Claudia am 11. Oktober 2010 —

Kindheitslieder

Meist geht man in Sachen Musik grade mal bis zur eigenen Pubertät zurück – also zum Sound der Zeit, als man erstmalig die Möglichkeit hatte, selbst zu wählen, was man hört. Dieses „Mögen“ war zwar vom Zeitgeist geprägt, von dem, was in der Peer-Group grade angesagt war, doch immerhin ein Statement des eigenen Dazugehören-Wollens. Meist auch eine bewusste Distanzierung zu dem, was die Eltern, die Alten, die Etablierten, die Herrschenden für gut und richtig und schön befanden.

Solche „Ermächtigungsmusik“ hinterlässt einen weit tieferen Eindruck als alle späteren, bloß ästhetisch (oder psychomanipulativ) motivierten Musilk-Nutzungen. Ab ca. 35 (plusminus) steigen viele aus der zeitgenössischen Musik aus – nicht nur ich damals in den wilden 80gern.

So ist es dann halt schon recht gewöhnungsbedürftig, wenn all die Sounds der Jugend auf einmal von silbergrauen Mittfünzigern/Sechzigern goutiert werden! Mein Horror: im Altenheim „I can get no satisfaction“ mithören zu müssen…!

Na, das nur am Rande. Kürzlich bin ich dann einfach mal weiter zurück gegangen, bei Youtube herum zappend. Mittlerweile ist nahezu ALLES da! Ein gefundener Uralt-Hit aus der Kindheit löst die Erinnerung an andere aus. Und so erschloss ich mir immer mehr Gefühls-Universen der ganz frühen Jahre zwischen fünf und zwölf. Und sampelte dabei eine Playlist namens UraltSongs. Wer mag… (Hinweis: wer nicht 50plus ist, dem sagt das wahrscheinlich nix!).

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Kindheitslieder“.

  1. Hallo Claudia,
    Ich habe einige Sachen aus der Kindheit im Kopf wie
    „YES, MY DARLING DAUGHTER“, eine wirkliche Uraltscheibe aus den 40ern, die mein Bruder aus irgendwelchen Gründen gekauft hat (kannst Du auf youtube ansehen).
    Da gibts so nette Lyrics wie:
    „What if he should insist on one embrace, mama,
    How can I keep him in his place
    If his manner becomes a shade improper?
    Tell him that your heart belongs to papa“
    Dann noch „Woolly Bully“ von Sam the Sham & the Pharaohs.
    Ansonsten habe ich nicht viel Erinnerung an die frühen Sachen.
    Slightly off topic:
    Vor etwa 10 Jahren bin ich auf ein Jazz-Open-Konzert von 1959 im TV gestoßen – und was mich ziemlich überraschte: Die Musik klang sehr frisch, es war innovative Musik, die auch heute noch ungewöhnlich ist wie etwa Scattgesang. Es war einfach begeisternd, diesem Aufbruch in der Musik im Nachhinein beiwohnen zu können. Das Publikum war im übrigen vergleichbar den späteren Rockkonzerten: Es lies sich sichtbar von der Musik berauschen – es war offensichtlich die Musik der Jugend. Melancholische Gefühle überkamen mich bei dem Gedanken, daß ein großer Teil der Musiker zum Zeitpunkt der Ausstrahlung schon garnicht mehr lebte.
    Diese und ähnliche Erfahrungen machten mich gelegentlich neugierig auf manch alte Perle wie etwa die Musik von Henry Mancini.

    Das Interessante ist, daß, wenn man so manchem jungen Menschen elektronische Musik von heutzutage vorsetzt, sie meist eher die alten Sachen hören wollen, Sachen oft noch mit „Form and sight“, wie es einst mal Gilles Peterson formulierte.

    Gruß
    Gerhard

  2. Ich müsste eine Playlist nehmen aus Gedichten. Musikhören war nicht mein Ding in der Pubertät. ‚Elm‘ von Sylvia Plath, Celans ‚Chanson einer Dame im Schatten‘, Ernst Meisters ‚Alles beruht auf sich‘, Bobrowskis ‚Gedenkblatt‘, Terese Robinsons ‚Fleurs du Mal‘-Übersetzung, Friedrich Hagen … manch Kitschiges aus heutiger Sicht. Doch blieb es.

    Neulich sagte eine Freundin, auch ich sei mit 35-40 ausgestiegen aus dem Fortgang der Lyrik. Das ist nicht wahr, ich suche sie bloß anderswo als dort, wo sie beredet fortgeht. Ich würde selbst nichts im Stil ‚meiner Oldies‘ schreiben, mich kaum daran freuen, wenn solches wieder gemacht würde, aber das Gefühl hört nicht auf. Es gilt wohl nicht den Gedichten (oder der Musik), sondern der Jugend, als die Welt leuchtete und duftete, offen stand, nicht hinter mir lag.

