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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 15.01.00, 09:00:35
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
On Fri, 14 Jan 2000 22:45:25 +0100 (CET), Jan Ulrich Hasecke wrote:
>Genau. Lasst uns die brennenden Reifen senken. Es springt ja doch
>keiner hindurch. Auch ohne Walser hat das Thema IHMO viel
>Brisanz.
Ja, nieder mit den brennenden Reifen, freien Blick auf die Problemlage.
Da gehört Walser freilich schon dazu. Es mag nämlich sein, daß wir auch
unter Selbstgespräch sehr verschiedene Dinge verstehen.
Das Spannende und m.E. auch Wesentliche am "Selbstgespräch" des
Schriftstellers ist ja doch nicht, wie er da im stillen Kämmerlein mit
sich zu Rate geht, sondern daß er irgendwann und irgendwo - auch in der
Paulskirche, wenn er als Schriftsteller dorthin eingeladen wird - sein
Inneres nach außen kehrt.
Dieser Prozess mag von außen immer ähnlich aussehen, er scheint aber
sehr verschieden wahrgenommen zu werden. In Deutschland gibt es seit
dem Geniekult um die Klassiker eine Tendenz, das Ergebnis des
Zwiegespräches als Lehrvortrag oder als Predigt zu deuten. Diese
Version wird meist von beiden Seiten (Autor und "seine"
Leser_gemeinde_) gestützt.
Der Witz, und hier wird es notwendigerweise zwar nicht polemisch, aber
konkret: Gerade Geister, die sich auf die Aufklärung berufen, haben
hierzulande dieses Verkehrsmuster am längsten aufrecht erhalten, mit
den Nobelpreisträgern Böll und Grass als vorläufig letzten
Repräsentanten.
Das ist der Kontext, aus dem heraus unmittelbar einleuchtend erscheint,
daß ein hervorragender Schriftsteller "Recht" hat, wenn er seine
Meinung zu den Weltereignissen im Allgemeinen und zur Moral im
Besonderen vorträgt. Was natürlich aus einer aufgeklärten Perspektive
heraus ziemlicher Unfug ist, aber auch von Jüngern der Aufgeklärung
gerne so gesehen wird, weil jeder manchmal einen Apostel braucht,
dessen Autorität er sich borgen kann.
Dieses Paradigma ist unter dem Einfluß der Postmoderne (eine ihrer
Errungenschaften ist die unübersehbar und provokativ zum Ausdruck
gebrachte Multiperspektivität und Ambivalenz) zerbrochen. Das gilt zwar
weltweit, konnte sich in Deutschland aber nur verspätet durchsetzen,
weil hierzulande viele glauben, in Auschwitz (Adorno: nach Auschwitz
ist es unmöglich, Gedichte zu schreiben) den Endpunkt (Singularität)
und Fluchtpunkt der Geschichte zu erkennen, so daß eine
Multiperspektivität nicht nur unmöglich, sondern auch unerlaubt
erscheint.
Wer eine eindeutige Perspektive zu haben glaubt, tut sich sowohl bei
seinen Selbstgesprächen als auch beim öffentlichen Vortrag von deren
Ergebnis recht leicht - ob ihm das als Schriftsteller guttut, steht auf
einem anderen Blatt. Grass bekam den Nobelpreis schließlich
ausdrücklich für die Belechtrommel und nicht etwa für die Rättin.
Die Lebenswirklichkeit hat alle Illusionen von der Einheitlichkeit und
Widerspruchsfreiheit von "In-dividuum" Gesellschaft, Perspektive usw.
in den letzten Jahrzehnten mitleidlos abgeräumt, und ein Teil der
aufklärerischen Autoren (besonders hervorragend: Enzensberger) hat sich
daran ganz bewußt beteiligt - und damit den verständlichen Zorn
derjenigen hervorgerufen, die sich in der Monoperspektivität
eingerichtet hatten. Bietet sie doch das Exoskelett, das in Zeiten, da
einem alles ehedem Feste unter den Fingern zerinnt, wenigstens die
Illusion zuläßt, man selbst könne sich in der gewohnten Form erhalten:
Aufrecht, mit beiden Beinen auf der festen Erde, und standhaft.
Das ist doch das Thema der Selbstgespräche, mit denen wir alle uns
plagen. Ein Teil der Schriftsteller hat sich dem gestellt - mir fehlt
die Zeit, zu verfolgen, wie weit das auch bei weniger bekannten Namen
der Fall ist. Aber im Feuilleton tobt vor allem der Lärm der
Schlachten, den diejenigen entfesseln, die den Paradigmenwechsel als
Niederlage empfinden, weil er ihre Machtpositionen erschüttert. Sie
versuchen, ihre Position als einzig erlaubte Variante der "öffentlichen
Sprache" zu etablieren/konservieren und wollen die "Selbstgespräche"
der anderen, die immerhin multipel genug sind, um mit sich selbst
uneins zu sein, ins Herzenstübchen der bedauernswerten Zerissenen
verbannen.
Tja, das ist _meine_ Perspektive, in der sich die schriftstellerische
Problematik kaum aus ihren gesellschaftlichen Hintergründen lösen läßt.
Das läßt aber - für mich - immerhin die Vermutung zu, daß einige
Schriftsteller doch näher an den realen Entwicklungen dran sind, als
man notorischen Selbstgesprächlern manchmal zubilligen möchte.
Soviel erst mal dazu. Noch nicht sehr erhellend, aber schon viel zu
lang.
Schönenb Gruß
Michael Charlier
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Von: q4981391@bonsai.fernuni-hagen.de (Joerg Wittkewitz)
Datum: 15.01.00, 09:41:30
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech die 101ste wg. Sloterdijk
lies vielleicht mal die 'kritik der zynischen vernunft' von
schlotterdeich. das ist ein buch (in zei bänden), das ich für die
moderne geistesgeschichte deutschlands ausserordentlich konstruktiv
halte und zu den schloss elmau vorträgen empfehle ich dringend
siehe dir die fernsehaufzeichnungen ausm wdr-archiv mal.
ich kann seine gen-ethik auf dem hintergrund seiner wirklich guten
frühen arbeiten (siehe oben) nur schwer nachvollziehen...
aber guck dir die vorträge an, vor allem den über "die
menschenschwärze"...
ansonsten...
was soll zu walser gesagt werden?
kein guter erzähler.
kein guter erklärer.
kein guter romancier.
keine pflege der sprache und auch keine dekonstruktion derselben,
ein versuchter chronist aus einer sehr privaten ecke, beides an
sich schon toll, aber zusammen in einem werk - ist mir zu
hermetisch abgeriegelt sowhl nach innen zum herz, als auch nach
aussen zu den fremden/anderen.
jörg
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Von: q4981391@bonsai.fernuni-hagen.de (Joerg Wittkewitz)
Datum: 15.01.00, 11:35:12
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Michael Charlier schrieb:
>
> On Fri, 14 Jan 2000 22:45:25 +0100 (CET), Jan Ulrich Hasecke wrote:
>
> >Genau. Lasst uns die brennenden Reifen senken. Es springt ja doch
> >keiner hindurch. Auch ohne Walser hat das Thema IHMO viel
> >Brisanz.
>
> Ja, nieder mit den brennenden Reifen, freien Blick auf die Problemlage.
> Da gehört Walser freilich schon dazu. Es mag nämlich sein, daß wir auch
> unter Selbstgespräch sehr verschiedene Dinge verstehen.
>
was bitte ist denn die problemlage und wer oder was verstellt sie
dir?
geben die medien die problemlage vor und wir dürfen wie die hühner
im stall nur das fressen, was man uns vorsetzt.
heutzutage scheinen ja alle probleme als herausforderung und
'competition' aufgefasst zu werden,
und dann geht´s darum wer sich profiliert und nicht wer die fragen
zu den antworten sucht, die uns in tausendfachen lettern ins hirn
gebrannt werden.
ich kann die modische form der essayistik nicht ganz
nachvollziehen, warum muss man auf alten formen ruhen, diese neu
kombinieren und sich dann für diese nicht gerade progressive manier
auch noch watschen einfangen
scheint mir wie ein abgekartetes spiel, in dem die einen auf den
anderen rumhacken, damit man gemeinsam wichtig wird und natürlich
besprochen... mir fehlt da doch die substanz, das blut
aber ich schätze mir wird eh jeder sagen, dass ich´s am helm haben,
wenn ich behaupte, dass jedes schwache buch von jünger mir mehr
gezeigt hat als die vermeintlich guten von walser. und er alte
fschistenstiefel, der zieht ja nun auch nicht mehr, seitdem die
gesmate französische linksextreme jünger als den der wichtigsten
deutschen schriftsteller der nachkriegszeit bezeichnet hat.
> Das Spannende und m.E. auch Wesentliche am "Selbstgespräch" des
> Schriftstellers ist ja doch nicht, wie er da im stillen Kämmerlein mit
> sich zu Rate geht, sondern daß er irgendwann und irgendwo - auch in der
> Paulskirche, wenn er als Schriftsteller dorthin eingeladen wird - sein
> Inneres nach außen kehrt.
ist das nicht eine kollektive befreiung gewesen, hat er nicht
vielmehr das gesagt, was schon tausendfach vorher privat gesagt und
gedacht wurde?
liegt das verdienst hier nicht eher im mut, den gemeinplatz endlich
zu personalisieren und damit den mut aufzubringen, der in
deutschland im als kopf ausm fenster hängen gebrandmarkt wird?
hat schon mal einer von euch auf ner demo in paris mitgemacht,
dagegen war gorleben und tag x ein laues kaffekränzchen...
