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13:06:00 Perspektiven

Morgens ab halb sechs ist eine wunderbare Zeit. Wenn ich es schaffe, so früh aufzustehen, genieße ich die Ruhe und Klarheit, die geistige Frische und psychische Unbelastetheit dieser Stunden. Ab 9 Uhr ist dann Arbeitstag, von allen Seiten drängen Angelegenheiten auf mich ein, die eine zentrifugale Kraft entfalten und mich in alle Winde zerstreuen wollen. Zwar gelingt es mir weitgehend, alles über meine Mailbox zu leiten, so daß ich zumindest nicht auf verschiedenen Kommunikationskanälen in ECHTZEIT aus der Konzentration gerissen werde. Trotzdem ist es nicht leicht, im Meer der Ansprüche & Vorhaben so zu surfen, daß es eine Lust bleibt und nicht zur drückenden Last wird.
 
So wichtig es ist, einfach das zu tun, was gerade anliegt, so muß ich doch gelegentlich in die Zukunft sehen, um erkennen zu können, welche aktuellen Aktivitäten und Arbeiten dringlich sind und ausgebaut werden müssen. Wenn ich so mitlese, was zum Beispiel in der Liste I-Worker zur Entwicklung des Marktes für Freelancer gesagt wird, muß ich mich verstärkt darum kümmern, meine Nischen auszubauen. Ich bin keine Allround-Webdesignerin, die heute für eine Bank und morgen für einen Weingroßhändler arbeitet. Ja, bin nicht einmal nur Webdesignerin, kann nämlich das Schreiben nicht lassen und auch nicht das Entwickeln eigener Projekte, wie z.B. das begonnene Webwriting-Cyberzine. Kunst, Literatur, Forschung & Lehre (Online-Teaching, NetKnowHow) sind meine Lieblingsfelder, auch Aufträge aus dem Umweltschutzbereich mach' ich gern, selbst wenn sie weniger Geld bringen.
 
Konkret muß ich dringlich meine Weblandschaft updaten, die mich in den vergangen Jahren davor bewahrt hat, Werbung machen zu müssen. Dazu gehört auch ein umfangreiches Update des Netzlexikons, das Autorenteam steht, es kann also losgehen! Auch meine Uni-Schiene mit langfristigen Aufträgen zur Entwicklung von Lernumgebungen wird Anfang 2001 weitergehen, wie ich mit Freude vernehme. Daneben will ich verstärkt Websites für Individuen machen: Künstler, Autoren, also Leute, die selber kreativ sind, die eigenes Material haben, sich aber schwer tun, SICH SELBST im Web darzustellen. Meine ausschweifenden Erfahrungen mit der "Selbstdarstellung im Web" kann da garantiert nützlich sein. In nächster Zeit werde ich die Homepage einer (Print-)Autorengruppe gestalten. Die erste Anfrage eines Autors bezüglich einer "Autorenhomepage" ist auch schon da. Es sieht also alles ganz gut aus - muß bloß aufpassen, mich nicht im Labyrinth der täglichen Arbeit völlig zu verlieren.

 

12:06:00 Love Affair

Das Huhn ist gerettet - nach der Rettung aus dem Ei hat es nun auch die Geburt in die Hühnergemeinschaft gepackt! Wir haben es gestern zu den anderen gesetzt und es hat sich sofort mit der Horde vertragen, ist sogar unter die Glucke geschlüpft. Ich war glücklich, denn die ganze Zeit hatte ich darüber gegrübelt, wie es zu verhindern wäre, das Huhn in der Wohnung aufziehen zu müssen. Ein unmöglicher Gedanke, ein auf den Menschen geprägtes Huhn heranzuziehen, das dann, schlußendlich doch in den Stall gebracht, sein Leben als verhaltensgestörter Outlaw hätte verbringen müssen!
 
Nun pickte es also mit den anderen um die Wette. Schon bald fiel es mir schwer, MEIN Huhn überhaupt noch zu erkennen.... und plötzlich wurde ich tief traurig. Himmel nochmal, ohne es zu bemerken, hatte ich mich in das Huhn verliebt. Wie wunderbar das doch war, dieses schutzbedürftige flaumige Wesen in der Hand zu halten, sein sanftes Zwitschern hinter mir in der Schachtel zu hören, zu sehen, wie es sehr viel begeisterter pickte, wenn ich ihm das mit dem Finger ein bißchen vormachte.... offenbar ein heftiger Anfall mütterlicher Instinkte.
 
Noch jetzt bin ich traurig - genetisch programmierte Liebe! Und ich denke an all die anderen Gefühlshöhen & Tiefen im Leben: ist es nicht da überall genauso? Alles zu bestimmten Zwecken von der Evolution kreiert, bewußtloses Kreisen in Laufrädern, die wir nicht selbst gebaut haben.
 
Gestern abend dann ein paar Stunden TV: überall dasselbe, stetes Vorführen und Wiederholen der üblichen menschlichen Gefühle und Verstrickungen: Begehren, Angst, Haß, Gier - und "Liebe" in Gestalt des Haben- und Besitzenwollens. Ich liebe dich, komm in meinen Kasten, meine Schachtel, mein Ikea-Regal!
 
Warum haben wir nur die Fähigkeit entwickelt, über all das hinaus DENKEN zu können, aber nicht auch eine Weise, etwas anderes zu LEBEN? Wenn es mir gut geht, denk' ich: Hauptsache, es macht Spaß! Warum nicht einfach die Verstrickungen spielerisch genießen? Freuden & Leiden hängen zusammen und ohne sie wäre das Leben doch öd!
 
In anderen Augenblicken überfällt mich das große Gähnen. Ach ja, schon wieder eine Faszination? Übermorgen wird sie in Überdruß oder andere Leiden umschlagen.... Sogar beim essen gilt: Iss nur ein bißchen weiter, und du wirst kotzen müssen! Alles Verlangen und alle großen Gefühle erscheinen mir dann sehr simpel gestrickt, geradezu platt - und davon so ein Aufhebens machen?
 
Zur Erinnerung an "mein Huhn" hab' ich heut' morgen eine Bilderserie gemacht - ein Versuch, die progammierte Liebe in Pixel zu packen. Wenn schon das Huhn nicht mehr in der Schachtel ist.... (seufz!)

 

09:06:00 Mutter geworden!

Seit zwei Tagen sollten eigentlich schon alle Küken geschlüpft sein, doch immer noch lagen 3 Eier unter der Glucke. Wir beobachteten, wie die flaumigen Neuhühner gemeinsam mit der Glucke die Reste eines Kükens verschlangen, das es wohl nicht geschafft hatte, das Ei rechtzeitig und lebendig zu verlassen. Mein Lebensgefährte entfernte daraufhin die drei verbliebenen Eier - als ich sie außerhalb des Stalls untersuchte, sah ich, dass eines lebte. Die Schale war teilweise entfernt, doch die feste Eihaut hinderte das Küken am Schlüpfen - es zitterte und atmete....
 
Was tun? Zurück ins Nest legen war kaum möglich, die Horde würde auch dieses kannibalisieren. Also öffnete ich nach einiger Zeit vorsichtig die Haut. Noch nie hab' ich sowas gesehen und konnte absolut nicht einschätzen, ob das, was da zum Vorschein kam, nun "richtig" entwickelt oder irgendwie fast schon tot war. Da es anfing, ein paarmal heftige Strampelbewegungen zu machen, half ich ihm ganz aus dem Ei. Es blutete aus dem After, was mich noch mehr irritierte. Keine Ahnung, wie sich so ein Huhn im Ei eigentlich entwickelt. Ich hielt das nasse verklebte Etwas in den Händen, das noch nicht mal den Kopf heben konnte, hauchte es immer wieder warm an und hoffte das Beste. Da die anderen Küken alle schon laufen konnten und die Stimmung im Stall eher hektisch war, konnte ich das hilflose Wesen nicht einfach ins Nest setzen. Vielleicht hätten sie es zerquetscht, oder doch noch gefressen.
 
