Claudia am 08. November 2010 —

Castor schottern? Niemand will einen Zug entgleisen lassen!

Ob das eine gute oder schlechte Idee war, ein paar Bröckchen Schotter mit bloßen oder behandschuhten Händen unter den Augen der Weltöffentlichkeit wegzuschaben, bevor binnen gefühlter zwei Sekunden die Polizei die derart Aktiven vertreibt, will ich jetzt gar nicht bewerten.

Sondern nur anmerken: dies ist mit Sicherheit keine Aktion, die zum Ziel hat, dass ein Zug entgleist – sei er nun mit Menschen oder Castoren besetzt. Es geht einzig und allein um das AUFHALTEN des Zuges. Und auch nicht für immer: jeder vernünftig Mitdenkende weiß, dass spätestens Montag oder Dienstag die meisten dann doch nachhause wollen.

Und natürlich würde niemand unter den Verantwortlichen, vom Lockführer bis zum Ministerpräsidenten über die Bahn-Zuständigen bis hin zum Zwischenlager-Betreiber einen Castor-Zug in ernsthafte Gefahr bringen lassen! Sie würden stoppen und aufs Durchreparieren warten, und nicht etwa eine Entgleisung riskieren.

Noch weiter betrachtet, sind diese „Castoren“ doch gewiss keine Verpackungselemente, die durch bloßes Umfallen/Entleisen ihre üble Fracht in die Umwelt entlassen. Oder meint jemand, dass doch?

Das sind halt grade so meine Nachtgedanken zu den laufenden Ereignissen….

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
9 Kommentare zu „Castor schottern? Niemand will einen Zug entgleisen lassen!“.

  1. Gut, daß einige mit ihrem Engagement am Castor zeigen, daß sie sich nicht vom „Lockführer“ zur Kernenergie verleiten lassen. :) Die ist zwar ein Auslaufmodell aber der Castor ist so sicher, wie die Rente.

  2. Ich frage mich immer, warum denn die Castor Transporte überhaupt angekündigt werden. Warum macht man das nicht still und heimlich, keiner bekommt es mit, dann wird auch niemand dagegen protestieren

  3. @Hanna: weil es dann vermutlich doch nicht geheim bleiben würde. Irgend jemand würde die Info an irgend jemand anderen weiter geben – und der Effekt wäre UNKONTROLLIERBAR. So aber bereiten sich alle auf zwei drei Tage „Castor-Festspiele“ vor, wobei es dank massiver Polizeipräsenz nicht wirklich zu folgenreichen Störungen kommen kann.

  4. @ Hanna: Im Wendland bekommt das ja doch jeder mit, weil das Leben dort durch die „Sicherheitsmaßnahmen“ für die Transporte heftig behindert wird. Da kann es vorkommen, dass Bauern tagelang ihr Vieh nicht mehr füttern können, nur weil die Transport-Strecke zwischen Hof und Weide liegt.
    Deswegen sind die Wendländer ja auch so wütend, und zwar weitgehend alle, weil ganz normalen Leuten durch die Transporte selbstverständliche Rechte massiv beschnitten werden.

  5. Vielleicht sollte man überlegen, künftig die Castoren per Schiff nach Deutschland zu transportieren. Auf See dürften gewalttätige Demonstrationen schwierig durchzuführen sein. Die Landstrecke wäre dann auch relativ kurz, so dass sich die Kosten vermutlich erheblich reduzieren würden.

  6. @Jings: na, dann geh doch hin und gib ihnen den Tipp! Vielleicht bekommst du ja den ersten Atomkraft-Ja-bitte-Orden am Bande…

    (Ich nehme mal an, da denkt niemand im Traum dran – man stelle sich vor, so ein Schiff kentert… )

  7. Okay, ich habe den Kommentar zur Kenntnis genommen. Mir ging es nicht um das Demonstrationsrecht als solches, sondern um die Vermeidung von teils massiver Gewalt bei solchen Transporten. Wenn ich dafür den „Atomkraft-Ja-bitte-Orden am Bande“ angetragen bekomme, dann bin ich hier halt falsch.

  8. @Jings: In der Gesamtschau auf die vergangenen Castor-Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams kann man doch sehen, dass „massive Gewalt“ nun wirklich nicht das ist, was diesen Jahrzehnte alten und durch Kündigung des Konsens wieder hochgekochten Widerstand ausmacht. Wollten 50.000 Leute wirklich massive Gewalt ausüben, ginge es doch ganz anders zu!

    Wenn das Fernsehen z.B. immer diesselbe Szene desselben Kapuzentypen zeigt, der da ein paar Schotterbrocken rausgräbt, dann weiß ich doch, dass das nicht grade eine Massenphänomen war.

    Ich bewundere übrigens die Menschen, die sich da in Beton eingießen und festschmieden lassen. Du lieber Himmel, die müssen Mut und Vertrauen haben!

    Dass sich mehrere tausend Leute haben widerstandslos wegtragen lassen und tausende Polizisten das auch allermeist weitgehend gewaltfrei abgearbeitet haben, ist sehr viel TYPISCHER für die im Wendland herrschende Demo-Kultur als das, worauf dann alle starren: ein paar wenige, die dann auch mal Gegenstände werfen – und umgekehrt Polizisten, die Pfefferspray und Reizgas einsetzen.

    Den Transport möglichst lange zu stören, IST eine effektive Form der Demonstration, denn dadurch wird klar: man resigniert nicht, sondern bleibt dran an der ungeklärten, total im Argen liegenden Sache.

    Erst recht, wenn durch Laufzeitverlängerungen nun 30% Atommüll MEHR mal eben so hingenommen wird. OHNE dass man weiß, wohin mit dem Zeug – bzw. sogar Anstalten macht, den aus zig Gründen nicht geeignet erscheinenden Salzstock einfach alternativlos weiter zu bauen. Oder (an anderer Stelle) das Zeug mal eben nach Russland zu verschieben: aus dem Auge, aus dem Sinn!

    Jings, wie alt warst du 1986? Oder: wie hast du Tschernobyl erlebt?
    Das war ja eigentlich recht weit weg… aber das gewohnte Leben hielt allseits inne auf eine so gespenstische Art, wie ich es nie wieder erlebt habe. Es bräuchte eine größere literarische Ader als ich sie habe, um das angemessen zu beschreiben. Deshalb versuche ich es gar nicht erst und sag nur: dieses Ereignis hat nicht nur mich geprägt!

    Deshalb gibt es da (für viele meiner Generation) keine gemütlich-resignierenden Kompromisse, wo man halt schulterzuckend duldet, dass eben ein paar Milliarden mehr kassiert werden wollen.

    Und deshalb werd ich auch ein bisschen grantiger als üblich, wenn jemand allen Ernstes einen Castor verschiffen will, um dem demonstrierten Unmut der Bevölkerung auszuweichen. Dieser Unmut ist nämlich nur allzu berechtigt – und ich teile ihn ohne Wenn und Aber.

  9. Grade fand mich per Twitter ein Blogposting von einem, der aus eigener Erfahrung berichtet, wie es im Wendland war:

    Wir haben Geschichte geschrieben…

    „Ich weiß, dass es an anderen Stellen völlig anders war und kenne Leute, die richtig mies von der Polizei behandelt wurden, aber wir haben in der Blockade vor Gorleben mit der Polizei zusammen das Castor-Ballet aufgeführt.“