Claudia am 05. Januar 2017 —

Schwangerschaft auf Probe, weil Pränataldiagnostik zu teuer

Es passiert selten, dass ich mal den TV-Nachrichten hinterher schreibe. Was dort gerade vermeldet wurde, erscheint mir jedoch als berichtenswertes Beispiel für die Verlogenheit und Widersprüchlichkeit unserer Gesellschaft. Und nein, es sind mal nicht „die Politiker“, die alleine schuld wären. Die absurde Rechtslage in Sachen Präimplantationsgnostik (PID) verdankt sich dem Volkswillen, der partout nicht geneigt ist, mehrere Sachverhalte logisch zusammen zu denken.

Alsdenn: ein Paar wünscht sich ein Kind, doch der Vater in spe hat Chorea Huntington, eine unheilbare schwere Erbkrankeit, die das Gehirn zerstört und zu Demenz und Tod führt. Nun ist es in diesen Fällen heute möglich, unter vielen Auflagen eine Pränataldiagnostik bei künstlicher Befruchtung durchzuführen. Da die Betroffenen die Krankheit nur zu 50% weiter vererben, lassen sich auf diesem Weg die Embryonen testen. Man pflanzt dann nur Embryonen ohne das Huntington-Gen ein – eine Selektion, ja genau. Wie HEUTE berichtete, ist dieses Verfahren im Einzelfall mittlerweile zulässig, doch extrem teuer. Das Paar muss mehrfach beraten werden, eine Ethik-Kommission muss darüber befinden, und schlussendlich braucht es vielleicht mehrere Versuche.

Auch wenn es beim ersten Mal klappt, kostet das Verfahren schlappe 20.000 Euro, die das Paar selbst bezahlen muss. Wer das Geld nicht hat und dennoch kein Kind mit Chorea Huntingtoon in die Welt setzen will, entscheidet sich eben für die „Schwangerschaft auf Probe“: natürliche Empfängnis, aber anschließend ein Test während der Schwangerschaft mit anschließender Abtreibung, sofern der Fötus Träger der Krankheit ist. Dafür braucht es keine Ethikommission, die Kosten halten sich im Rahmen oder werden sogar von der Kasse übernommen.

Ist das nicht absurd? Auch ich bin immer schon FÜR die freie Entscheidung der Frau, ob sie eine Schwangerschaft abbrechen will oder nicht. Aber ebenso sollte es Paaren dann auch ermöglicht werden, das medizinisch Mögliche in Anspruch zu nehmen, um schwere Erbkrankheiten zu vermeiden – und zwar OHNE immense Kosten. Da hierzulande doch ständig über zu wenig Kinder geklagt wird, sollte es doch eigentlich im Interesse der Allgemeinheit sein, die Kosten zu übernehmen, die zu einem Staatsbürger mehr führen.

Gängelung nur für Arme

Gutverdiener und Reiche sind von alledem kaum tangiert. Sie zahlen locker hohe Rechnungen oder besorgen sich im Ausland, was sie wünschen und hierzulande vielleicht verboten ist. Mittellose Rentner mit Grundsicherung werden gezwungen, im kalten Deutschland auszuharren, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht verlieren wollen, während man es nicht im Ansatz schafft, Steuervermeidungen im großen Stil zu verhindern. Jeder Taxifahrer muss neuerdings einen Fiskaltaxameter haben, damit das Finanzamt auch ja jede Einnahme auf den Cent genau überwachen kann. Die Justiz kann man mit Fug und Recht als „Klassenjustiz“ bezeichnen, wenn schon ein Rechtsstreit um ein Online-Foto mit über 6000 Euro Streitwert veranschlagt wird, mit entsprechend hohen Kosten für Anwälte und Gerichte. Ich könnte die Aufzählung lange fortsetzen, von den Schikanen gegen Arbeitslose brauch ich wohl gar nicht erst anfangen.

