Claudia am 27. Februar 2014 —

Wulff, Grüne, Ukraine, Monsanto, Piraten – Vermischtes ganz kurz

Manchmal reicht es einfach nicht zu einem „richtigen“ Artikel, aber die Lust, Ereignisse zu kommentieren, ist dennoch da. Alsdenn:

  • Freispruch Wulff:
    Das Verfahren und sein Ausgang machen das Dilemma deutlich, das immer mehr auch die Justiz beeinflusst: Öffentliche Verurteilungen wiegen oft weit schwerer als das, was juristisch von Belang sein könnte. In der Rückschau auf das ganze Geschehen rund um Wulff zeigt sich auch die Problematik eines jeden, nicht schon selber reichen Politikers: Auf einmal bewegt man sich in Millionärskreisen, ist qua Amt ein Mr.Wichtig, aber nicht mit den Mitteln versehen, auf dem Parkett der Reichen und Schönen aus eigener Tasche mitzuhalten. Da ergeben sich dann „freundschaftliche Einladungen“, die in den Graubereich der Korruption hinein reichen können, aber nicht müssen.
  • Fall der 3-Prozent-Hürde und die GRÜNEN:
    Ach je, es ist schon ein Trauerspiel, wie etabliert und konservativ die GRÜNEN geworden sind! Jetzt sorgen sie sich staatstragend zusammen mit SPD und CDU/CSU um die Arbeitsfähigkeit und mögliche Zersplitterung des Europa-Parlaments, als wären sie nie selber Mini-Partei gewesen… Im übrigen finde ich es ziemlich verrückt, dass ausgerechnet beim Thema Europa-Wahlen jedes Land machen darf, was es will und so ganz unterschiedliche „Hürden“ existieren.
  • Ukraine:
    den Kampf um Einfluss zwischen EU/USA einerseits und Russland andrerseits finde ich beängstigend! Und ich frage mich, ob allen revolutionären, pro-EU-Ukrainern klar ist, dass sie damit sogleich auch die „Austeritätspolitik“ bekommen, unter der schon die Südschiene leidet? Ein Zusammenwirken aller fände ich gut – aber davon scheint man in einer Art „neuem kaltem Krieg“ leider weit entfernt.
  • Monsanto:
    Es ist schier unglaublich: gestern hat der Saatgutkonzern Monsanto ein europäisches (!) Patent auf eine ganz normale, klassisch gezüchtete Sojapflanze bekommen. Das widerspricht allen einschlägigen Gesetzen und ich hoffe sehr, dass dieser Fehlentscheid des Europäischen Patentamts München keinen Bestand haben wird.
  • Piratenpartei:
    Der letzte Woche in einen #Orgastreik der IT-Piraten eskalierte Richtungssstreit zwischen dem „sozialliberalen“ und dem „linken“ Flügel der Partei erinnert an die Auseinandersetzung Fundis/Realo bei den GRÜNEN – und ist doch ganz anders. Die Piraten haben noch immer keine Strukturen, um diesen Streit irgendwie sinnvoll zu bearbeiten. Sie sind NICHT basisdemokratisch, sondern parteitagsdemokratisch: wer Zeit, Geld und Lust hat, bestimmt dort als „Basis“, wo es lang geht. Solche Mega-Zusammenkünfte kann sich die Partei aber auch nicht allzu oft leisten. Eine Online-Mitbestimmung (das war mal das große Versprechen!) hat man auch nicht hinbekommen, sondern sich im Widerspruch zwischen Transparenz und Privatsphäre/Anonymität verheddert. Ein Elend! Allerdings vermittelt das „piratische Gezerre“ unschätzbar wichtige Erfahrungen für zigtausende junger Menschen, die per Piratenpartei erlernen und erleben, wie man Politik macht – und wie nicht.

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
8 Kommentare zu „Wulff, Grüne, Ukraine, Monsanto, Piraten – Vermischtes ganz kurz“.

  1. Der Film zu Wulff hatte ja gute Kritiken im Vorfeld. Ich fand ihn durchwachsen. Dabei hat, so wie ich jetzt gelesen habe, der ganze Prozeß um die 2 Millionen gekostet. Zu tragen von der Staatskasse.
    Ich frage mich, müsste die nicht eigentlich BILD zahlen?

  2. Auch ohne den Prozess war Wulff m.E. als Bundespräsident ein Fehlgriff und der Rücktritt richtig. Allerdings war die Kampagne gegen ihn auch von beispielloser Intensität und Härte – es ist ja nicht so, dass die Verhaltensweisen von Wulff in seinem früheren Amt etwas ganz Ungewöhnliches wären!

