesucht und nicht hinbekommen habe.....

Gruß von Claudia, die niemals "ungefiltert" schreibt. (Außer in so
symphatischen Kreisen wie diesen hier, wo ich auch manchmal spontan ruppig
werde - und es danach bedauere - und alles per Text....)



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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 17.01.00, 00:13:08
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hallo Juh, hi Listige,


Du schriebst:

>Es gab immer schon widersprüchliche öffentliche Meinungen. Das
>ist der Kampf der Meinungen. Heute ist das Feld vielleicht
>unübersichtlicher, aber das ist doch kein Grund, darauf zu
>verzichten, Einfluss auf diese Meinungen zu nehmen?
>Über die Mittel können wir gerne streiten.

und:

>Zu Fragen ist doch nur, wie bringe
>ich in dieser Situation meine Botschaften rüber.

>(Jaja, ich weiß, Botschaften haben ist out. Ist das deine
>Botschaft? ;-).

Ich weiß nicht, ob das out ist, weiß aber, dass ich nur selten ein konkrete
Botschaft habe. Dazu fand ich Walsers Ausführungen übrigens auch gut: ich
kann nur das befürworten, wofür ich einen konkreten Weg sehe, an dem ich
auch mitwirken würde.

Doch der Ansatz mit der Botschaft bringt weiter:

Die THEMEN, die im medial vermittelten Politikbereich verhandelt werden,
sind doch in der Regel so geartet, dass ein Zeitung-lesendes Individuum
daran nicht viel ändern kann. Das kondensiert im alten Spruch: Die da oben
machen doch, was sie wollen....(und erzähl mir nicht, man brauche bloss in
eine Partei zu gehen und.... das hab ich schon hinter mir).

Seit dem Aufstieg der Medien-Mächte können öffentliche Funktionsträger nicht
mehr ganz machen, was sie wollen. Das Mediensystem bewirkt eine
Rückkoppelung an die "öffentliche Meinung" - wobei jedoch das Problem
besteht, dass es diese öffentliche Meinung auch generiert. Es ist zu großem
Teil selbstreferentiell.

In meiner politischen Erfahrung (Berlin Anfang der 80ger, Hausbesetzungen,
Sanierungsproblematik) hat mich sehr bald folgendes Phänomen vom Aktiv-Sein
abgestossen: Zunächst machten wir Aktionen für uns, die Aktionen hatten
ihren Sinn in sich selbst. Dass auch über sie berichtet wurde, war
nachrangig.

Doch bald schon wurden Aktionen nur noch MIT & FÜR Medien geplant, in Zeiten
gelegt, wo nichts anderes Wichtiges passierte, bzw. auch mal am Terminplan
wichtiger Medienvertreter ausgerichtet. Und schließlich gab es nur noch
"fantasievolle" Aktionen, die INHALTLICH in die aktuelle Mediensituation gut
passten, begleitet von einer guten PR-Maschinerie.

Du kannst richtig sagen: Damit hast du das politische Geschäft gelernt.

Aber dazu hab' ich eben keine Lust, wenn ich mal eine BOTSCHAFT habe! Denn
bis diese Botschaft mittels dieses Geschäfts verdaut und zu irgend einer
Wirkung gekommen ist, bin ich alt und grau. Und die Sache ist mir lange
nicht mehr wichtig. Zudem muss eine Botschaft schon sehr
abstrahiert/verallgemeinerbar sein, bevor sie massenfähig wird..

Die Wechselwirkung zwischen Politik, Medien und "öffentlicher Meinung"
bedient in der herrschenden Form also nicht meine Bedürfnisse. Hinzu kommt
das schnelle Wechseln der Themen, schließlich geht es den Medien nicht um
die Sache, sondern um die Quote.

Ich habe daher allen Grund, die öffentliche Meinungslandschaft zu
kritisieren - und ich frage mich auch immer wieder, wie weit da "Realität"
abgebildet wird. Es gibt z.B. ganz verschiedene Meinungen, wie hoch der
Entrüstungsgrad angesichts der aktuellen CDU-Skandale wirklich ist - es ist
unmöglich, das festzustellen (trotz Umfragen, die Leute sind ja nicht naiv).
Schließlich bilden wir unsere Meinung, was die Leute denken, über Medien -
und mit den paar Hanseln, die jeder so im Alltag spricht, ist DAS etwa
realistischer?

Ich kenne zum Beispiel niemand, bei dem ich angesichts der schwarzen Kassen
der CDU ECHTE ENTRÜSTUNG wahrgenommen hätte. Wär ja auch ein Wunder, denn es
sind mehrheitlich Selbständige, die je einzeln ihren Kampf gegen das
Finanzamt führen.

>Die Welt wimmelt von Botschaften. Diskurshoheit bedeutet,
>deine Botschaft hat die Mehrheit. Die Wege variieren, das Ziel
>ist immer gleich. Es gibt auch Botschaften außerhalb
>redaktioneller Medien.

Ja, und ich hoffe, dass diese immer relevanter werden. Und dass viele Leute
lernen, weit unterhalb "grosser Politik" mit ihren abstrahierten Themen ihre
Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen, das Netz gibt da wirklich
jede Menge neuer Möglichkeiten (Etoy = gutes Beispiel, wenn ich auch meine,
die Aktiven übertreiben's wieder mal...) - traditionelle Medien müssen da
nicht ausgeschlossen sein.

Dann ist es nämlich garnicht nötig, eine "Mehrheit" zu haben oder eine
Diskurshoheit. Man braucht dann nicht bis zu einer Gesetzesänderung gehen,
es gibt ja eh schon zu viele. (wenn allerdings Gerichte in neuen Themen mal
so und mal so entscheiden, muss es sein).

Soweit zum "Botschaft durchsetzen".

Nun noch zu Sloterdijk:


>>Genau DIESE Frage hat Sloterdijk gestellt.

>Wann? Wo?

>Du meinst doch nicht im Ernst seine Genvisionen damit, oder???