Also nahm ich es mit, hauchte es weiter an: es hob den Kopf! Es fiepte! Schließlich föhnte ich es ein wenig, doch dauerte es Stunden, bis es nicht mehr so verklebt wirkte. Zusehens wurde es fitter und ich richtete ihm eine Schachtel her, stellte die Schachtel auf den Radiator, machte ihm ein Nest aus Toilettenpapier und hielt es immer wieder in der Hand. Diese Hand hat es schnell als "Glucke" identifiziert, es schreit, wenn ich länger weg bin und beruhigt sich, wenn die Hand wieder kommt. Schade, daß ich nicht drei Hände habe: eine für das Küken und zwei für die Tastatur.
 
Jetzt grüble ich, was mit diesem Huhn geschehen soll. Es hat nie ein anderes Huhn gesehen und fürchtet sich vor allem Fremden. Völlig illusorisch, es etwa heute abend der Bande im Stall auszuliefern: sie würden es nicht mehr fressen, aber es hätte keine Bindung an die Glucke und es braucht doch gleichförmige Wärme. Also behalten? In der Schachtel aufziehen? Und nach acht Wochen mit den anderen zusammenbringen? Ein Huhn, das bis dahin keinen Artgenossen gesichtet hat? Unmöglich! Ich werde zum Züchter fahren und vesuchen, ein zweites, möglichst gleichaltriges Huhn zu besorgen, das ebenfalls künstlich zur Welt gekommen ist. Dann ist es wenigstens nicht so allein.

 

08:06:00 Zwangsjacke Intellekt

Mit "intellektuell" meine ich nicht einen gehobenen Bildungsstand oder gar akademische Würden, sondern die Grundprägung, mit der lange schon die Menschen entwickelter Industriestaaten von klein an konditioniert werden: Ursachen und Wirkungen in Beziehung setzen, immer auf Sinn und Zweck schauen, alle Dinge und Handlungen analysieren und begründen - und dies alles in "schlüssigen" Texten und Reden ausdrücken. Weck' mich mitten in der Nacht und frag mich: Warum rauchst du eigentlich noch immer? Schlaftrunken blinzelnd werde ich eine Rede vom Stapel lassen, die dieses verrückte Verhalten vollständig erklärt, ja - bei aller Schädlichkeit - als das einzig Richtige in meiner Situation erscheinen läßt.
 
Was ist damit erreicht? Natürlich ist ein solcher "denkender Mind" erforderlich, um in einer technischen Zivilisation steuernd mitzuwirken. Er ist entstanden, um das AUSSEN in den Griff zu bekommen, beginnend mit dem urzeitlichen Jagen & Sammeln bis hin zum Programmieren. Dass die Welt heute nicht weniger katastrophal ist als dereinst, will ich mal beiseite lassen. (Vermutlich bleibt die Summe des Elends immer gleich, lediglich die Erscheinungsweisen ändern sich). Mich interessieren mehr die innerpsychischen Folgen, denn mit ihnen muß ich mich dauernd herumschlagen.
 
Einen Zusammenhang "verstehen" scheint die Macht mit sich zu bringen, die Dinge auch zu verändern, sie zu beherrschen. In den meisten alltäglichen Angelegenheiten erleben wir das so, doch wissen wir nicht, wieviel davon uns nur so erscheint, gerade WEIL wir gewohnt sind, so zu denken. Ein Problem, an dem sich Philosophen gerne abarbeiten, mich bewegt etwas anderes: Ohne es je bewußt so beschlossen zu haben, denken wir auch über uns selber so: alles, was ich tue, muss einen Grund haben - und nicht nur irgend einen, sondern einen GUTEN. Sämtliche Handlungen und sogar die Wünsche müssen in ein vertretbares persönliches Wertesystem passen - tun sie das beim besten Willen nicht, dann müssen äußere Bedingungen daran schuld sein, für die ich nichts kann. Ja, ich bin geradezu verpflichtet, gegen diese Bedingungen anzutreten, bzw. zu begründen, warum mir das gerade nicht möglich ist.
 
Dies ist, kurz gesagt, der NORMALE GLAUBE, in dem wir alle aufwachsen. Er nennt sich auch "vernünftig sein" oder "erwachsen werden" und wenn wir in diesem Sinne "fertig" sind, stecken wir in einer vollkommenen Zwangsjacke. Besonders schwer betroffen sind diejenigen mit einem natürlichen Sprachtalent: Je besser und schneller Sinn & Zweck, Ursache & Grund brilliant formuliert werden können, umso dichter und undurchlässiger gerät die Mauer, die dieses Denken gegen das "aussen" und den Anderen errichtet. Und auch der Weg nach INNEN, zu dem, was ich bin, ist versperrt.
 
Warum? Weil ein denkender Mensch nach außen und innen stets die Illusion der Rationalität aufrecht erhalten muß. Eigene Impulse müssen in die aktuellen Zielvorstellungen und Wertesysteme eingepaßt werden - oder Ziele & Werte sind eiligst anzupassen, wobei die Anpassung natürlich sinnvoll begründet werden muß. Von außen dringt kaum etwas herein, bzw. alles wird nur daraufhin betrachtet, ob es dieses anstrengende innere Management in Gefahr bringt. Geradezu automatenhaft wird alles nur abgewehrt, was nicht problemlos den eigenen Status unterstützt, andere Standpunkte und Seinsweisen, anders gelagerte Interessen, ja, der andere Mensch INSGESAMT gerät zum blossen Störfakor, zum potenziellen Feind: bist du nicht mit mir, bist du gegen mich. Und das bedeutet: Ich muß dich beherrschen oder ignorieren, sorry, aber anders gehe ich unter. Das ICH in einer solchen Elendskonfiguration bietet aber auch keinen Halt, da es reine Vorstellung ist, die sich dazu noch laufend verändert.
 
Ein so perfektionierter durchweg intellektueller Mensch hat keine Möglichkeit, aus seiner Zwangsjacke auszusteigen - allenfalls Drogen helfen für kurze Zeit, entfalten dafür aber andere zerstörerische Wirkungen. Hinzu kommt: Es kann ihm auch nicht geholfen werden, denn er ist DICHT gegen außen, jede "vernünftige" Intervention prallt ab an der lückenlosen Abwehr, solange auch nur ein Rest von Energie zur Verfügung steht.
 
Von wem rede ich hier eigentlich? Von mir natürlich. Bis zu meinem 36. Lebensjahr führte ich ein über die Maßen anstrengendes Leben in der Zwangsjacke. Zwischen 30 und 36 vermehrten sich allerdings die Wände, gegen die ich mit nachlassender Kraft anrannte. Immer mühsamer wurde es, nach innen und aussen den Schein der "Vernünftigkeit" zu wahren (interessanterweise waren das meine gesellschaftlich aktivsten Jahre!). Ich hatte mich in ein Netz aus Posten und Positionen, Beziehungen und Macht verstrickt, in dem ich von früh bis tief in die Nacht strampelte, um es aufrecht zu erhalten - dabei hatte ich nicht mehr die geringste Chance, inne zu halten und mich zu fragen: Wozu das alles? Was bringt es mir? Will ich das? Macht das Freude? Tut das gut?
 
Ich erinnere mich, daß es immer wieder Menschen gab, die mir ganz freundlich gemeint diese Fragen stellten. Keine "Feinde", sondern ganz unverdächtige Fremde. Doch ich erinnere auch, wie ich sie gar nicht an mich heranließ, wie ich nicht einmal ENTFERNT in Erwägung zog, ihre Fragen ernst zu nehmen. Noch während sie sprachen, war ich innerlich am Konzeptionieren der brillianten Antwort und wartete nur auf eine Lücke in ihrer Rede, meist unterbrach ich sie einfach und legte los.
 
So verbrauchte ich alle meine Energie über Jahre in einer immer unerträglicher werdenden Mühle, griff "zur Entspannung" zum Alkohol (eigentlich die langweiligste aller Drogen, die ich kenne) und meine Innen- und Außenwelt entwickelte sich zur ausgewachsenen Hölle. Eine Hölle, die ich natürlich lange "ganz normal" fand und optimal begründen konnte.
 
Ich hatte keine Einsicht, keine Erleuchtung und keinen hellen Augenblick, es geschah auch kein Wunder. Sondern ich wurde massiv zerstört, zerstörte mich selbst durch dieses "weiter so". Etwa drei Jahre verbrachte ich in der ausgewachsenen Hölle bis ich FERTIG war. Und DANN dauerte es noch eine lange Zeit, bis ich das auch ZUGEBEN konnte, erst vor mir selbst, und endlich - der Knackpunkt - auch vor anderen.
 