> Dieser Prozess mag von außen immer ähnlich aussehen, er scheint aber
> sehr verschieden wahrgenommen zu werden. In Deutschland gibt es seit
> dem Geniekult um die Klassiker eine Tendenz, das Ergebnis des
> Zwiegespräches als Lehrvortrag oder als Predigt zu deuten. Diese
> Version wird meist von beiden Seiten (Autor und "seine"
> Leser_gemeinde_) gestützt.
>
ich finde um walser wird ein neuerlicher geniekult aufgebaut, aber
diesmal kein romantischer mit metaphysik des individuums, sondern
mit metaphysik des homo politicus.
> Der Witz, und hier wird es notwendigerweise zwar nicht polemisch, aber
> konkret: Gerade Geister, die sich auf die Aufklärung berufen, haben
> hierzulande dieses Verkehrsmuster am längsten aufrecht erhalten, mit
> den Nobelpreisträgern Böll und Grass als vorläufig letzten
> Repräsentanten.
böll und grass in einer reihe zu schreiben halte ich für
unangemessen, dem lebenswerk bölls gegenüber.
grass soll lieber wieder seine steine hauen...
> Das ist der Kontext, aus dem heraus unmittelbar einleuchtend erscheint,
> daß ein hervorragender Schriftsteller "Recht" hat, wenn er seine
> Meinung zu den Weltereignissen im Allgemeinen und zur Moral im
> Besonderen vorträgt. Was natürlich aus einer aufgeklärten Perspektive
> heraus ziemlicher Unfug ist, aber auch von Jüngern der Aufgeklärung
> gerne so gesehen wird, weil jeder manchmal einen Apostel braucht,
> dessen Autorität er sich borgen kann.
was verstehst du eigentlich unter aufklärung?
ist das sturm und drang oder empfindsamkeit oder die trivialisierte
form des rationalismus, oder...
>
> Dieses Paradigma ist unter dem Einfluß der Postmoderne (eine ihrer
> Errungenschaften ist die unübersehbar und provokativ zum Ausdruck
> gebrachte Multiperspektivität und Ambivalenz) zerbrochen. Das gilt zwar
> weltweit, konnte sich in Deutschland aber nur verspätet durchsetzen,
> weil hierzulande viele glauben, in Auschwitz (Adorno: nach Auschwitz
> ist es unmöglich, Gedichte zu schreiben) den Endpunkt (Singularität)
> und Fluchtpunkt der Geschichte zu erkennen, so daß eine
> Multiperspektivität nicht nur unmöglich, sondern auch unerlaubt
> erscheint.
>
die herren aus der frankfurter schule haben ja wohl entscheidend
die postmoderne mit ihrem kulturgeschehen=macht über die masse zur
divergenz und unvereinbarkeit der privatkulturen vorangetrieben und
dabei ein krudes-zurück-zur-natur vertreten, wie es
subjektiv-genieästhetischer nicht sein kann (siehe hier mal kant
mit seiner zurück zur natur-ästhetik in der K.d.U)
> Wer eine eindeutige Perspektive zu haben glaubt, tut sich sowohl bei
> seinen Selbstgesprächen als auch beim öffentlichen Vortrag von deren
> Ergebnis recht leicht - ob ihm das als Schriftsteller guttut, steht auf
> einem anderen Blatt. Grass bekam den Nobelpreis schließlich
> ausdrücklich für die Belechtrommel und nicht etwa für die Rättin.
das wäre ja auch noch schöner gewesen.
war es nicht karl krauss, der so intensiv auf die
nobel-veranstaltung geschissen hat...
> Die Lebenswirklichkeit hat alle Illusionen von der Einheitlichkeit und
> Widerspruchsfreiheit von "In-dividuum" Gesellschaft, Perspektive usw.
> in den letzten Jahrzehnten mitleidlos abgeräumt, und ein Teil der
> aufklärerischen Autoren (besonders hervorragend: Enzensberger) hat sich
> daran ganz bewußt beteiligt - und damit den verständlichen Zorn
> derjenigen hervorgerufen, die sich in der Monoperspektivität
> eingerichtet hatten. Bietet sie doch das Exoskelett, das in Zeiten, da
> einem alles ehedem Feste unter den Fingern zerinnt, wenigstens die
> Illusion zuläßt, man selbst könne sich in der gewohnten Form erhalten:
> Aufrecht, mit beiden Beinen auf der festen Erde, und standhaft.
man steht nicht auf der erde, sondern in seiner zeit
und das ist kein persönliches verdienst, wie manche das noch immer
als lametta an walser hals hängen wollen!
> Das ist doch das Thema der Selbstgespräche, mit denen wir alle uns
> plagen. Ein Teil der Schriftsteller hat sich dem gestellt - mir fehlt
> die Zeit, zu verfolgen, wie weit das auch bei weniger bekannten Namen
> der Fall ist. Aber im Feuilleton tobt vor allem der Lärm der
> Schlachten, den diejenigen entfesseln, die den Paradigmenwechsel als
> Niederlage empfinden, weil er ihre Machtpositionen erschüttert. Sie
> versuchen, ihre Position als einzig erlaubte Variante der "öffentlichen
> Sprache" zu etablieren/konservieren und wollen die "Selbstgespräche"
> der anderen, die immerhin multipel genug sind, um mit sich selbst
> uneins zu sein, ins Herzenstübchen der bedauernswerten Zerissenen
> verbannen.
hä, paradigmenwechsel, ich dacht postmoderne ohne EIN paradigma
oder gibt es auch einen
syntagmawechsel bzw. paradigmatawechsel.
wechseln sich jetzt unendlich viele in unendlich viele uund das uns
den
wassermannpostmodernen-bäumchen-wechsel-dich-so-schnell-es-geht,
sonst bist du veralttet und musst zum mentalen liften in die Zeit
oder die faz oder die woche oder die liberation oder herald
tribune....
> Tja, das ist _meine_ Perspektive, in der sich die schriftstellerische
> Problematik kaum aus ihren gesellschaftlichen Hintergründen lösen läßt.
> Das läßt aber - für mich - immerhin die Vermutung zu, daß einige
> Schriftsteller doch näher an den realen Entwicklungen dran sind, als
> man notorischen Selbstgesprächlern manchmal zubilligen möchte.
ist die gesellschaft ein sozialkörper (organicus) eine Masse
(faces) oder sind es viele einzelne (atomicus)...
wer bittschön ist d i e gesellschaft (Singularität!!!!!!!??????)
fragt sich
Jörg MorphorM
--
Joergs Linkliste:
"http://www.stud.fernuni-hagen.de/q4981391"
Briefe,Karten,Spenden und 6 Richtige an:
"mailto:wittkewitz@gmx.de"
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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 15.01.00, 12:47:36
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
moin moin,
>> "Der Roman entsteht unwillkürlich. Er kündigt sich an
>> als eine zunehmende Notwendigkeit, auf eine Erfahrung zu
>> antworten. Auf eine leidvolle Erfahrung meistens."
8w> hinter solchen formulierungen steckt imho doch nichts
8w> anderes als verachtung fuer diejenigen, die solche
8w> saetze auch noch ernst nehmen.
ist ungefähr mein kritikpunkt gewesen. was mir dabei auffällt: kommen
derartige aussagen von freizeitautoren, fällt recht schnell die
floskel "pseudo-autoren-getue". das ist ja im grunde genommen auch
nicht so ganz verkehrt. diese konstellation findet man ja öfters:
homepage, literatur, ich leide, also schreibe ich. noch ein foto mit
schwarzen klamotten und deprimiertem gesichtsausdruck daneben, und
das debakel ist perfekt.
sind wohl irgendwelche autoren-klischees, die sich da festgebissen
haben.
insofern wunderte mich diese aussage in diesem essay von walser gewaltig.
Wodile
--
Wodiles Weekly
www.wodile.de
Diese Woche: alles fertig zum abheben ;o)
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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 15.01.00, 13:10:22
Betreff: Re: [NetLit] Selbstge..die 103ste wg. Sloterdijk
Gruezi Joerg W.,,
vielen Dank fuer die Anmerkungen und Hinweise zu Herrn
Schlooterdeich.
Ich habe hie und da in dessen aeltere Texte >hineingehorcht<.
Manches gefiel mit durchaus, auch ein Interview mit ihm habe ich
gesehen, - nach seinem Gen-fEh-Tisch - Exkurs.
Womöglich hat er sich damit auf dem Deich verritten -, Nebel tritt ja
im Meer des Geistes zuzeiten ab und an mal auf. Also nicht
verwunderlich, wenner den Weg verliert. Immerhin hat er was
angestossen, dass in vielerlei Hinsicht Brisanz enthaelt - und nicht
in Vergessanheit geraten darf. Nicht nur wegen der Gentechnik.
Uebrigens lief abends vor zwei Naechten im WDR eine
ungewoehnlich lebendige, wie auch offenherzige Diskussion zu
aktuellen Themen - nicht nur um Gentechnik.
WER hat die gesehen - habe den groessten Teil aufgenommen.
War mal was Seltenes.
Zu Sloterdick again: Ich kenne ein wenig on ihm. Mit der Betonung
auf wenig, in jedem Fall Älteres. Auch ich hatte interessante, ja
vielleicht positive Ansätze in den wenigen Texten Slotis entdeckt.