So, wie mir die gesamte Diskussion in den Medien vermittelt wurde, schien
mir der Knackpunkt des "Skandals" die Frage nach der Menschenzüchtung und
WER darüber nachdenken darf. Wie immer gewunden sich S. da rumgedrückt
hat....

Wenn ich aber mal in einem anderen Kontext in diese Frage reinlese, nämlich
bei der Reproduktionsmedizin, dann lese ich, dass dort eine große NACHFRAGE
nach Menschenzüchtung besteht: passendes Geschlecht, frei von Krankheiten,
sonstige Merkmale wie Haarfarbe und besondere Fähigkeiten würden auch gerne
genommen, wenn es ein entsprechendes Angebot gäbe. Nobelpreisträgersperma
ist ja Mangelware.... mit welchen Methoden der Nachfrage entsprochen wird,
ist vermutlich nicht so entscheidend....

Die vorsichtige philosophische Frage, ob es erlaubt ist, über gentechnische
Veränderungen (so sie möglich werden...) am Menschen nachzudenken, ist nur
ein laues Lüftchen verglichem mit dem BEDARF, der für kinderlose Paare
offenbar ein bereits selbstverständlicher Wunsch ist.

Diese Diskrepanz stelle ich nicht nur bei diesem Thema fest, sondern
praktisch bei allen "heißen" Themen, von der deutschen Vergangenheit bis zur
aktiven Sterbehilfe.

Na, ich komme da zu keinen für mich befriedigenden Schlußfolgerungen, weder
was die Einzelthemen, noch die medialen Diskurse, noch die Frage der
Realität und der "Zivilisierung" des Menschen angeht. Auf all diese Fragen
kann ich nur eine individuelle Antwort geben, wenn sie an mich herantreten.

DESHALB finde ich es so angenehm, mal ein solches "Selbstgespräch" zu hören
wie das von Walser - und nicht nur diese üblichen Macht- und
Profilierungskämpfe im Rahmen des üblichen Schauspiels.

So long - ich finde diese Diskussion super.

Besten Gruß

Claudia




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Von: ingo.mack@t-online.de (Ingo Mack)
Datum: 17.01.00, 07:39:05
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech



klinger wrote:

> Hallo Juh, hi Listige,


> Ich kenne zum Beispiel niemand, bei dem ich angesichts der schwarzen Kassen
> der CDU ECHTE ENTRÜSTUNG wahrgenommen hätte. Wär ja auch ein Wunder, denn es
> sind mehrheitlich Selbständige, die je einzeln ihren Kampf gegen das
> Finanzamt führen.

nun, eine meiner Wahrheiten ist, dass ein Vermerk wie "die Zinsen sind
Einkommenssteuerpflichtig" auf einem Kontoauszug wie der blanke Hohn
wirkt. dabei ist es unerheblich, ob es sich -wie in dem letzten konkreten
hier- um DM 3,85 (eine Gutschrift auf Genossenschaftsanteil) oder
um ca. DM 4.000.000.-- (den Zinsgewinn der CDU-Auslandskasse in der Schweiz
auf die 13 mio Schwarzgeld) handelt. echte Entruestung kommt da bei
mir wirklich nicht auf, da die Heinis der Eliteclique die Gesetze
gemacht haben, die sie umgehen.

das geht nur, weil die Heinis gewaehlt wurden. also ist das, was die
Hirnis machen, von der Mehrheit toleriert, wenn nicht gar ausdruecklich
gewuenscht.

aergerlich fuer mich ist eigentlich nur, dass ich auf DM 3,84
Einkommensteuer
zahlen muss. ok. mach ich. (ich hatte schon immer ein Faible fuer Pea-nuts.)

Dann ist es ein weiteres Aergernis, dass 1/4 meiner Einkommensteuer auf die
DM 3,85 fuer die zins-und Tilgungsleistung der immer noch nicht
verschwundenen
Staatsverschuldung in Hoehe von mehr als DM 1.000.000.000.000.-- verwendet
werden muss und nicht fuer den Bau von Schulen oder fuer Lehrergehaelter
bereitgestellt wird.

Noch ein Aergernis ist, dass das Finanzamt im Fall von saeumigen
Normalsteuerzahlern jederzeit saemtliche Konten des Unterworfenen
Demokratiemitgliedes pfaenden und sperren kann und wird.

ich glaube kaum, dass die Finanzbehoerden auf die Parteikonten
ebenso Zugriff haben, und wenn, sie werden es nicht tun, da die
Chefetagen den Weisungen ihrer Obergurus (Finanzminister) unterworfen
sind. Daran aendern auch noch so viele Untersuchungsausschuesse nichts.
(oder das gesabbel von Merkel, Schaeuble, Kohl, und wie sie alle heissen).

>> Die Welt wimmelt von Botschaften. Diskurshoheit bedeutet,
>> deine Botschaft hat die Mehrheit. Die Wege variieren, das Ziel
>> ist immer gleich. Es gibt auch Botschaften außerhalb
>> redaktioneller Medien.

> Ja, und ich hoffe, dass diese immer relevanter werden. Und dass viele Leute
> lernen, weit unterhalb "grosser Politik" mit ihren abstrahierten Themen ihre
> Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen, das Netz gibt da wirklich
> jede Menge neuer Möglichkeiten (Etoy = gutes Beispiel, wenn ich auch meine,
> die Aktiven übertreiben's wieder mal...) - traditionelle Medien müssen da
> nicht ausgeschlossen sein.

nebenbei bemerkt, ich finde es bemerkenswert, dass du dem oeffentlich
rechtlichen Fernsehen die kalte Schulter gezeigt hast (interview, dein
Diary) es gibt in der Tat genuegend Wichtigtuer, die fuer solcherlei bereitwillig
den Narren machen.

polemische Morgengruesse
aus Salzgitter

ingo mack

--
der preis fuer demokratie
wird taeglich neu an den
maerkten festgestellt.
bezahlt wird in versprechen.



