Claudia am 01. Juli 2013 —

Zur Banken/Schulden/Finanzkrise nun noch die Demokratie- & Rechtsstaatskrise

Piraten-Geschäftsführerin Katharina Nocun zum NSA-Abhörskandal:

„Wenn mein Spons mein Tagebuch lesen würde, wär’s für mich ein Grund, Schluss zu machen. Und wenn die Bundesregierung meint, wenn REGIERUNGEN meinen, Bürger verdachtsunabhängig zu überwachen, sie unter Generalverdacht zu stellen, dann rüttelt das an den Grundstaates des Rechtstaats in einer Demokratie. Denn in einem Rechtsstaat gilt, solange es keinen begründeten Verdacht besteht, darf nicht überwacht werden. Und genau das ist, was bei PRISM passiert ist, was bei Tempura passiert – und DAS MUSS AUFHÖREN!“

[mir hat’s wieder mal die Sprache verschlagen angesichts der Ereignisse der letzten zwei Wochen, zumindest was das Bloggen über dieses schöne neue Leben im realisierten Orwell-Staat angeht…]

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Zur Banken/Schulden/Finanzkrise nun noch die Demokratie- & Rechtsstaatskrise“.

  1. Stasi versus NSA. Auch wenn Vergleiche hinken, hier gibt es eine interessante Visualisierung der Aktenbestände: http://apps.opendatacity.de/stasi-vs-nsa/ (Rauszoomen)

  2. Es ist ja nicht so sehr dieser Staat, der einem Sorgen machen muss, auch wenn es auch in diesem Bereich eine dem Trend noch voraus galoppierende deutsche Gründlichkeit geben mag. Es ist der Mainstream, der allgemein sich verändernde oder dann offenbarende Hang, Kontrollwahn mit Vorbeugung, Bespitzelung ohne Verdacht mit Sicherheit gleich zu setzen.

    Wir haben nicht so sehr ein Problem in Deutschland. Wir haben ein generelles Problem. Nicht nur die virtuelle Masse der Bürger ist ein rechtloses, anonymisiertes Gebilde einer Ansammlung von Menschen geworden, die tendenziell dem Staat Probleme machen können. Und das reicht.

    Nur: Reicht das auch uns Bürgern?

  3. „Nie hat es in Deutschland einen breiteren Angriff auf die freiheitlich-demokratischen Grundrechte gegeben“, war die Tage in einem Online-Magazin zu lesen. Und „warum sind wir eigentlich nicht längst auf der Straße?“, fragte die Autorin.

    Vielleicht sollte man sich, bevor man sich großflächig vorauseilend empört, erst mal vor Augen halten, was geschehen / bekannt geworden ist:

    Die Amerikaner haben uns als „Verbündete/Partner dritter Klasse“ bezeichnet. Das hat historische Wurzeln. Schließlich haben vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert Amerikaner und Deutsche im von Deutschland entfachten größten Weltenbrand der Neuzeit auf entgegegen gesetzten Seiten des „Schützengrabens“ gekämpft. Und das Geschichtsgedächtnis vergisst nun mal weniger schnell als das individuelle.

    Die Briten haben das TAT-14 angezapft. TAT-14 ist das über Großbritanien verlaufende transatlantische Glasfaserkabel, über das ein Großteil des Datenverkehrs (Telefongespräche, E-Mails, Webseitenaufrufe, Bild- und Textdateien … ) zwischen dem europäischen Festland (auch D) und Nordamerika verläuft. Na und? So lange es Telefonkabel gibt, besteht technisch die Möglichkeit, diese „anzuzapfen“. Und diese wurde auch schon immer genutzt: von Geheimdiensten und anderen, die daran Interesse haben.

    Der amerikanische Geheimdienst NSA ist in D offenbar aktiver und erhebt mehr Daten, als bisher angenommen. Das ist auch gut so. Haben die Schnüffel-Heinis von den deutschen Geheimdiensten denn nicht zur Genüge unter Beweis gestellt, wie unfähig (oder auf einem ganz bestimmten Auge blind) sie sind? Indem sie im Falle der Ermittlungen zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ fast ein Jahrzehnt lang die wahren Hintergründe und Motive der terroristischen Mordtaten nicht erkannt haben (oder nicht erkennen wollten).

    Eine andere Sache ist die, dass sich diese ganze Schnüffelei und Datensammelwut letzlich wohl selbst ad absurdum führt. Denn wer soll denn die Zettabytes an (automatisch, durch Maschinen und Computerprogramme) erfassten Daten jemals auslesen und auswerten? Je mehr Daten abgeschöpft werden, um so mehr verschwindet der Einzelne in der Masse, um so geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit, als Person und Individuum Opfer einer Spähaktion zu werden.

    Und ich glaube nicht, dass dieser „größte, je da gewesene Enthüllungsskandal“ (auch das ist eine Beschreibung, die man dazu dieser Tage in den Medien lesen konnte) mehr Potenial hat als das zum Sommerlochstopfen (und für ein paar „Enthüllungs“-Bücher und einen Hollywoodschinken über Edward Snowden).

    @Matthias: Der Vergleich zwischen NSA und Stasi hinkt nicht nur, der sitzt im Rollstuhl. Auch wenn ich der Meinung bin, dass von der Dimension und den Ausmaßen her die Stasi-Aktivitäten wesentlich geringer waren, als man den Menschen nach deren Ende glauben zu machen versuchte. Dennoch kann man die Perfidität mit der die Stasi vorging, indem sie Existenzen zerstörte, indem sie Menschen systematisch einschüchterte, unter Druck setzte und bespitzelte, weil diese Kritik am System übten oder einfach nur raus wollten, nicht mit der elektronischen Datenerfassung des NSA vergleichen.