Doch gehe ich meist meiner Intuition und/oder Inspiration nach ---
und habe daher seine Schriften letztlich liegen lassen. Das einzige
Buechlein von Sloterdijk liegt ungelesen bei mir herum:
Eurotaoismus - Zur Kritik der politischen Kinetik (ed. Suhrkamp).
> lies vielleicht mal die 'kritik der zynischen vernunft' von
> schlotterdeich. das ist ein buch (in zwei bänden), dass ich für die
> moderne geistesgeschichte deutschlands ausserordentlich konstruktiv...
...koennte sein (habe jedoch keine Freiraum es zu lesen), ziehe
mir dann lieber Henri Bergson rein (Zeit und Freiheit) oder (Materie
und Gedaechtnis). Die beiden stehen auf meinem >noch-nicht-
gelesen-Bord<.
> ...und zu den schloss elmau vorträgen empfehle ich dringend
> siehe dir die fernsehaufzeichnungen ausm wdr-archiv mal.
...wo?
> ich kann seine gen-ethik auf dem hintergrund seiner wirklich guten
> frühen arbeiten (siehe oben) nur schwer nachvollziehen...
Das geht auch mir groesstenteils so. Ich ahne aber irgendwie,
dass er mittlerweile -(mir unklar vorschwebenden)- Theorien vom
hoeheren Menschen aufsitzt.
Philosophen sind ja meist irgendwie ideologie-orientiert. Jedoch
laesst sich die geistige Entwicklung des Menschen mit keiner
Ideologie, Wissenschaft oder sonstigen Systemen beschleunigen -
ohne sie zu beim Verwenden solcher -logien, -ismen oder -emen
zu schaedigen.
Entwicklung und Evolution muss sich wohl natuerlich entwickeln -
andernfalls landen wir bei aehnlichen Zustaenden wie wir sie jetzt
historisch verwachsen (d.h., gewachsen) vorfinden.
Vielleicht wollte Sloterdijk den Gen-Forschern Hinweise geben.
Wie auch immer...- Philosophie als Wissenschaft oder als
ständiger Beruf - oh, oh, oh - Achtung! => in dem Fall:
Verstandesgrenzen bitte nicht verkennen. Ich meine nicht
persoenliche Verstandesgrenzen allein, vielmehr die Grenzen des
Verstandes allgemein.
Aber: genau das ist unser kollektives Problem. Da liegt der Hase
im Pfeffer. Wir denken, wir koennen mit dem Unding Verstand alles
klaeren - renn denn doch oft mit Gedanken im Kreis herum... nach
dem Motto - neuer Wein aus alten, ergewaltigten Rebstoecken in
alte Schlaeuche gefuellt.
> aber guck dir die vorträge an, vor allem den über "die
> menschenschwärze"...
...naehere Angaben, wo, wie?
-------------------------
> ansonsten...
> was soll zu walser gesagt werden? ...- ist mir zu...
> hermetisch abgeriegelt sowohl nach innen zum herz, als auch nach
> aussen zu den fremden/anderen.
aha - - naja - ich lese ihn auch nicht. mag sein.
was mich betrifft:
Da lese ich doch lieber Tom Robbins: - Panaroma;
oder so.
p.s.: zu den Ausführungen deines zweiten laengeren Briefes
moechte ich gerne noch etwas beitragen, aber das wuerde laenger
werden, und ich weiss nicht, ob dann die E-MailListigen nicht
sauer werden.
Es bedarf eh meinerseits der Vorbereitung und dauert also noch.
Bitte um Vorschlaege, wie ich das aufbereiten sollte - denn ich
moechte zwei langere Zitate anfuehren - insbesondere ueber:
1) Individuum und Individuation
2) Ethik und Moral
3) kollektives Un- & Bewusstes bezueglich Kommunikation
es gruesst
cahmehlaeOn/pcdoran
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Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 15.01.00, 13:15:30
Betreff: Re: [NetLit] selbst Gespraeche ?
Your (pcdoran@t-online.de) mail on Fri, 14 Jan 2000 21:10:38
+0100:
>Na denn, halte jetzt die Klappe.
Darum geht es nicht.
Im Gegenteil.
Komisch, dass viele im Netz es einfacher finden zu schmollen, als
zu versuchen, sich der Netiquette anzunaehern.
Du bist in einer oeffentlichen Diskussion und stellst dich nach
ganz hinten mit dem Gesicht zur wand und redest, wenn dann einer
sagt: Deutlicher bitte, sagst Du: "Da will mir einer den Mund
verbieten."
Nein, er will Dich hoeren koennen.
Viele hier haben 100-200 Mails am Tag. Manche mehr. gerade aus
Mailinglisten. Ohne etwas KOnvention geht da nix.
Comprende?
OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/
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Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 15.01.00, 13:22:51
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Michael Charlier schrieb:
>Soviel erst mal dazu. Noch nicht sehr erhellend, aber schon viel zu
>lang.
Leider richtig. Wenigstens was mich betrifft. ;-)
Deine sehr übersichtliche Schilderung des Frontenverlauf hilft mir
nämlich nicht weiter. Natürlich gibt es auf der einen Seite den von
dir angesprochenen Feuilletonkampf und auf der anderen Seite den
Zerfall der Einheitlichkeit von Individuum, Ideologie usw.
Ich kann nur zwischen diesen beiden Phänomenen keinen notwendigen
inhaltlichen Zusammenhang erkennen. Ich habe nicht den Eindruck, dass
hier Vertreter von zwei "Denkrichtungen" aufeinandertreffen, sondern
dass hier zwei Lager - die aus ganz anderen Gründen aufeinander
losgehen - sich einen Angriffs- und Verteidigungswall
zusammengeschaufelt haben aus jeweils wohlfeilen Argumenten.
Dieser philosophische Limes ist eine Chimäre, seine Funktion besteht
darin, die Eitelkeit von Leuten zu befriedigen, die samt und sonders
der Marginalisierung unterliegen. Es ist pure Nostalgie, wenn sich die
Öffentlichkeit über das Geschwafel von Sloterdijk aufregt. Wir (auch
ich) billigen ihm (und seinen Gegnern) mehr Einfluss zu, als sie von
der Sache her eigentlich haben.
Die von dir geschilderte Diskussion trägt m.E. nichts zur Lösung
relevanter Probleme bei, aber manchmal wird so getan, als würden hier
die letzten Fragen verhandelt.
Was mich ärgert ist dreierlei.
1. Dass immer wieder das Ende der Aufklärung ausgerufen wird, nur weil
einige Philosophen nicht mehr weiterwissen.
Die Krise der Philosophie besteht m.E. darin, dass sie ihren
Forschungsgegenstand an die Naturwissenschaft verloren hat. Man kann
die Geschichte der Wissenschaften auch so schreiben, dass zuerst die
Religion und dann die Philosophie aus dem Kreis ernsthafter
Beschäftigungen ausgeschieden wurde.
2. Dass Leute, die sich mit Sprache beschäftigen, so tun als habe
Sprache keine Wirkung, bzw. so tun als müssten sie sich für die
Wirkung nicht rechtfertigen.
Sprache hat Wirkung, sonst würden Vodaphone und Mannesmann zur Zeit
nicht Millionen für riesige Textanzeigen ausgeben, um mal ein weniger
blutrünstiges Beispiel zu geben.
Natürlich hat Walser das Recht vor anderen zu sprechen wie mit sich
selbst. Aber wir haben auch das Recht, eine öffentliche Rede als
öffentliche Rede wahrzunehmen oder davor zu warnen, dass eine
öffentliche Rede von anderen als öffentliche Rede wahrgenommen werden
könnte. Das ist m.E. die zentrale Kritik von Bubis an der Rede
Walsers.
3. Dass Sloterdijk der Frage der Menschenzüchtung ausweicht.
Er will diese Frage gar nicht ernsthaft diskutieren, habe ich den
Eindruck. In der Tat ist diese aber die einzig interessante Frage, die
im Zusammenhang mit seinem Elmauer Vortrag aufgetaucht ist. Der Rest
ist Philologen-Philosophie. Zu den wirklich relevanten Problemen haben
aber heutzutage Naturwissenschaftler und Umweltschützer ja sogar
Wirtschaftsverbände mehr zu sagen, als das gesamte Feuilleton
Deutschlands zusammengenommen, inkl. der verbeamteten Philosophen S+H.
---Schnitt----
So, dies ist der Schutt, den ich glaubte wegräumen zu müssen, um die
(ästhetische?) Frage diskutieren zu können, um die es mir in meiner
Frage an Claudia eigentlich ging.
Aus eigener Erfahrung kann ich, ohne Wertung, berichten, dass im
Sudelbuch sowohl die Texte mit "adressiertem" Inhalt, als auch die
Texte, die ein wenig in Richtung Selbstgespräch gehen, je ihre Leser
finden. Nach Walser müsste ich jetzt in letzteren mehr enthalten sein.
Nur möchte ich mal ketzerisch frage, warum ich denn überhaupt in
meinen Texten enthalten sein soll? Ist diese Forderung nicht eine
Reminiszenz an die Genieästhetik, an das ungeteilte, identische
Individuum, das sich in seiner Sprache ausdrückt?
Ciao!
juh
--
"Mätzchen braucht vor allem, wer weder Thema noch Stil hat."
(Michael Charlier auf die Frage: Bin ich Dichter, wenn ich alles
kleinschreibe.)