--------------------------------------------------------------------------------
Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 17.01.00, 09:06:23
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Der Poet kritisierte:

CK> > ... Auch Sensationsberichte über Krawall vorm Asylbewerber-Wohnheim
CK> > oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.
Poet> Hmm. Halte ich von seeeeehr weit hergeholt.

leider nein, nur ist der *mechanismus* halt nicht so
einfach, wie sich das manche vorstellen:

1. tv schauen
2. krawall vorm asylbewerber-wohnheim
3. zum naechsten asylbewerber-wohnheim gehen
4. selber krawall machen

soooo funktioniert es nicht,
sondern (ebenfalls) vereinfacht:

1. tv schauen
2. krawall vorm asylbewerber-wohnheim
3. latentes lernen (das verhaltensrepertoire
wird um das gesehene vermehrt, dh, dass
potentielle handlungsmoeglichkeiten
gespeichert werden)
4. jahre spaeter zb in einer frustsituation
(job verloren, freundin hat sich vertschuesst)
5. der frust klappert das verhaltensrepertoire
nach reaktionsmoeglichkeiten ab
6. findet die erinnerung an den krawall vorm
asylbewerber-wohnheim
7. selber krawall machen

das ist mit gewaltvideos oder gewaltspielen
aehnlich - danach geht man nicht gleich
auf die strasse und ballert um sich.
die bomben ticken im verborgenen -
da kommt irgendwann einiges auf uns zu,

fuerchtet
8-}) ws




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Von: gb@botek.at (Guenther Botek)
Datum: 17.01.00, 10:04:08
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Hi Listige,

Ingo schrieb:
>nun, eine meiner Wahrheiten ist, dass ein Vermerk wie "die Zinsen sind
>Einkommenssteuerpflichtig" auf einem Kontoauszug wie der blanke Hohn
>wirkt. dabei ist es unerheblich, ob es sich -wie in dem letzten konkreten
>hier- um DM 3,85 (eine Gutschrift auf Genossenschaftsanteil) oder [...]

... und loest bei mir damit den "Pawlowschen Reflex" aus, weil ich auf die
Zahl *27* meistens irgendwie reagieren muss (DM 3,85 = ATS 27,--).

Eine der wenigen wirklichen Begegnungen mit hoh(l)en oeffentlichen
Meinungstraegern hatte ich vor einigen Jahren. Beim vorweihnachtlichen
Einkaufsbummel gemeinsam mit meiner Frau trafen wir "zufaellig" den
amtierenden Bundeskanzler in einem Bekleidungsgeschaeft. Das war fuer
uns absolut ueberraschend, weil das irgendein mittelmaessiger Shop in einer
eher grauen haesslichen Gegend ist und keine noble Boutique in der
Wiener Innenstadt.

Umgeben war der Bundeskanzler von einigen jungen Mitarbeitern. Wie
Bodyguards schauten sie fuer mich irgendwie nicht aus, weil ich mir darunter
wahrscheinlich immer Kevin Costner vorstelle. Begleitet wurde er auch
von seiner jungen Frau, die in den Medien gerne als die schoenste First-Lady
gezeigt wird. Offensichtlich hatten sie vor, laenger im Geschaeft zu
bleiben,
weil eine nette Verkaeuferin Kaffee servierte.

Wie der "Zufall" es so wollte, waren die Umkleidekabinen der Damen
und Herren nebeneinander. Meine Frau probierte Pullover, ging einmal
rein und einmal raus aus der Kabine, schaute sich in den Spiegel und
suchte dazwischen verschiedene Pullover in verschiedenen Groessen.
In einiger Entfernung stand ich etwas gelangweilt, wie meistens beim
Einkaufen mit meiner Frau, und verspeiste einen Apfel nach dem
anderen, die an der Kasse in einem Korb zur freien Entnahme lagen.

Nach einiger Zeit musste ich mitansehen, dass der Bundeskanzler meine
Frau beobachtete, als sie sich mit ihrem Pullover im Spiegel betrachtete.
Meine Frau bemerkte dass natuerlich auch und spielte dieses Spielchen
einfach mit. Sie wusste, dass ich das ganze mitverfolgte. Wir grinsten
uns nur wortlos zu. Der Bundeskanzler small-talkte also einmal mit
seinen Mitarbeitern, seiner unachtsamen Frau und den Verkaeuferinen,
und gleichzeitig flirtete er offensichtlich mit meiner Frau.

Und ich stand unbemerkt in einiger Entfernung und dachte mir nur, dass
ich wohl einer der weniger Maenner bin, die auf einen Bundeskanzler
eifersuechtig sein durften, wenn auch nur fuer kurze Zeit und als bewusstes
Spielchen inszeniert. Danach kam ich mir irgendwie privilegiert vor ;)

(/wuff)

Ciao
Guenther



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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 17.01.00, 10:41:34
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Mon, 17 Jan 2000 10:04:08 +0100, Guenther Botek wrote:

>Der Bundeskanzler small-talkte also einmal mit
>seinen Mitarbeitern, seiner unachtsamen Frau und den Verkaeuferinen,
>und gleichzeitig flirtete er offensichtlich mit meiner Frau.

Ja, so sind sie die Bundeskanzler. Der unsere ausweislich seiner voll
im Trend und Durchschnitt liegenden Ehehistorie auch.

An sich wollte ich zu den Super-Gau-Skandalen, die derzeit den
deutschen Medienwald durchtosen, nix mehr sagen, aber stellt euch mal
vor, die Bundeskanzler und anderen Würdenträger wären anders, z.B. nur
annähernd so unselbstsüchtig, wahrheitsliebend und fehlerlos, wie das
derzeit jeder kleine Kommentargriffler von ihnen gebieterisch,
gnadenlos und in heiterster Inquisitionslaune einfordert: Diese Welt
wäre ein für Menschen unbewohnbarer Ort. Konsequenterweise wären diese
Würdenträger denn auch nie Kanzler oder Parteivorsitzende geworden,
sondern spornstreichs als Heilige gen Himmel gefahren.

