Claudia am 24. Januar 2011 —

Im Dschungelcamp sterben? Wie Rainer Langhans sich doch noch zum Affen macht. Oder doch nicht?

Dass das Private politisch und die Liebe frei sei, das erfuhr ich mit 14 von Rainer Langhans und seiner Kommune 1. Die Avantgarde der 68er Kulturrevolution ließ sich nackt fotografieren und zeigte dem deutschen Spießertum ihre attraktiven Hintern – und mir hat das verdammt gut gefallen!

Obwohl viel zu jung, um irgendwo in der „Bewegung“ mitzumischen, erfasste uns Teenys der revolutionäre Schwung: der Zeitgeist änderte sich, die Eltern waren fassungslos, die Lehrer plötzlich willig, „zu diskutieren“. Wir kleideten uns freizügig bis provozierend, mischten uns nachmittags unter die „Gammler“ im Stadtpark und rauchten dort unsere ersten Joints. Die Schilder mit dem damals üblichen „Rasen betreten verboten“ wurden abgeräumt. Was für eine tolle Zeit!

Ikone der Bewegung – gestrandet im Kakerlaken-Sarg

Bewundernd schauten wir auf zu den fernen „großen Geistern“ der Revolution: nicht die explizit politischen Köpfe der Studentenbewegung mit ihren schwierigen Theoriedebatten faszinierten uns, sondern die bunt gekleideten Hippies, die Aussteiger und Weltreisenden, die gar nicht mehr braven Rock-Gruppen und eben auch Langhans & Co. Toll, was die sich alle trauten!!

Dann, 42 Jahre später im Januar 2011: Rainer Langhans als Dschungelcamp-Insasse? Du lieber Himmel!!! Ich hatte vor Jahren mal genau 10 Minuten in diese unterirdische Veranstaltung ‚rein geschaut und mich mit Grausen abgewendet. Öffentlich zelebrierter Sadismus mit willigen C-Promis als Opfern… ihhhhh!!!

Jetzt aber hat mich RTL als „erweiterte Zielgruppe“ doch glatt erwischt. Wie sich Rainer Langhans dort aufführen würde, wollte ich sehen. Angeblich sucht er ja ein neues Kommune-Erlebnis und braucht wohl auch Geld. Dass er nie einer geregelten Arbeit nachgegangen war, hatte ihn mir zwar immer sympathisch gemacht, doch dass er sich nun für ein fürstliches Honorar zum Maden&Kakerlaken-Marathon bereit fand, verstörte mich glatt ein wenig.

Umso angenehmer fand ich dann seine ersten Auftritte. Für seine 70plus sieht er noch richtig gut aus und verkörpert noch immer den „Typ“, der mir damals ’68 so gut gefallen hatte. Ein Stück weit gab er den „alten Weisen“, empfand das Camp-Geschehen als „Kindergarten“ (richtig!) und das Bad im Kakerlaken-Sarg tangierte den erfahrenen Meditierer sichtlich wenig.

Sterben bei RTL?

Unter verschärften Bedingungen konnte er es zunächst ganz gut vermeiden, sich für Geld total zum Affen zu machen – bis gestern! Anscheinend hat er gemerkt, dass ein weitestmöglich vernünftiges Verhalten ihn die Gunst der Zuschauer kosten würde. Also fährt er jetzt „großes Geschütz“ auf: Er fastet und will sich „aufs Sterben vorbereiten“. Wünscht sich ein „Nahtod-Erlebnis“ und ist angeblich schon zu schwach, um noch irgendwelche Camp-Arbeiten zu leisten – sowas wie aufs Feuer aufpassen, Holz holen etc.

Prompt machen sich die restlichen Insassen große Sorgen und es wird gar diskutiert, ob RTL „eingreifen“ müsse, damit Langhans nicht zu Schaden kommt.

Tja, das war’s dann mit meiner Sympathie. Eigentlich hatte ich mir ja gewünscht, dass der eine oder andere Teilnehmer auf irgend eine Weise den Rahmen der Sendung sprengen würde – nun aber sehe ich, dass das gar nicht geht. Jedenfalls nicht SO! Man kann Tod und Sterben in einer kollektiven Kindergarten-Inszenierung nicht sinnvoll thematisieren – das sollte der „Medienarbeiter“ Langhans im vorgerückten Alter eigentlich wissen.

Statt dessen macht er sich nun doch zum Affen. Schade! Die 50.000 hätte er auch ohne derlei Sperenzchen bekommen. Doch die Eigendynamik der Veranstaltung hat ihn voll erwischt: Aufmerksamkeit heischen um jeden Preis, zur Not mit einem pseudo-gefährlichen „Hungerstreik“.

