Claudia am 17. Februar 2010 —

Wenn alles gesagt ist: die Westerwelle-Debatte rund um Hartz IV

Was mich an politischen Debatten oft so anödet, ist die Tatsache, dass zur Sache schnell alles gesagt ist:

Westerwelle: wer arbeitet, muss mehr verdienen als einer, der nicht arbeitet. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.
Andere: Ja klar, es muss ein Mindestlohn her! Und spätrömische Dekadenz sehen wir eher bei Westerwelles Klientel, bei den Steuerhinterziehern, den Bankern, den Profiteuren der Finanzkrise…
Westerwelle: Arbeitnehmer werden zu Deppen der Nation! Was hierzulande um sich greift, ist geistiger Sozialismus!
Andere: Das Problem sind nicht die paar Hansel, die nicht arbeiten wollen, sondern das Fehlen von fünf Millionen Jobs, von denen man auch leben kann!

Und so weiter und so fort. Wenig variiert wird das vorgegebene Thema seit Tagen quer durch alle Medien geschleift und in den Talksshows widergekäut. Die Diskussion unterscheidet sich nicht von zig anderen, die rund um HartzIV in den letzten Jahren geführt wurden. Die immerselben Argumente treffen aufeinander, doch entsteht daraus kein neuer Plan, kein anderes Herangehen. Es ist ganz offensichtlich ein Westerwellescher Profilierungsversuch in Reaktion auf die drastisch gesunkene Zustimmung zur Politik der FDP: Nur noch acht Prozent würden sie wählen, wäre demnächst wieder Bundestagswahl. (Update: jetzt nur noch sieben!) Und der Mann glaubt offenbar wirklich, dem sei so, weil die FDP nicht drastisch genug „liberalisiert“, nicht schnell genug Steuern senkt und den Sozialstaat zusammen streicht.

Also sitzt nun wieder der typische Friseur aus den neuen Bundesländern in „Hart aber fair“ (RBB) und berichtet, dass er seine Angestellten entlassen müsste, wäre da ein Mindestlohn. Denn die Leute hätten das Geld halt nicht, um die dann höheren Preise zu bezahlen. Hätten sie doch, kontert DIE LINKE, denn sie alle hätten ja dann zumindest den Mindestlohn von 10 Euro! Reicht doch nicht, meint der Moderator und rechnet vor, dass die vierköpfige Familie auch dann noch aufstocken müsste – also nix mit Urlaub und Frisör.

Spalten und entsolidarisieren

Jeder neue Versuch, HartzIV-Empfänger zu diskriminieren und zu drangsalieren, ist ein wiederholter Lackmus-Test auf die verbliebene gesellschaftliche Solidarität: Irgendwann, so hoffen Westerwelle & Co., wird es endlich soweit kommen, dass die Mehrheit einverstanden ist, die Stütze-Bezieher noch weiter auszugrenzen, damit man die Besserverdiener steuerlich „entlasten“ kann. Da aber grade erst die Finanzkrise Unsummen für Rettungsaktivitäten verschlungen hat, haben viele Angst, selbst demnächst bei HartzIV zu landen und sind wenig geneigt, die Bedingungen der ALG2-Empfänger noch weiter zu verschlechtern.

Dieser Restsolidarität aus Angst vor dem eigenen Abstieg tritt nun die Financial Times Deutschland (FTD) beherzt entgegen: „Mittelschicht von Hartz IV kaum betroffen“ heißt es da – und weiter:

„Hartz IV betrifft die Mittelschicht fast überhaupt nicht: Gerade einmal 0,3 Prozent der Empfänger von Arbeitslosengeld II verdienten bei ihrem letzten Arbeitgeber mehr als 3000 Euro brutto im Monat. Und gar nur jeder 1000. kam auf wenigstens 3500 Euro, wie eine noch unveröffentlichte Berechnung des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) zeigt. Der Durchschnittslohn von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland liegt bei 3100 Euro.“

Aha, wer unter 3000 brutto verdient, ist also Unterschicht! Da würden mich glatt mal die absoluten Zahlen interessieren. (Die IZA, deren Vor-Finanzkrisen-Zahlen von 2007 hier präsentiert werden, ist übrigens ein privates Wirtschaftforschungsinstitut zur „Zukunft der Arbeit“. Präsident: Klaus Zumwinkel).