Derlei keines Gedankens zu würdigen läßt mich am aufklärerischen
Impetus und an der Intelligenz dieser Federhalter halt doch sehr
zweifeln. Ich denke, Fachleute wie Werner S. können mir zumindest
halbwegs darin folgen, wenn ich vermute, daß im gegenwärtigen
Sturmgebraus auch etwas von Folgendem steckt: Als vor nunmehr 18 Jahren
Helmut Kohl Kanzler zu werden drohte, war sich das juste Millieu einig
in dem Schlachtruf: Birne darf nicht Kanzler werden. Unverschämterweise
wurde er es doch, blieb noch unverschämtererweise endlos auf dem Sessel
aussitzen, notifizierte aufs verwerflichste mit dem Einigungsvertrag
die Abdankung des Realsoz und der darauf gerichteten Hoffnungen aller
Edlen aus der vorläufigen Geschichte auf augenfälligste Weise und hat,
Krone der Niedertracht, auch noch 3 Mio Schwarzgeld weiß gemacht. (Ab
wann beginnen eigentlich Peanuts nach Definitionstabelle der Deutschen
Bank?)

Immerhin, die Entlarvung des Systems Kohl (aber die anderen Parteien
wissen sehr wohl, warum sie der Konkurrentin und Schwester jetzt nur
mit gebremstem Schaum den Kopf waschen) eignet sich hervorragend dazu,
der seit 17 Jahren unaussprechliche Qualen leidenden Seele des "Birne
darf nicht Kanzler werden"-Rufers Entlastung zu verschaffen: Er HÄTTE
es jedenfalls nicht werden dürfen, illegitim von Anfang an war alles,
was er tat oder was sich mit seiner Mitwirkung ereignete (und was
wahr-zunehmen den Wohldenkenden so schwer fällt). Vom Illegitimen aber
zum Irrealen ist in der hysterischen Luft der Symbolpolitik nur ein
kleiner Schritt, eigentlich, so lernen wir, hat es diesen Nicht genannt
soll er sein gar nicht gegeben in unserer Welt aus Wille und
Vorstellung. Eigentlich sind ja wir, die es schon immer gewußt haben,
die wahren Sieger der Geschichte.

Die Geschichte wird es sich zu Herzen nehmen.

Dieser Tage hat mich jemand gefragt, was ich unter Aufklärung verstehe.
Ich hatte keine Lust, bloß auf Autoritäten zu verweisen, aber jetzt ist
Gelegenheit zu sagen: als aufklärerisches Denken betrachte ich eines,
das Denkfiguren wie die oben umrissene beileibe nicht für die Wahrheit,
die Ganze Wahrheit so wahr mir Gott helfe hält, aber doch für einen
Splitter davon, den der, dem es um die GANZE Wahrheit geht, nicht
achtlos liegen lassen sollte. Wer es aber tut, weil er zur Verfolgung
seiner Zile oder zur Entlastung seiner Seelenqual nur eine einzige
Seite sehen will und kann - nun, der redet nicht Wahrheit, sondern
macht Propaganda.

Schönen Gruß

Michael Charlier



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Von: q4981391@bonsai.fernuni-hagen.de (Joerg Wittkewitz)
Datum: 17.01.00, 12:03:08
Betreff: [NetLit] selbe-gespräche in strassburg

ha,
da bin ich ja baß erstaunt über den sehr präzisen und gut
beobachteten einwurf von herrn charlier!

Ich habe nun, wahrscheinlich nicht mit seinem einverständniss, den
eindruck, dass genau diese eitle betroffenheitsschiene um die
auflösung der herrschaftsjäger in gestalt des realsoz und der
welt_von_unten_betrachter (kann man heutzutage überhaupt noch einen
angemessenen bottom-up-ansatz formulieren?) ihr unwesen bis in die
literatur hinein betreibt.
ich möchte mich nicht über adressiertes schreiben streiten (welche
kommunikationsmodelle man in der literatur oder der dichterei
überhaupt draufguckt ist dem text, glaube ich, egal) jedoch ist die
öffentliche diskussion sehr selten eine offene. ob das nun an der
hermetischen position des veröffentlichungsorgans von herrn walser
liegt, vermag ich nicht zu bestimmen.
der duktus der nachfolgenden diskussion jedenfalls scheint mir von
der realexistierenden(?) herrschaftsfreien intelligenzija als ein
besinnliches öffentliches adventssingen in geschlossener
gesellschaft zu sein.
mit adventssingen meine ich vor allem das herunterbeten des
kanonischen dogmas in der art einer
*ich-will-so-bleiben-wie-ich-bin>du-darfst*-hexis. diese immer noch
beizubehalten, finde ich angesichts der grossen umwälzungen, die
helmut hohl durch entschiedenes wegsehen förderte, nicht nur bigott
sondern nun in der ganzen walserei und grasserei auch noch
anachronistisch. ich bin bestimmt kein freund von proliferationen
der neuartigkeiten, wie neu das neue neu auch immer sein mag, aber
ist es jetzt nicht zeit, die splitter der wahrheit aufzunehmen und
nun in der gewissheit, er wird sich schon seinen platz suchen einen
weiteren viele leute betreffenden splitter hinzuzufügen und zwar
ohne den systemischen quark von element, struktur und organisation.
es ist ja nicht nur so, dass die bigotten helmuthohljäger vatermord
begehen wollen und dabei noch in der attribuierung dieses
geschehens die rettung der eigenen utopie betreiben.
es gibt neue themen, die geschickt versteckt hinter dem gegröhl
über die mafiösen strukturen der abgelösten mannschaft, überrollt
und damit totgeredet werden.