    Wenn das Gehalt von Politikern diskutiert wird, gibt es immer viel Neid – und auf der anderen Seite das Argument: das muss so sein, damit sie nicht so leicht bestechlich sind. Nun ist strafrechtliche Bestechung/Vorteilsnahme ja nicht alles – daneben gibt es diesen Graubereich der Zuwendungen, die aus wachsenden „Freundschaften“ zu richtig Reichen kommen. Und mit diesen „richtig Reichen“ kommt ein Ministerpräsident zwangsläufig in Kontakt, kann aber finanziell nicht wirklich mithalten. Da braucht es dann wirklich große Disziplin und Bewusstheit, um sich vor Verstrickungen zu schützen – was aber auch einen Verzicht auf allerhand Glamour bedeutet, den „die Wulffs“ ja gerade NICHT leisten wollten (=“deutsche Antwort auf die Obamas“).

  3. Ich finde dass Herr Wulff nach dem Freispruch eigentlich wieder Bundespräsident werdern könnte. Er ist ja noch jung und müsste halt warten bis Gauck fertig hat.

  4. Benutzt hier wieder jemand meinen Namen? Kam schon öfter vor…

  5. #wulff

    ich habe damals – gegen die stimmung – partei für wulff ergriffen und fand diese elende hetze schlicht unangebracht. plötzlich werden sachen skandalisiert, die nur deshalb ein skandal sind, weil die BLÖD den abschiessen will und alle anderen medien wie die geier drauf einsteigen und den dreckigen job für dieckmann machen?????

    sorry, aber an dem punkt sollte sich jeder mal fragen, wie weit er sich da hat mitreissen lassen und … naja, im grunde es der BLÖD und dem springerverlag es erlaubte, einen präsidenten abzuschiessen, dessen „vergehen“ vor allem darin bestanden, die erste türkischstämmige ministerin ernannt und gesagt zu haben, daß der islam zu deutschland gehört …

    #3% hürde

    ich finde die verachtung, die das BVG hier dem euparlament gegenüber artikuliert, unsäglich. jetzt wird’s ne quasselbude und npdler oder afdler werden für deutschland sprechen. na danke …

    #ukraine

    hey, claudia, die „austertätspolitik“ ist mausetot.

    aber: man sollte sich einfach mal den verlauf von revolutionen angucken: vier jahre später haben die verbrecher wieder alles unter kontrolle. immer. egal wie oder wo.

    #piraten

    danke liebe genderkrieger ;-)

    @gerhard

    äh, es gibt fantastilliarden gerhards …

  6. @Hardy: inwiefern ist denn die „Austeritätspolitik“ TOT? Weder wurde sie bzgl. Griechenland aufgegeben, wo man (wenn man will) wöchentlich schauerliche Stories über die Folgen lesen kann, noch gäbe es für die Ukraine (=pleite) etwas anderes, wenn der IWF und die EU finanziell einspringen – wie gestern bei Jauch entsprechend problematisiert. Marina Weisband meinte, die Übergangsregierung könne noch „unpopuläre Maßünahmen“ verabschieden, nach der Wahl gehe das dann kaum mehr.

  7. zu 3%-Hürdenabschaffung: wenn man Parteien für untragbar hält, muss man sie verbieten, soweit das GG das hergibt – und nicht per struktureller Gewalt ausschließen. Sie sprechen auch nicht „für Deutschland“, sondern nur für ihre paar Prozent. M.E. würde auch der Bundestag nicht aktionsunfähig ohne 5%-Hürde. Per GO gibts noch genug Möglichkeiten, „Quasselbude“ zu unterbinden.

    Mich stört, dass Leute so lange für Abschaffung der Hürde sind, wie sie selber drunter liegen. Wird die Wählerschaft größer und die Partei „etabliert“, wird diese, einst demokratisch begründete Meinung einfach entsorgt.

  8. @claudia

    viele dinge kommen bei uns zuletzt an, also daß wir zb. ausländerfeindlich sind, woran uns dann organisationen ausserhalb des landes erinnern müssen. die merkelsche austeritätspolitik ist … jenseits der grenzen … beerdigt, es werden „wachstumspakte“ beschlossen und unserem finanzminister bleibt nur, zu stammeln, daß man wachstum nicht beschliessen könne.

    natürlich sagt jetzt keiner „das ist mausetot“, das wäre ja mit einem gesichtsverlust verbunden, also „lösen wir das problem“ damit, daß der finanzminister schon mal laut über ein weiteres hilfspaket faselt (das die griechen schon gar nicht mehr wollen)

    austerity isn’t dead … it just smells funny, um mal zappa zu zitieren. der kadaver wird bei passender gelegenheit unauffällig beiseite geschafft.

    #3%

    ich will nicht, daß die npd dafür aus der staatskasse geld bekommt, daß sie in brüssel herumpöbeln, einfache sache.

    bei deinem „etabliert“ oder nicht argument gibt es kein schwarz/weiss. es ist eine sache der vernunft, das so zu handhaben, im deutschen parlament wird die 5% hürde sicher nicht so schnell fallen, im eu parlament ist die hürde nur gefallen, weil das bvg dieses parlament (zu unrecht!) verachtet, es für eine „quasselbude“ hält – und es eigentlich gerade dazu macht.

    ich sehe das wirklich anders als du, kann aber mit deiner meinung gut leben. wir werden sehen, wo das endet.

    über die ukraine sitze ich gerade an einem wieder mal viel zu langen post ;-)