Und damit auch klar ist, was man nun denken soll, schreibt die FTD weiter:

„Die IZA-Zahlen entziehen einer zentralen Argumentation von Hartz-IV-Gegnern die Grundlage. Kritikern zufolge erhöht die Arbeitsmarktreform das Risiko des sozialen Abstiegs drastisch, weil auch Gutverdiener ein Jahr nach einem Jobverlust nur noch Arbeitslosengeld II erhalten – der Staat also bloß das Existenzminimum sichert. Tatsächlich rutscht aber kaum ein früherer Durchschnitts- oder gar Besserverdiener in Hartz IV ab. „

Danke FTD! Da muss „man“ sich ja keine Sorgen mehr machen und kann frohen Mutes auf die Westerwelle aufspringen: Weg mit der bequemen sozialen Hängematte – und falls die dann alle zwecks Broterwerb kriminell werden, lasst uns halt Gefängnisse bauen! Viele neue Bauvorhaben in den Kommunen sind doch genau das, was jetzt gebraucht wird.

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Mehr dazu:

Lässt die FDP den Liberalismus zur Ideologie verkommen?

Hartz IV – „Das Problem ist nicht die Arbeitsmoral“;

Hartz IV-Diskussion: Die FDP, der Esel und die „Deppen der Nation“

Dekadenz in Potenz (interessante Statistiken!)

Arroganz – Westerwelles Tarnanzug

Diskussion

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20 Kommentare zu „Wenn alles gesagt ist: die Westerwelle-Debatte rund um Hartz IV“.

  1. Ich gehe ja immer etwas bissig in die andere Richtung. Immer wenn ein Bekannter von mir (sonst ein wirklich netter) über diese Hartz-vierler wettert, und das die ja eh nicht wollen und schon ab der siebten Klasse genau das Lebensziel haben und und und…. erklär ich ihm lieber nichts, sondern nehm einfach seine Behauptung für allgemeine Wahrheit. Und erklär ihm, ich sei sehr froh, über jeden, der freiwillig „auf Hartz 4“ leben würde. Der vergrößert doch die Chancen meiner Kinder auf Arbeit. Eine bessere Entlastung gäbe es doch gar nicht. Unsere Gesellschaft müsse sich viel mehr „von denen“ leisten. Eigendich, so sinniere ich weiter, sind die sogar mit Hartz Vier noch unterwert bezahlt für die Chancen, die sie meinen Kindern geben. – dann kuckt der Bekannte immer so komisch…

  2. Spitze! :-) Ja, man kann eigentlich froh sein über jeden, der gar nicht erst zum Wettbewerb antritt! Denn es sind ja eh viel zu viele, die um die wenigen Arbeitsplätze konkurrieren. Dass diese „Abhänger“ auch noch mit so wenig Geld zufrieden sind und den sozialen Frieden nicht beschädigen, ist doch auch eine Leistung! Ganz zu schweigen vom minimalen ökologischen Fußabdruck, den sie hinterlassen – verglichen mit der Elefantenspur eines durchschnittlichen „Leistungsträgers“. Aber statt Dankbarkeit über soviel Verzichtsbereitschaft ernten sie Häme, Mobbing und endloses Politbashing – böse das!

  3. mir gefällt das udate, das ein downdate ist. sieben? da geht doch noch was. jawohl! ;-)

  4. Kleines Zahlenspiel zur Demonstration der statistischen Nullaussage des o.g. Zitats:
    Man nehme 300 Freiberufler mit 1200 EUR/Monat und
    33 Gutverdiener mit 20.000 Euro/Monat.
    Dann läge der „Durschnittsverdienst“ bei 3063 Euro und nur 0,3 Prozent (nämlich genau die 33) würden über 3000 Euro im Monat verdienen. Aber was sagt das über diese Realität aus? In diesem Beispiel gäbe es so etwas wie „Mittelschicht“ gar nicht. Nur eine Information ist interessant: Das offenbar nur 0,2 Prozent derjenigen mit einem Verdienst ZWISCHEN 3000 und 3500 Eur/Monat „bedroht“ sind.
    Kurz: ohne absolute und vollständige Zahlen lässt sich keine Aussage treffen. Wie immer.

  5. Merkwürdig, jahrhundertelang träumt die Menschheit von einem Leben ohne harte eintönige Arbeit und wenn es dann endlich soweit sein könnte, dann herrscht darüber nicht etwa Freude sondern Aufregung und Verzweiflung, weil sich niemand einen anderen Verteilungsschlüssel für Waren und Dienstleistungen vorstellen kann, außer (in Geld bewertete) „Arbeit“.

