Claudia am 15. April 2016 —

Zum Wahlkampfthema Rente

Angesichts der Art und Weise, wie das Rententhema im Blick auf den Wahlkampf verhandelt wird, hier mal eine eindrückliche Grafik, die die Dimension des Problems anzeigt. Es sind die Ausgaben im Bundeshaushalt SOZIALES, grob aufgesplittet nach Verwendung:

rente

Wie man sieht, addieren sich die Bundeszuschüsse zur Rente zu einem Mehrfachen der Ausgaben für ALG2/Hartz4, die zum Vergleich rechts im Kasten stehen. Erstaunlich daran ist, dass die Leistungen für Arbeitslose sehr viel mehr öffentlich diskutiert und kritisiert werden, oft genug als kaum mehr erträgliche LAST dargestellt werden, obwohl sie im Vergleich fast marginal erscheinen.

Das Rententhema ist sehr komplex, man kann es ein wenig mehr erschließen durch den langen Artikel zur gesetzlichen Rentenversicherung bei Wikipedia. Ich empfehle insbesondere den Absatz zur „Gerechtigkeit“ des Systems, der aufzeigt, dass die Armen hierzulande die Reicheren subventionieren.

Diskussion

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10 Kommentare zu „Zum Wahlkampfthema Rente“.

  1. Zum Teil „Gerechtigkeit“: Immer wieder wird erwähnt, dass es ein Generationsvertrag sei. Ist es aber meiner Sicht nach nicht.

    Denn nicht alle zahlen in einen Topf, aus dem alle später ihre Rente erhalten.

    Da werden versch. Berufsgruppen „ausgeklammert“. Beamte haben ihr Beamtenversorgungsgesetz, Anwälte kochen ihr eigenes Süppchen (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/sozialversicherung-viel-rente-fuer-den-anwalt-1131273.html). Von Abgeordneten im Bundestag, die sich nach rel. kurzer Zeit mit „Goldenem Handschlag“ verabschieden dürfen, ganz zu schweigen.
    Dazu sollten auch Freiberufler einzahlen (müssen), eben alle, die „schaffen“.

    Ein Generationsvertrag wäre, wenn alle Versicherungspflichtigen in einen Topf einzahlen, und alle Rentner später aus diesem bedient werden. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass es eine Altersarmut erst gar nicht gäbe. Dies würde auch eher einem Solidarprinzip entsprechen.

    Zudem sollten Renten nicht Prozentual erhöht werden, da so die Schere immer weiter auseinander geht.

  2. Das ist das Problem, dass Rentenbeiträge teilweise zweckentfremdet wurden. Die Rentner mucken jetzt auf und gehen auf die Straße. Darüber hinaus hat ein Freilassinger eine Petition an den Bundestag gestartet, dass aus der gesetzlichen Rentenkasse ab sofort ausschließlich nur noch Beitragszahler bedient werden und alle rentenfremden (nicht beitragsdedeckten ) Leistungen aus dem Bundeshaushalt und nicht aus der Rentenkasse bezahlt werden müssen (Verfassungsrang)
    Mehr dazu unter

  3. @Helmut: die Grafik zeigt ja, dass bereits jetzt erhebliche Anteile der Rente aus Bundeszuschüssen finanziert werden. Würde man da einiges „Versicherungsfremde“ rausnehmen und DIREKT aus den Steuern bezahlen, könnte das zu einem Nullsummenspiel werden – oder etwa nicht?

    Die Problematik besteht m.E. schlicht darin, dass die Rente so sehr gesenkt wurde, dass sie eben für sehr viele kleine Einkommen kein auskömmliches Leben mehr ermöglicht. Es soll „privat vorgesorgt“ werden, aber gerade dafür haben die weniger Betuchten erst recht kein Geld.
    Das alles passiert aber nicht aus schierer Bosheit, sondern tatsächlich wegen der hohen Zahl an (immer länger lebenden) Rentnern, bzw. um die Beiträge für die Aktiven nicht ins Uferlose wachsen zu lassen. Ein Dilemma!
    Zu einer „Generalbereinigung“ (eine Rentenkasse für ALLE) ist die Politik nicht in der Lage, es gäbe wohl auch viel Widerstand in der Gesellschaft. Ob das finanziell die Lage bessern würde, weiß ich nicht, da ich mich mit dem Thema nicht groß befasst habe (ich weiß schon lange, dass ich keine Rente bekommen werde, die die Grundsicherung erreicht).
    Persönlich sehe ich nur die Möglichkeit, so lange zu arbeiten wie es irgend geht (das würde ich ja sowieso machen) und ansonsten meinen Lebensstandard gering zu halten bzw. perspektivisch noch weiter herunter zu fahren, so dass ich mit Grundsicherung (und ein paar kleinen Zuschlägen, die es ja gibt) plus deutlich WENIGER Arbeit durchaus leben kann.