Mit Texten kann man angeblich alles sagen. Ich weiß, daß das nicht stimmt. Wenn ich hier hinschreibe, daß ab diesem Moment die Welt eine andere war, dass es "mich", wie ich gewesen war, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gab, wirft das Fragen auf. Aber ich kann sie nicht beantworten, es geschah einfach so. Alle selbst aufgebürdeten Lasten fielen von mir ab und ich bemerkte mit großem Staunen, daß ich ein frei schwebendes Wesen bin. Zwar mit den Füßen auf der Erde (endlich!), aber FREI. Nichts zwingt mich, weder zu bestimmten Aktivitäten noch zum ständigen Begründen meiner selbst und der Welt. Ich kann das alles einfach hinnehmen, wie es gerade ist: meine wechselnden inneren Impulse und Bedürfnisse ganz genau so wie das Wetter oder die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen. Alles anzuschauen und zu sehen, WIE es ist, ist sogar viel spannender als zu fragen, WARUM es so ist und darauf zu bestehen, dass es SO nicht sein darf! Vor allem verbraucht es praktisch keine Energie, allenfalls die, die für eine beobachtende Aufmerksamkeit erforderlich ist.
 
"Alles hinnehmen" heißt nun nicht, ein bequemerer und stromlinienförmigerer Mensch zu sein. Im Gegenteil: zuvorderst nehme ich mich selber hin, wie ich nun mal bin. Und richte mich danach, brocke mir also keine Dinge ein, die mich zurück in die Zwangsjacke führen könnten, bzw. wehre alles ab, was sich in diese Richtung entwickelt. Das ist sozusagen das oberste Gebot für meinen Seelenfrieden, der mir zum wichtigsten Wert geworden ist. Ich halte mein Leben einfach, strebe für die Zukunft nichts BESTIMMTES an und lege Wert darauf, dass auch "auf dem Papier" nichts anderes steht als das, was ich auch jenseits der Papierwelt als meine Realität erkenne. Alles andere ist mir zu anstrengend, führt mich zurück in die Hölle.
 
Zwänge? Drohungen? Gefahren? Es existiert keine größere Gefahr als die, sich wieder zu verstricken, in einem halb schlafenden Zustand in Geleise zu geraten, die nur ins geistig-psychisch-physische Elend führen. Seit 36 bin ich praktisch nicht mehr krank: Rücken- und Knieschmerzen weg, kein Kopf- und Halsweh mehr, Erkältungen nur alle paar Jahre, wenn ich mal mit nassen Haaren ins Freie gehe. Drohpotenziale, die andere Menschen aus ihren Zwangsjacken heraus auffahren mögen, erreichen mich nicht wirklich: kenn' ich alles schon, war ja lange genug "auf Null" und hab' es überlebt, sogar mit Gewinn. Ein Gewinn, den niemand wegnehmen kann, denn er besteht gerade darin, nichts FESTES um jeden Preis zu verteidigen. Mitnehmen können wir sowieso nichts.
 
Wenn es mit den Mitmenschen mal etwas anstrengend wird, finde ich es übrigens angenehm, mich Programmen, Algorithmen und Robots zuzuwenden. Sie müssen nicht rationalisieren, sie SIND reine Rationalität. Wenn man sie laufen läßt und ihre Ergebnisse betrachtet, ihnen dabei automatisch "Sinn" zuschreibt, wie es nun mal menschlich ist, ergibt das manchen Mitmensch-unabhängigen Lacher! Ich spiel' zum Beispiel gern mit Suchmaschinen, gebe Begriffe ein und vergleiche die Trefferzahlen. Net-Rankings können echt Spaß machen.

 

06:06:00 The Medium is the Message

...sprach dereinst Marshal McLuhan und gab damit Denkerinnen und Denkern jede Menge Stoff, an dem entlang sie sich aufreiben und unzählige "Papers" verfassen konnten. Dass das Medium die Botschaft sei, sie nicht etwa nur transportiere, widerspricht dem gesunden Menschenverstand so dramatisch, dass es einfach GENIAL sein muss.
 
Ich will McLuhan jetzt nicht diskutieren, bewahre! Neulich hab' ich mir die Domain "medienverdrossen.de" gesichert, auf die ich auch "medientheorie.de" zeigen lassen werde - das ist Statement genug. Doch mir fällt mehr und mehr auf, dass McLuhan noch in einem ganz anderen Sinne Recht hat, an den er womöglich garnicht dachte: Die Wahl des Mediums, in dem ich mit einem anderen kommuniziere, sagt etwas aus über den Charakter der Botschaft und den Zustand der Beziehung.

Wie bei allen Netizens ist E-Mail mein Standard-Kanal. Niemals vorher war es möglich, derart einfach und bequem unzählige Kontakte zu anderen zu haben - das bedeutet nicht unbedingt VIELE FREUNDE, sondern einfach, von vielen Menschen zu wissen, Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, zu denen man jenseits dieses Mediums kaum je Kontakt bekommen hätte. Damit verbunden ist eine gewaltige Erhöhung des Wirkungsgrades, den ein einzelnes Individuum entfalten kann: binnen 20 Minuten kommuniziere ich eine Botschaft an ca. 3000 Menschen (ein paar Mailinglisten und Webboards) - und wenn ich das über Jahre ab und an tue in je unterschiedlichen Angelegenheiten, kommt schon was zusammen - und es bleibt etwas hängen: Mein Name in Verbindung mit diesen & jenen Inhalten. So demokratisiert das Internet die Macht der "großen Sender", die es nur kleinen Eliten gestatteten, sich beliebig über die Medien zu vermitteln.
 
E-Mail in dieser ausgereizten Form bedeutet jedoch, das Telefon weitestgehend verstummen zu lassen. Wer gewohnt ist, Kommunikation ON DEMAND abzuwickeln, nur in selbstbestimmten Arbeitspausen sich den Botschaften Anderer zuzuwenden, empfindet unangekündigte Telefonate zunehmend als Angriff. (Das gilt NICHT für liebe Freunde, die können mich JEDERZEIT anrufen, ich freu' mich!) Das Telefon ist ein Angriff auf die Zeitsouverainität, die mir dank des Netzes zugewachsen ist und die ich mittlerweile brauche, wie die Luft zum atmen.
 
Und so wirkt es zunehmend als Herrschaftsgeste, wenn mich jemand anruft, der weiß oder wissen müßte, dass ich in der Regel maile. Leute aus den Bürowelten der alten Medien tun das besonders gern: sofern sie nicht selbst voll und ganz im Netz arbeiten, telefonnieren sie immer noch den halben Tag und vernachlässigen ihre Mailbox. Oft sind es Wischi-Waschi-Gespräche, von denen man hinterher kaum sagen kann, wozu genau sie eigentlich geführt wurden ("Ich wollte mich mal mit Ihnen in Verbindung setzen...."). Oder es sind leicht durchschaubare Manipulationsversuche: da versucht jemand, mich auf der emotionalen Ebene weich zu klopfen, damit ich Dinge zusage, die ich definitiv nicht will. Aber sie haben schlechte Karten: Wer die Klarheit von E-Mail gewohnt ist, läßt sich nicht so einfach belabern (gern schicke ich gleich ein Mailprotokoll des Telefonats hinterher, damit der andere keine Gelegenheit hat, den Gesprächsinhalt beliebig zu interpretieren).
 
Herrschaftsgesten pur kommen von Fernseh-Schaffenden: Sie LASSEN MAILEN. Seit ich online bin, bekam ich bestimmt schon etwa 10 mal eine Mail des Inhalts, ich möge mich umgehend mit XYZ in Verbindung setzen, der "brauche einen Dreh", bzw. wolle mich in Sendung X bringen. Sofortiger Anruf unter der Nummer....erbeten, Termin in drei Tagen. Ihnen ist die Unverschämtheit ihres Auftretens kaum bewußt, wenigstens unterstelle ich das nicht. Sie gehen einfach davon aus, dass jedermensch nix anderes im Sinn hätte, als eilfertig hinzustürzen, wenn DAS FERNSEHEN ruft. Tja, das sind Gewohnheiten, die ein altes Massenmedium schafft - aber sie werden noch merken, dass sie nicht mehr das "Leitmedium" darstellen. Mit mir gab es jedenfalls bisher keinen "Dreh" und ich seh auch nicht ein, wofür das gut sein sollte.
 
