Claudia am 14. Januar 2011 —

Hartz IV und private Krankenversicherung – von 199 Euro leben?

[Update 19.1.2010: das Bundessozialgericht hat in dieser Sache entschieden, dass der Beitrag zur PKV von den Jobcentern getragen werden muss!]

Der Beitrag im gestrigen RBB-Magazin Kontraste „Hartz IV – Privatversicherte unter Existenzminimum“ hat mich richtig erbost:

Alle, die vor ihrem Harz IV-Bezug privat krankenversichert waren, fallen in ein tiefes Loch. Denn sie bekommen nur genau den Betrag für die Krankenversicherung, der auch für gesetzlich Versicherte bezahlt wird. Den großen Rest müssen sie aus dem Regelsatz bezahlen! Zurück in die „Gesetzliche“ dürfen sie aber auch nicht.

Das führt dazu, dass sie z.B. von 199 Euro im Monat leben müssen – inkl. Strom und Gas. Denn für die Krankenversicherung zahlt die ARGE 131 Euro, der Beitrag beträgt aber 300 und mehr.

Besonders perfide ist, dass diese „Lücke“ allen zuständigen Politikern lange bekannt ist. Sie entstand wärend der Gesundheitsreform der großen Koalition, die sich nicht auf eine Regelung einigen konnte, die dem Leistungsbezieher sein Existenzminimum sichert. Und das ist bis heute so! Zuständig sind jetzt Rösler und von der Leyen, die seit Jahren eine Neuregelung ankündigen, faktisch aber nichts tun.

Es gäbe folgende drei Möglichkeiten:

  1. Zurück in die Gesetzliche Krankenversicherung – mit dem Nachteil, dass so wieder einmal Risiken sozialisiert werden, anstatt dass die Private KV diese mitträgt.
  2. Das Jobcenter übernimmt die vollen Kosten – auch hier würden die Privaten gegenüber den Gesetzlichen deutlich besser gestellt.
  3. Private bekommen nur soviel Geld wie die Gesetzlichen. – Das wäre gerecht, doch hierfür müssten sich die Minister mit der mächtigen PKV-Lobby anlegen.

Also tut man einfach nichts! Obwohl doch hierzulande jeder das Recht auf sein Existenzminimum hat, dass mit dem Hartz IV-Regelsatz auch deutlich definiert ist.

Eine üble Sauerei auf dem Rücken der Schwachen, eines Rechtsstaats nicht würdig. Aber von dem entfernt sich DE ja eh mit großen Schritten – und kaum jemanden störts!

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Diskussion

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11 Kommentare zu „Hartz IV und private Krankenversicherung – von 199 Euro leben?“.

  1. Exakt zu diesem Thema und daraus resultierenden Parallelgesellschaften war am Dienstag, 11.01., im ZDF: “ 2030 – Aufstand der Jungen. “

    Ja, das macht wütend.

  2. Inklusive Strom und Gas heißt, dass max. 120 Euro übrig bleiben vom Regelsatz? Meintest Du das so?

    Hartzies, die sich weigern, in „angemessenen“ Wohnraum umzuziehen, ihren angestammten Kiez zu verlassen, bekommen einen Pauschalsatz von 378 Euro für Miete, Strom und Heizung. Alle darüber hinaus gehenden Kosten müssen sie selbst tragen. Sind sie dann auch noch PK-versichert und brauchen eine Flatrate, reicht in solchen Fällen selbst der wöchentliche Euro für die (Berliner) Tafel nicht zum Überleben aus.
    Was für „Blüten“ das trägt, sieht man sehr gut auf dem ehemaligen Kijiji-Portal: Eine dortige „Stammkundin“ verschleudert ihren gesamten Wohnungsnippes für bspw. Toilettenpapier oder Spülmittel. Und das seit mindestens einem Jahr.

  3. Hallo und guten Morgen,

    warum ist man den privat krankenversichert?
    Entweder gibt es keine gesetzliche Versicherung für einen wenn man sich selbständig macht. Dann privatversichert. Es geht aber auch freiwillig gesetzlich versichert. Das kostet halt etwas mehr. Vorteil man kann jederzeit zurück in die gesetzliche Versicherung.
    Zweite Möglichkeit – man spart von seinem Einkommen wenn man über der Beitragsbemessungsgrenze und privat versichert ist. Dann bildet man Rücklagen – oder?
    Ich finde man kann sich, selbst wenn man in HarzIV fällt nicht darüber beklagen, dass so etwas wie im Bericht beschrieben passiert. Wenn man vorher die Solidargemeinschaft verlässt und ein „Schnäppchen“ mit der privaten Versicherung macht – sollte man nicht meckern wenn das Leben etwas anderst verläuft als geplant.
    Dem Punkt 3 stimme ich voll zu. Freie Marktwirtschaft. So wie bei den gesetzlichen Krankenversicherungen. Die gleichen Beiträge sind sowas von paradox. Wozu braucht es private Versicherungen.
    Borgward sagte: „Banken und Versicherungen sind staatlich lizensierte Verbrecher“.
    Hart aber es ist eher das System an sich.
    Beruhigend: Ein System das auf Wachstum baut (welches nach Naturgesetzen nicht möglich ist) wird an seiner Gigantomanie untergehen.
    Gruß aus Baden.

  4. @Norbert: Jeder hat hierzulande das Recht aufs Existenzminimum, ganz unabhängig davon, wie (und wie versichert) man in die mittellose Lage gekommen ist. Das ist für mich Grundlage des Sozialstaats, auf jeden Fall zu verteidigen!