Und das klappt sogar, auch bei mir. Ich schalte ein, guck mir das ganze Elend an und schreibe drüber.

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
17 Kommentare zu „Im Dschungelcamp sterben? Wie Rainer Langhans sich doch noch zum Affen macht. Oder doch nicht?“.

  1. Ich habe es zuerst für einen Scherz gehalten, ehrlich! Das ist tatsächlich schwer verstörend. Kann es sein Plan sein, dieses bodenlose TV-Format durch seinen tatsächlichen Tod einzuäschern? Das wäre die einzige Konsequenz, die ich darin erkennen könnte.

  2. Ich finde ja, mit der Teilname hat er sich schon zum Affen gemacht, wobei ich ehrlich nichts dagegen habe, wenn sich jemand zum Affen macht, auch nicht durch Teilname in dieser Sendung. (Wir brauchen mehr Leute, die Mut haben, sich mal zum Affen zu machen UND dazu stehen…)

    Sobald man den Teilnamevertrag unterschrieben hat, ist man nur noch ein Darsteller im Drehbuch des Sendungsteams. Entsprechend wird geschnitten, provoziert, arrangiert etc.. Das meine ich auch wiederum nicht abwertend, so funktioniert dieses Theater. Es ist quasie ein Bühnestück mit einem Hauch Spontantheater dabei.

    Das einzige, was ich schrecklich an dieser Sendung finde, das man all zu naive Darsteller im Glauben lässt, das sie Gewalt über ihr eigenes dortige Sein und die Inszenierung darüber haben. Klar kann man sagen: selber schuld, so naiv kann doch keiner sein, aber da schaltet sich mein Schützerinstinkt bei manchen, nicht so medienversierten jüngeren Teilnehmern immer ein.

    Das Herr Langhans dieses Prinzip der Dramaturgie dieses Schaustückes nicht kennt, kann man allerdings auch vermuten. Und so stolpert er auch durch die Fettnäpchen. Dabei tut er mir aber in der Tat nicht so leid wie diese vollkommene überfordere Frau, hab den Namen grad nicht präsent, deren Wesensstriptease Folge um Folge zelebriert und ausgeschlachtet wird, ohne das sie ahnt, welchen Vertrag sie unterschrieben hat.

  3. Meinetwegen soll der Langhansel „heilfasten“. Gibt es da nicht auch einen „Moderator“, der das abspecken nötiger hätte?
    Total irrationaler Verein; nur auf Publicity aus…

  4. das einschalten und schauen ist schon O.K. aber dann unbedingt schnell wieder auschalten.Mit aller Sympatie für Alt-Hippis, was da abgeht ist Dummheit Pur.
    Liebe Grüsse zentao

  5. -Abgesehen davon, dass mir diese Sendung genauso wie der Typ am Allerwertesten vorbeigeht…könnte ich mir vorstellen, dass ein Hinscheiden in dieser Sendung eigentlich ein unerhört starker Abgang für jemand sein müsste, der schon immer gern mit den Medien ‚gearbeitet‘ hat!??

  6. @myrna: Genau! … seine einzige Chance, authentisch zu sein, die einzige Chance, dort wirklich raus zu kommen … sonst ist doch alles immer ein bisschen wie in der Zalando-Werbung, oder?

  7. Hallo Claudia,

    „Dchungelkamp“ ist das hirnrissigste was ich mir vorstellen kann.
    Wie kannst Du so eine Schei…. kucken?

    Der Gipfel der Dekadenz scheint mir mit dieser Sendung erreicht.

    Gruß Hanskarl

  8. @Hanskarl, @Zentao: na, das hätte mich jetzt auch echt gewundert, wenn sich hier gar niemand mehr so geäußert hätte, wie Ihr beiden es tut! :-)

    Fakt ist, dass diese 5.Staffel des Dschungelcamps derzeit alle Quotenrekorde bricht – OBWOHL das Format schon mehrfach gelaufen ist, obwohl alle Entrüstungen zigmal durchdiskutiert sind und man eigentlich dachte, das sei jetzt nur noch langweilige Wiederholung für ein paar unverbesserliche Sozial-Porno-Gucker.

    Warum ich das eingeschaltet habe, davon handelt der Artikel. Natürlich hab‘ ich überlegt, ob es angesagt ist, mich als Dschungelcamp-Guckerin zu outen – und mich DAFÜR entschieden! Denn im Bekanntenkreis ist es durchaus ein Thema. Man spricht drüber. Zwar fehlt selten die Distanzierung und der Verweis auf den eigenen Abscheu vor solcherlei Unterhaltung, aber… woher kommt denn bittschön die deutlich gestiegene Quote?