Kurzum: schade, dass es keine Partei gibt, die gegen extreme Verregelung, Gängelung, Überwachung und Entmündigung der Bürger/innen eintritt. Dazu sind wohl allesamt zu deutsch! Und sage jetzt niemand, es gäbe doch die FDP! Die hat sich in der Vergangenheit immer nur um die Freiheiten und Vorteile der Besserverdiener gekümmert, um Zahnärzte und Hoteliers.

Mist, mir fällt kein spritziger Schluss ein! Sei’s drum.

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Diskussion

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5 Kommentare zu „Schwangerschaft auf Probe, weil Pränataldiagnostik zu teuer“.

  1. Hallo Claudia,

    es tut mir leid – aber du verwechselt hier gerade Erbsen mit Kartoffeln.

    Zum einen:
    Der Beitrag, auf den du dich beziehst, thematisierte nicht die Pränataldiagnostik (PND), sondern die Präimplantationsdiagnostik (PID), welche sich durchaus – vereinfacht gesagt – aus künstlicher Befruchtung und Selektion zusammensetzt. Dass eine solche Praxis in Deutschland nur unter bestimmten Umständen möglich ist – zu Recht, wie deine Argumentation beweist -, ist gesetzlich geregelt.

    Schau dir dazu doch gerne einmal die entsprechenden Gesetze an:
    (1) Präimplantationsgesetz
    (2) Embryonenschutzgesetz
    (3) Gendiagnostikgesetz

    Diese Regelungen sind bei der Anwendung der Präimplantationsdiagnostik zu beachten. Auf diese Weise soll zum Beispiel einem Missbrauch (Stichwort Designer Babys etc.) dadurch vorgebeugt werden, dass eine Ethikkommission prüft, ob eine PID angemessen ist. Dass diese eben nicht vom Staat finanziert wird, liegt schlicht und einfach daran, dass es ein „Privatvergnügen“ ist, Kinder zu haben. Ein Kind ist kein Eigentum. Niemand hat ein Recht auf ein Kind. Jeder hat „nur“ das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.

    Zum anderen – und das schließt an den letzten Punkt an:
    Ja, jede Frau kann – wenn sie das möchte, niemand sollte sie zwingen – gerne Mutter werden. Das heißt, dass man ihr das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung nicht absprechen darf. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht – wie du behauptest – dass sie gleichsam auch das RECHT AUF EIN GESUNDES KIND hat. Das hat niemand.
    (Dass das in der Praxis zu der ethisch sehr zweifelhaften Forderung einer Schwangerschaft auf Probe führt, ist natürlich problematisch.)

    Aber um ehrlich zu sein:
    Was deine Rentner nun in einer Argumentation zur Präimplantationsdiagnostik zu suchen haben, erschließt sich mir wahrlich nicht.

    Grüße

  2. Liebe Rosa, vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, mit Quellen und Argumenten unterfüttert.
    Mir war klar, dass ich da ein brisantes Thema anspreche und mit dem Post vermutlich nicht der – gefühlten – Mehrheitsmeinung meiner Leser/innen entspreche. Zu deinen einzelnen Punkten:

    Danke für die Korrektur (ist geändert), allerdings hab ich nur die Bezeichnungen verwechselt, nicht die Inhalte. Dass das Verfahren eine Selektion bedeutet, hatte ich erwähnt.

    Designerbaby: der PID-Test, der bzgl. Chorea Huntington zur Anwendung kommt, testet ausschließlich diese eine Genveränderung, sonst nichts! Hätte ich noch dazu schreiben sollen, es wurde im HEUTE-Beitrag auch erläutert.

    Gesetze: Gesetze sind von Menschen gesetztes Recht und als solches nicht über jede Kritik erhaben. Warum jedes Mal neu eine Ethik-Kommission befinden muss, wenn die Situation wie in diesem Fall glasklar und von Ärzten bestätigt ist, verstehe ich nicht. Man könnte doch in solchen Fällen die Entscheidung einmalig fällen, abstrahieren und auf alle gleichartigen Fälle anwenden: bei Trägern von Chorea Huntington grundsätzlich JA. Und schon hätte man die teure Ethik-Kommission in diesen Fällen eingespart.
    Das von dir zitierte Embryonenschutzgesetz ist ja 2011 mit deutlicher Mehrheit geändert worden und seitdem ist die PID in Fällen schwerer Erbkrankheiten erlaubt.

