Claudia am 12. September 2017 —

Mehr Demokratie: 50% reine Direktmandate!

„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ heißt es in Art.21 GG. Dass sie viel mehr tun als nur „mitwirken“ und dass es bei den vielen Themen, die im Bundestag verhandelt werden, bei weitem nicht immer „um die Sache“ geht, kennen wir zur Genüge. Fraktionswang, Ämterhäufung, mangelnde innerparteiliche Demokratie sind nur einige Kritikpunkte von vielen. Auch die „Abgehobenheit“ der Parteipolitiker wird vielfach kritisiert: Sie hätten den Bezug zum normalen Leben weitgehend verloren, heißt es. Was ja auch nicht wundert, denn so ein Politikbetrieb setzt eigene Prioritäten, die dann mehr und mehr das Denken und Handeln bestimmen, wenn man mal „drin“ ist.

Wie könnte man das ändern? Von der Idee vermehrter Volksabstimmungen in Sachfragen bin ich seit dem Brexit nicht mehr so begeistert wie früher: Zu extrem sind die Möglichkeiten, das „Bauchgefühl“ der Bürger mittels massiver Medienarbeit und anderen Formen der Einflussnahme zu manipulieren. Wir sind nicht die kleine Schweiz, die auf eine lange Tradition direkter Demokratie in den Kantonen und im Staat zurück blickt. Deren System ist nicht 1:1 übertragbar.

Aber wie wäre es mit 50% „reinen“ Direktmandaten? Also flankiert vom Verbot von Kandidaturen jener Menschen, die auch auf den Listen der Parteien stehen? Es hat mir nie eingeleuchtet, warum Listenplatz-Inhaber noch zusätzlich direkt kandidieren dürfen. Das kommt mir mehr wie eine Regelung vor, die dafür sorgen soll, dass die Dominanz der Parteien groß bleibt und so wenig Externe oder parteipolitisch weniger Integrierte wie möglich eine Chance bekommen.

Die 50% Direktmandate schafft der Bundestag bereits jetzt:

Aber eben nur mittels „doppelter“ Kandidaturen über Liste und den Wahlkreis.

Man müsste die Wahlkreise so zuschneiden, dass deren Anzahl der Hälfte der gewünschten Bundestagsmandate entspricht. Damit entfiele auch das leidige Thema der unkalkulierbaren Überhangmandate. Und man hätte im Ergebnis weniger Berufspolitiker, die über ihre Parteien „abgesichert“ sind, auch Parteilose hätten bessere Chancen, wenn sie sich nicht gegen populäre Politiker/innen antreten müssten.

Diese Regelung entspräche auch der GG-Forderung nach einer „gleichen Wahl“. Es ist nämlich nicht „gleich“, wenn den Listenkandidaten zwei Wege ins Parlament offen stehen, anderen aber nur der übers Direktmandat.

Da die direkt Gewählten alle vier Jahre erneut in ihrem Wahlkreis antreten müssten und somit weniger auf die „ewige“ Politikerkarriere zählen könnten, verspreche ich mir von einem solchen Parlament insgesamt mehr Bürgernähe.

Diskussion

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4 Kommentare zu „Mehr Demokratie: 50% reine Direktmandate!“.

  1. So wie es in diesem Jahr aussieht, wird die SPD überproportional von den Direktmandaten profitieren, denn mit Überhangmandaten werden fast 700 Abgeordnete erwartet. Das Ansteigen der Abgeordneten bei stagnierender Wahlbeteiligung, bzw. sinkender Stimmabgabe sehr ich als großes Problem an. Dazu werden die Mandate aller unter 5% gebliebenen Parteien anteilmäßig nach dem Wahlergebnis an Parteien verteilt, die diese Hürde übersprungen haben. Es sind also nicht die erzielten Prozente ausschlaggebend für eine Mehrheit, sondern die vergebenen Mandate. Alles nicht sehr schön.

  2. Das muss eben mit geändert werden. Deshalb schrieb ich:

    „Man müsste die Wahlkreise so zuschneiden, dass deren Anzahl der Hälfte der gewünschten Bundestagsmandate entspricht. Damit entfiele auch das leidige Thema der unkalkulierbaren Überhangmandate.“

    Aber zu erwarten, dass Abgeordnete / Parteien Änderungen beschließen, die ihnen unangenehm sind, ist wohl mehr als utopisch! Dafür müsste eine extra Kommission gegründet werden, in der alle gesellschaftlichen Kräfte und Schichten vertreten sind.

  3. Wahlen führen zu einer Volksherrschaft, bei der ein sehr, sehr kleiner Teil des Volkes über die anderen regiert. Es gibt, wie gehabt, wieder eine Elitenbildung, eine Wahl- statt einer Erb-Aristokratie.

    Der einfachste Weg gelebter Demokratie besteht darin, den
    angeblich mündigen Bürger selbst über seinen Geldbeutel entscheiden zu lassen statt ihm ungefragt das Geld aus demselben zu ziehen und immer neue Steuern zu erheben. Der Bürger hätte doch nur dann wirklich etwas zu melden, wenn er selbst entscheiden könnte, wieviel Prozent von seinem Einkommen er für staatliche Aufgaben zu geben bereit ist und wie diese Summe aufgeteilt werden soll, wieviel Prozent des Budgets also jeweils in Soziales, Bildung, Gesundheit, Verteidigung etc. fließen sollen.

    Solange der Bürger nicht frei über sein von ihm erwirtschaftetes Einkommen verfügen kann, kann man weder von Mündigkeit noch von Demokratie reden. Auch die Diskussion über die Mandatsverteilung lenkt nur davon ab, dass das Volk bzw. der Bürger nicht wirklich am politischen Prozess teilnimmt.

  4. https://fingerphilosoph.net/

    Im Prinzip ist ein Staatshaushalt ja nichts anderes als eine doppelte Buchführung. Was auf der einen Seite die Einnahmen sind, sind auf der anderen Seiten die Ausgaben, und die Aufgabe besteht darin, die Einnahmen und die Ausgaben zur Deckung zu bringen. Wie man das anstellt, ist egal. Im Jahr 2017 arbeitet ein durchschnittlicher Arbeitnehmer bereits mehr als das halbe Jahr für den Staat. Das heißt, der Staat kassiert um die 55% des Einkommens und verspricht dafür Sicherheit, Bildung, Infrastruktur, Gesundheits- und Altersversorgung und dergleichen mehr.

    Statt den Menschen nun 55% des Einkommens wegzunehmen, könnte man Energie und technische Geräte um eben diesen Betrag verteuern. Statt Unternehmenssteuer müssten die Betriebe Maschinen- und Robotersteuern bezahlen. Dann könnte die menschliche Arbeit wieder mit Maschinen und Robotern konkurrieren. Es würde sich wieder lohnen, selber irgendwo Hand anzulegen statt dauernd bloß Wegwerfprodukte zu kaufen, die aufgrund der Notwendigkeit, Umsatz zu machen, immer schneller kaputt gehen.

    dem ist nicht allzuviel hinzuzufügen:)
    chapeau!
    rems lässt gruessen