    Dabei ist „Arbeit“ schon lange nicht mehr das, was es einmal war. Die „Arbeit“ eines Herrn Westerwelle, eines Herrn Ackermann, eines Schauspielers oder Sportlers oder einer prominenten Labertasche scheint heute um ein Vielfaches wertvoller zu sein, als die eines guten Handwerkers, eines Arbeiters oder gar eines Bauern. Der Typus des großmäuligen aber komplett unproduktiven Geldabsackers scheint sich auf Kosten derjenigen, welche noch qualifizierte Tätigkeiten ausüben, durchzusetzen. Letztere verlieren leicht ihre Existenzberechtigung, weil auf dem globalisierten Markt ihre Leistungen nicht mehr nachgefragt werden. Und schon wird klar, weshalb erstere im Vorteil sind. Wenn es gelingt, sich in den Geldkreislauf einzuklinken, ohne eine besondere Leistung zu erbringen, kann einem der „Markt“ nichts anhaben. Oder vielleicht doch, wenn irgendwann die Nachfrage nach frettchenhaften Klugrednern zurückgeht? Mein Bedarf zumindest, ist gedeckt. :)

  6. Sehr guter Artikel! Nur in einem Punkt möchte ich leicht korrigieren. Es ist nicht so, dass „Irgendwann, so hoffen Westerwelle & Co., wird es endlich soweit kommen, dass die Mehrheit einverstanden ist, die Stütze-Bezieher noch weiter auszugrenzen, damit man die Besserverdiener steuerlich entlasten kann“, sondern eher so, dass dieser Prozess ein kontinuierlicher ist. Immer mehr fallen unten raus. Die oben verbleibenden strampeln sich mächtig ab, um nicht auch unten rauszufallen, und treten dabei oft genug auf die, die schon unten sind. Aber das hilft Nichts. Ganz oben muss weiter gut gelebt werden, das Einkommen muss weiter wie gewohnt steigen, von den immer weiter zunehmenden Zinsen für Kapital mal ganz zu schweigen. All das muss bezahlt werden.

    Das ist wie bei einem Schiff im Regen: Weil „die da oben“ drohen nass zu werden, macht man unten von der Bodenplatte Teile raus, um damit oben ein Regendach zu bauen.

  7. @ Alle

    Klugheit runter, Dummheit rauf!

    Was mich von links nach rechts verwundert: Warum spricht niemand MIT den Betroffenen, anstatt ÜBER sie? Merkt ihr denn nicht, daß ihr diese Menschen mit eurem allgemeinen Politikerbashing noch weiter ins Abseits drängt?

    Nur weil Senator Westerwelle & Kohorten den Stammtisch-Dünnblubb reproduzieren, sagen sie noch lange nicht die Wahrheit.

    Bitte ignoriert das Geschwätz aus dem Forum Romanum und konzentriert euch auf die Tatsachen. Befreit euch aus der Falle!

  8. Hallo Mike,

    was meinst du damit? Glaubst du, dass die Freiberufler, die hier mitschreiben weit von diesem Satz weg sind? Hier droht immer das Gespenst. Sei froh, wenn das bei Dir nicht so ist. Es geht hier nicht um allgemeine Politikerschelte sondern und Betroffenheit. Westerwelle versucht hier die Lufthoheit in deutschen Stammtischen zurückzuerobern. Und er muss was tun, wenn ich mir seine Zahlen so ansehe. Er spielt hier Franz-Josef-Straß-2.0, und das recht erfolgreich. Er müsste es nur noch origineller variieren. Als stupides Mantra stumpft es sich doch schnell ab. Es geht halt nicht um Inhalte sondern um Aufmerksamkeit.

    Und die Frage war: warum war zur Bankenrettung so viel Geld da (das jetzt fehlt), aber warum ist für die Stütze oder für die Rente zu wenig da. Die Antwort ist einfach: das eine war eine Einmalzahlung, das andere sind Dauerzahlungen. Und es war ein Herkulesakt damit nicht das Geld von vielen kaputt geht. Denn um ernsthaft die Wirtschaft zu stützen, dazu ist doch der Staat zu klein, das war deutlich zu sehen. Unsere Wirtschaft ist wirklich ein Koloss und den steuert auch der Staat nicht so ohne weiteres.

    Was ist jetzt deine Tatsachen Mike? Dass der Staat nicht genügend Geld hat? Dass das Geld beim Bedürftigen nicht reicht? Dass die Freiberufler nicht nur haarscharf drüber schweben sondern oft mal eintauchen? Dass Politiker sich als Politiker verhalten? Dass es kein Patentrezept gibt? Dass der Staat nicht die Antwort auf alle Fragen ist, wie auch keine Ideologie? Und übrigens, wers nicht weiß, die Antwort ist 56 – oder?

    Ottmar

  9. @Mike: Welches „Forum Romanum“ – das in Rom???