gestern war eine b90/grüne-tante aus dem eu-parlament in 19.10
(3-SAT): da gings um die frau in der armee und so neben bei um die
kompetenzenverteilung im maastricht-verlag.
alle gucken immer auf das BVG aber keiner auf strassburg.
ich halte ja die pappkamerdane aus bonn für die zeilscheiben einer
politik, die schon längst wonders stattfindet, aber keine sau der
herren und damen intelligenzija wie walser oder grass oder wer
immer sich das don-quichottenhemd anzieht, ist auch nur in der lage
oder willens über die zentralisierungsmotivik zu reden, ob nun
adressiert oder nicht.
warum ist das den kulturikern egal ?
ist das zu indifferent?
zu neu?
zu weit weg?
ist das ein thema, das für eine dezidiert deutschsprachige
öffentlichkeit (zeit,faz,szz,nzz...)
zu unübersichtlich ist? stimmt der vorwurf an die europäer, das
ihre probleme darin liegen, keine zu haben, sondern nur national
und damit (kulturell. weil sprachlich?) nabelschau zu betreiben.

was sagt die liste dazu
fragt

jörg wittkewitz
ps: sollten die stillen mitleser die eifrigen sender von postings
mal irgendwo öffentlich machen und wenn es nur aufgrund neuer ideen
ist, dann kann man seine quelle 'netzliteratur.de' auch ruhig
angeben, egal ob man volontär oder freier autor ist....

--
Joergs Linkliste:
"http://www.stud.fernuni-hagen.de/q4981391"
Briefe,Karten,Spenden und 6 Richtige an:
"mailto:wittkewitz@gmx.de"



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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 17.01.00, 13:09:56
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Lieber Michael,

ich kann deiner Argumentation beim besten Willen nicht mehr folgen.
Ich weiß nicht, warum du dich so in die Altlinke verbissen hast. Was
willst du uns eigentlich sagen? Dass wir zufrieden sein sollen, dass
wir uns 16 Jahre von Kohl, Kanther und Konsorten haben regieren
lassen? Haben wir jedes Recht zur Kritik verloren, weil wir 16 Jahre
zu doof, zu bequem, zu staatstragend waren, um das heraus zu finden,
was jetzt heraus kommt?

Und selbst wenn sich jetzt der "Birne-darf-nicht-Kanzler-werden"-Rufer
zurücklehnt und sagt: Ich habs ja immer gewusst. So ist diese
Selbstgerechtigkeit, oder wie immer man das nennen will, doch ein
absoluter Nebenkriegsschauplatz. Auch wenn die Gründe, weshalb man
damals gegen Birne war, andere waren, als die, weshalb man heute gegen
Kohl ist, was solls? Hinterher ist man immer klüger.

>Vom Illegitimen aber zum Irrealen ist in der hysterischen Luft der
>Symbolpolitik nur ein kleiner Schritt, eigentlich, so lernen wir,
>hat es diesen Nicht genannt soll er sein gar nicht gegeben in
>unserer Welt aus Wille und Vorstellung. Eigentlich sind ja wir, die
>es schon immer gewußt haben, die wahren Sieger der Geschichte.

Das liest sich, als wolltest du, wie Roland Koch, denen das Handwerk
legen, die die CDU vernichten wollen. Und als sei nicht die CDU das
Problem, sondern ihre politischen Gegner.

Ciao!
juh

--
Mantras gegen den Aufzug von Verdunklungsgefahr
http://www.sudelbuch.de/2000/20000117.html




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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 17.01.00, 13:10:22
Betreff: Re: [NetLit] selbe-gespräche in strassburg

Joerg Wittkewitz schrieb:

>keine sau der herren und damen intelligenzija wie walser oder grass
>oder wer immer sich das don-quichottenhemd anzieht, ist auch nur in
>der lage oder willens über die zentralisierungsmotivik zu reden, ob
>nun adressiert oder nicht. warum ist das den kulturikern egal ?

Das Thema Europa ist sicher zu kompliziert für einen
durchschnittlichen Intellektuellen. Und so lange eine von den
nationalen Regierungen ernannte Kommission Europa regiert, wird die
Komplexität auch erhalten bleiben. Möglicherweise ist es sogar
Absicht, damit der Bürger nicht zu sehr reinredet. Vor allem bleibt
Europa aber so lange eine nationale Angelegenheit, weil die
Kommissionsmitglieder nach der innenpolitischen Machtverteilung
benannt werden.

Erst wenn Skandale die Komplexität soweit simplifiziert haben, dass
Europa für eine Schlagzeile in der BILD taugt, interessiert sich
plötzlich alle Welt für Europa.

Ciao!
juh

--
Zuchtmeister Sloterdijk im Menschenpark
http://www.sudelbuch.de/1999/19990910.html




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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 17.01.00, 13:14:34
Betreff: Re: [NetLit] selbe-gespräche in strassburg

On Mon, 17 Jan 2000 12:03:08 +0100, Joerg Wittkewitz wrote:

>da gings um die frau in der armee und so neben bei um die
>kompetenzenverteilung im maastricht-verlag.
>alle gucken immer auf das BVG aber keiner auf strassburg.
>ich halte ja die pappkamerdane aus bonn für die zeilscheib

Hi Jörg,

Du hast Recht, wenn du vermutest, daß wir in manchem nicht
übereinstimmen. Trotzdem bin ich dir dafür dankbar, daß Du das zitierte
Stichwort in die Debatte geworfen hast - es hat auf hintergündige Weise
mit der Sache zu tun, soweit es um die Mediendarstellung geht.

Das Urteil des EuGH wurde allgemein begrüßt, weil es in zweifacher
Weise im Trend liegt (womit nicht automatisch etwas gegen den Trend
gesagt ist): Gleichberechtigung und Entmystifizierung der Streitkräfte.
Einer an Aufklärung interessierten Publizistik hätte allerdings
auffallen können, daß mit diesem Urteil weitreichende Fragen
aufgeworfen werden.

Formal: Der Gerichtshof urteilte auf Grund einer Richtlinie - d.h.
eines von keinem Parlament, sondern nur im Kreis der Regierungschefs
bzw. der Minister abgestimmten Papiers, über eine nationale und dort
parlamentarisch beschlossene bzw. mehrfach geänderte Verfassung.

