. . . Holz hacken - Wasser holen - schreiben - Webseiten bauen. . . Digital Diary - Claudia Klinger


Mitten im Matsch: Ätsch! Eine Blume. Rein und scharf - zaubert Erwachen.
Zwei Augen schauen dich an
31. Juli, 2003

Etwas unternehmen: Schreibimpulse.de

Während "Fit for Fun" die Langsamkeit entdeckt und Anleitungen für "eine Stunde Nichts-Tun" unters Volk bringt, schwingt das Pendel bei mir in die andere Richtung: RauslinkSchreibimpulse.de verändert mein Leben, vor allem meine Arbeitsweise, die bisher von einer gewissen Gemütlichkeit gekennzeichnet war. Von früh bis spät bin ich nun "busy" und die Frage "Was tun?", die mich inmitten der 10.000 Dinge immer wieder einholte, ist verschwunden. Ich könnte mich locker verdreifachen und alle drei Vollzeit beschäftigen - und zwar mit Freude!

Nach acht Jahren Freiberuflerinnen-Dasein mit Dienstleistungen für Andere entsteht - endlich - das erste eigene, ernst gemeinte "unternehmerische" Projekt. Seit langem schon war ich nicht mehr damit zufrieden, die Aktivitäten anderer möglichst ansprechend ins Web zu bringen. Das "immer Neue" dieser Aufträge, das meiner Sprunghaftigkeit entgegen kam, befriedigte immer weniger: Planen, aufbauen, selten mal ausbauen - als würde ich ein Haus ums andere schlüsselfertig errichten, aber selbst noch auf der Wiese campen. Jetzt baue ich an einem eigenen "Home", etwas, das bleiben soll, in das all meine Erfahrungen einfließen können: mit Menschen, mit dem Schreiben und Gestalten, mit dem Netz und mit all den Techniken und Methoden, die man braucht, um sich darin zu bewegen wie ein Fisch im Wasser.

Ich schaue auf die Intro-Seite meiner neuen Domain und fühle Spannung, Abenteuer, Lust auf Zukunft. Zwar gibt es erst zwei Seiten, wo die Besucher Infos bestellen können, doch brachten mir schon diese das befriedigende Gefühl: HIER kann ich endlich tun, was MIR gefällt! Es muss nicht alles aussehen wie die 100.000 Portale, die ich mit jedem Mausklick antreffe. Es muss auch nicht gleich alles fertig sein, warum sollte ich den Prozess des Werdens verschleiern? Webseiten WACHSEN, und das ist wunderbar so! Und ich werde mir heraus nehmen, nicht überall alles gleich aussehen zu lassen. Oh ja, ich weiß, der Surfer und die Surferin sollen nicht "verwirrt" werden, ich kenne die Argumente rauf und runter, die es verhindern, das mal ein Navigationselement an anderer Stelle sitzt, die es sinnvoll erscheinen lassen, dass die Webseiten selbst zu reinen Content-Containern werden - genau wie Wohnungen meistens in Raufaser weiß gehalten sind, weil nur der Inhalt zählt.

Alles richtig - aber nicht immer und überall. Als ich mal angedroht hatte, in Zukunft dieses Diary in der Art eines "Blogs" zu führen, um endlich auch "mediengerechte Kürze" hier umsetzen zu können, kamen gleich besorgte Lesermails: "Bitte nicht! Wir mögen diese langen Artikel!". Ja, ich mag sie auch - es hängt eben nur beiläufig vom Medium ab, wie lange meine Texte werden, vordringlich ist der Schreibfluss und das Interesse der Lesenden, diesem Fluss zu folgen. Ich fühle mich im Moment ganz wunderbar zurück versetzt in die ersten Netzjahre, als noch alles möglich schien, als man mit Webseiten spielte und experimentierte und weder "Disclaimer" noch Abmahnanwälte ein Thema waren, sondern allein die Frage: Ist es schön? Macht es Freude? - den Kreativen genauso wie dem Publikum, das man sowieso immer gern zum Mittun anregen wollte.