    Kinder: Natürlich sind Kinder kein „Eigentum“, aber m.E. auch kein bloßes „Privatvergnügen“. Wäre dem so, hätten wir auch kein Kindergeld und hunderte andere Regelungen, die Familien mit Kindern das Leben erleichtern sollen. Zudem wird wieder und wieder die „umgekehrte Alterspyramide“ und die zu geringe „Reproduktionsrate“ beklagt, die auf Dauer zur Überlastung der Sozialsysteme führen wird, wenn diese nicht „reformiert“, sprich: abgebaut werden.
    Und da soll es kein staatliches Interesse sein, dass möglichst VIELE Kinder geboren werden?
    Es spräche m.E. ja nichts dagegen, die Übernahme der PID an eine bestimmte Einkommensgrenze zu binden: Wer gut verdient, zahlt selbst.

    Was deine letzte Frage angeht: Der Rentner hat genauso wenig mit der PID zu tun wie der erwähnte Taxifahrer. Mein letzter Absatz hatte eine eigene Überschrift (Gängelung nur für Arme) und blickte über den PID-Einzelfall hinaus auf viele andere Lebenssachverhalte, in die der Staat massiv regelnd, bevormundend, überwachend eingreift. Ein Beispiel, das „näher dran“ wäre, ist etwa, dass nur bei Verheirateten die Kassen die Kosten für künstliche Befruchtungen übernehmen dürfen. Warum nicht auch bei anderen „auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften“, wie eine Kasse es selbst mal in ihre Satzung geschrieben hat, was aber vom Bundessozialgericht kassiert wurde? Dass das heutzutage eine unsinnige Einschränkung ist, hat selbst „der Staat“ eingesehen und so gibt es nun finanzielle Unterstützung, aber nur, wenn sich das jeweilige Bundesland an den Kosten beteiligt (siehe dazu hier).
    Mir geht mittlerweile die extreme Regelungsdichte hierzulande insgesamt mehr und mehr auf den Nerv. Eine Rückverlagerung von Verantwortung an die Individuen und weniger Einmischung vom Staat fände ich angesagt. Das aber ist in Deutschland kaum zu erwarten, die „Obrigkeitshörigkeit“ ist hier immer noch extrem ausgeprägt, ebenso wie der Wille, die Allgemeinheit durch immer mehr Gesetze zum jeweils für GUT erachteten Verhalten zu zwingen.

  3. Die „extreme Regelungsdichte“, unter der leiden wir ja alle. Was hat das aber speziell mit Deutschland und dem angenommenen Obrigkeitsdenken zu tun?

  4. Nun, Deutschland ist nun mal Weltmeister in Regelungsdichte, findest du nicht? Allein unser Steuerrecht….
    Und mit dem Obrigkeitsdenken hat es insofern zu tun, dass ganz selbstverständlich erwartet wird, dass das Gute „von oben“ durchgesetzt werden soll, mittels immer neuer Gesetze. Insbesondere wenn diese Regelungen ins sehr persönliche Leben eingreifen (Ehe, Familie, etc.) wirkt doch vieles heute sehr übergriffig und bevormundend.

  5. Das Leben lässt sich nicht bis ins Kleinste planen, schon gar nicht, was die Kinder betrifft. Die meisten Menschen, die welche haben, wissen das. Sich vorher absichern wollen, ist einerseits verständlich, andererseits entstehen z.B. die meisten Behinderungen im Laufe des Lebens. Wie sicher lässt sich eine solche Krankheit wie Huntington dann ausschließen? Wie würde der Vater selbst es finden, wäre genau ER nicht auf der Welt, weil er „genetisch bedenklich“ war? Es sollte mehr in die Forschung investiert werden.