    Ich sage mir das Gedicht – und es ist fast wie damals. Ich frage mich: ‚Was hast du daraus gemacht?‘ Alles wäre möglich gewesen! Und das ist auch das Leid am Gefühl – die Welt ist nicht geschrumpft, nichts hindert mich, heute frei zu sein. Diese Wehmut schließt eine Tür.

  3. Oh Claudia,
    ganz wunderbar! Viele dieser Lieder haben meine Kindheit begleitet. Ergänzend vielleicht noch: Banana Boat von Harry Belafonte. Danke und liebe Grüße
    Gudrun

  4. Für die Kindheit habe ich etwas länger gebraucht. Radio hörten wir nicht, meine Mutter fiedelte. Ich habe gerne gesungen, als kleiner Junge unter der Küchenspüle Erfundenes (man warf Geld ein, damit es aufhörte), später nach Liederbuch draußen im Freien. ‚Im Frühtau zu Berge‘ war mein Lieblingslied. Die intensivsten Erinnerungen aber an die ersten zehn Jahre enthalten kaum Musik, nur Himmel und Land und Straßen, wenn ich mich darin verirrte, und Geschichten aus Büchern. Ich habe den Nachmittag über nachgesonnen. Geräusche: das Quaken der Frösche vom Bach, die Grillen im Sommer, ein Jahr mit Baustellenlärm, von Jahr zu Jahr mehr Autos, bis sie zum ständigen Strom wurden. Bei all den deutschen Kindheiten fand ich meine nicht. Schönes Thema.

  5. Liebe Schwester, gleiche Kindheit, gleiche Lieder!
    Ich hab aber auch noch ganz lebendig die ganzen Italohits unserer Kindheit im Kopf:
    http://video.mynet.com/waterangel/Gino-Paoli-Sapore-di-sale/316708/
    http://www.youtube.com/watch?v=nUbCwazLekw
    und meine Favorit:
    http://www.youtube.com/watch?v=m5JwVj4Jp48&feature=related
    und natürlich http://www.youtube.com/watch?v=jtlfFvps9GM&feature=related (unglaublich, wie viele von diesen steinalten Videos sony music mich nicht gucken lässt!)

  6. its a hard days night,
    born to be wild
    atomhearth mother
    (time)
    Real (genesis)
    jimy hendrix
    frank zappa
    „sofa“
    die ersten dinge waren jedoch
    kurzwellensendungen, nachts im Radio, die beine links und rechts neben dem Radio auf den kleinen tisch, und decke überm kopf. fremde sprachen aus aller welt, musik und
    beiträge, manchmal auch nur zahlenkolonnen (DLF),
    über langwelle manchmal afrika
    liederbücher von hannes wader, pink floyd, bob dylan,
    beatles songbook, die „§liederfibel“.schmetterlinge, tonsteinescherben,strassenmusik.
    ougenweide, und ach so vieles was nicht zusammenpasste
    und wanderlieder, auch im frühtau wegen dem rhytmus.
    meine oma fährt im hühnerstall motorad.
    schon früh an „unbehagen“ an märschen.misstrauen,
    was wollen DIE;
    und dann lange haare und der ganze rest:)

  7. Wie schön! Danke für Eure Erinnerungen! :-) Es ist immer wieder seltsam, wie so eine erinnerte Einzelheit (ein Song, ein Buch, ein Bild..) andere Erinnerungen ausgräbt!

    Im von Dirk verlinkten Projekt (nette Idee!) fand ich meine Kindheit auch nicht. Es gibt da zudem Unstimmigkeiten (vermutlich, weil sich andere FALSCH erinnert oder FALSCHE Geburtsdaten eingegeben haben?) – denn Hörbücher/Hörkassetten konnten mir mit 8 nicht wichtig sein, die gab es damals einfach noch nicht.

    @Ingo: war das wirklich KINDHEIT?? Oder doch schon Pubertät?

  8. :)
    pubertät und ff:)
    jo hab das thema verwischt und
    etwas verfehlt, „musik/Jugend“
    mit „Musik/Lieder/Kindheit“
    abgesehen vom nächtlichen Radiohören
    so 1964-1968 rum

    in den wäldern und feldern rund um
    stuttgart (nähe)waren in den anfang
    70er Jahren eher versteckspiele und
    wanderlieder angesagt denn Stones
    und beatles:)

  9. Ich bin 30+, aber die meisten Stücke aus Deiner Playlist kenne ich. Liegt wohl daran, dass meine Mutter immer den damaligen Sender SDR1 spielte. Da kamen dann eben auch die alten Schinken.

    Was da zu meinem Kinderzeugs auf jeden Fall noch dazugehört: Rolfs Schulweghitparade von Rolf Zuckowski und die erste Schlümpfe-Platte. Die finde ich auch heute noch gut, weil sie einfach mit Herz gemacht ist.