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Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 15.01.00, 13:24:22
Betreff: Re: [NetLit] selbst Gespraeche ?
Hi Oliver G.,
> >Na denn, halte jetzt die Klappe.
>
> Darum geht es nicht.
>
> Im Gegenteil.
Schmole auch nicht - wollte nur signalisierern, dass ich etwas
einsehe. Ich will und mag den Laden (NetLit) nicht nerven. Da ich
jedoch bisweilen ein Albert bin, muss ich mir sekbst manchmal
den Mund zuklappen.
> Comprende?
si companero
ciao
V
alias claeoN alias PCDORAN
=> zukuenftig: pcDoran
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Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 15.01.00, 13:26:03
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
On Sat, 15 Jan 2000 11:35:12 +0100, Joerg Wittkewitz wrote:
>Der alte
>fschistenstiefel, der zieht ja nun auch nicht mehr, seitdem die
>gesmate französische linksextreme jünger als den der wichtigsten
>deutschen schriftsteller der nachkriegszeit bezeichnet hat.
Nun ja, die "gesamte französische Linksextreme" ist auch nicht mehr da,
wo sie mal war. Aber um Jünger sehe ich eigentlich mehr "Geniekult" als
um Walser Erklärungen, die ihn zum "homo politicus" hochstilisieren.
Das gibt er nun wirklich nicht her - eher schon die Figur des Autors,
der schreibt, weil er muß.
Warum das verheerend sein soll, weiß ich nicht, ich denke unter den
Schriftstellern gibt es solche und solche, und das ist doch auch gut
so. eine Zeitlang zumindest galt es unter Künstlern als
Selbstverständlich, daß sie Kunst "machten" nicht weil sie etwas
wollten oder konnten, sondern weil "es" sie trieb. Wenn die aktuelle
Mode anders geschnitten sein sollte, kann Werner das ja mal für die
armen Tröpfe mit der Rocklänge vom letzten Jahr leichtverständlich
auseinandernehmen.
> war es nicht karl krauss, der so intensiv auf die
> nobel-veranstaltung geschissen hat...
Den Drang (schon wieder!) dazu verspürten wohl viele, die nie nach
Stockholm eingeladen wurden. Keine Ahnung, wie das bei KK war - aber
ich bin sicher, er hätte es anders ausgedrückt.
Schönen Gruß
Michael Charlier
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Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 16.01.00, 11:51:45
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Hi Juh, hi Listige,
ich hab mir einen offline-Tag gegönnt und jetzt wühl ich mich durch die
vielen Mails. Ist ja echt was los hier!!!
Als Beitrag zu "Selbstgespräch" etwas spät, aber doch noch:
Juh schrieb:
>Selbstgespräch und öffentliche Sprache zur Deckung bringen!
>Ist das Internet der Ort, wo das gelingt?
>Was passiert, wenn die beiden Sprachen zur Deckung gelangen?
>Claudia meint, theoretisch ließe sich darüber nicht sprechen.
>Ich fürchte, sie hat Recht, so dass unsere Diskussion dann
>doch im Nichts versandet...
>Oder?
Ich habe nicht gemeint, man könne nicht darüber sprechen - nur dass ich im
konkreten Diary-Fall das lieber irgendwie praktisch testen wolle.
Anders ist es mit den üblichen Ebenen der Äußerung. Und der Grund, warum ich
mich manchmal über dich aufrege, (d.h. nicht über DICH, sondern über deine
Sudelbuchtexte), ist, dass ich gar keine Unzufriedenheit bei dir spüre. Du
schreibst diese Sudelbuchtexte genauso, wie sie in einem Printmedium stehen
könnten: ein Autor, der sich selbst als Person ganz draussen läßt und von
irgendwelchen abstrakten Kritierien her die Ereignisse bewertet. Du scheinst
die übliche Rolle des Texte-verfassenden Intellektuellen einfach so
fortschreiben zu wollen, obwohl doch allgemein das vorgeht, was Michael so
schön als den ZERFALL dieser Öffentlichkeit ausführt.
Du schreibst:
>Es geht mir nicht um Tabus an sich. Was Sloterdijk angeht, so
>kritisiere ich, dass hier ein angeblicher Philosoph Dinge >anstößt (die
Genmanipulation), deren Folgen er nicht ausbaden >muss.
Weiter unten dann:
>Unser System der öffentlichen Meinung ist letztendlich das >einzige
präventive Mittel, um den Ausbruch der Barbarei zu >verhindern. Nur die
öffentliche Meinung hindert einen >Jugendlichen ja, Neonazi zu werden und
Ausländer zu ermorden
Eine harte Sicht, die ich nicht teile. Es gibt noch andere Gründe, die die
meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
Zeitung steht und im TV tönt.
Aber nehmen wir an, du hast recht: umso MEHR müsste darüber nachgedacht
werden, was denn an die Stelle der öffentlichen Meinung treten könnte, wenn
deren Macht nicht mehr ausreicht, um das Verhalten zu zivilisieren???
Genau DIESE Frage hat Sloterdijk gestellt. Und DESHALB ist er für mich ohne
Anführungszeichen ein Philosoph, nicht wegen seiner kenntnisreichen und
phasenweise wunderbar literarisch gehaltenen Texte. Über ihn herzufallen,
ist eine unangemessene Reaktion, die vor allem die FRAGE, die er stellt,
negiert.
Wenn Wegsehen von der Realität das Geschäft derjenigen wird, die - angeblich
im Dienste der Aufklärung - vor allem ihre Diskurshoheit verteidigen, halte
ich es nicht mit ihnen.
>Und da öffentliche Meinung gemacht wird, lohnt es sich darum >zu streiten.
Es lohnt sich nicht nur, um die Diskurshoheit zu >streiten, sondern auch
darüber, wie man diese erlangt und was >man mit ihr machen will.
Es scheren sich immer weniger Leute um die öffentliche Meinung, kannst du
das wirklich übersehen? Und es gibt sie auch nicht mehr, denn es gibt zu
viele Medien, zu viele Zeitungen, zu viele Magazine, zu viele Sender - und
derzeit sinkt der Konsum all dieser Medien zugunsten des Surfens....(wobei
neulich eine Umfrage ergab, dass die Hälfte der Surfer noch nie ein
"redaktionelles" Medium im Web aufgesucht haben...).
Was wird also aus der Diskurshoheit? Die Exoskelette (wunderbare Einführung
Michaels!) zerbröckeln, was tun?
Es gibt viele kleine Öffentlichkeiten, in denen ich hier und da -
fluktuierend entlang an Interessen und Freunschaften - gleichzeitig Mitglied
bin. Durch eigene Projekte generiere ich "eigene" Kleinöffentlichkeiten.
In all diesen Ebenen werde ich für die anderen sichtbar, in meiner
Widersprüchlichkeit, da sich eine "adressierte Rede" im lebendigen Netz
nicht aufrecht erhalten läßt, selbst wenn man punktuell versucht, derart zu
reden.
Mal angenommen, ich fasse an irgendeinem Punkt eine Meinung: Man sollte
jetzt, dies oder jenes......was zugegeben selten vorkommt. und vertrete das
in "meinen" Kleinöffentlichkeiten.
Dann hab' ich erfahrungsgemäß gute Chancen im Kampf um die Diskurshoheit und
kann u.U, andere auch zum Handeln inspirieren. Jedenfalls hab' ich bessere
Karten als V., der anonym bleiben will - und gute Karten auch verglichen zu
allen, die lediglich allgemein-politisch agieren und keinerlei
"Verschwimmen" zwischen öffentlicher und persönlicher Rede zulassen, bzw.
versuchen.
Und es gibt unzählige wie mich in unzähligen Kleinöffentlichkeiten, bzw. all
dies wird mit zunehmender Medienkompetenz wachsen.
Wenn dann etwas geschieht - mag sein, dass noch immer die ZEIT und die FAZ
darüber schreiben, als hätten sie das Sagen - wird es das Ergebnis des
kommunikativen Handelns dieser Kleinöffentlichkeiten sein. Man kann nicht
wissen, was im einzelnen herauskommt, welche Teilnehmer sich wo eine kleine
Diskurshoheit erringen, wie diese sich weitertransportiert und wie viele
konkurrierende Meinungen nebeneinander laufen, bis auf einmal EINE zur
Mehrheitsangelegenheit wird und sich durchsetzt.
Was warum zum "Attraktor" wird, läßt sich nicht voraussehen und nicht
inszenieren, so sieht es auch die Chaos-Forschung, zum Ärger aller
Macht-Akkumulatoren dieser Welt.
Dass das keineswegs weltfern ist, sieht man übrigens an der Börse: das ganze
Hirnschmalz aller arrivierten Meinungsmacher ist oft binnen 1 - 3 Tage
obsolet durch die Aktionen der Vielen. Solange die Aktienanlage noch ein
Bereich für Spezialisten und Professionelle war, haben die Voraussagen
halbwegs hingehauen - doch seit die "Massen" eingestiegen sind, sozusagen
von der Wohnzimmercouch, sind alle völlig perplex über das, was abgeht....
Besten Gruss und einen schönen Sonntag
Claudia
da fällt mir ein Gedicht ein von Georg Treichel (ohne es auf obiges beziehen
zu wollen!), der sich mit dem Chaos auch nicht anfreunden konnte:
Fortschritte in der Chaosforschung
Bloß keine Umstände, sagen
Sie einfach Ich zu mir
oder lassen Sie mich ganz weg.