    Wie kommst du darauf, dass „wir“ nicht mit Hartz4-Empfängern reden? Nicht vielleicht selbst welche sind oder zeitweise waren? Nicht mit AlG2-Beziehern verwandt, verschwägert, befreundet sind, nicht diesen oder jenen im Bekanntenkreis haben?

    Ich dränge niemanden ins Abseits (wie könnte ich?) und der Text da oben ist kein „allgemeines Politikerbashing“, sondern ein ganz konkreter Beitrag zur (wieder mal) laufenden Diskussion.

    So einfach, wie DU meinst, „Senator Westerwelle & Kohorten“ beantworten zu können, geht es nicht. Du meinst, es reicht, ihnen vorzuwerfen, Unwahrheiten zu verbreiten?

    Nun, wie steht es denn mit: „Wer arbeitet, soll mehr haben als jemand, der nicht arbeitet.“ Findest du das so falsch? Dem stimmt jedenfalls die große Mehrheit hierzulande zu, also muss man schon mehr auffahren als den Vorwurf „alles Lüge“, wenn man Westerwelle & Co. vom Durchmarsch abhalten will!

  10. Ich fürchte Mike hat die Ironie im letzten Abschnitt nicht als solche erkannt und hält dich deshalb für eine FTD/FDP Anhängerin.
    Aber wie du schon im Artikel schreibst, sind das alles ja olle Kamellen, der Regierung ging es, meiner Meinung nach, darum eine beginnende Diskussion, um eine Erhöhung der Hartz4-Sätze nach dem BVerfG-Urteil zu beenden. So verstehe ich auch das Herumeiern von Frau Merkel. Sie hat bestimmt einen Dichter angagiert, um in möglichst vielen Varianten sagen zu können: „Inhaltlich ok, aber ich bin Kanzlerin und sag das deshalb nicht so.“

    @Ottmar Ich finde nicht das Hart4 und Rente in einen Topf gehören, die Rentenkasse ist an sich von Zwangsbeiträgen gespeist und die angeblich so heftigen Zuzahlungen sind klein, wenn man sich vor Augen hält wie ausgiebig die Rentenkasse regelmäßig geplündert wurde. Was du Stütze nennst, ist direkt aus Steuergeldern (Bund und Gemeinde) finanziert und damit offen für politischen Diskurs, lediglich durch das Grundgesetz begrenzt (Menschenwürde, Sozialstaatsprinzip).

  11. @ Claudia

    Senator Westerwelle & Kohorten lenken „ihre Streitwagen“ vom Thema ab. Die Gretchenfrage lautet: Ist die Theorie der Armuts-, Sozialstaats- oder Hartz-IV-Falle wissenschaftlich haltbar?

    Wer diese Frage unbeantwortet läßt, generiert nutzlosen Medieninhalt, profiliert sich auf dem Rücken der Erwerbslosen und führt die Debatte in die Irre. Dann ist alles gesagt. Aber war das alles richtig?

  12. @Alle,
    Na, ich denke, dass wir langsam gezwungen werden, auch in unseren Ansprüchen und Lebensstandards global zusammen zu rücken, es sei denn, uns bzw. der Politik gelingt, was Uwe oben mit

    „ein anderer Verteilungsschlüssel für Waren und Dienstleistungen außer in Geld bewerteter “Arbeit”.

    bezeichnet. Modelle dafür gibt es, wie jedem bekannt sein dürfte. Derzeit ist allerdings die brutale Wahrheit:

    „In der gegenwaertigen weltwirtschaftlichen Lage ist das An-
    spruchsniveau, das wir uns selbst als lebensnotwendig zubil-
    ligen, nicht mehr am Markt zu erwirtschaften. Und Punkt.“

    Das ist übrigens eine Feststellung von dem Kolumnisten und Buchautor Bernd Niquet. Recht hat er, wie ich meine.

  13. „In der gegenwaertigen weltwirtschaftlichen Lage ist das An-
    spruchsniveau, das wir uns selbst als lebensnotwendig zubil-
    ligen, nicht mehr am Markt zu erwirtschaften. Und Punkt.“

    Dürfte richtig sein. Aber warum? Eher nicht, weil unsere „Ansprüche“ so exorbitant hoch wären, sondern eher, weil so wenig vorhanden ist. Und warum ist so wenig vorhanden? Nun, das hat viele Ursachen. Managementfehler, auch in der Politik, sind da ein Grund. Gier ist ein anderer. Und hier haben es ein paar Wenige geschafft, ihre Gier grenzenlos durchzusetzen. Sowas geht auf Kosten derer, die „Ansprüche“ haben.

