Claudia am 23. April 2011 —

Osterbotschaften: Droht etwa der Verlust des Leidens?

Eigentlich wollte ich zu Ostern ja was Besinnliches und richtig POSITIVES schreiben. Wie wir es zum Beispiel schaffen könnten, liebevollere Menschen zu werden: gelassener, weniger selbstzentriert, nicht so cool und zynisch, sondern berührbar und mitfühlend.

Dass ich schon als Kind vom christlichen Glauben abgefallen bin, hat auch damit zu tun, dass mir dazu kein „HowTo“ vermittelt wurde. Es gab nur jede Menge seltsame Dogmen, lustfeindliche Gebote, Sünde, Beichtzwang, Strafe, rituelle Vergebung – alles eher geeignet, einen erwachenden Intellekt zu beleidigen, als die Liebe zum religiösen Bekenntnis in die Kinderseele zu pflanzen.

Kein Tanz, keine PID, keine Sterbehilfe

Mehr als 40 Jahre später höre ich Osterbotschaften kirchlicher Würdenträger, die sich immer noch im selben Geiste des Ge- und Verbietens ans Volk wenden. Dass nicht getanzt werden darf – geschenkt! (Es wird sowieso immer weniger getanzt, so ein Verbot wirkt da höchstens belebend). Mit welchen Argumenten sich aber katholische und evangelische Bischöfe gegen Präimplantationsdiagnostik (PID) und Sterbehilfe aussprechen, finde ich skandalös, oberzynisch und – jawohl! – ziemlich DUMM!

So meint z.B. Johannes Friedrich, evangelischer Landesbischof in Bayern, Sterbehilfe und PID seien „Verlockungen der Wissenschaft zur Leidensvermeidung“. Die Gesellschaft dürfe sich aber nicht an der Wirklichkeit des Leidens „vorbeimogeln“. Und Joachim Reinelt, katholischer Bischof von Dresden-Meissen, tönt noch etwas drastischer ins gleiche Horn: „Ostern ist das Fest des Lebens, PID dient der Kultur des Todes“. Friedrichs begründet diese Haltung wie folgt:

„Eine Welt ohne Leid gibt es nicht. Wir finden Gott nicht auf dem goldenen Thron des Leidvernichters, sondern am Kreuz. Wir finden das Glück unseres Lebens nicht in der Illusion, Leiden ließe sich vermeiden. Wir finden es, indem wir uns dem Leid stellen, indem wir nach einer Kraft suchen, die es uns ertragen und annehmen lässt.“

Glauben diese Bischöfe wirklich, das Leiden würde aus der Welt verschwinden, wenn einige betroffene Elternpaare nicht mehr nach Holland fahren müssten, um per PID eine Erbkrankheit auszuschließen? Ist es nicht in der heutigen Welt schwer genug, Kinder aufzuziehen? Mit welchem Recht sollen Menschen dazu „verdonnert“ werden, die Mühen und Lasten einer schweren Behinderung womöglich über Jahrzehnte zu tragen, wenn „die Wissenschaft“ doch Methoden bereit stellt, dies in erheblichem Rahmen zu vermeiden? Und: welchen Sinn hat es denn noch, die PID zu untersagen, wenn das Gesetz und ein großer gesellschaftlicher Konsens die Abtreibung erlauben?

Ok, natürlich dürfen und sollen Bischöfe gegen den Zeitgeist predigen. Dann würde ich mir aber erwarten, dass schon an ganz anderer Stelle der Zwang, sich als attraktive Ware zu Markte zu tragen, gegeiselt wird! Der ganze fehl geleitete Arbeitsethos, der Menschen in ungeliebte, schlecht bezahlte, prekäre Jobs zwingt, während die Ackermänner dieser Welt ihre 25% Eigenkapitalrendite (bei Flop zu Lasten der Steuerzahler) durchsetzen – ja, DAGEGEN sollten sie mal wettern! Anstatt Sterbende dazu aufzufordern, nicht der „Illusion der Leidensfreiheit“ zu verfallen….

Genug davon.
Ich wünsche Euch frohe Ostertage mit möglichst viel Freude und wenig Leid!

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Diskussion

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6 Kommentare zu „Osterbotschaften: Droht etwa der Verlust des Leidens?“.

  1. Leben ohne Leiden? – Das wäre wirklich teuflisch!
    Vor allem für diejenigen, deren Beruf es ist das Leiden zu organisieren und das Dulden zu lehren …

  2. Hallo Claudia,

    bravo – diese Bischöfe sind einfach nur DUMM !!!

    Gegen Dummheit kämpften Götter selbst vergebens.

    Ich halte es mit Epikur.

    Frohe Ostern wünscht

    Hanskarl

  3. Dein ‚Genug davon‘ klingt schon sehr gut und sehr schön heftig angesichts des Kirchenmänner-Gesülzes, das Du da zitierst.

    Ich glaube, wir (wie andere vor uns) lernen (kollektiv) das Leiden auf eine für unsere Zeit spezifische Weise. Früher gab es Holocaust, Weltkrieg, Pest und Hungersnöte. Uns dagegen beschäftigen wohl mehr die immer hochnotpeinlicher sich akkumulierenden Folgen des Geldumlaufs.

    Daß Gottes Knappen mit ihren geschmeidigen Worten sich wie ein wohltätiger Brei über alles Leid (der anderen) ergießen wie auch als erquickende Labsal sich allem Luxus (der Brüder im Angesicht ihres jeweiligen Herrn) andienern wollen, sollte da das geringste der Probleme sein. Die großen Kirchen sind noch in jeden finsteren Hintern gestiegen, wenn er ihnen nur gestattete, aus seinem stinkenden Pupsen den Geruch ihres Weihrauchs und seinen donnernden Fürzen den Klang ihrer Schalmeien und aus seiner Peristaltik das ewige Jenseits der himmlischen Seele zu destillieren.

    Frohe Ostern, anyway!

  4. Wow, da hat Susanne einen Sachverhalt mal wieder sehr fein ausformuliert auf den Punkt gebracht.

    „Die großen Kirchen sind noch in jeden finsteren Hintern gestiegen, wenn er ihnen nur gestattete, aus seinem stinkenden Pupsen den Geruch ihres Weihrauchs und seinen donnernden Fürzen den Klang ihrer Schalmeien und aus seiner Peristaltik das ewige Jenseits der himmlischen Seele zu destillieren.“

    Religionen sind nun einmal dazu da, über sie hinauszuwachsen, nachdem wir ihre menschgemachten Lügen und Greuel durchschaut haben.

    schöne freie Tage … her.man

  5. Liebe Claudia
    Die Kirchen werden es wohl nie lernen, sie wollen leiden, dabei hat Jesus eine ganz andere Lehre verkündet, als das was die Kirche predigt. Die Bischöffe und die Pfarer leiden ja nicht, denn dehnen geht es schon gut. Auch ich bin vor eingen Jahren total aus der Kirche ausgetreten und mir ging es noch nie so gut, wie Heute.
    Das einzige was geblieben ist, ein schönes Fest mit der Familie und dem heidnischen Osterhasen.
    Ich wünsche Dir ein schönes Osterfest ohne Kirche mit Deinen Freunden und Familie
    Liebe Grüsse zentao

  6. […] 2011: Droht etwa der Verlust des Leidens? […]