Während Mail zum Standard aller Gespräche geworden ist und das Telefon allenfalls als Plauderkanal für Freunde dient, bietet die Briefpost nur noch eine einzige Qualität: Rechtsverbindlichkeit. Jenseits unverlangter Werbung und ritueller Glückwunschkarten ist die Post vom Transport alltäglicher Botschaften gänzlich befreit. Fax, Telefon und Mail haben ihr den Garaus gemacht. Sie hält sich noch für kurze Zeit am Leben mit eben dieser Restfunktion, die Marshal McLuhans Statement neu illustriert: Was immer ich dir per Briefpost schreibe, es ist vor allem eines: rechtsverbindlich! Insofern ist Briefpost eine Aussage darüber, welchen Zustand die Beziehung angenommen hat. Zwar kann auch ein intensiver Mailwechsel und eine Reihe von Faxen vor Gericht Beweiskraft haben, doch nichts ist so klar, einfach und definitiv unangreifbar wie ein Statement per Einschreiben/Rückschein.
 
Die virtualisierte Welt ist in vieler Hinsicht gnadenlos. Das spüren nicht nur die "Information Poor", sondern vor allem Menschen, die es bisher gewohnt waren, durch AUFTRETEN zu glänzen. Magier des Wortes, die vor jeder Gruppe brillieren, indem sie Luftnummern an die Wände projizieren und dazu den schamanischen Tanz vom erfolgreichen Kriegszug tanzen. Nicht weit entfernt von evangelikalen Predigern vermögen Sie es, im "Real Life" die Menschen in ihren Bann zu ziehen. Auf der psychischen Klaviatur zwischen mitreissender Begeisterung und emotionaler Erpressung sind sie Virtuosen, allein darauf beruht ihre Macht, nicht etwa auf irgend welchen spezifischen Fähigkeiten. Sie leben nicht in der Realität, sondern in ihren sprunghaften Vorstellungen - und mit aller Power versuchen sie, andere in diese Vorstellungen hineinzuziehen, auf dass eine Realität entstehe, die sie in der Regel nicht selber auszubaden gedenken (man delegiert...). Sie tanzen längst einen neuen Tanz, während ihre Subalternen graue Haare bekommen im sinnlosen Bemühen, die Luftnummern von gestern auf dem Boden der Tatsachen anzulanden.
 
Doch DIESE Macht brökelt. In einer Kultur, die sich unausweichlich vernetzt, deren Individuen nicht mehr ständig in "Besprechungen" herumhängen (mir fällt da immer das "Warzen besprechen" ein), sondern coole, kurze, inhaltlich prägnante Mails austauschen, sehen die Magier alt aus. Der Kaiser hat keine neuen Kleider, der Kaiser ist NACKT!
 
Sich erfolgreich in "Virtual World" bewegen, setzt paradoxerweise voraus, einen klaren Blick auf die Wirklichkeit zu pflegen. Insbesondere auf die Veränderungen, die sich mit der Vernetzung ergeben: Jede beeindruckende Behauptung läßt sich sofort verifizieren - man kann ja schnell mal ein paar Kompetente anmailen. Klarheit, Wahrheit und Kürze ist angesagt. Luftnummern platzen täglich schneller. Der Marketingjargon mit seinen wolkig-größenwahnsinnigen Formulierungen ist ein sterbendes Genre, wie es das Cluetrain-Manifest so schmissig erklärt. Seit kurzem ist das sogar den Börsianern klar geworden, die wieder auf Zahlen und Fakten schauen und nicht auf wilde Zukunftsvisionen.
 
"Fantasie" ist etwas viel zu Schönes, um im Hype ums goldene Kalb verbrannt zu werden. Laßt uns Kunst machen und spielen, Leben ist JETZT.

 

04:06:00 der Worte müde

Wieder nix mit dem Projekt-Start am Montag. Doch jetzt setze ICH eben einen Punkt: da praktisch alles getan ist, zwingt mich ja nichts, psychisch weiter ein "Leben in der Zielgeraden" zu führen. Das ist vielleicht was für 30-Jährige, mir tut es sowieso nicht gut, wenn ich zu lange und zu intensiv auf eine Sache konzentriert bin, die mich von allem Eigenen abhält.
 
Und so bin ich gestern abend in einen Bilderrausch geraten und bastle an einer Website, die Bilder, die mir wichtig sind, neuartig präsentiert - ach je, ich bräuchte auch dafür mehr Zeit! Heut' morgen war die Frage: Sauna oder Photoshop? Schweren Herzens hab' ich mich vom Monitor losgerissen und für Sauna entschieden. Vernünftig, denn jetzt fühle ich mich großartig, geradezu zum Bäume ausreissen.
 
In der Liste Netzliteratur wird gerade das Thema "Text & Bild" diskutiert: "Netzliteratur wird multimedial sein, oder sie wird nicht sein", von der "Insuffizienz der Bilder, die Welt zu erzöählen" ist die Rede und von der "regressiven Tendenz", die mit dem Versinken in Bilderwelten einhergeht. Ich bin der Worte so müde, zwar schreib' ich gern Diary und führe gelegentlich eine gutes Gespräch per Mail. Aber dieses Bemühen, etwas theoretisch zu fassen, durchzuanalysieren, Argumente abzuwägen - ach, ich weiß auch nicht, warum mich das nur noch Gähnen läßt. Vielleicht, weil das alles folgenlos bleibt: Texte, die miteinander über Bilder sprechen, Gedanken, die ich erst mal wieder aus dem Kopf bekommen muß, wenn ich ins Bildermachen einsteige, warum sie also überhaupt erst reinlassen? Ich merke mehr und mehr, dass es ein völlig anderer Bewußtseinszustqand ist, wenn man sich in der Welt der Farben und Formen bewegt, als in der linearer Gedanken und Texte. Ich würde gerne LIEGEN beim Bildermachen - wogegen Texte AUFRECHT sitzend oder stehend am besten kommen. Ja, wahrscheinlich regrediere ich einfach GERN!

 

02:06:00 Kurz vor Start...

....eines großen Web-Projektes ist noch jede Menge Kleinkram zu erledigen - ich finde aktuell nicht die Ruhe, geistig so leer zu werden, etwas Sinnvolles zu schreiben. Dieser Zustand ist mir alles andere als angenehm, sozusagen das "größtmögliche Leiden", das mir im Arbeitsleben heute noch widerfahren kann.
 
Das ist der Grund, warum ich meine EIGENEN Projekte und Unternehmen klein und überschaubar halte. Ich möchte nicht den ganzen Tag und alle wache Zeit einen "Selbstläufer" im Hirn haben, ein ständig fließendes Textband, das mir mit irgendwelchen Problemen oder auch Chancen den Kopf voll murmelt. Hatte ich früher zur Genüge und möchte es nicht wieder haben. Ein paar Tage mal, einmal im Jahr, ok - wenn das Honorar stimmt. Aber überhand nehmen darf es nicht.
 
Na, Montag ist das Teil online, das Ende also immerhin in Sicht.

 

31:05:00 Endlichkeit

Auf dem abschüssigen Pfad, der zum Garten führt, zertrete ich beiläufig eine Nacktschnecke. Der Kampf gegen dieses Getier ist derzeit ein sinnlicher Pausenfüller: weg vom PC, raus in die feucht glänzende Vegetation, mit Adleraugen umschreite ich meine zwei "Versuchsanplanzungen", zwei mal zwei Quadratmeter mit Salat und Mangold, und die drei kleinen Erdbeerbeete. Zu mehr hat es zeitlich nicht gereicht, aber irgend etwas muß ich einfach wachsen sehen, etwas SELBST angepflanztes mitten im Dschungel.
 
Der Salat, aus Samen gezogen, ist schon fast ganz den Schnecken zum Opfer gefallen, der Mangold hält sich besser und die Erdbeeren sind tatsächlich gut zu verteidigen. Sie waren auch schon groß, als die Schnecken gerade mal ihren schleimigen Körper aus den Erdverstecken schoben.
Nach jedem Regen gehe ich also auf die 'Jagd' und sammle ein bis zwei gehäufte Hände voll Schnecken ein. Nein, es ekelt mich nicht, ich hebe sie mit der rechten Hand auf und häufe sie in der Linken, bis der Haufen nicht mehr zu balancieren ist. Dann ein paar Schritte zum Sumpf (ehemaliger Schloßweiher), wo sie im stehenden Wasser ein hoffentlich nicht allzu schlimmes Ende finden. Dann "wasche" ich die Hände in Erde und suche weiter.
 
