"Joggen" hab ich auch ne zeitlang gemacht (paar Wochen); ich fing damit an,
als ich mal paar Tage gefastet hab und irgendeinen Weg finden mußte, um den
Kreislauf einigermaßen am Kreisen zu halten (das war auf dem Hof und die
Arbeit ging wie gewohnt ihren Gang). Da war natürlich auch ideale Umgebung
dafür - weites Land, gute Luft, schmale Feldwege. Am Anfang schnaufte ich
durch die Gegend wie ne Kartoffelsackbeladene Dampflok. Erstaunlicherweise
änderte sich das schnell. Nach einigen Tagen machte ich geradezu einen
Quantensprung - ich lief die Strecke, die ich am Vortag mit letzter Kraft
bewältigt hatte hin UND zurück und hatte das Gefühl, noch immer einige
Reserven zu haben. Es wurde immer leichter, die Atmung weniger angestrengt
(wahrscheinlich haben sich die roten Blutkörperchen drastisch vermehrt...).
Ich fand auch nach und nach die (für mich) richtige Lauftechnik raus. Und
ohne irgendwelche Anleitung (darauf bin ich immer noch stolz, weil ich
sonst auch eher dazu neige, Bibliotheken durchzuackern und noch drei Kurse
zu besuchen, bevor ich was anfange). Die Schritte wurden kleiner, die Füße
beweglicher, blieben dicht am Boden und rollten nahezu geräuschlos ab. Ich
mußte ja aufpassen, daß ich auf dem unebenen Grund nicht ständig stolperte,
aber die Füße kriegten das wie von allein hin, es war, als ob sie Augen
bekämen. Und je leichter das alles wurde, desto eher konnte ich die
Landschaft um mich herum genießen, statt dauernd dran zu denken, wie lang
es noch ist. Tja, Du merkst schon, ich wurde z.T. richtig euphorisch bei
diesem Erlebnis. Es war - auch wenn´s doof oder abgehoben klingt - eine
neue Art, mich in der Welt zu erleben, mich durch sie zu bewegen. Geradezu
eine körperlich-spirituelle Erfahrung. Naja, durch das intensivere Atmen
hat man ja auch einen intensiveren Austausch mit der Umwelt. - Aber mit das
beste war, daß das Ganze auch einen enormen psychischen Reinigungseffekt
hatte. Innere Aggressionen und Anspannungen wurden abgebaut, ich fühlte
mich nachher in jeder Hinsicht leichter und freier. - Na, und dann schön
durchgeschwitzt unter die kalte Dusche gesprungen - genau die richtige
Abreibung für einen low-level-Kreislauftypen wie mich. Und dann die Tropfen
abschüttelnd wie neugeboren in den Garten springend... Tja, mit Ende der
warmen Jahreszeit endete dann auch erstmal meine Lauf-Karriere. Ich hatte
es noch soweit gebracht, daß ich einmal zu einer Verabredung 5 km ins
Nachbardorf joggte - mit Rucksack auf dem Rücken, gefüllt mit einem dicken
Brettspiel (Spiel der Wandlung, kennst Du es?) und einer Schüssel Salat.
Der war gut durchgemischt, als ich ankam!
Und hier - tja, die Konditionen sind bei weitem nicht so ideal wie auf dem
Hof. Dennoch eigentlich keine Ausrede... Aber - ähnlich wie Du - bin ich
vom Typ her so weit von allem entfernt, was irgendwie nach Sport riecht,
daß ich nie drauf käme, mir für sowas extra Klamotten zuzulegen, womit man
dann auch noch signalisiert, daß man jetzt "Sport macht". Aufgetakelte,
neonkostümierte mehr-oder-weniger-Adonisse bringen mich immer wieder zum
Schmunzeln. Was zählt ist, daß es mir irgendwie gut tut. Und das ist dann
eher mit Kontemplation als mit Show verbunden.
Liebe Grüße -
Simone
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