Schließlich weiß hier keiner so
genau, wo der Nächste beginnt.
Zerstreuen Sie sich, aber
bleiben Sie liegen. Schließen
Sie die Augen und hören Sie weg.
Sie müssen fühlen, was sie
fühlen, wenn Sie nichts fühlen.
Oder gehören Sie etwa auch zu den
Leuten, die bei jedem Schuß
bluten?
Pflanzliche Fette, rate ich
Ihnen, und tierische Intelligenz.
Doch alles mit Maßen und
immer den Kopf schief.
Der Rest ist ganz leicht.
--------------------------------------------------------------------------------
Von: listen@charlier.de (Michael Charlier)
Datum: 16.01.00, 12:05:24
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
On Sun, 16 Jan 2000 11:51:45 +0100, klinger wrote:
>Es gibt noch andere Gründe, die die
>meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
>Zeitung steht und im TV tönt.
Mit guten gründen wird im Gegenteil vermutet, daß labile Charaktere
durch Blutorgien im Fernsehen durchaus zum Nachprobieren angeregt
werden. Auch Sensationsberichte über Krawall vorm Asylbewerber-Wohnheim
oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.
Was aber die Wirksamkeit von allzu heftigen pädagogischen Bemühungen
(sei es durch ängstlich Eltern, autoritäre Lehrer oder noch
autoritärere Journalisten) angeht, so weiß ich noch ziemlich genau: Die
Söhne und Töchter der Pastoren trafen sich bei uns in Frankfurt im SDS.
Und als wir einmal der Familie eines alten Kommunisten nachspürten -
schließlich wollte man ja doch mal sehen, ob die wirklich keinen
Bocksfuß haben - da trafen wir den Sohn im Priesterseminar.
> Über [Sloterdijk] herzufallen, ist eine unangemessene
> Reaktion, die vor allem die FRAGE, die er stellt, negiert.
Aber eine sehr verständliche, wenn man Deine Voraussetzung bedenkt, daß
Sloterdijk den Bankrott der öffentlichen Meinung prognostiziert, auf
deren Bewirtschaftung die gesellschaftliche Macht und ökonomische
Position von Verlagshäusern beruht.
Schönen Gruß
Michael Charlier
--------------------------------------------------------------------------------
Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 14:12:25
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Hi Claudia,
>Du scheinst die übliche Rolle des Texte-verfassenden Intellektuellen
>einfach so fortschreiben zu wollen, obwohl doch allgemein das
>vorgeht, was Michael so schön als den ZERFALL dieser Öffentlichkeit
>ausführt.
Wenn euch das Wort Zerfall so gut gefällt, meinetwegen. Deine
Beschreibung von Kleinöffentlichkeiten zeigt aber, dass es noch
Öffentlichkeiten gibt. Meinetwegen mehrere. Und deine Beschreibung der
Kleinöffentlichkeiten zeigt auch, dass die kleinen Öffentlichkeiten
heute noch genau so funktionieren, wie die angeblich früher mal
existierende eine Öffentlichkeit.
>>Unser System der öffentlichen Meinung ist letztendlich das >einzige
>präventive Mittel, um den Ausbruch der Barbarei zu >verhindern. Nur die
>öffentliche Meinung hindert einen >Jugendlichen ja, Neonazi zu werden und
>Ausländer zu ermorden
>
>Eine harte Sicht, die ich nicht teile. Es gibt noch andere Gründe, die die
>meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
>Zeitung steht und im TV tönt.
Du und Michael, der auf meine These ähnlich geantwortet hat, ihr beide
habt eine verkürzte Sicht auf die Öffentlichkeit. Öffentlichkeit oder
öffentliche Meinung ist nicht nur die VER-öffentlichte Meinung,
sondern geht, in meiner Sicht wenigstens, weiter. Sollen wir
"gesellschaftliches Klima" sagen, damit es keine Missverständnisse
gibt? Andere nennen es wiederum "Über-ich". Alles Worte für die
Tatsache, dass Informationen, Werte, Traditionen der Gesamtheit
Einfluss auf das Handeln einzelner haben. Ob diese gesellschaftlichen
Faktoren nun monolithisch sind oder pluralistisch oder atomistisch
ändert nichts an ihrer generellen Wirksamkeit. Außerdem ist das ganze
insgesamt ein dynamisches System, es verändert sich. Und wodurch
verändert es sich? Durch die Teilnehmer an diesem System. Also auch
durch uns.
Es gab immer schon widersprüchliche öffentliche Meinungen. Das ist der
Kampf der Meinungen. Heute ist das Feld vielleicht unübersichtlicher,
aber das ist doch kein Grund, darauf zu verzichten, Einfluss auf diese
Meinungen zu nehmen? Über die Mittel können wir gerne streiten.
>Aber nehmen wir an, du hast recht: umso MEHR müsste darüber nachgedacht
>werden, was denn an die Stelle der öffentlichen Meinung treten könnte, wenn
>deren Macht nicht mehr ausreicht, um das Verhalten zu zivilisieren???
>
>Genau DIESE Frage hat Sloterdijk gestellt.
Wann? Wo?
Du meinst doch nicht im Ernst seine Genvisionen damit, oder???
>Es scheren sich immer weniger Leute um die öffentliche Meinung, kannst du
>das wirklich übersehen?
Erstens bezweifel ich das. Zweitens ist die Sachlage immer schon
komplexer. Was, wenn es gesellschaftliches Klima wäre, sich nicht um
die ver-öffentlichte Meinung zu scheren. Das ist doch auch eine Art
von öffentlicher Meinung. Zu Fragen ist doch nur, wie bringe ich in
dieser Situation meine Botschaften rüber.
(Jaja, ich weiß, Botschaften haben ist out. Ist das deine
Botschaft? ;-)
Die Welt wimmelt von Botschaften. Diskurshoheit bedeutet, deine
Botschaft hat die Mehrheit. Die Wege variieren, das Ziel ist immer
gleich. Es gibt auch Botschaften außerhalb redaktioneller Medien.
>Es gibt viele kleine Öffentlichkeiten, in denen ich hier und da -
>fluktuierend entlang an Interessen und Freunschaften - gleichzeitig Mitglied
>bin. Durch eigene Projekte generiere ich "eigene" Kleinöffentlichkeiten.
>
>In all diesen Ebenen werde ich für die anderen sichtbar, in meiner
>Widersprüchlichkeit, da sich eine "adressierte Rede" im lebendigen Netz
>nicht aufrecht erhalten läßt, selbst wenn man punktuell versucht, derart zu
>reden.
Ich vermute, dass wir unter adressierter Rede etwas verschiedenes
verstehen. Seit Jahren halten sich adressierte Reden im Netz.
>Dann hab' ich erfahrungsgemäß gute Chancen im Kampf um die Diskurshoheit und
>kann u.U, andere auch zum Handeln inspirieren. Jedenfalls hab' ich bessere
>Karten als V., der anonym bleiben will - und gute Karten auch verglichen zu
>allen, die lediglich allgemein-politisch agieren und keinerlei
>"Verschwimmen" zwischen öffentlicher und persönlicher Rede zulassen, bzw.
>versuchen.
Du verallgemeinerst deine Strategie. Da du selbst die
Nicht-vorhersagbarkeit propagierst, kannst du nur Aussagen treffen
über aktuelle Kommunikationserfolge.
>Wenn dann etwas geschieht - mag sein, dass noch immer die ZEIT und die FAZ
>darüber schreiben, als hätten sie das Sagen - wird es das Ergebnis des
>kommunikativen Handelns dieser Kleinöffentlichkeiten sein.
Genauso sehe ich das auch. Und deshalb lohnt sich das Schreiben.
Ciao!
juh
--
Über Nüsse, Jogurt und Schalentiere
http://www.sudelbuch.de/1999/19991117.html
--------------------------------------------------------------------------------
Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 14:12:35
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Hallo Claudia,
ich muss meine Erwiderung auf deine Mail in zwei Teile spalten.
Hier geht's um deine Bemerkungen zum Sudelbuch.
klinger schrieb:
>Und der Grund, warum ich mich manchmal über dich aufrege, (d.h.
>nicht über DICH, sondern über deine Sudelbuchtexte), ist, dass ich
>gar keine Unzufriedenheit bei dir spüre. Du schreibst diese
>Sudelbuchtexte genauso, wie sie in einem Printmedium stehen könnten:
Ja, aber sie stehen nun mal nicht in einem Printmedium. Und das hat
Auswirkungen auf die Rezeption. Nicht nur in netztechnischer
Hinsicht. Sie stehen eben nicht in der ZEIT und nicht im Solinger
Tageblatt. Hinter dem Sudelbuch steht nicht die Autorität einer großen
oder kleinen Zeitung.
>ein Autor, der sich selbst als Person ganz draussen läßt und von
>irgendwelchen abstrakten Kritierien her die Ereignisse bewertet. Du
>scheinst die übliche Rolle des Texte-verfassenden Intellektuellen
>einfach so fortschreiben zu wollen, obwohl doch allgemein das
>vorgeht, was Michael so schön als den ZERFALL dieser Öffentlichkeit
>ausführt.
Ich will jetzt gar nicht Erbsen zählen und auf Sudeleien hinweisen,
die nicht nur "abstrakten Kriterien" frönen. Nehmen wir die Texte, auf
die du dich zu beziehen scheinst.