Immerhin ist es mir letztes Jahr gelungen, auf diese Weise die Erdbeeren noch zu einer späten Blüte mit Früchten bis in den November hinein zu motivieren. Als ich im Juli herkam, waren sie total abgefressen, Schnecken wohin man sah!
 
Manchmal denke ich: vielleicht schnippst ein großes Wesen in einer anderen Dimension auch mal mit dem Finger und zerdrückt so ganz beiläufig das uns bekannte Universum. Punkt, Schluß. Oder ein Meteor trifft die Erde - oder ich fahre gegen einen Baum, eine in Mecklenburg häufige Art spontanen Ablebens (allerdings eher eine männliche...:-).
 
Solche Gedanken deprimieren mich nicht, im Gegenteil. Sie stoßen mich immer wieder auf die Notwendigkeit, aus dem Augenblick das Maximale zu machen. Was war gestern? Was ist morgen? Was ist Zukunft? Immer nur ein Gedanke im Kopf! Ich danke dem Himmel (irgend einen Adressaten braucht man ja), daß mir das heute bewußt ist. Kann mir kaum noch vorstellen, wie ich früher gelebt habe: immer in Angst, etwas nicht zu schaffen, etwas zu verpassen oder irgend jemandem nicht gerecht zu werden. Oder voller Ehrgeiz, etwas in der Zukunft zu erreichen, mich abzusichern gegen vieles, was ich mir an "möglichen Katastrophen" so ausdachte - und diese unglaubliche psychische Abhängigkeit von vielen Mitmenschen, durch deren Bewertung ich glaubte, erst richtig DA zu sein. Und die damit einhergehende Erpressbarkeit!
 
Älter werden macht frei! (Vielleicht ist es deshalb gesellschaftlich so diskriminiert) Je mehr das Leben sich als eine endliche Veranstaltung zeigt, desto klarer wird, daß es das EIGENE LEBEN sein muß, das ich von Tag zu Tag und Augenblick zu Augenblick führen muß, nicht eines, das andere von mir erwarten.

 

30:05:00 Vom Sterben und Töten

Das Orkantief Ginger hat im Schloßwald eine riesige Buche mit weit über einem Meter Stammumfang zum Einsturz gebracht: der Baum hatte sich kurz über dem Boden in zwei gleich dicke Stämme geteilt, eine Stelle, die der Fäulnis, den Insekten und allerlei Pilzen und Schmarotzerpflanzen optimale Ansatzpunkte bot. Trotzdem wurde der Baum groß und alt - bis Ginger kam und einen der beiden Stämme abbrechen ließ. Es macht mich traurig, vor allem, wenn ich mir vorzustellen versuche, wie sich die andere Hälfte jetzt "fühlt".
 
Was tun mit dem Baum? Bestes Buchenholz, vielleicht ein paar tausend Mark wert - aber wie sollte man dieses Ungetüm bewegen? Auch führt kein gerader Weg aus dem Wäldchen, auf dem entlang man den Stamm ziehen könnte. So wird wohl alles bleiben, wie es ist und der Urwaldeindruck sich verstärken.
 
Das kranke Huhn ist ebenfalls tot. Mein Lebensgefährte hat es am Samstag getötet, nachdem es sich tagelang kaum mehr vom Fleck gerührt hatte. Es war der Outlaw der Hühnergemeinde, das letzte in der Hackordnung. Wer glaubt, Hühner seien nette harmlose Tiere, der irrt.
 
Als der Hühnerstall kürzlich fertig war, überlegten hier alle, was für Hühner es denn sein sollten: Nur Eier-Leger oder solche, die auch als "Fleischhühner" in Frage kommen? Die Frage entschied sich von selbst, da wir zehn Legehühner mit Hahn geschenkt bekamen. Die legen wie die Weltmeister - doch jetzt brütet eine extra zusätzlich angeschaffte Brüterin auf 15 Eiern. Die Kinder sollen das mal erleben, die kleinen Küken! Natürlich werden nicht alle 15 hier lange leben können, zumindest die Hähne nicht. Jemand wird sie töten müssen, denn Hähne vertragen sich nicht miteinander.
 
Ein warmblütiges Tier töten ist eine furchtbare Sache. Wenn es krank ist und man sieht, wie es leidet, ist es vielleicht etwas leichter, als wenn es nur zuviel ist oder man es essen will. Doch die Rechtfertigungen sind das eine - die Situation ist etwas ganz anderes. Du stehst vor diesem lebendigen Wesen und willst es vom Leben zum Tod bringen, es vom Mitwesen zur 'Sache' machen, ihm eigenhändig das antun, wovor du am meisten Angst hast... 
 
Ich habe mal zwei junge Katzen umgebracht, ein paar Tage alt. Sie waren "zuviel" - doch hätte ich das nicht unbedingt zu meinem Problem machen müssen, das ist Tatsache. Ich wollte wissen, wie das Töten ist und ergriff die Gelegenheit (um sowas reißt sich ja niemand). Katzen mag ich von allen Tieren am liebsten.
 
Als die Katzenmutter nicht da war, betrat ich den Stall und wählte zwei der vier Jungen aus. Ich spürte, daß meine Psyche und mein Körper sich anschickten, völlig unkontrollierbare und erschreckende Empfindungen zu produzieren - ich durfte nicht zögern, sondern mußte es SCHNELL tun, wenn ich es überhaupt packen wollte. Mit einem Knüppel betäubte ich sie, drehte ihnen dann mit den Händen den Hals um und brach ihnen so das Genick.
 
Das schreibt sich so locker hin. Ich bin sonst der Worte ganz gut mächtig, aber mir fallen keine ein, um die Gefühle zu beschreiben, die mich dabei überkamen. Als ich den ersten Schlag mit dem Knüppel geführt hatte, betrat ich einen anderen Seinszustand - einerseits agierte ich, andererseits stand ich neben mir, jenseits jeder Artikulationsfähigkeit, jenseits aller Gedanken. Die Katze war tatsächlich auf "Anhieb" betäubt - doch als ich ihr den Hals umdrehte, wehrte sich zu meinem Entsetzen der kleine Körper. Ich hatte nicht geahnt, dass es "ein Leben jenseits des Bewußtseins" gibt, das sich mit aller Kraft gegen den Tod zur Wehr setzt. Und ich durfte dem Entsetzen KEINE SEKUNDE NACHGEBEN sondern mußte es ohne jedes Innehalten augenblicklich zu Ende bringen.
 
Zum Glück hab' ich das hinbekommen - aber es war, als würde ich selbst dabei sterben. Noch jetzt wird mir ganz anders, wenn ich mich erinnere. Mein Körper hatte offenbar die maximal mögliche Adrenalindosis ausgeschüttet - ich war in Schweiß gebadet, innerlich völlig "leer", unfähig, mich noch zu rühren, ein Gefühl, als wäre die Welt stehengeblieben. War sie ja auch, für die Katzen.
 
Seither weiß ich, was das "sterben lernen" in verschiedenen Übungswegen, z.B. im Yoga, eigentlich meint: zu Lebzeiten nicht nur den psychischen Verlust von allem, woran man als Mensch hängt, vorweg zu nehmen (zu "üben") - sondern auch den physischen Körper dazu zu bringen, sich dem anzuschließen, um in völliger Einheit von Psyche, Körper und Geist in Hingabe und Gelassenheit abtreten zu können, wenn es soweit ist.
 
Ich fände es richtig, wenn jeder, der ein Steak genießt, einmal im Leben eine Kuh schlachten müßte. Wahrscheinlich würde ich darauf verzichten - aber nach einigen fleischlosen Monaten würde ich ein Huhn töten.
 
Zwei Tage später hat übrigens ein Hund die anderen beiden Katzenjungen gefressen. Meine Einmischung, vorgeblich zur Wahrung des ökologischen Gleichgewichts, war völlig überflüssig gewesen.

 

29:05:00 Netzgespräche

Je länger ich "am Stück" webdesignerisch arbeite, noch dazu am selben kommerziellen Projekt, ergreift mich das heftige Verlangen, zu schreiben. Nicht zu einem bestimmten Thema, sondern einfach nur schreiben.
 