  4. @Claudia, du betonst, dass die Rentenzuschüsse einen solch hohen Anteil am Gesamtetat Arbeit und Soziales hätten. Das ist so. Wäre denn etwas gewonnen, wenn dieser Posten in einen anderen Etat ausgelagert oder eine neue Position angelegt würde? Bestimmt nicht. Die Fehler der Vergangenheit [sic?], Rentenbeiträge zur Finanzierung anderer Aufgaben (Wiedervereinigung) zu verwenden, lassen nicht mehr korrigieren. Das Grundproblem ist, wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, dass Sozialstaat und Bundesschuld zusammen fast 50% des Gesamthaushaltes ausmachen. Das engt die finanziellen Spielräume des Staates gewaltig ein. Diesem Tatbestand muss man ins Auge sehen und auf Dauer wird das so nicht bleiben können. Das heißt allerdings nicht, dass ich dafür wäre, Hand an den Sozialstaat zu legen. Mehr Klarheit und Transparenz durch die Politik wäre geboten. Die sorgen nicht dafür, weil sie Angst um ihre Wählerstimmen haben. Daran wird sich erst etwas ändern, wenn der Leidensdruck deutlich erhöht ist. Der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen.

    Ich weiß nicht, ob die Gründung einer gemeinsamen Rentenkasse (Unternehmer, Beamte, Lohn- und Gehaltsempfänger) wirklich etwas bringen würde. Selbst, wenn sich Politik und Gesellschaft in dieser Frage einigen würden (was nicht zu erwarten ist), wäre das am Ende vielleicht auch so etwas wie ein Nullsummenspiel. Es wird nicht nur ein- sondern auch ausgezahlt. Die Pensionsansprüche sind so gewaltig, dass einem schwindlig werden muss. Das ist nur ein Aspekt dabei. Rückstellungen werden dafür – soweit ich weiß – gar nicht gebildet. Damit ergeben sich immer weiter anwachsende Probleme für alle staatlichen Haushalte (Bund, Länder).

    Was ich übrigens auch interessant finde, ist, dass die Schweiz trotz ihres 3teiligen Rentensystems, das allgemein für seine Qualität gelobt wird, das Land trotzdem nicht vor ähnlichen Problemen bewahrt, die wir in Deutschland haben. Das alles überlagernde Problem ist die Alterung der Gesellschaften. In Südeuropa sieht das eigenartigerweise auch nicht viel besser aus (Italien, Spanien).

    Es kann nicht anders sein, dass die Menschen länger arbeiten gehen müssen (sage ich, der ich von der Rente mit 63 profitiere – Schande über mich). Es werden noch viele Rentenreformen folgen, weil es einen großen Wurf in diesem komplizierten Konstrukt wahrscheinlich gar nicht geben wird. Private Vorsorge ist ein Popanz, weil sich so viele Menschen das a) nicht leisten können und b) würde ich mich auf die Sicherheit irgendwelcher Anlagen nicht verlassen (Lehman). Allein schon wg. solcher Risiken gefällt mir die staatliche Rente viel besser.

    Ein ist wohl auch sicher, die staatlichen Rentenzuschüsse werden noch beträchtlich zunehmen.