Welche Unzufriedenheit vermisst du da? Ich schreibe zwar nicht, weil
ich leide, aber ich sudle oft, weil ich mich ärgere.
Dass ich in den Texten, die du ansprichst, meine Person außen vor
lasse, ist Absicht. Ich will vor den Lesern nicht meinen Seelenzustand
zergliedern, sondern ich will sie unterhalten und zwar so intelligent
wie es mir möglich ist. Andererseits ist meine Person natürlich nicht
außen vor, denn schließlich bin ich es, der den Text schreibt. Und
erst wenn ich halbwegs zufrieden bin, geht er raus.
Das Sudelbuch ist kein Tagebuch. Es ist nicht von vorneherein ein Ort
für Selbstgespräche wie dein Webdiary. Aber Selbstgespräche sind auch
nicht ausgeschlossen.
--
Das Realismuskonzept in Krzysztof Kieslowskis DEKALOG
http://www.koeln.netsurf.de/~janulrich.hasecke/Dekalog/welcome.html
--------------------------------------------------------------------------------
Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 14:12:41
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Michael Charlier schrieb:
>On Sun, 16 Jan 2000 11:51:45 +0100, klinger wrote:
>
>>Es gibt noch andere Gründe, die die
>>meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!), als das, was in der
>>Zeitung steht und im TV tönt.
>
>Mit guten gründen wird im Gegenteil vermutet, daß labile Charaktere
>durch Blutorgien im Fernsehen durchaus zum Nachprobieren angeregt
>werden. Auch Sensationsberichte über Krawall vorm Asylbewerber-Wohnheim
>oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.
Claudia hat Recht. Der Mensch ist von Natur aus kein Killer, sondern
eher gut. Brutalität wird ihm, wie du Michael richtig sagst, durch
Beispiele in der Realität oder in den Medien anerzogen.
Damit ist meine These aber eher bestätigt worden.
Die Botschaft von "Blutorgien im Fernsehen" ist, dass es o.k. ist,
Leute zu zerstückeln. Damit entsteht ein öffentliches Klima
(öffentliche Meinung), das erlaubt, zuzutreten. Die Botschaft der
"Blutorgien" ist manchmal stärker als die Verurteilung solcher
Blutorgien im Kommentar der Tagesschau und der natürlichen
Tötungshemmung des Menschen.
Das läuft im Prinzip so ab wie die Werbeschlacht zwischen Vodaphone
und Mannesmann, nur dass diese beiden mit den gleichen Waffen
kämpfen. Die Blutorgien nutzen durch ihre Inszenierung effektivere
Mittel als der Kommentator vor dem Auto-Cue.
Hinzu kommt, dass die Adressaten der Botschaft, also die, die
dressiert werden sollen - hier die Aktionäre von Mannesmann, dort
Kinder, Jugendliche, Erwachsene - auch noch angeborene Charaktere
haben, die unterschiedlich auf die Botschaften reagieren. Deshalb
werden einige Mannesmann-Aktionäre so, andere anders reagieren.
Deshalb werden auch nicht alle Kinder zu jugendlichen Schläger.
Es lohnt sich also, über die Mittel nachzudenken, wenn man den Kampf
aufnehmen will. Ihn nicht aufnehmen zu wollen, weil eh alles relativ
ist, heißt, ihn schon verloren zu haben.
Ciao!
juh
--
juh's Sudelbuch
Best of 1999: Was gefiel, was missfiel den Lesern 1999?
http://www.sudelbuch.de/best1999/index.html
--------------------------------------------------------------------------------
Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 16.01.00, 16:32:58
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
moin moin,
JUH> Das Sudelbuch ist kein Tagebuch. Es ist nicht von vorneherein ein Ort
JUH> für Selbstgespräche wie dein Webdiary. Aber Selbstgespräche sind auch
JUH> nicht ausgeschlossen.
ich denke, claudias webdiary, dein sudelbuch und meine weekly-texte
sind ja gewissermaßen verwandte, die nur eben in unterschiedliche
richtungen tendieren.
bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch, im sudelbuch wird
ein essay aus dem alltag und bei mir eben fiktion.
ist doch interessant, wie unterschiedlich man den alltag verwursteln
kann ...
Wodile
--
Wodiles Weekly
www.wodile.de
Diese Woche: alles fertig zum abheben ;o)
--------------------------------------------------------------------------------
Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 16.01.00, 17:14:32
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Your (klinger
2000 11:51:45 +0100:
>Du
>schreibst diese Sudelbuchtexte genauso, wie sie in einem Printmedium stehen
>könnten: ein Autor, der sich selbst als Person ganz draussen läßt und von
>irgendwelchen abstrakten Kritierien her die Ereignisse bewertet. Du scheinst
Hm,
es war schjon witzig: BVor der wahl war die CDU das Reich des
Boesen und dei SPD die erloesung; bald nach der Wahl musste dei
SPD die Rolle des enntaeuschers uebernehmen ohne dass man das
'auf den Tisch' gelegt haette. Ich fand das witzig & traurig.
Papier & Geduld...
OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/
--------------------------------------------------------------------------------
Von: pcdoran@t-online.de ()
Datum: 16.01.00, 17:27:00
Betreff: [NetLit] zu: Selbst, Gespraeche und Sprache
Hi Listige,
hier 2 Surftipps, -- wer es noch nicht kennt.
Aktuell zu Dichtung und Sprache
Sloterdijk
Elementarteilchen etc.pp.
1)
www.jungeforschung.de/hyperfiction/index
von dort u.a zu: lienus
oder gleich zu einem Text daselbst
2)
www.weltkreis.com/mauthner/tex/stein1.html
Viel Freude beim surfen und lesen etc.
V.olker
--------------------------------------------------------------------------------
Von: gb@botek.at (Guenther Botek)
Datum: 16.01.00, 18:23:07
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Hi Listige,
Wodile schrieb:
>ich denke, claudias webdiary, [juhs] sudelbuch und meine weekly-texte
>sind ja gewissermaßen verwandte, die nur eben in unterschiedliche
>richtungen tendieren.
>
>bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch, im sudelbuch wird
>ein essay aus dem alltag und bei mir eben fiktion.
>
>ist doch interessant, wie unterschiedlich man den alltag verwursteln
>kann ...
... ja - ich sehe das auch so, weil ich euch drei meistens parallel lese und
auf meine Art wahrnehme -, aber wohin wird das letztendlich fuehren?
Hat bald _jeder_ sein *Daily/Weekly* oder gleich eine *LIVE-Webcam*
mit Microfon am Kopf (und diktiert gleichzeitig sind Gedanken mit)?
Meine (zugegeben trivialpsychologischen - bitte um Nachsicht, Werner ;)
Alltags-Thesen sind (arg gekuerzt):
* Schreiben/Lesen (im RL/VL) ist Selbst-Therapie.
* Kommunizieren (im RL/VL) ist auch Selbst-Therapie.
* Miss-/Unverstaendnisse haben weiter nichts zu bedeuten, ausser die
banale Botschaft: "Ich bin/komm leider noch nicht ganz klar mit mir".
* Kritik an anderen/m richtet sich meist an sich selbst (ausser bei Oliver,
dem gehts meistens um die Einhaltung der Therapiezentrumsregeln ;)
... und ein paar extra-Thesen fuer juh ;)
* politische (Selbst-)Gespraeche nimmt (fast) keiner mehr ernst (solange
wir in einer Demokratie leben - die wir staendig verteidigen muessen, klar)
* Politiker sind immer arme, wenn auch manchmal intelligente, Schweine.
* Journalisten und andere Medienleute sind auch meistens arm und auch
manchmal intelligent.
* Schriftsteller und Philosophen sind immer sehr arm, aber dafuer
meistens auch sehr intelligent.
* die uebrigen Menschen sind meistens recht nett, soweit sie mit sich
selbst klar kommen.
* Gluecksschweine (egal ob intelligent oder nicht) sind sehr selten.
:)
Ciao
Guenther
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Von: wodile@gmx.de (Wolff 'wodile' Lehmann)
Datum: 16.01.00, 18:42:47
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
moin moin,
GB> * Schreiben/Lesen (im RL/VL) ist Selbst-Therapie.
das habe ich nie bestritten LOL.
ich mache mir meine mädels eben auf dem literatur-umweg selbst, wenn
sich ringsherum schon nix passendes findet.
;o)
Wodile
--
Wodiles Weekly
www.wodile.de
Diese Woche: alles fertig zum abheben ;o)
--------------------------------------------------------------------------------
Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 18:49:54
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Oliver Gassner schrieb:
>es war schjon witzig: BVor der wahl war die CDU das Reich des
>Boesen und dei SPD die erloesung; bald nach der Wahl musste dei
>SPD die Rolle des enntaeuschers uebernehmen ohne dass man das
>'auf den Tisch' gelegt haette. Ich fand das witzig & traurig.
>Papier & Geduld...
Ups! Die SPD als Erlöser? Habe ich sowas geschrieben? Und dann auch
noch ohne ;-) ? Man kann seine Worte eben nicht sorgfältig genug
wählen! Es hätte dich stutzig machen müssen, wenn ein Atheist von
Erlösung faselt. ;-)
Das mit dem Reich des Bösen ist aber mittlerweile wohl keine
satirische Übertreibung mehr. Hat jemand die Anzahl der Millionen
mitprotokolliert?