Methodisch: Der Verfassungsvorschift, die Frauen in D am Dienst an der
Waffe hindert, liegt eine Wertentscheidung aufgrund einer spezifischen
Auslegung naturrechtlicher Vorstellungen (Frauen als
"Lebenspenderinnen" sollen nicht "Kriegerinnen" sein) zugrunde. Ich
möchte diese Wertentscheidung nicht verteidigen - sie erscheint heute
so nicht mehr haltbar, sondern wird auf der Grundlage anderer
Wertentscheidungen in Frage gestellt. Das ist völlig ok so.

Ganz und gar nicht ok ist aber, daß der EuGH sich auf eine Diskussion
auf dieser Werteebene gar nicht eingelassen hat, sondern rein
ökonomistisch argumentiert: Frauen ist der Zugang zu diesem
Stellenmarkt BuWe verwehrt, und das ist eine wirtschaftliche
Diskriminierung. Damit hat der EuGH ohne irgendwo Widerspruch zu finden
die Anforderungen der Ökonomie zum Kriterium gemacht, das
Wertentscheidungen übergeordnet ist . Diese Anforderungen, so wie sie
in den ohne direkt parlamentarische/demokratische Mitwirkung zustande
gekommenen "Richtlinien" festgehalten sind, ordnet er den nationalen
Verfassungen über, die alle in hohem Maße ausdruck historisch
abgeleiteter Eertentscheidungen enthalten.

Es mag sein, daß darin ein notwendiger Entwicklungsschritt vorbereitet
wird, freilich auf m.E. problematische Weise. Ich will das Urteil
deshalb nicht schelten - umso mehr aber die Kollegen, die in
besinnungsloser Gleichberechtigung-ist-gut-Konformität noch nicht
einmal auf den Gedanken gekommen sind, darüber nachzudenken, was dieses
Urteil _auch_ bedeutet.

Aber das führt jetzt wirklich ins ot. Aber mir liegt die
Auseinandersetzung mit dem, was in der Zeitung steht, halt aus zwei
Gründen am Herzen: Erstens, weil in meiner Steuererklärung immer noch
"Journalist" steht, und zweitens deshalb, weil die Texte, die in diesen
Blättern oder Sendern verbreitet werden, die einzigen sind, denen man
nicht von vornherein weitestgehende Wirkungslosigkeit attestieren muß.

Schönen Gruß

Michael Charlier



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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 17.01.00, 13:25:20
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

On Mon, 17 Jan 2000 13:09:56 +0100 (MET), Jan Ulrich Hasecke wrote:

>Das liest sich, als wolltest du, wie Roland Koch, denen das Handwerk
>legen, die die CDU vernichten wollen. Und als sei nicht die CDU das
>Problem, sondern ihre politischen Gegner.

Ähm, möchtest du die CDU _vernichtet_ sehen? Zur Strafe aufgelöst? Mit
Wahlbeteiligungsverbot belegt? Der bürgerlichen Ehrenrechte entkleidet?
Glaubst du, daß das der Demokratie in diesem unserem Lande förderlich
wäre?

Ich möchte keine Partei vernichtet sehen, und wenn eine große Partei
(das gilt für beide) sich selbst so schwer beschädigt, daß sie aus dem
Kräftespiel (es ist schon kümmerlich genug) noch weiter herauszufallen
droht., so ist das für mich Grund zu äußerster Besorgnis.

Schönen Gruß und jetzt für heute wirklich zurück an die Arbeit

Michael Charlier



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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 17.01.00, 13:51:37
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your ("8-}) ws" ) mail on Mon,
17 Jan 2000 09:06:23 +0100:

>4. jahre spaeter zb in einer frustsituation
> (job verloren, freundin hat sich vertschuesst)
>5. der frust klappert das verhaltensrepertoire
> nach reaktionsmoeglichkeiten ab
>6. findet die erinnerung an den krawall vorm
> asylbewerber-wohnheim
>7. selber krawall machen

Muss da nich noch ein Impuls dazukoemmen? iener der sagst: "Hey,
das machen wir, oder?" Und das 'oder' (Nachdenken) faellt (wegen
Frusts) weg und ...

OG
--
> Wo beim Absender der Smiley fehlt,
> fehlt beim Empfaenger der Humor.
> Arnulf Sopp in de.etc.sprache.deutsch
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/



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Von: DerPoet@faktuell.de (Der Poet)
Datum: 17.01.00, 14:38:13
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

> -----Ursprüngliche Nachricht-----von 8-}) ws
> Gesendet am: Montag, 17. Januar 2000 09:06


> Der Poet kritisierte:
>
>>... Auch Sensationsberichte über Krawall vorm
>> Asylbewerber-Wohnheim
>> oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den
>> Plan gerufen.
> Poet: Hmm. Halte ich von seeeeehr weit hergeholt.
> leider nein, nur ist der *mechanismus* halt nicht so
> einfach, wie sich das manche vorstellen:

Gut, Werner, von deiner Liste halte ich:

> 5. der frust klappert das verhaltensrepertoire
> nach reaktionsmoeglichkeiten ab

für ein Argument. Allerdings sehe ich das nicht in
einer kausalen Verbindung zu TV, Games oder "fremden"
Gewalt-Aktionismus.

Fakt ist, IMHO!, der Frust beginnt auf einer ganz anderen
Ebene. Da verweise ich wegen der Komplexibilität einfach
mal auf Kurz ( http://schmoekerecke.de Cover anklicken,
der die Marktwirtschaft sehr kompetent entblättert hat.

Der Frust kommt, IMHO!, aus dem Verlust von Perspektiven
und Selbstwert. Und dass die "Amokläufer" sich im im fast
nicht berechenbaren Pribillion-Bereich der tatsächlich
Betroffenen bewegen, sagt doch auch genug über diese Thesen.

Ich nehme mal (ganz unwissenschaftlich)an, dass die meisten
Menschen schon so resigniert haben, dass ihnen der sprichwörtliche
Arsch in der Hose fehlt um sich durchzusetzen.