Schon über 90 Menschen interessieren sich für Schreibimpulse.de und haben Infos bestellt. Ich bin entzückt - und ganz schön in Bewegung versetzt! Am Sonntag fahre ich nach Wiesbaden, wo meine "Restfamilie" lebt, um am Montag in Frankfurt den Programmierer zu treffen, der die technische Seite der Kurse entwickelt. Wir "kennen" uns schon ein paar Monate per E-Mail und per Telefon, doch um einen endgültigen Zeitplan mit Starttermin für die ersten beiden Kurse festzuklopfen, will ich ihm face-to-face gegenüber sitzen - und er mir, schließlich benötigt er meine Zuarbeit ebenso wie ich die seine. Er war einer derjenigen, die sich gemeldet hatten, mir dieses Diary zu "automatisieren", so dass es über Eingabemasken fortgeschrieben werde kann, ohne auch nur einen HTML-Tag zu Gesicht zu bekommen. Das wird er nun auch tun, denn bereits jetzt gibt es Interessenten, die genau so ein Diary für sich wollen - in Zukunft wird man es dann also erwerben können: kaufen und/oder mieten, entweder in einem Standard-Outfit ODER mit einer von mir ganz persönlich individualisierten Oberfläche.

Es fasziniert mich, wie jetzt alle gelegentlichen Ideen, was "man tun könnte" in konkretes Handeln einmünden. Anders als bei den sporadischen Netzliteratur- und Webkunstprojekten der Vergangenheit erscheint mir alles viel WIRKLICHER. Wer für ein Angebot zahlen soll, kann Verbindlichkeit, Sorgfalt und Qualität erwarten, verlässlich und kontinuierlich. Das erschafft auf meiner Seite eine andere, dichtere Realität als diejenige der geschenkten Gäule, denen man tunlichst nicht ins Maul schaut. Bindungen hab' ich lange vermieden, auf die zeitlich begrenzten Einsätze für meine Webdesign-Kunden beschränkt. Dass mich das selber nicht frei machte, sondern mein eigenes Handeln begrenzte, wird mir in diesen Tagen klar.

Diese Erkenntnis ist keine "Wahrheit", die man besser früher als später heraus findet, sondern eine, zu der ich erst bereit sein muss, bevor sie für mich "wahr" ist. Und wie es aussieht, ist es jetzt soweit.

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Ich sitze vor einem McDonalds an einer großen Autostraße. Der Verkehr braust, ein bisschen Staub ist in der Luft. Die kastenartigen Einkaufszentren, die in dieser Berliner Randlage herum stehen, lassen jeden Gedanken an "gewachsenen Stadtteil" vergessen, Auf den Tischen stehen die Tabletts mit leeren BigMac- Kartons, nachlässig gekleidete Menschen schieben sich Pommes in den Mund, quetschen mit fettigen Fingern die kleinen Mayo-Tüten bis zum Letzten aus. Die Sonne scheint.

Wie faszinierend, hier zu sitzen! Eine Welle großen Glücks ergreift mich: alles ist gut, wie es ist - ich kann ÜBERALL sein, bin selber die Lichtung, der tonlose Ton, der all dies zu einem Wunder macht. Kein Genörgel, keine Kritik, kein Bedürfnis, anderwo zu sein, im Grünen zum Beispiel. Alle Eindrücke gehen durch mich hindurch, nichts hakt sich fest, kein Widerstand, kein Empfinden von "so nicht!". Keine Sehnsucht. Ich spüre den Atem, die Beimischung von Staub und Benzin - es riecht interessant. Ja, auf eine eigentümliche Weise ist alles, was ich sehe, interessant und spannend, ein amerikanischer Film, in dem ich die Hauptrolle spiele UND das Drehbuch schreibe.

"Die Autos fahren alle in den Himmel!" sagt das Kind im Bus, der mich Richtung U-Bahn fährt. Ich folge seinem Blick und sehe es auch: dreispurig in beide Richtungen verliert sich die Straße am Horizont im Nichts - JA, sie fahren alle in den Himmel!

Claudia Klinger, 31.07.2003

Zwei Augen schauen dich an
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