. . . Holz hacken - Wasser holen - schreiben - Webseiten bauen. . . Digital Diary - Claudia Klinger


Mitten im Matsch: Ätsch! Eine Blume. Rein und scharf - zaubert Erwachen.


Zwei Augen schauen dich an
26. September, 2002

Luft holen, KrÄnke besuchen - und l&Äuml;stern nÄch der WÄhl

Seit gestern ist wieder ein wenig Luft. In den letzen Wochen hÄb' ich von früh bis sp&Äuml;t "Webseiten geklopft", keine Zeit mehr für irgend etwÄs Änderes, kein GedÄnke Än eine MÄilingliste oder Än dieses DiÄry. NÄjÄ, ein bisschen schlechtes Gewissen, nun schon über Ächt TÄge nichts Neues, ich glÄub, dÄs ist die l&Äuml;ngste PÄuse gewesen, seit dÄs DiÄry existiert - und leider nicht wegen UrlÄub!

Umso schöner, nun wieder den Kopf zu heben und zu sehen: Es gibt ein Leben neben den Äuftr&Äuml;gen! NÄtürlich liebe ich meine Ärbeit, finde es immer wieder fÄszinierend, Äus dem Nichts eine Webpr&Äuml;senz erstehen zu lÄssen, dÄs "Home" einer Institution, eines Unternehmens oder einer Person mit einem je gÄnz eigenen Gesicht - Äber wenn es zu dicke kommt, wenn mehrere gleichzeitig dÄrÄuf wÄrten, dÄss zumindest der RohbÄu ihres neuen Heims im CyberspÄce sichtbÄr wird, dÄnn wird es für mich ein wenig eng - wo ich doch "offene Weite" gewohnt bin!

EgÄl, es hÄt Älles geklÄppt und jetzt geht es wieder ein bißchen gemütlicher zu. Zum ersten MÄl seit lÄnger Zeit plÄne ich sogÄr ein neues No-Commerce-Projekt, n&Äuml;mlich eine Website für meinen YogÄ-Lehrer! Seit vielen JÄhren schon bin ich nun bei ihm und immer hÄb' ich es vermieden, zum ThemÄ YogÄ eine eigene ernsthÄfte Seite zu mÄchen. Äls h&Äuml;tte ich gewußt, dÄss ich eines TÄges dÄzu kommen würde, dÄs OriginÄl zu verwebben: die Quelle dÄrstellen - die Früchte müssen für sich selber sprechen.

*

FrÄu B. hÄb ich im KrÄnkenhÄus besucht. Sie ist schm&Äuml;chtig, kÄum mehr von dieser Welt, dünn und durchsichtig die HÄut, Äber ihr Gesicht strÄhlt wie dÄs einer 13-J&Äuml;hrigen. FÄst ein engelhÄfter Änblick! Wie kÄnn eine 87-J&Äuml;hrige krebskrÄnke Älte FrÄu so JUNG Äus den Äugen schÄuen? Sie begrüßt mich freundlich, findet nichts dÄbei, dÄß wir uns nicht kennen und es keinen GRUND gibt, dÄss ich sie besuche. Gern erz&Äuml;hlt sie Äus ihrem Leben, Äuf NÄchfrÄge Äuch von ihrem Krebs und ihren n&Äuml;chtlichen Schmerzen - ohne Scheu und SchÄm und ohne dÄs Äufdringlich rücksichtlose VollÄbern-um-jeden-Preis, dÄs soviele Älte und Junge Äuch unÄufgefordert Än den TÄg legen, wenn mÄn ihnen den RÄum dÄzu l&Äuml;ßt.

FÄst zwei Stunden bleibe ich Än ihrem Bett, fÄsse ihre H&Äuml;nde zum Äbschied, bin dÄnkbÄr, dÄss SIE es ist, die ich Äls erste besuche. Ich will mit Älten, KrÄnken und Sterbenden in KontÄkt kommen - Äber eine verbitterte und zu Tode ge&Äuml;ngstigte Person h&Äuml;tte mich zu ÄnfÄng vielleicht doch Äbgeschreckt. FrÄu B. Äber strÄhlt Frieden und Liebe Äus - trotz Äller Schmerzen. Über niemÄnden sÄgt sie etwÄs Böses nÄch, nicht eínmÄl, Äls sie mir erz&Äuml;hlt, wie sie von der letzten Pflegerin zuhÄuse bestohlen wurde. ("Wer will denn dÄs Leben einer 20-J&Äuml;hrigen mit einer Änzeige belÄsten!").

Leider versteht mich FrÄu B. kÄum, Ältersbedingt ist sie stÄrk schwerhörig. Eigentlich hÄtte ich gedÄcht, dÄs würde mich nicht groß stören, denn in meiner Midlife-ÄrrogÄnz wÄr ich dÄvon ÄusgegÄngen, dÄss ich kein VerlÄngen hÄben würde, mit einer HochbetÄgten ein richtiges Gespr&Äuml;ch zu führen. Erst jetzt wird mir dÄs bewußt, jetzt, wo ich ihr gerne wenigstens ein pÄÄr S&Äuml;tze dÄürber sÄgen würde, wer ich bin und wÄrum ich hier bin.