Nun ist Schreiben auch nicht mehr das, was es vor dem Netz war. Die längsten Diary-Artikel zum Beispiel sind auch gleich das maximale an Textlänge, was ich heute noch zustande bringe. Ein Gewinn, wie ich finde. Schließlich verfasse ich keine Sachbücher und Gebrauchsanweisungen und schaffe auch kein "Werk", mein Schreiben ist vor allem kommunikativ.
 
Und das ist ein Problem! Wird sogar immer problematischer, je mehr Gesprächsebenen ein Thema durchwandert, während ich an ihm "klebe". Es beginnt zum Beispiel im Diary mit Das andere Netz - und weil ich weiß, daß Polemik einen höheren Unterhaltungswert hat, als meine üblichen besinnlichen Betrachtungen, poste ich die URL auch in die Liste Netzliteratur. Dort entspinnt sich ein Gespräch darüber, das mich zur Fortsetzung Der dunkle Anzug inspiriert - woraufhin sich in der Liste erneut ein paar Leute am Thema entzünden. Darunter ein besonders spritziger Schreiber, der unverhofft beginnt, mir [privat] weiterzumailen, in der nicht falschen Annahme, das Thema sei dort eher offtopic.
 
Nun entspinnt sich ein erstaunlich witziger und spannender Mail-Dialog (der Mensch schreibt auch bei ZYN), der in großen Teilen für die Liste interessant wäre, aber auch für die Diary-Leser. (Fun & Tiefgang gibt's echt selten!). Der Mail-Dialog entfaltet sogleich die ihm eigene Dynamik: Wie immer beginnt es linear, unter Zitierung der jeweiligen Passagen des anderen - doch bald schon gerät dieses Vorgehen an die Grenze. Eine Mail, die hintereinander weg 15 Themen berührt und ausgedruckt zwei Seiten lang wäre, kann ich zwar bestens lesen, aber nicht mehr sinnvoll beantworten. Es würde ja alles immer länger werden, da zu den 15 Themen Rede- und Gegenrede weitergeht, aber auch jeder NEUE Themen einbringt.
 
Geplättet halte ich ein, picke mir schließlich einfach Punkte heraus, die mich gerade ansprechen und sende eine "Ein-Thema-Mail". Das Festhalten an Linearität und Ganzheit ist beim Mailen eher hinderlich. Mail fällt von selber in Hypertext-Teile auseinander.
 
Wie aber so eine Kommunikation abbilden?`Um z.B. anderen Gelegenheit zu geben, einzusteigen? Maildiskussionen und Dialoge linear im Web abzubilden, hab ich schon ausprobiert. (Beispiel: Selbstdarstellung im Web). Es ist mühevoll zu lesen, irgendwie nicht "mediengerecht". Einen logisch-korrekten Hypertext zu erstellen, indem der Kommentar an's entsprechende Textteil gelinkt wird, Antworten dahinter, wäre möglich, entspricht allerdings nicht dem Erleben, das ja "angesichts der anderen Texte" stattfindet.
 
Ein Versuch, sowas im größeren Rahmen zu organisieren, war das Webgespräch. Ich forderte Freunde auf, zu meinem Starttext etwas zu schreiben und an einer beliebigen (passenden!) Textstelle anzulinken (ihr Text blieb auf IHREM Server). Den Link mußte ICH setzen, sonst nix. Und an SEINEN Text konnte ich wieder anlinken, oder andere, die wir dazu einluden.
 
Das ging eine Zeit ganz gut - aber leider sind Server für Netznomaden flüchtige Behausungen und schon bald bekam das Netz Löcher. Unangenehm auch, dass der ÜBERBLICK fehlte und man nicht merkte, wenn ein neuer Beitrag dazukam. Ich gründete also eine begleitende Mailingliste, wo wir uns die URLS mitteilten - sie war NICHT zum plaudern, das Gespräch sollte allein im Web laufen - etwas sorgfältiger als in den Listen, Leser-freundlicher. Die Sache fand dann ein übles Ende, als eine Teilnehmerin den Sinn der Liste ignorierte und Streitigkeiten aus einer anderen Liste (wo sie gerade zwangs-unsubscribiert wurde) ausgerechnet HIER zum Thema machen wollte. Es waren halt Leute da, die auch in der Streit-intensiven Liste mitschrieben, also fühlte sich die Frau so frei, den großen Rest zu ignorieren, bzw. allen dieses sachfremde Thema aufzunötigen. Nach mehreren Abmahnungen hab' ich sie technisch blockiert - für mich war das das emotionale Ende dieses Projekts. Einige Seiten stehen natürlich noch herum, ein Mitschreibprojekt ist nicht einfach zu "terminieren".
 
Es reizt mich ungeheuer, neue Versuche in der Richtung zu machen - NOCH MEHR als bisher auf die Form achtend, noch weniger duldsam gegenüber Störungen jeder Art. Und eigentlich will ich auch vom reinen Text weg, Bilder sollten Teil der Sache sein. Wer Leute kennt, oder URLS zum Thema weiß, möge mir mailen.

 

27:05:00 Der dunkle Anzug.

Meine kleine Hetzrede von gestern hat so manchen bewegt: Die "Herren mit den grauen Seelen in den grauen Anzügen" provozierten Widerspruch: Nicht etwa wegen der Seelen, sondern wegen des Anzugs. Wie ich nur so pauschal urteilen könne, es gebe doch immerhin Männer, die ihr Arbeitsleben nachweislich in Jeans & Jogging-Anzug verbrächten! Und schließlich hätten heute zumindest bei einigen Internet-StartUps Frauen das Sagen, die im "kleinen Schwarzen" herumlaufen. Ob das besser sei? Weiß ich nicht, müßte ich sehen. Jede "Uniform" finde ich seltsam, vor allem, wenn sie sich so lange hält, wie der typische dunkle Anzug des Businessman.
 
Dieser Anzug geht auf den berühmten Dandy "Beau Brummel" zurück, der Anfang des 19. Jahrhunderts in den Londoner Clubs mit der neuen SCHLICHTEN dunklen Kluft Furore machte. Vorher hatten sich Männer nämlich als bunte Paradiesvögel gekleidet, mit schillernden Stoffen, Kniehosen, Troddeln und anderen auffälligen Verzierungen - inklusive Perücke und Schönheitspflästerchen!
 
Brummel hat die Revolution der männlichen Kleiderordnung angeführt: SCHLICHT und EINFARBIG war jetzt angesagt. Als kleinen Trost über soviel Verlust an Sinnlichkeit hat er gleich die Krawatte mit erfunden, allerdings nicht in heutiger Form, sondern in Gestalt eines täglich anders und besonders SCHWIERIG zu bindenden Halstuches - die halbe Welt versuchte, ihn zu kopieren - aber er war einfach BESSER. Und die Upper Class konnte in der neuen Kluft dem aufkommenden Industriezeitalter beruhigt ins kalte Auge sehen.
 
Das ist nun schon ein paar Tage her. Nix gegen Brummel, zu seiner Zeit war er gewiß ein Bringer. Aber daß im Jahr 2000 noch immer das gut geschneiderte, aber optisch karge "Gentleman-Outfit" eines Joschka Fischer als das Non-Plus-Ultra verantwortlicher Männlichkeit angesehen wird, ist doch komisch! Wir sind doch mitten im "Infozeitalter", RIESIGE UMWÄLZUNGEN allüberall, das frei wählende, sich selbst als Projekt kreierende INDIVIDUUM ist die Vorgabe, von der mensch heutzutage ausgehen soll - oder doch nicht? Man schaue nur in eine Bank, eine Vorstandsitzung, eine Tagung des Unternehmerverbands: grau in grau und schwarz hocken sie nebeneinander und erinnern an die "Zeitdiebe" aus Michael Endes "Momo"!
 
Was bedeutet das? Das, was Uniformen schon immer bedeutet haben: Unterwerfung des Individuums unter eine Sache bzw. Funktion, eine symbolische, aber auch körperlich fühlbare Einschränkung, die von außen kommt. Der Mann soll zielgerichtet seine hochwichtigen Aufgaben im Auge behalten und weder Geist noch Emotionen an seine Klamotten verschwenden. Meist hat er das so intus, daß es auch beibehalten wird, wenn er aus den "Aufgaben" herausfällt - dann droht die vollständige ästhetisch-sinnliche Verwahrlosung im Jogging-Anzug oder ähnlichen No-Outfits.
 