Ciao!
juh
--
Es lebe die 43 Stundenwoche!
http://www.sudelbuch.de/1999/19991122.html
--------------------------------------------------------------------------------
Von: juh@pironet.de (Jan Ulrich Hasecke)
Datum: 16.01.00, 18:50:01
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Wolff 'wodile' Lehmann schrieb:
>bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch, im sudelbuch wird
>ein essay aus dem alltag und bei mir eben fiktion.
>
>ist doch interessant, wie unterschiedlich man den alltag verwursteln
>kann ...
Ja. Wobei Claudia aber m.E. kritisiert, dass im Sudelbuch eben nicht
der Alltag der Ausgangspunkt sei. Was ja auch teilweise stimmt.
Ciao!
juh
--
Es lebe die 43 Stundenwoche!
http://www.sudelbuch.de/1999/19991122.html
--------------------------------------------------------------------------------
Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 16.01.00, 18:50:41
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Oliver Gassner wrote:
> es war schjon witzig: BVor der wahl war die CDU das Reich des
> Boesen und dei SPD die erloesung; bald nach der Wahl musste dei
> SPD die Rolle des enntaeuschers uebernehmen ohne dass man das
> 'auf den Tisch' gelegt haette. Ich fand das witzig & traurig.
> Papier & Geduld...
in der psychologie bezeichnet man solche persoenlichkeiten
als counterdependet.
uebrigens: mir hat man immer schon dieses epitheton ornans
verpasst, wobei das ein kollege einmal noch
drastischer ausrueckte: ich zoege meiner
wissenschaft den boden unter den fuessen weg.
das fand durchaus passend
8-}) ws
--------------------------------------------------------------------------------
Von: carpe.com@gmx.de (Oliver Gassner)
Datum: 16.01.00, 19:12:14
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Your (Jan Ulrich Hasecke
2000 18:49:54 +0100 (CET):
>Ups! Die SPD als Erlöser? Habe ich sowas geschrieben?
Wenn Kohl & Dingsbums das Reich des Boesen waren... ;)
>Und dann auch
>noch ohne ;-) ? Man kann seine Worte eben nicht sorgfältig genug
>wählen! Es hätte dich stutzig machen müssen, wenn ein Atheist von
>Erlösung faselt. ;-)
;))
>Das mit dem Reich des Bösen ist aber mittlerweile wohl keine
>satirische Übertreibung mehr. Hat jemand die Anzahl der Millionen
>mitprotokolliert?
Ich schreibe erst am ende "Protokohl".
OG
--
Kirk: Schließlich sind wir alle nur Menschen
Spock: Ich sehe keinen Grund beleidigend zu werden.
Rezensionen --> http://www.carpe.com/buch/
Literatur am Draht --> http://www.carpe.com/lit/
--------------------------------------------------------------------------------
Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 16.01.00, 19:21:22
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
"8-}) ws" wrote faelschlicherweise:
n
v
> als counterdepende t.
sorry :-E)
8-}) ws
war das jetzt auch ein selbstgespraech ;-)
--------------------------------------------------------------------------------
Von: DerPoet@faktuell.de (Der Poet)
Datum: 16.01.00, 21:48:20
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
> -----Ursprüngliche Nachricht-----von Michael Charlier
> Gesendet am: Sonntag, 16. Januar 2000 12:05
> On Sun, 16 Jan 2000 11:51:45 +0100, klinger wrote:
>
> >Es gibt noch andere Gründe, die die
> >meisten Menschen am morden hindern (oder dazu bewegen!),
> als das, was in der
> >Zeitung steht und im TV tönt.
>
> Mit guten gründen wird im Gegenteil vermutet, daß labile Charaktere
> durch Blutorgien im Fernsehen durchaus zum Nachprobieren angeregt
> werden. Auch Sensationsberichte über Krawall vorm
> Asylbewerber-Wohnheim
> oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.
Hmm. Halte ich von seeeeehr weit hergeholt.
Aber das hat H.G. Rodek so treffend beschrieben, dass selbst
ich das das nicht toppen kann ;-))
http://www.FAKTuell.de/Medien/rodek.shtml
> ziemlich genau: Die
> Söhne und Töchter der Pastoren trafen sich bei uns in
> Frankfurt im SDS.
Oh - wann war das? Warst Du auch im Bull-Eye ???
Ciao
Chris
--------------------------------------------------------------------------------
Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 16.01.00, 22:49:02
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Hi Wodile.
du schriebst:
>bei claudia kommen die gedanken ungefiltert durch,
Ist nicht dein Ernst!
Sonst würde ich nämlich auch schreiben: der Mann um die 30, der heute morgen
mit ängstlichem Gesicht über den Hof geschlichen ist, hatte eine grüne Jacke
an, die mich exakt an das Grün erinnerte, das ich neulich in Fotoshop
gesucht und nicht hinbekommen habe.....
Gruß von Claudia, die niemals "ungefiltert" schreibt. (Außer in so
symphatischen Kreisen wie diesen hier, wo ich auch manchmal spontan ruppig
werde - und es danach bedauere - und alles per Text....)
--------------------------------------------------------------------------------
Von: klinger@teleteaching.de (klinger)
Datum: 17.01.00, 00:13:08
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Hallo Juh, hi Listige,
Du schriebst:
>Es gab immer schon widersprüchliche öffentliche Meinungen. Das
>ist der Kampf der Meinungen. Heute ist das Feld vielleicht
>unübersichtlicher, aber das ist doch kein Grund, darauf zu
>verzichten, Einfluss auf diese Meinungen zu nehmen?
>Über die Mittel können wir gerne streiten.
und:
>Zu Fragen ist doch nur, wie bringe
>ich in dieser Situation meine Botschaften rüber.
>(Jaja, ich weiß, Botschaften haben ist out. Ist das deine
>Botschaft? ;-).
Ich weiß nicht, ob das out ist, weiß aber, dass ich nur selten ein konkrete
Botschaft habe. Dazu fand ich Walsers Ausführungen übrigens auch gut: ich
kann nur das befürworten, wofür ich einen konkreten Weg sehe, an dem ich
auch mitwirken würde.
Doch der Ansatz mit der Botschaft bringt weiter:
Die THEMEN, die im medial vermittelten Politikbereich verhandelt werden,
sind doch in der Regel so geartet, dass ein Zeitung-lesendes Individuum
daran nicht viel ändern kann. Das kondensiert im alten Spruch: Die da oben
machen doch, was sie wollen....(und erzähl mir nicht, man brauche bloss in
eine Partei zu gehen und.... das hab ich schon hinter mir).
Seit dem Aufstieg der Medien-Mächte können öffentliche Funktionsträger nicht
mehr ganz machen, was sie wollen. Das Mediensystem bewirkt eine
Rückkoppelung an die "öffentliche Meinung" - wobei jedoch das Problem
besteht, dass es diese öffentliche Meinung auch generiert. Es ist zu großem
Teil selbstreferentiell.
In meiner politischen Erfahrung (Berlin Anfang der 80ger, Hausbesetzungen,
Sanierungsproblematik) hat mich sehr bald folgendes Phänomen vom Aktiv-Sein
abgestossen: Zunächst machten wir Aktionen für uns, die Aktionen hatten
ihren Sinn in sich selbst. Dass auch über sie berichtet wurde, war
nachrangig.
Doch bald schon wurden Aktionen nur noch MIT & FÜR Medien geplant, in Zeiten
gelegt, wo nichts anderes Wichtiges passierte, bzw. auch mal am Terminplan
wichtiger Medienvertreter ausgerichtet. Und schließlich gab es nur noch
"fantasievolle" Aktionen, die INHALTLICH in die aktuelle Mediensituation gut
passten, begleitet von einer guten PR-Maschinerie.
Du kannst richtig sagen: Damit hast du das politische Geschäft gelernt.
Aber dazu hab' ich eben keine Lust, wenn ich mal eine BOTSCHAFT habe! Denn
bis diese Botschaft mittels dieses Geschäfts verdaut und zu irgend einer
Wirkung gekommen ist, bin ich alt und grau. Und die Sache ist mir lange
nicht mehr wichtig. Zudem muss eine Botschaft schon sehr
abstrahiert/verallgemeinerbar sein, bevor sie massenfähig wird..
Die Wechselwirkung zwischen Politik, Medien und "öffentlicher Meinung"
bedient in der herrschenden Form also nicht meine Bedürfnisse. Hinzu kommt
das schnelle Wechseln der Themen, schließlich geht es den Medien nicht um
die Sache, sondern um die Quote.
Ich habe daher allen Grund, die öffentliche Meinungslandschaft zu
kritisieren - und ich frage mich auch immer wieder, wie weit da "Realität"
abgebildet wird. Es gibt z.B. ganz verschiedene Meinungen, wie hoch der
Entrüstungsgrad angesichts der aktuellen CDU-Skandale wirklich ist - es ist
unmöglich, das festzustellen (trotz Umfragen, die Leute sind ja nicht naiv).
Schließlich bilden wir unsere Meinung, was die Leute denken, über Medien -
und mit den paar Hanseln, die jeder so im Alltag spricht, ist DAS etwa
realistischer?
Ich kenne zum Beispiel niemand, bei dem ich angesichts der schwarzen Kassen
der CDU ECHTE ENTRÜSTUNG wahrgenommen hätte. Wär ja auch ein Wunder, denn es
sind mehrheitlich Selbständige, die je einzeln ihren Kampf gegen das
Finanzamt führen.