Gemessen an der allgemeinen Situation, stehe ich oft staunend
vor der Leidensbereitschaft vieler Betroffener. Und wenn ich dann
diese These (Gewalt durch Medienkonsum) höre, selbst von Menschen,
die ich ansonsten wegen Ihres Überblicks schätze,
dann kann ich garnicht so viel fressen,
wie ich kotzen möchte.

Tschüss
Chris

---
http://www.FAKTuell.de



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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 17.01.00, 14:50:56
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Michael Charlier schrieb:

>Ähm, möchtest du die CDU _vernichtet_ sehen? Zur Strafe aufgelöst? Mit
>Wahlbeteiligungsverbot belegt? Der bürgerlichen Ehrenrechte entkleidet?
>Glaubst du, daß das der Demokratie in diesem unserem Lande förderlich
>wäre?

Meine Wünsche gehen selten in Erfüllung. ;-)

Eine Partei ist kein Wert an sich. Sollte die CDU untergehen, weil sie
nicht mehr gewählt wird, soll es mir recht sein. Dass jetzt einige
wieder davor warnen, dass Naziparteien in die Lücke stoßen werden, die
die CDU dann zurücklässt, ist sehr bezeichnend. Für die CDU und für
die Leute, die das um der CDU willen fürchten.

>Schönen Gruß und jetzt für heute wirklich zurück an die Arbeit

Du kommst noch zum Arbeiten??

Ciao!
juh

--
Big Time!
http://www.sudelbuch.de/1999/19991127.html


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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 17.01.00, 15:05:25
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

liebe netliteratInnen,

mich reizt der polit-thread eigentlich
wenig, denn ich fuerchte, diese
politischen tagesprobleme kann
man bei genauem studium historischer
quellen wohl alle paar jahre finden.

es gibt den satz: wir haben die politiker,
die wir verdienen.
auch die umkehrung: die politiker
haben das volk,
das sie verdienen.
diese saetze haben was fuer sich, auch
wenn sie auf den ersten blick billig scheinen.

nur: ich halte das naemlich oft daraus
abgeleitete argument, dass politiker
daher genauso wie die normalbevoelkerung
sein muessen/koennen/duerfen, fuer verkehrt:
denn politik bedeutet immer auch, den besten
die polis zu treuen handen fuer einen gewissen
zeitraum zu uebergeben. dieser zeitraum
ist eine bewaehrung fuer politikerInnen
wie waehlerInnen.

daher: in einer demokratie irren/fehlen
die politiker nie allein, sondern immer
auch die, die sie dazu gemacht haben.

daher sind die *skandale* auch immer die
skandale der waehlerInnen. ich habe
mir abgewoehnt, ueber politikerInnen
zu jammern, der job ist - ich weiss
das aus meinem familiaeren umfeld -
ein scheissjob. da gibt es welche,
die rackern jahrelang unter aufgabe
der eigenen interessen fuer das gemeinwohl
und stolpern darueber, dass irgendein
beamter, den sie vielleicht einmal im
jahr sehen, einen fehler gemacht hat.

das heisst bekanntlich *culpa in eligendo*.

imho: die gibts auch fuer die waehlerInnen.

ok, es gibt miese politiker. na gut, dann
halt weg damit. man lebt dann in der
hoffnung, dass etwas besseres nachkommt.

wenn man aelter wird, sieht man die
dinge nicht mehr so kurzfristig.

nein, ist einfach nicht (mehr) mein thema ;-)

8-}) ws

ns:
haben wir auch die schriftsteller,
die wir verdienen?



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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 17.01.00, 15:06:51
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Your (Jan Ulrich Hasecke ) mail on Mon, 17 Jan
2000 14:50:56 +0100 (MET):

>Eine Partei ist kein Wert an sich. Sollte die CDU untergehen, weil sie
>nicht mehr gewählt wird, soll es mir recht sein.

Die CDU macht doch gerade ne massive Krise durch. Und hat, 2 (?)
Prozent weniger als die SPD. Wow. Was macht dann die SPD gerade
durch?

Ob die Gruenen das naechste Mal von den Studienraeten und deren
Gattinnen (ich bin uebrigens keiner, StR, mein ich) noch gewaehlt
werden, ist eh offen.

Ggf.
a) ein Komplott von ELF Aquitaine und der OPEC um unter der
Deckung der Ökosteuer die Benzinpreise zu erhoehen

((
aus news:soc.culture.german

Entwicklung des Benzinpreises Quelle: die tageszeitung (taz)
für Normalbenzin in DM/Liter 2000/01/08, S.8

Jahr Rohöl Min.Öl Tankstellen
steuer Benzin
1988 0,14 0,48 0,92
1989 0,18 0,57 1,09
1990 0,24 0,57 1,13
1991 0,21 0,60 1,27
1992 0,19 0,82 1,34
1993 0,18 0,82 1,34
1994 0,16 0,98 1,51
1995 0,18 0,98 1,50
1996 0,21 0,98 1,56
1997 0,19 0,98 1,61
1998 0,13 0,98 1,53
1999 0,18 1,04 1,53
2000 0,33 1,10 1,86

))

b) ein Komplott des Anti-Kohl-Flugels der CDU, um alle Kumpels
des Altersvorsitzenden zu entsorgen und mit ner jungen CDU (Naja
so 50 abwaerts ;) ) den Aufraeumer Schroeder wieder wegzuputzen.
Die Abfindungen haben 'die Alten' ja schon im Trockenen.

Faszinierend, dachte egentlich nie, dass ich fuer
verschwoerungstheorien empfaengliuch si.
aber wenn man jahrelang herbetet: "Die Regierung ist von der
Indisztie gekauft, und die Deutsche Bank trifft die
Entscheidungen", und dann IST es nachher auch noch so, hey...
dann kann man eigentlich zu paranoid nicht sein.

Und: Haette Kohl _nicht_ von 16 Jahren die Wahl gewonnen und
waere die SPD durchgaengig an der Macht gewesen, dann haette man
eben die Genossen geschmiert.