Und die Jungen? Die Mens-Health- und Fit-for-fun-Generation? Ja, da ist Fortschritt, da gibt es Banker, die zum dunklen Anzug den Ohrring oder das Piercing in der Augenbraue tragen, geil! Leider begreifen jüngere Männer den eigenen Körper für mein Empfinden oft zu sehr als Projekt und builden sich einen Body, der evtl. gar nicht zu ihnen paßt. Wieder ist es nicht die individuelle Lust, die Freude am Styling, sich-verwandeln, spielerisch inszenieren - sondern mit aller Power werden Muskeln aufgebaut und "definiert" - das ergibt dieses typische Orang-Utan-Übergewicht am Oberkörper, von dem Männer offenbar seit Batman & Superman träumen. Und wenn's die Arbeit gebietet, wird das natürlich in den dunklen Anzug gezwängt....
 
Was ist mit den Frauen? Auch ihnen wird verstärkt vorgeschrieben, wie eine Büro-kompatible Kluft auszusehen hat, wenn sie aufsteigen wollen. Doch nie gerät das zur Männer-typischen Eintönigkeit - warum nicht? Ich vermute, weil Frauen in verantwortlicher Arbeit von vornherein sach-orientierter sind, rationaler und konsequenter, es bedarf keiner "symbolischen Unterwerfung" durch die Kleiderordnung. Allerdings NUR, wenn sie selbst sich mit der Aufgabe identifizieren, sie zur "eigenen Sache" machen können - wo das nicht funktioniert, hilft auch keine Uniform. Frauen fühlen sehr viel weniger den inneren Zwang, den Normen irgend einer PeerGroup zu entsprechen und entziehen sich gnadenlos, wenn ihr inneres Engagement erlischt.

 

26:05:00 Das andere Netz - kleine Hetzrede zur Internet World

Nun ist also die Internet-World in Berlin - und ich bin wieder nicht dort. Wenn ich so die ersten Artikel lese, die dazu erscheinen, sehne ich mich auch nicht ein Stück danach: Dieses intensive Kreisen um E-Commerce - sei es nun mittels Shopping-Malls oder mit "Content" - ödet mich mehr und mehr an. Und nicht etwa aus Ressentiment gegen die Wirtschaft, schließlich bin ich seit 1997 an vielen Stellen FÜR eine intelligente Kommerzialisierung eingetreten. Es schien mir immer etwas blöde, zu erwarten, jemand werde jahrelang "aus Engagement" eine gute Website mit aufwendigen Services pflegen, ohne je eine Mark damit zu machen. (Kontinuität muß bezahlt werden, denn an sich ist das Individuum sprunghaft). Die Puristen, für die das Reich der Sünde beginnt, wenn sie irgendwo ein Werbebanner sehen, erschienen mir als Relikt einer fernen Vergangenheit, in der man noch von "Konsumterror" sprach - lang ist's her.

Doch wenn ich jetzt sehe, mit welcher Inbrunst die "New Economy" gefeiert wird, wie geistig flach die spät Erwachten aus Politik und den oberen Etagen der Wirtschaft nun ihre Lobgesänge auf die "Fantasie" ablassen, kommt mich das große Gähnen an. Die Rede von den UNGEHEUREN UMWÄLZUNGEN, die darin bestehen sollen, daß ich nun ein Produkt per Mausklick erwerbe, das ich bisher im Laden oder im Versandhandel gekauft hätte, läßt vor allem Schlüsse auf die begrenzte Fantasie der Redner zu. Vielleicht haben sie ja was im Kopf, aber ihr Herz ist eine Wüste Gobi, ihre Kreativität ist lange schon wegdelegiert und was das Netz angeht, sind sie ahnungslos wie eh und je, weil sie es nicht SELBER NUTZEN.
 
Wieviele Millionen und Milliarden in den Sand gesetzt werden, weil Ahnungslose mit noch Ahnungsloseren Luftnummern schieben, will ich gar nicht wissen. Was soll's auch, Geld soll schließlich FLIESSEN, horten wäre eher schädlich. Aber die Beschränktheit, die die blosse Orientierung auf Kaufen & Verkaufen, Besucherzahlen und Aktienkurse mit sich bringt, diese volle Ignoranz bezüglich menschlicher Interessen, die darüber hinaus gehen, stimmt mich gelegentlich traurig. Geboren werden, Mausklicken erlernen, ein bißchen einkaufen und sterben - ist es das, was sie meinen, wenn sie das Wort "Fantasie" in den Mund nehmen?
 
Genug davon. Warum soll ich mir Gedanken über Männer mit grauen Seelen in grauen Anzügen machen? (Seit Anfang 19. Jahrhundert tragen sie übrigens im Prinzip diesselben Klamotten! Muss man sich mal vorstellen! Fantasie... ha!) Schließlich kenne ich das "andere Netz", das ihnen wahrscheinlich lebenslang nicht begegnen wird:  

Wie armselig und menschlich bedauernswert, angesichts der UNGEHEUREN UMWÄLZUNGEN, die dieses "andere Netz" für unser Miteinander und unsere individuellen Möglichkeiten bedeutet, auf die Anhäufung von Dollars fixiert zu sein! Und nicht einmal kommerzielle Erfolge sind sicher, wenn man das andere Netz ignoriert: Man denke nur an die lächerlichen Versuche, zur reinen Verkaufsförderung "Communities" per Software zu erzeugen oder die soundsovielte schlecht kommentierte Linkliste als "hoffnungsvollen StartUp" an die Börse zu bringen!
 
Wann immer "das grosse Geld" die Hauptmotivation eines Engagements ist, geht das Projekt mit tödlicher Sicherheit am Ziel vorbei: das HERZ des "Kunden" anzusprechen, der schließlich zwischen unzähligen Produkten wählen und für "herzlose Geschäfte" auf unbestechliche Preisvergleichsseiten zugreifen kann. Viel Spaß beim Dumping! Laßt es Euch gutgehen auf den Pappmöbeln, die den Shareholder Value Eurer Unternehmen schützen - und wenn Ihr mal krank (oder gar ALT!) werdet, oder keinen Bock mehr auf das Rattenrennen habt: Das andere Netz ist immer da....
 

 

25:05:00 Strato-Frust

Wenn ich 'was wirklich hasse, dann ist es die Beschäftigung mit Behörden, Papierkram jeder Art, Rechnungen, Aufträge, Steuer sowieso - und nun geht's auch im Internet nicht mehr ohne, ein Elend!
 
Da mailt mir doch gestern mein heißgeliebter Provider Fundinger, XLINK habe seine KK-Anträge zur Übernahme meiner STRATO-Domains ABGELEHNT!!!! Ja, ich hab' die Nase gestrichen voll von STRATO, wo meine Domains claudia-klinger.de, flusser.de, gottesgabe.de und schloss-gottesgabe.de liegen! Die ständigen Ausfälle des Servers nerven, besonders im Diary - schließlich sollte der Leser bei einer (fast) täglichen Publikation diese auch antreffen können, wenn ihn untertags das Verlangen nach digital diary überkommt. Nach langem Zögen schickte ich also vor einer Woche das Kündigungsfax an Strato 'raus, mit dem dezenten Hinweis, daß ich meine Webpräsenzen professionell nutze und auf einen REIBUNGSLOSEN ABLAUF angewiesen bin. In den Wind geschrieben, klar, bei Strato ist Hopfen & Malz verloren. Und XLINK lehnt einfach erstmal alle KKs ab, die sich auf Strato-Domains beziehen, weil auch die Leute bei XLINK über alle Maßen gefrustet sind und Strato gern in die Tonne treten würden.
 
Wie lange dieser Chaos-Laden wohl noch existieren wird? Ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das mit viel Geld und Technik-Einsatz etabliert wurde, aufgezogen von Leuten, die schon anderwo erfolgreich gewesen waren. Mit riesigen Marketing-Kampagnen wurde der hinterletzte Metzgermeister gelockt, doch "die Visitenkarte im Netz" zu buchen und Strato stieg zum ALDI des hiesigen WWW auf. Aber spätestens seit dem Verkauf an die Teles AG ist der Wurm drin - offenbar haben die neuen Herren nie begriffen, daß so ein Unternehmen nicht nur aus WORTEN auf Hochglanzprospekten besteht, sondern intensive Weiterentwicklung, viele engagierte Leute und ständige Anpassung der Technik an den zunehmenden Traffic benötigt. Statt sich zu kümmern, verdarben sie es sich schnell und nachhaltig mit allen: den Kunden, den Mitarbeitern und den Geschäftspartnern, wie z.B. XLINK.
 