  5. Das Pensionsniveau wird man auch senken, wenn sich der Status Quo als nicht haltbar erweist. Die häufigen Frühpensionierungen von Lehrern haben immerhin abgenommen, seit das zu einem Abschlag führt – aber noch immer ist es jeder Fünfte, was als großer Erfolg kommuniziert wird.
    Klar, es gibt anstrengende Berufe, die man nicht so lange machen kann, aber gerade bei Beamten sehe ich ja nicht ein, warum die dann nicht was anderes machen können sollen. Ist ja nicht so, dass der Staat übergenug Leute im Service für die Bürger zur Verfügung stellt.
    Na, ein weites Feld… Und es kann auch sein, dass das ganze Finanzsystem doch noch „um die Ohren fliegt“ – schließlich ist die Nullzinspolitik keine Heilung sondern nur ein „Zeit kaufen“. (mal lesen).

  6. Interessant wäre es, wenn es keine Ausnahmen zur Zahlung von Rentenbeiträgen durch Berufsgruppen geben würde, noch interessanter wäre es, wenn die Beitragsbemessungsgrenze wegfällt und somit höhere Einkommen keine Beitragdeckelung mehr bekommen. Wahrscheinlich würde der Beitragssatz um einiges absinkt, oder andersherum, die Rentenhöhe nicht unerheblich ansteigt.

    Auch wäre es zu der Grafik sinnvoll zu wissen, wie hoch die jährlichen Aufwendungen für Beamte (inkl. öffentlicher Dienst) und Abgeordnete (Bund, Land und Kommune) im Ruhestand sind. Aber das wird wohl immer unter dem Deckel gehalten, es könnten ja noch mehr Wähler bei den etablierten Parteien abhanden kommen.

  7. Eigentlich ist es ganz einfach, keine Ausnahmen bei den Beitragzahlern zulassen und die Beitragsbemessungsgrenze (worüber ja nie gesprochen wird) aufheben. Danach sollten die Beiträge signifikant sinken oder das Rentenniveau steigen, je nachdem wie man es anwendet.

    Zu der Grafik fällt mir noch ein, dass es interessant wäre, zu wissen, wie hoch die Aufwendungen für Beamte im Jahr sind und wie hoch die Aufwendungen für Abgeordnete (Bund, Länder und Kommunen) zu Buche schlagen. Da glaube ich, dass wir umfallen, wenn diese Zahlen bekannt werden und den etablierten Parteien noch mehr Wähler „abhanden“ kommen.

  8. @Claudia, die Geldpolitik ist ganz sicher ein weiteres Risiko. Wir sehen ja heute bereits, wozu die niedrigen Zinsen schon geführt haben. Meine private Lebensversicherung hat Beulen bekommen. Auch deshalb plädiere ich weiter und auch vehement für die gesetzliche Rentenversicherung. Natürlich ist mir klar, wie mies die Rendite ist – auch ohne die Folgen dieser Geldpolitik. Aber wenigstens sind die Renten dort noch ein ganzes Stück sicherer. Mancher wird sich über den Satz aufregen. Blüm will ich damit gar nicht zustimmen. Ich finde, es ist ein Erfahrungswert nach der letzten Finanzkrise.
    Wir sind bei diesem Thema bei einem der wesentlichen Punkte, die die Leute heute verrückt machen und auf die unsere Politik keine überzeugenden Antworten gibt. Das befördert die Angst vor der Zukunft vielleicht nachhaltiger als die Folgen der Flüchtlingskrise, die das alles so lange schon überlagert.

  9. Während meines Bundestagsbesuchs hatte ich die Gelegenheit, unseren Bundestagsabgeordneten Dr. Matthias Miersch nach seiner Vision zur zukünftigen Rente zu fragen. Seine Antwort (sinngemäß): es kann nur funktionieren, wenn alle gleichermaßen in einen Fond/Topf/… einzahlen, und alle aus diesem Nutzen ziehen.

    Ebenfalls eine Vision: mit Einführung der „Roboterfertigung“ sind zig zahlende Arbeitnehmer-/Arbeitgeberanteile entfallen. Warum nicht darauf zumindest eine geringe Steuer erheben, die in die Rentenkasse einfließt?

    Klar, das würde manches über den Haufen werfen. Ist es aber nicht besser, alte Zöpfe abzuschneiden?

    Ein Interview des DGB-Vorsitzenden zum Thema Renten, falls nicht bekannt: http://br.de/s/2EwLSEt

  10. „Alte Zöpfe über den Haufen werfen“ ist eine beeindruckend harmlose Formulierung für das Schleifen massiver Eigeninteressen vieler Privilegierter! :-)