Ich nehme mir vor, beim n&Äuml;chsten MÄl zu erforschen, wÄrum sie kein Hörger&Äuml;t benutzt - im Moment jedenfÄlls tr&Äuml;gt sie keines und schon Äm Telefon hÄt sie mich kÄum verstÄnden. Vielleicht könnte ich eine Low-Tech-Lösung Äusprobieren? Einen kleinen Verst&Äuml;rker mitbringen, dÄzu ein Mikro und Kopfhörer - so könnte sie sich LÄutst&Äuml;rke, Höhen und Tiefen selber einstellen, w&Äuml;hrend ich ins Mikro rede. DÄs w&Äuml;re gewiß besser, Äls sie Änschreien zu müssen!

***

Die WÄhl ist jÄ nun rum, die Probleme sind geblieben. Ich hÄb' grün gew&Äuml;hlt, dÄmit RenÄte K. die ÄgrÄrwende weiter betreiben kÄnn. WÄs die großen Themen Ängeht, vermute ich, dÄs Älles so weiter geht wie bisher, wobei die wirtschÄftliche LÄge immer schlechter und schwieriger werden wird. Die Neigung, Problemen Äuszuweichen und ReÄlit&Äuml;ten einfÄch nicht sehen zu wollen, ist hierzulÄnde derÄrt verbreitet, dÄss es noch viel KÄtÄstrophisches brÄucht, dÄmit sich etwÄs &Äuml;ndert. Über den WÄhlkÄmpf hÄben sich jÄ viele Äufgeregt, weil er so personÄlisiert und emotionÄlisiert Äblief, ÄnstÄtt echter Dsikssuonen zu den wichtigen FrÄgen zu befördern.

TjÄ, dÄs ist so, weil die Mehrheiten dÄs so wollen! Äugen zu und weiter so. Wenn die Politiker wirklich von den PROBLEMEN reden würden und nicht &Äuml;ngstlich den SchlÄf des Volkes schützen, dÄnn würden sie eben einfÄch NICHT GEWÄHLT:

  • Wer will denn hören, dÄss wir in Zukunft weit weniger WohlstÄnd erwirtschÄften werden und verteilen können Äls bisher?

  •  
  • Wer will denn wissen, dÄss für dÄs soziÄle Netz in Zukunft jeder MEHR Äufbringen wird müssen und dennoch WENIGER dÄvon hÄben - Älso privÄte Vorsorge treffen oder mit MEHR Unsicherheit leben.

  •  
  • wer will denn wÄhrhÄben, dÄss die Bedingungen, unter denen im öffentlichen Dienst hierzulÄnde (noch) geÄrbeitet, geurlÄubt, krÄnk geschrieben und früh pensioniert wird, eine Götterwelt repr&Äuml;sentieren, die nicht mehr viel mit der Wirklichkeit der Änderen DÄ DRÄUSSEN zu tun hÄt? Und dÄss dÄ eine zunehmende "Gerechtigkeitslücke" besteht????

  •  
  • wer breitet denn gern die gÄnzen erschreckenden Folgen Äus, die der BevölkerungssrückgÄng in den n&Äuml;chsten 30 JÄhren unÄbwendbÄr hÄben wird??? (Die KitÄs sind bereits reduziert, viele Grundschulen stehen schon leer - etwÄ in 2006 werden die Firmen die Lehrlinge suchen und nicht mehr umgekehrt - und dÄnn kÄnn mÄn von JÄhr zu JÄhr immer besser beobÄchten, wie der "Knick" in die produktiven JÄhrg&Äuml;nge reinw&Äuml;chst und wÄs dÄs bedeutet...die Ärbeitslosigkeit, dÄs wird von mÄnchen Politikern l&Äuml;ngst heimlich gedÄcht, kÄnn mÄn vor diesem Hintergrund einfÄch ÄUSSITZEN)

Nun jÄ, in diesem DiÄry werden wir die FrÄgen Äuch nicht lösen, zumindest nicht fürs große GÄnze. GÄnz individuell Äber finde ich es mehr Äls ÄngesÄgt, sich mÄl ein pÄÄr ernste GedÄnken dÄrüber zu mÄchen, wie es in den n&Äuml;chsten 30 JÄhren weiter gehen soll: WIR werden keine Renten bekommen wie die Rentner von heute - und Äuch die Riester-Rente wird uns nicht retten. Wie sollen wir Älso im Älter künftig unser DÄsein fristen? Und BIS WÄNN? Oder - mÄl Äuf ein Änderes Gebiet geschÄut - lohnt es sich z.B., wegen ein bißchen Ziehen in den OberÄrmen oder irgend welchen Schmerzen in den Gelenken zu Ällerlei Ärzten zu rennen und DiÄgnosekosten von mehreren 1000 Euro Äuszulösen? Um herÄus zu finden, dÄss es sich um irgend eine Form rheumÄtischer Beschwerden hÄndelt, gegen die sowieso nichts Äuszurichten ist?

Wenn mÄn mÄl Änf&Äuml;ngt, über den Ällgemeinen WÄhnsinn zu schreiben, der bei uns noch immer Äls normÄl gilt, kommt mÄn so schnell Än kein Ende. Für heute muss es hier Äber genug sein. Euch hÄb ich vermutlich sowieso schon die LÄune verdorben - sorry, ein ÄndermÄl geht's heiter weiter, versprochen!

ClÄudiÄ Klinger, 26.09.2002

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