    Vor Jahren war ich WIRKLICH angewidert, als ich mal kurz in die Sendung rein schaute und hatte nicht das geringste Interesse, da eine Minute länger dran zu bleiben.

    JETZT bin ich seltsamerweise nicht mehr angewidert, sondern nehme den unterhaltenden Charakter war. Das früher so dominierende Mitleid mit den C-Promis (und die entsprechende Empörung über die RTL-Strategen) ist kaum mehr vorhanden, denn mir steht im Bewusstsein: sie wussten GENAU, worauf sie sich einlassen.

    Ich war die letzte Zeit schwer erkältet und kaum arbeitsfähig, lag nachmittags/abends meist im Bett und wollte mich auch geistig nicht anstrengen (nix gutes Buch!) Also durch die Kanäle gezappt.. und mir all das angeguckt, was ich normalerweise 100%ig meide. Sogar DSDS hab ich mir ‚mal angetan und ebenfalls kein Mitleid mehr mit den armen Opfern verspürt (dieser unsägliche Dieter Bohlen ist zu alt für sein eigenes Format und wirkt auf mich wie ein peinlicher Sugar-Daddy…).

    Die Veränderung meiner Gefühle gegenüber den Geschehnissen in derlei „Unterhaltungsveranstaltungen“ finde ich seltsam. Schließlich hab ich nicht geübt und mich nach und nach dran gewöhnt bzw. mich irgendwie abgehärtet. Sondern fast immer nur öffentlich-rechtliche geguckt, häufig ARTE, PHOENIX…

    Vielleicht hat es etwas mit den Veränderungen der Netzwelt zu tun. Stichwort „Postprivacy“ und das allenthalben so massiv spürbare Verlangen nach Aufmerksamkeit, das vielerlei seltsame Blüten treibt. An die man sich aber mehr und mehr gewöhnt, so dass dann ein Dschungelcamp auch nur ein komischer Event unter vielen ist.

    Die Ekeltrainings interessieren mich da übrigens gar nicht, sondern mehr das Sozialverhalten der Leute – wie sie so langsam aus Mücken immer größere Elephanten machen und das alles immer ernster nehmen. SEHR SELTSAM!

  9. Ich schaue diese Sendung auch nur sehr sehr stückelhaft, aber nicht aus herenden kultivierten Abgrenzungsgründen, sondern weil ich meistens doch eben was anderes am Abend gemacht habe.

    Aber ich habe ja auch nicht immer etwas gegen leicht angesimulierte Dekadenz in meinem Leben ab und an.

    Ich bin da, was diese Sendung angeht, nahe bei Dir Claudia, nur das ich mich heute etwas mehr ekel als in der Anfangszeit des Formats. Aber das liegt vielleicht daran, das ich mehr Mitleid habe mit den C-Promis. Nicht weil ich heute kultivierter meinen Alltagsabend gestalte.

  10. Hier mal die Frankfurter Rundschau mit ein paar Gedanken zur Rezeptionsgeschichte:

    Hirschhoden & Stromstöße

  11. claudia, claudia … na ja, sagen wirs mal so: ich danke unverhohlen für diese kurzweilige zusammenfassung der derzeitigen boulevard-television-verhältnisse – da ich selber bei solchen formaten reflexartig noch vor jedem minimalsten sensuell-kognitiven kontakt weiterzappe, kann ich derlei kontroversen einzig aus zweiter hand perzepieren, besten dank also … [werbe-einblendung »jovan haut« »haut jovan«][bleiben Sie dran][und schon geht es weiter] by the way, ist dieser ominöse dieter bohlen auch dort dabei, lebt der noch und wie sieht der eigentlich aus, solariumgebräunt, zwangsjugendlich, real-senil oder so? (man darf sich ja auch mal mit irdischen parametern konfrontieren) (warum nicht) (womöglich auch mit dem „volk“) (aber übertreib es nicht, claudia! noch hast du bei mir den guttenberg-glanz) (noch)

  12. Hallo Claudia,

    wie Du schon sagst: „SEHR SELTSAM!“

    Gruß Hanskarl

  13. Na ja – anscheinend musste Langhans irgendwie ganz besonders auf sich aufmerksam machen. Wobei diese Aktion zwar in der Presse schön hochhspielt wurde aber dennoch wohl ziemlich das doofste war was ich über diese Sendung gehört habe. Zwar ist Rainer nicht dick, aber selbst er schafft es nicht mit 2 Wochen fasten auch nur in die Nähe einen Gefährdung zu kommen.
    Geaueres hab ich leider nicht mitbekommen, vielleicht hat er ja auch nix getrunken – das soll aber dann definitiv keine schöne „Nahtod-erfahrung“ sein und ob man so etwas wirklich bewusst machen kann weiß ich nicht.
    Faszinierend nur, dass derertige Themen bei jedem Öffnen eines Webportals (web, yahoo …)generell immer auf der ersten Seite stehen, was in Tunesien und Ägypten los ist nuss man meist erst suchen.