Ich bin lange vor der Kündigung zurückgeschreckt, gerade WEIL ich weiss, dass bei Strato nie etwas problemlos funktioniert. Aber mittlerweile hab' ich gemerkt, daß meine Skepsis gegenüber diesem Laden auch Auswirkungen auf die Pflege meiner Domains hat: auf einem Strato-Server ist nur "Dienst nach Vorschrift" zu verantworten, jedes engagierte Setzen von Highlights, jedes Ausprobieren neuer Features ist doch für die Katz, wenn auf der anderen Seite ein unzurechnungsfähiger Provider sitzt, bei dem kaum ein Mensch Ahnung hat, von was man spricht, und wenn ausnahmsweise doch, dann klappt das "weitersagen" nicht, es geschieht einfach nichts - WORTE sind verdammt noch mal nicht alles!

 

23:05:00 Cyber-Side of Life: eine Inspektion

Der letzte ernsthafte Versuch, meine Webseitenlandschaft "in den Griff zu bekommen" ist lange her: Ende 1998, nachdem ich mich mit dem Projekt Glück aus den festen Rubriken und geschachtelten Framesets des magazinartigen Missing Link befreit hatte, unterzog ich das Ganze nochmal einem Relaunche. Alles sollte auf ein "zeitgemäßes" Webdesign angehoben und mit einer durchgängigen Navigation versehen werden. Ja, sogar sowas wie eine Art Klinger-CI sollte von allen Seiten ausstrahlen....
 
Es war eine Riesenarbeit und dann war Schluß damit. Zwar entstanden weiterhin neue Seiten und kleine Projekte, doch die ordnete ich "ohne Plan" einfach irgendwo zu. Ja, langsam vergaß ich sogar manche Verzweigung meiner Landschaft, ein Gesamtverzeichnis gab es sowieso nie. In dieser Zeit meldete ich die Domain claudia-klinger.de an und setzte eine Startseite dorthin, die lediglich ein paar Projekte locker listet, die mir wichtig waren oder noch sind.
 
Der eigene Name
 
Den eigenen Namen für eine Website zu verwenden war mir erst in den Sinn gekommen, nachdem ich bemerkt hatte, daß keines der Projekte, die ich mit soviel Elan ins weite Web stellte, in der Lage war, meine Just-for-Fun-Webbereien für längere Zeit zu bündeln. Immer nervten mich schon bald die selbst geschaffenen Strukturen und Design-Elemente und ich baute lieber etwas ganz Neues, wieder einmal anderes. Dann jedes Mal den alten Kram "mitzuziehen" geht, solange es nicht zuviel ist, aber dann... forget ist!
 
Doch war da immer eine deutliche Scheu, den eigenen Namen "als Marke" zu verwenden. Deshalb ging ich nie soweit, claudia-klinger.de ernsthaft zu gestalten, "versteckte" mich lieber hinter Projektnamen und Site-Titeln, denen man nicht auf den ersten Blick ansieht, daß sie "nur" von mir sind. Sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, gilt schließlich als egozentrisch und exhibitionistisch - ob die "Generation ICH", die der SPIEGEL gerade auslobt, das ändern wird, weiß ich nicht, jedenfalls wird mich nichts von dieser Prägung befreien.
 
Als ich neulich mal quer durch die Vergangenheit gesurft bin, ausgehend von Links auf alten Projekten, stellte ich fest, daß alles voller "Webleichen" steht: Ungepflegte Projekte, die auf den ersten Blick groß 'was hermachen, doch dann stellt sich heraus, daß der letzte Eintrag von 1/98 stammt und die Hälfte der Links nicht mehr funktioniert. Es ärgerte mich - bei den eigenen Webleichen genauso wie bei denen anderer - denn es ist eine Unverschämtheit, die Neu-Besucher, wenn sie denn schon mal im NoCommerce-Web gelandet sind, derart zu frustrieren! Und mir wurde bewußt, wie lange ich schon mit dem Gefühl lebe, daß ein Teil meiner Cyber-Existenz dabei ist, langsam in Fäulnis überzugehen.
 
Trotzdem war ich bis heute nicht willens, daran etwas zu ändern. Neben der Unmöglichkeit und Unsinnigkeit eines "Gesamt-Relaunches" hatte ich nämlich keinerlei Idee, die mich wirklich motiviert hätte, da nochmal Hand anzulegen. Bezüglich nicht-kommerzieller Seiten besteht ja keinerlei Zwang mehr, sie designerisch zu modernisieren, sobald genug Auftragsarbeiten als Referenzen zur Verfügung stehen.
 
Löschen?
 
Der ketzerische Gedanke schoß mir öfter schon durch den Kopf. Warum sollten nicht auch Webseiten sterben? Warum staue ich mehr und mehr auf meinen Servern an? Ist es nicht eine Illusion, daß das Netz ZEITLOS ist? Hat man nicht ständig das Gefühl: "ach, da kann ich auch morgen oder nächste Woche noch hingucken", weil es selbstverständlich ist, daß alles "immer da" ist? (Und das, obwohl Webseiten erfahrungsgemäß oft verschwinden, bzw. nicht mehr gefunden werden.)
 
Was mich vom Löschen bis heute abgehalten hat, ist die Tatsache, daß ich ökonomisch (ganz) und sozial (weitgehend) vom Netz abhänge. Ohne eine Alternative, die die Funktion meiner Weblandschaft übernimmt, kann ich nicht löschen. Es war mir immer sehr recht, keine "richtige" kommerzielle Site gestalten und pflegen zu müssen: so eine artifizielle Webdesigner-Strecke, auf der man seine Dienstleistungen anpreist und Künste vorführt. Mit dieser Methode ist man eine/r unter Hunderttausenden und zieht womöglich Kunden an, die das "billigste Angebot" wünschen oder nach jemandem suchen, der ihre Vorstellungen 1:1 ins Web stellt - nicht mein Ding. Wer mich engagiert, muß eine Klinger-Site wollen. Ich kann nicht anders, als mich sehr tief auf das neue Projekt einzulassen, fast so, als wäre es ein eigenes. Die Kompromißfähigkeit ist dadurch naturgemäß beschränkt.
 
Wer sich also ein "Bild von mir" machen will, weil ein Auftrag oder eine Kooperation ansteht, stöbert durch meine NoCommerce-Seiten und stellt an den Inhalten, den Formen, den Texten und Bildern eher emotional als rational fest, ob ich die Richtige bin. Und das ist GUT SO.
 
Trotzdem: es tut mir seit ein paar Wochen echt in der Seele weh, alles so zu lassen, wie es ist. Seit kurzer Zeit weiß ich auch, WAS ich verändern werde: keine Scheu mehr vor dem EIGENEN NAMEN. Nur er gibt mir die Freiheit, mich ständig zu verändern und doch "diesselbe" zu bleiben, bzw. ortbar zu sein.
 
Wie wird sie sein, meine neue Homepage? Wird es eher Abriß & Neubau oder Instandsetzung & Modernisierung? Auf jeden Fall werde ich ZEIT erlebbar machen - und verstärkt nur Dinge ins Web stellen, die auf die kurze Spanne Aufmerksamkeit setzen, die ein normaler Surfer bereit ist, einer Website zu widmen. Das aber mit aller Power...
 
Vor jeder größeren Veränderung ist eine Bestandsaufnahme ein guter Einstieg. Eigentlich wollte ich gestern Nacht schon eine Konzeption der neuen Site machen, doch dann ist es ganz automatisch zu einer "Site-Map" geworden, die erst einmal alles verbindet, was da ist und nicht ganz laut nach "löschen" schreit. Alte, aber erhaltenswerte Sachen bekommen explizit ein MUSEUM.
 
Wer mag, kann mal gucken - fast alle in der Map erwähnten Seiten sind funktionierende Links. Ich bin selbst erschüttert von der Menge....
 

 
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