>Die Welt wimmelt von Botschaften. Diskurshoheit bedeutet,
>deine Botschaft hat die Mehrheit. Die Wege variieren, das Ziel
>ist immer gleich. Es gibt auch Botschaften außerhalb
>redaktioneller Medien.
Ja, und ich hoffe, dass diese immer relevanter werden. Und dass viele Leute
lernen, weit unterhalb "grosser Politik" mit ihren abstrahierten Themen ihre
Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen, das Netz gibt da wirklich
jede Menge neuer Möglichkeiten (Etoy = gutes Beispiel, wenn ich auch meine,
die Aktiven übertreiben's wieder mal...) - traditionelle Medien müssen da
nicht ausgeschlossen sein.
Dann ist es nämlich garnicht nötig, eine "Mehrheit" zu haben oder eine
Diskurshoheit. Man braucht dann nicht bis zu einer Gesetzesänderung gehen,
es gibt ja eh schon zu viele. (wenn allerdings Gerichte in neuen Themen mal
so und mal so entscheiden, muss es sein).
Soweit zum "Botschaft durchsetzen".
Nun noch zu Sloterdijk:
>>Genau DIESE Frage hat Sloterdijk gestellt.
>Wann? Wo?
>Du meinst doch nicht im Ernst seine Genvisionen damit, oder???
So, wie mir die gesamte Diskussion in den Medien vermittelt wurde, schien
mir der Knackpunkt des "Skandals" die Frage nach der Menschenzüchtung und
WER darüber nachdenken darf. Wie immer gewunden sich S. da rumgedrückt
hat....
Wenn ich aber mal in einem anderen Kontext in diese Frage reinlese, nämlich
bei der Reproduktionsmedizin, dann lese ich, dass dort eine große NACHFRAGE
nach Menschenzüchtung besteht: passendes Geschlecht, frei von Krankheiten,
sonstige Merkmale wie Haarfarbe und besondere Fähigkeiten würden auch gerne
genommen, wenn es ein entsprechendes Angebot gäbe. Nobelpreisträgersperma
ist ja Mangelware.... mit welchen Methoden der Nachfrage entsprochen wird,
ist vermutlich nicht so entscheidend....
Die vorsichtige philosophische Frage, ob es erlaubt ist, über gentechnische
Veränderungen (so sie möglich werden...) am Menschen nachzudenken, ist nur
ein laues Lüftchen verglichem mit dem BEDARF, der für kinderlose Paare
offenbar ein bereits selbstverständlicher Wunsch ist.
Diese Diskrepanz stelle ich nicht nur bei diesem Thema fest, sondern
praktisch bei allen "heißen" Themen, von der deutschen Vergangenheit bis zur
aktiven Sterbehilfe.
Na, ich komme da zu keinen für mich befriedigenden Schlußfolgerungen, weder
was die Einzelthemen, noch die medialen Diskurse, noch die Frage der
Realität und der "Zivilisierung" des Menschen angeht. Auf all diese Fragen
kann ich nur eine individuelle Antwort geben, wenn sie an mich herantreten.
DESHALB finde ich es so angenehm, mal ein solches "Selbstgespräch" zu hören
wie das von Walser - und nicht nur diese üblichen Macht- und
Profilierungskämpfe im Rahmen des üblichen Schauspiels.
So long - ich finde diese Diskussion super.
Besten Gruß
Claudia
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Von: ingo.mack@t-online.de (Ingo Mack)
Datum: 17.01.00, 07:39:05
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
klinger wrote:
> Hallo Juh, hi Listige,
> Ich kenne zum Beispiel niemand, bei dem ich angesichts der schwarzen Kassen
> der CDU ECHTE ENTRÜSTUNG wahrgenommen hätte. Wär ja auch ein Wunder, denn
es
> sind mehrheitlich Selbständige, die je einzeln ihren Kampf gegen das
> Finanzamt führen.
nun, eine meiner Wahrheiten ist, dass ein Vermerk wie "die Zinsen sind
Einkommenssteuerpflichtig" auf einem Kontoauszug wie der blanke Hohn
wirkt. dabei ist es unerheblich, ob es sich -wie in dem letzten konkreten
hier- um DM 3,85 (eine Gutschrift auf Genossenschaftsanteil) oder
um ca. DM 4.000.000.-- (den Zinsgewinn der CDU-Auslandskasse in der Schweiz
auf die 13 mio Schwarzgeld) handelt. echte Entruestung kommt da bei
mir wirklich nicht auf, da die Heinis der Eliteclique die Gesetze
gemacht haben, die sie umgehen.
das geht nur, weil die Heinis gewaehlt wurden. also ist das, was die
Hirnis machen, von der Mehrheit toleriert, wenn nicht gar ausdruecklich
gewuenscht.
aergerlich fuer mich ist eigentlich nur, dass ich auf DM 3,84
Einkommensteuer
zahlen muss. ok. mach ich. (ich hatte schon immer ein Faible fuer Pea-nuts.)
Dann ist es ein weiteres Aergernis, dass 1/4 meiner Einkommensteuer auf die
DM 3,85 fuer die zins-und Tilgungsleistung der immer noch nicht
verschwundenen
Staatsverschuldung in Hoehe von mehr als DM 1.000.000.000.000.-- verwendet
werden muss und nicht fuer den Bau von Schulen oder fuer Lehrergehaelter
bereitgestellt wird.
Noch ein Aergernis ist, dass das Finanzamt im Fall von saeumigen
Normalsteuerzahlern jederzeit saemtliche Konten des Unterworfenen
Demokratiemitgliedes pfaenden und sperren kann und wird.
ich glaube kaum, dass die Finanzbehoerden auf die Parteikonten
ebenso Zugriff haben, und wenn, sie werden es nicht tun, da die
Chefetagen den Weisungen ihrer Obergurus (Finanzminister) unterworfen
sind. Daran aendern auch noch so viele Untersuchungsausschuesse nichts.
(oder das gesabbel von Merkel, Schaeuble, Kohl, und wie sie alle heissen).
>> Die Welt wimmelt von Botschaften. Diskurshoheit bedeutet,
>> deine Botschaft hat die Mehrheit. Die Wege variieren, das Ziel
>> ist immer gleich. Es gibt auch Botschaften außerhalb
>> redaktioneller Medien.
> Ja, und ich hoffe, dass diese immer relevanter werden. Und dass viele Leute
> lernen, weit unterhalb "grosser Politik" mit ihren abstrahierten Themen ihre
> Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen, das Netz gibt da wirklich
> jede Menge neuer Möglichkeiten (Etoy = gutes Beispiel, wenn ich auch meine,
> die Aktiven übertreiben's wieder mal...) - traditionelle Medien müssen da
> nicht ausgeschlossen sein.
nebenbei bemerkt, ich finde es bemerkenswert, dass du dem oeffentlich
rechtlichen Fernsehen die kalte Schulter gezeigt hast (interview, dein
Diary) es gibt in der Tat genuegend Wichtigtuer, die fuer solcherlei bereitwillig
den Narren machen.
polemische Morgengruesse
aus Salzgitter
ingo mack
--
der preis fuer demokratie
wird taeglich neu an den
maerkten festgestellt.
bezahlt wird in versprechen.
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Von: werner.stangl@jk.uni-linz.ac.at (8-}) ws)
Datum: 17.01.00, 09:06:23
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Der Poet kritisierte:
CK> > ... Auch Sensationsberichte über Krawall vorm Asylbewerber-Wohnheim
CK> > oder im Fußballstadion haben schon Nachahmer auf den Plan gerufen.
Poet> Hmm. Halte ich von seeeeehr weit hergeholt.
leider nein, nur ist der *mechanismus* halt nicht so
einfach, wie sich das manche vorstellen:
1. tv schauen
2. krawall vorm asylbewerber-wohnheim
3. zum naechsten asylbewerber-wohnheim gehen
4. selber krawall machen
soooo funktioniert es nicht,
sondern (ebenfalls) vereinfacht:
1. tv schauen
2. krawall vorm asylbewerber-wohnheim
3. latentes lernen (das verhaltensrepertoire
wird um das gesehene vermehrt, dh, dass
potentielle handlungsmoeglichkeiten
gespeichert werden)
4. jahre spaeter zb in einer frustsituation
(job verloren, freundin hat sich vertschuesst)
5. der frust klappert das verhaltensrepertoire
nach reaktionsmoeglichkeiten ab
6. findet die erinnerung an den krawall vorm
asylbewerber-wohnheim
7. selber krawall machen
das ist mit gewaltvideos oder gewaltspielen
aehnlich - danach geht man nicht gleich
auf die strasse und ballert um sich.
die bomben ticken im verborgenen -
da kommt irgendwann einiges auf uns zu,
fuerchtet
8-}) ws
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Von: gb@botek.at (Guenther Botek)
Datum: 17.01.00, 10:04:08
Betreff: Re: [NetLit] Selbstgespraech
Hi Listige,
Ingo schrieb:
>nun, eine meiner Wahrheiten ist, dass ein Vermerk wie "die Zinsen sind
>Einkommenssteuerpflichtig" auf einem Kontoauszug wie der blanke Hohn
>wirkt. dabei ist es unerheblich, ob es sich -wie in dem letzten konkreten
>hier- um DM 3,85 (eine Gutschrift auf Genossenschaftsanteil) oder [...]
... und loest bei mir damit den "Pawlowschen Reflex" aus, weil ich auf die
Zahl *27* meistens irgendwie reagieren muss (DM 3,85 = ATS 27,--).