  14. Ich fühl mich geneigt, ein Stück weit Abbitte zu leisten. RTL hat seine „Macht der Schnitte“ genutzt – und im Fall von Rainer L. eben aus seiner Sicht „das Spektakulärste“ rausgezogen. Vermutlich hätte Rainer diesen Schnitten so nicht zugestimmt, wäre es „demokratisch“ wählbar gewesen, welche Daten-Bits der geneigten Öffentlichkeit gezeigt werden sollen.
    Garantiert hat er mehr Kontext zu diesen Verhaltensweisen geliefert als RTL transportiert hat – das ist mir mittlerweile aus Bemerkungen anderer „Insassen“ klar geworden.

    Alles in allem war es für mich eine erstaunlich positive TV-Erfahrung. Das gesamte RTL-Publikum (über 8 Millionen…) stimmte „moralisch“ und nicht etwa mainstreamig-konsumentenhaft ab – hätte ich nicht gedacht!

  15. @Zement: ICH hab (oder hatte) bei dir den „Guttenberg-Glanz“???? Um Himmels Willen…. wie komme ich denn dazu?

    Wenn ich mir im übrigen die Webseite anschaue, die du mit deinem Namen verlinkst, sehe ich z.B. Bilder wie dieses

    ehrlich gesagt war da das Dschungelcamp nicht ganz so platt im Eye-Catching unter der Gürtellinie…

  16. Das, Claudia, meinte ich damit, das die Leute in diesen Sendungen nur eine Art Darsteller sind, die den Drehbuchautoren Material zum schneiden einer nichtwirklichen Geschichte dienen. Bei manchen Dreh-Teams, vielleicht sogar hier auch, gibt es die Berufsbezeichnung „Realisator“.

    Typisches Beispiel dieser Schnitt-Realitätsverzerrer ist auch das Format „Frauentausch“. Das Drama und das „Gruselige“ und vermeintlich oder gar wirklich spannende wird oft zusammen geschnitten. Eine kleine Doku dazu, freilich auch etwas dramatisierend zugeschnitten: http://www.youtube.com/watch?v=pCkYsVZjSEc

    Man konnte auch die Dramaturgielinie beim diesjährigen Dschungelcamp gut verfolgen. Zuerst hatte man sich von Herrn Langhans das Drama erhofft, deswegen wurde er auch am ersten Tag von den Moderatoren immer wieder angelästert. Allerdings hat sich Herr Langhans dem allen einfach komplett entzogen, das gab nichts lange her. (Er wirkt ja auch eigentlich seit jeher in seiner Aussendarstellung wie ein netter, etwas langweiliger, schlichtes Gemüt…)

    Dann musste Sarah ran, und ihre Schwächen wurden derart intensiviert zugeschnitten, das sie mir gleich, wie oben ja schon kommentiert, leid tat. Am Schluß kam man dann auf Jay.

    Alles in allem wurden natürlich schon existierende Charakterzüge, Schwächen und Zwischenmenchlicher Stress zu einem Märchenbilderbogen zusammen konstruiert und durch die Medien verstärkt weiter gegeben. Das ist nichts neues aber (was es nicht besser macht natürlich), und eigentlich(!) müssten die Leute bei Dschungelcamp, im Gegensatz zu den anderen Formaten wie „raus aus den Schulden“ oder „Frauentausch“ das wissen. Naja, eigentlich…

  17. @Cräcker: ja, „im Prinzip“ ist es so, dass durch Auswahl und Schnitte viel beeinflusst wird. Dass „Sozialdrama“, das sich hier abspielte, halte ich aber NICHT für inszeniert: klar wurde Sarah in ihrer Art „verdichtet“ dargestellt und als Zicke dankbar aufgebaut. Das dann folgende „wir oder sie“ mit anschließendem Gruppenmobbing gegenüber dem Abweichler (Peer) war allerdings NICHT inszeniert. Da würde ich drauf wetten, die waren alle zu sehr im Isolations-Gruppen-Koller, als dass da noch abgesprochende Interaktionen hätten laufen können – zudem noch solche, bei denen die „siegende Mehrheit“ auf einmal so ein schlechtes Bild abgibt!
    Toll fand ich am Ende den Spruch von Peer, bevor er das Camp verließ: Mir kommts grad so vor, als ginge ich JETZT in den Dschungel… (nämlich raus in die Welt der Medienresonanz..) Das dürfte wohl für ALLE ein Schock gewesen sein.