    Es gibt verschiedenste Gründe, warum jemand privat versichert ist (und übrigens: wenn „freiwillig in der Gesetzlichen“, dann IST er schon drin und muss nicht erst „zurück“!). Und jede Menge Selbständige verdienen nicht genug, um Rücklagen zu bilden. Ich denke nur mal an die ganzen „outgessourcten“ früheren Arbeitnehmer, die von ihren Arbeitgebern in die Selbständigkeit gezwungen wurden!

    Aber selbst wenn einer „ganz normal“ privat versichert war, weil er es sich leisten konnte und das besser fand: dieser Staat LEISTET sich so ein zweigleisiges System, also muss es auch für beide Gleise eine Regelung für diejenigen geben, die dann in Hartz4 fallen. Sie also einerseits krankenversichert, andrerseits ihnen den Regelsatz zum Leben lässt.

    Dass das NICHT passiert, sondern auf die lange Bank geschoben wird, obwohl alle wissen, dass sie es ändern MÜSSEN – das ist für mich eine Riesensauerei!!!

  5. Wer ja als „Harzi“ eine private KV hat, der kommt ja direkt aus der Selbständigkeit und halt eine geraume Zeit die Vorteile genossen (es kommt natürlich auf die gewählten Tarife und das Alter an).

    Das auf lange Sicht, das gesetzliche Solidaritätsprinzip abgeschafft werden soll ist ja auf den Parteitagen der Regierungsparteien in 2004 (CDU) bzw. 2005 (FDP) schon verabschiedet worden. Das zeigt auch deutlich die seit dem 01. Januar in Kraft getretene Änderung, die deutlich die Arbeitnehmer schlechter stellt. Das Erwachen wird noch kommen, wenn die ersten Kassen die 2% Zusatzbeiträge erheben.

  6. @Aquii: und wie bewertest du das? Wie relevant ist es, dass CDU/FDP das Solidarprinzip (deiner Meinung nach) abschaffen wollen? Zumindest in der CDU ist das sicher nicht Konsens – und heißt das jetzt, dass wir das widerstandslos abnicken sollen?

  7. Als Österreicher, der seit 10 Jahren hier in Deutschland arbeitet kann ich das gesamte deutsche Krankenversicherungsystem nur als „verwirrend“ ansehen.
    Von Österreich war ich es gewohnt, dass JEDER in eine „gesetzliche“ Krankenkasse einzahlt und wer MEHR will ( Einzelzimmer, bessre Behandlung …) zahlt zusätzliche eine private Erweiterung.
    Ich halte dies für deutlich gerechter, als hier in Deutschland, wo sich diejenigen, welche viel verdienen eine private Vorsorge leisten können, die bei hohem Einkommen eben billiger ist als die gesetzliche prozentual vom Einkommen berechnete Gebühr.

    Ich kann hier dem Beitrag von Norbert fast zustimmen. „Fast“ deswegen, weil er natürlich recht hat wenn er anmerkt, dass privat Versicherte sich definitiv aus der Solidargemeinschaft auskoppeln. Wahrscheinlich ist dies aber vielen gar nicht in diesem Sinn bewusst. Und wenn dann eben Schwierigkeiten auftauchen und man in Harz IV fällt, ist es natürlich ziemlich hart zu sagen „Selbst schuld und Pech gehabt“.
    Also wäre es eigntlich schon das Beste, wenn man in so einem Fall wieder die Möglichkeit bekäme in die gesetzliche Versicherung zu kommen. Das Problem ist wahrscheinlich, dass es ja auch bei den gestzlichen Versicherungen derart viele konkurrierende Versicherungen gibt (was ich eigentlich nicht verstehe – da sollte es eigentlich eine einheitliche Versicherung für Alle geben).
    Also wird wahrscheinlich die Lobby der gesetzlichen Versicherungen extrem dagegen arbeiten eine derartige Rückkehr zu erlauben – wer will schon Kunden die nur sehr wenig zahlen (bzw. für die der Staat wenig zahlt), aber eben auch durchaus hohe Ausgaben notwendig machen können.
    Da wird jede gesetzliche Versicherung diese Patienten eben gern „weiterschieben“.
    Eigentlich müsste die gesamte private Krankenversicherungsbranche völlig überdacht werden. Die Privaten tun sich derzeit ja wirklich leicht, solange man zahlen kann ist alles bestens und die Privaten machen sicher genug Gewinne – wenn man in Finanzschwierigkeiten kommt waschen sich die Privaten die Hände in Unschuld weil sie dies absolut nicht interessiert und sie jeden der nicht zahlen kann problemlos rauswerfen kann. Risiko praktisch gleich Null.
    Also ein Gesundheitsreform, welche diesen Namen wirklich verdient wäre wirklich mal notwendig. Hoffentlich nicht von der schwarz-gelben Seite aus, da diese die privaten Versicherungsmöglichkeiten nun noch deutlicher stärken will.

  8. Update: Jobcenter müssen PKV-Beiträge bei Hartz IV zahlen – so hat das Bundessozialgericht entschieden!

    Ein betroffener Jurist hat das „durchgeklagt“ – und es gilt jetzt für alle! Man sieht: es bringt was, sich zur Wehr zu setzen!

  9. Das Bundessozialgericht hat hier doch schon neu entschieden, den Basistarif der PKV muss das Jobcenter nun erstatten, hier selber nachlesen:
    http://www.geldsparen.de/sparen/Familie_Soziales/hartz-iv-jobcenter-muss-pkv-beitraege-zahlen.php

  10. @Moni: der Artikel entstand VOR dem Entscheid. Und zum Urteil hab ich EINEN KOMMENTAR ÜBER DEINEM das Update geschrieben! Lesen hilft!

  11. Ich habe schon oft davon gehört, denn man darf ja auch als Hartz 4 ler nicht einfach zurückwechseln.