Traue sich KEINER zu sagen, die haetten das Cash nicht genommen.
Das ist, ehm, unglaubwuerdig. Was fuer ein Wort,
"unglaubwuerdig". Man koennte lachen...

OG
--
> Wo beim Absender der Smiley fehlt,
> fehlt beim Empfaenger der Humor.
> Arnulf Sopp in de.etc.sprache.deutsch
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/



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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 17.01.00, 15:45:38
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

OG merkte zu meiner verkuerzten darstellung an:

> Muss da nich noch ein Impuls dazukoemmen? iener der sagst: "Hey,
> das machen wir, oder?" Und das 'oder' (Nachdenken) faellt (wegen
> Frusts) weg und ...

natuerlich hast du recht, aber das gilt
fuer jedes handeln. bloss der impuls muss
nicht von aussen kommen, sondern die
energie dazu ist ohnehin immer
in uns vorhanden. und wenn es eine
gruppe von menschen betrifft, dann
braucht man niemanden mehr - du weisst
bei solchen kollektiven aggressionen
nie, wer denn nun gesagt hat: zuenden
wir das an. das sind - fuerchte ich -
teilweise unkontrollierbare ablaeufe.

aber was ich dann konkret mache, was mir als
repertoire zur verfuegung steht, das
ist gelernt. und das wollte ich deutlich
machen. denn es naiv zu sagen: *in keiner
untersuchung konnte nachgewiesen werden,
dass im anschluss an einen horrorfilm
die versuchspersonen haeufiger ihre
familien ausgerottet haben als nach
einem heimatfilm*.

es gibt ja ein noch grundlegenderes problem
mit der gewalt: das ist die bevorzugung,
die unsere energie nach aussen zu richten,
also eine allgemeine externalisierung.
in den meisten ballerspielen kannst du
ungestraft dein latent vorhandenes
aggressionspotential auf irgendjemanden
ausser dir richten. dein gegener trifft dich ja
nicht wirklich. game over, aber da
hast du ja eine neue chance.

das ist nicht nur bei aggressionen so, auch
nimmt die tendenz der menschen zu, ihrer
umwelt an allem die schuld zu geben. in
diesem thread zb den politikerInnen,
diesen korrupten, boesen. wir sind ja
die braven!
oder die boesen medien sind schuld.
die berichten ja auch nur aus geldgier
darueber.
alle sind schuld, nur uns selber klammern
wir aus.

8-}) ws
w3:http://www.stangl-taller.at/


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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 17.01.00, 16:13:16
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech

Der Poet wrote:

> Ich nehme mal (ganz unwissenschaftlich)an, dass die meisten
> Menschen schon so resigniert haben, dass ihnen der sprichwörtliche
> Arsch in der Hose fehlt um sich durchzusetzen.

denkst du, das ist resignation?
ich halte das - wir leben beide in den reichsten laendern
der welt! - schlichtwegs fuer faulheit/bequemlichkeit.

demonstrationen muessen organisiert werden, sie
finden nicht so einfach statt. es ereignet sich
nichts mehr spontan, darum werden events inszeniert.
wir haben uns politisch abgemeldet, wir lassen
die medien politik arrangieren.

> Gemessen an der allgemeinen Situation, stehe ich oft staunend
> vor der Leidensbereitschaft vieler Betroffener.
wie gesagt, es geht uns nicht schlecht, und
die paar korrupten politiker tun uns nicht wirklich weh.
schliesslich wollen wir ja auch nicht, dass
der installateur/klempner auf die frage vergisst:
brauchens eine rechnung?

> Und wenn ich dann
> diese These (Gewalt durch Medienkonsum) höre, selbst von Menschen,
> die ich ansonsten wegen Ihres Überblicks schätze,
> dann kann ich garnicht so viel fressen,
> wie ich kotzen möchte.

nicht nur gewalt wird gelernt, auch die gleichgueltigkeit
und alltaegliche normalitaet von gewalt. ich finde,
wir sollten die frage stellen: cui bono? oder
weniger dramatisch: wer lebt ganz gut davon?
oder noch harmloser: wen stoert es nicht,
dass wir alle so brav vor unserem rechner
sitzen und schriftlich kotzen ;-)


wuerde jetzt unser verehrter OG sagen,
denkt
8-}) ws
w3:http://www.stangl-taller.at/


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Von: ingo.mack@t-online.de (Ingo Mack)
Datum: 17.01.00, 16:18:39
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech/gereimtes ungereimtes


Oliver Gassner wrote:

> Traue sich KEINER zu sagen, die haetten das Cash nicht genommen.
> Das ist, ehm, unglaubwuerdig. Was fuer ein Wort,
> "unglaubwuerdig". Man koennte lachen...

laechle, Freund; und sei es auch verkniffen
da ist kein Leben ohne Schmerzen
es koemmt halt
wie es immer koemmt:
vom Arsche und vom Herzen
entwickelt, tanzt, verfluechtigt sich:
grad wie dein Rausch beim Kiffen.

Das meiszte ist _doch_ Selbstgespraech
endet niemals, kreisst und fuehrt nicht weiter
Maul auf, Mail too,
und tuts mal weh:
dann geh einfach duschen!

Morgen sind dann andre Lieder,
vom gleichen Pack gesungen,
der Brotaufstrich
zum Morgenmahl
der Alten und der Jungen.

fragte nicht juengst werner stangl
nach relevantem Schreiberistentum?
nach wirklich offenbaren
wirklich rein und wahren
Beschreibenden, nach Klaren?

Es gibt SIE nicht
nicht Hier, nicht Heut
und sollten SIE, entgegen dem,
_doch_ noch existieren:
intressieren tut es keine sau
wie einzelne krepieren!

Es sei nicht statthaft, heissts verdrossen,
versessen auf der Andren Tun zu schielen
Kern vom Ganzen -immer noch-
ist - nebst schrundger HaendeSchwielen-
lieb dich selbst, grad so wie den Andern.

:)
ingo

--
das c bei denen ist
genausowenig gerechtfertigt
wie bajazzo in Bayreuth
amen



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