  4. @Peter, mit dem Vergleich im Rollstuhl gebe ich Dir völlig recht.
    Widersprechen möchte ich bei der Perfidität.
    Selbstverständlich werden auch heute Einschüchterung und Existenzbedrohung betrieben. Die Bedrohung erfolgt lediglich eleganter, andauernd unterschwellig, quasi über Bande, und darf euphemisch in diesem Fall elektronische Datenerfassung genannt werden. Nur ein weiteres entlarvendes Beispiel ist, daß der Begriff Vorratsdatenspeicherung gebannt wurde. Neusprech eben. Am Ende steht trotzdem die Sicherung eines stagnierenden, sich zunehmend abschottenden und maskierenden Systems – zugunsten weniger und zu Lasten sehr, sehr vieler.
    Will damit sagen, die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen von Prism & Co., erscheinen mir ganz wesentlich desaströser.
    Anders formuliert:
    Eine friedliche Revolution, hätte heutzutage keine Chance!

  5. @Peter:
    „Eine andere Sache ist die, dass sich diese ganze Schnüffelei und Datensammelwut letzlich wohl selbst ad absurdum führt.“

    Diese Hoffnung habe ich nicht. Da leisten effiziente Algorithmen die notwendige Vorarbeit und ein Mitarbeiterstamm im hohen fünfstelligen Bereich, der wirkt auch nicht gerade untermotorisiert. Auf der anderen Seite, gerade bei der Gefahrenabwehr durch organisierte Kriminalität oder Terror, gebe ich Dir recht.

  6. @Matthias: Wie schon gesagt: Ich sehe das Ganze entspannter. Die Aussicht, dass das, was ich hier ins WWW schreibe, auch auf den Servern von BND, NSA & Co. gespeichert wird, gehört wahrlich nicht zu meinen größeren Sorgen. Und eigentlich sprechen wir hier ja auch nur über Möglichkeiten und Eventualitäten. Ich könnte jedenfalls kein Beispiel benennen, in dem mir aus irgend einer Datenerfassung, Vorratsdatenspeicherung etc. schon mal ein konkreter, sicht- oder spürbarer Nachteil erwachsen wäre. Dir vielleicht?

    Dass der sich globalisierende und ungehemmt ausbreitende Kapitalismus, der nach dem Zusammenbruch des soz. Weltsystems keinen Antagonisten mehr hat, der ihm „die Stirn bietet“, nicht unbedingt menschenfreundlicher wird, dass sich soziale Gegensätze verschärfen und wir uns von „denen da oben“ (wer auch immer die sind) ganz allgemein zu viel gefallen lassen, steht auf einem anderen Blatt.

    Was die „friedliche Revolution“ angeht, so ist das m.E. genau so ein Euphemismus wie Datenerfassung für Vorratsdatenspeicherung. Nein, das war keine Revolution. Das war ein Vom-Regen-in-die-Traufe-Kommen, das war das Auswechseln eines abgefuckten Systems gegen ein anderes, ein mutwilliges Sich-Täuschen-Lassen von süßen Worten über „blühende Landschaften“. Und eine friedliche Revolution hätte heute vor allem deshalb kein Chance, weil es im Moment keine realistische Alternative zum etablierten System gibt. Oder willst du den (DDR-) Sozialismus (zurück)? Schönen Abend noch.

  7. @Peter: um nicht mißverstanden zu werden, ich will keinen Sozialismus stalinistischer Prägung. Im zeitlichen Umfeld DER friedlichen Revolution gabs ja noch etwas anderes als heute, etwas durchaus reales, wonach nach eigenem Erleben viele Menschen strebten (die wollten nicht nur raus).
    Es gab etwas, das heute (fast) verschwunden ist. Die Episode der sozialen Marktwirtschaft unter einem halbwegs funktionierenden demokratischen Parlamentarismus. Heute nur noch hohle Phrasen.

    Ich stimme Dir zu, die Datenerfassung an sich, bereitet mir weniger Sorge. (Die Datenerfassung der Stasi hat mir aber auch weniger Sorge bereitet.) Was mir damals wie heute Sorge bereitet, ist das was dahinter steht, das was es bedeutet, die IDEE.

    Und die Anspielung auf EINE friedlich Revolution, die meinte mehr die Möglichkeit, überhaupt noch irgend etwas entscheidendes mit friedlichen Mitteln demokratisch bewegen zu können.

    Peter, danke für Dein kritisches Feedback, bei ansonsten einiger bestehender Übereinstimmung.

    Gruß

  8. Mir fallen immer wieder, bei einer solchen Diskussion über Verbergen oder Nichtverbergen, die beiden Jugendlichen ein, die sich auf einen Urlaub freuten und eine Mail an ihre Freunde schickten. In dieser Mail haben sie Wörter gebraucht, im Überschwang der Vorfreude, die herausgefiltert wurden und bei ihrer Ankunft wurden sie festgenommen. Dort glaubte man nämlich nicht an die Harmlosigkeit der Jugendlichen.
    (Habe die Sache nicht weiter verfolgt)
    Also sollte man aufpassen, welches Vokabular man benutzt.

  9. „Also sollte man aufpassen, welches Vokabular man benutzt.“

    genau DAS ist Unfreiheit. Das Bewusstsein allgegenwärtiger Überwachung und Speicherung macht das Verhalten unspontan, man wägt fortwährend mögliche „Missdeutungen“ ab, die Schere im Kopf wird fest etabliert – und irgendwann sagt man wirklich nur noch beim gemeinsamen Waldspaziergang, was man denkt. Natürlich nur nach Abschalten der Handys…