    Das krasseste Beispiel hierfür sind Diejenigen, die trotz 8 Stunden oft schwerer Arbeit immer noch Stütze brauchen (sog. Aufstocker). Und das nicht, weil der Aschenbecher im Auto voll ist und deshalb ein neues Auto her muss, sondern weil man essen muss, und Brot, Butter und Wurst nun mal teuer sind.

    Ich selber bin inzwischen auch Langzeitarbeitsloser. Allerdings beziehe ich kein ALG2, weil meine Frau zu viel verdient. Aber für uns zwei langt es nur knapp. Wir achten beim Einkauf sehr auf den Preis. Kino, Kneipe oder gar Urlaub sind schon seit Jahren gestrichen. Wenn wir nicht in guten Zeiten ein Haus gekauft hätten und noch Miete zahlen müssten, würden wir heute verhungern. Wir haben dazu in den guten Zeiten Alles, was wir entbehren konnten, in dieses Haus gesteckt. Und dabei auch auf Vieles verzichtet. Ohne das wären wir heute nicht überlebensfähig.

  14. @Siegfried,

    „Dürfte richtig sein. Aber warum? Eher nicht, weil unsere “Ansprüche” so exorbitant hoch wären, sondern eher, weil so wenig vorhanden ist.“

    Wenig vorhanden? Sicher „etwas“ zu wenig Geld bei uns Konsumenten, aber hierzulande sicher kein Mangel an Gütern.

    Ansonsten wünsche ich Dir und Deiner Frau, dass die Instandhaltungskosten Eures Hauses weiterhin und auf Dauer unterhalb der Miete bleiben, die Ihr als Nichteigentümer zahlen müsstet. So ein Häuschen ist da nicht zwingend ganz ohne.

  15. So, WIR haben zu hohe Ansprüche? WER ist dieses WIR? Etwa die arbeitslosen ALG2-Bezieher mit ihrem 345 Euro/Monats-Regelsatz? Oder die „Aufstocker“, die voll arbeiten, aber nicht genug zum Leben verdienen?

    Das Problem ist doch eher, dass die Reicheren und Mächtigeren nicht von ihren Standards herunter wollen! DA drückt die Globalisierung und die Finanz- und Wirtschaftskrise auf die gewohnten Profitraten, also wird Druck auf „die da unten“ ausgeübt, damit mehr vom Geld sich „oben“ sammle, um die Defizite auszugleichen. Oder BESINNT sich das Kapital etwa auf bescheidenere Renditen? Nich dass ich wüsste…

    @Siegfried: ohne Haus würdest du ebenfalls überleben und nicht verhungern, denn du bekämest die Miete bezahlt, sobald Euer Einkommen als „Bedarfsgemeinschaft“ nicht dafür reicht. Es wär dann halt kein Haus mehr, sondern nur eine „angemessene“ Wohnung.

  16. Wir, das sind wir alle, alle menschlichen Zeitgenossen.

    Und von „zu hohen Ansprüchen“ war nirgends die Rede.

    Es ging um etwas viel Beklemmenderes, nämlich absolut wertneutral um das Anspruchsniveau, welches wir uns selbst als lebensnotwendig zubilligen. Man muß hier natürlich unterscheiden. Aber selbst das niedrigste Niveau,
    nämlich das vom Gesetzgeber festgelegte,
    ist nicht mehr am Markt zu erwirtschaften.

    jetzt begriffen?

    Die Hartz-IV-Saetze sind einerseits zu niedrig, um auch weiterhin ein an unseren Mindestanspruechen gemessenen Lebensstandard zu geniessen. Andererseits ist unser Lohngefuege so abgerutscht, dass dieser Mindeststandard am Markt fuer viele nicht mehr erzielbar ist.

    Ganz schön bitter, aber wir müssen damit leben oder etwas daraus machen.

  17. @Hermann: wieso formulierst du das denn so „um die Ecke“? Schließlich muss keiner sein ALG2 „am Markt erwirtschaften“. Du meinst, der Staat hat zu wenig Steuereinnahmen, um die Last zu schultern? Da gäbe es ja einige Möglichkeiten, das zu ändern – auch könnte man die Arbeitslosenversicherung erhöhen. Und mit dem Herumrechten über die Ausgabenverteilung fang ich an dieser Stelle lieber nicht erst an!

  18. ok, wenden wir uns lieber vom Problem ab und dafür der Lösung zu.

    Einer möglichen Lösung – Das ist IMMER die bessere Strategie!

    Etwas verspätet entdeckte ich nämlich, dass unsere Nachbarn, die Niederländer, gemäß Artikel unter folgendem link:

    http://www.ftd.de/politik/europa/:arbeitsmarktreformen-holland-ist-westerwelle-land/50078507.html

    durchaus erfolgreich in der Aktivierung jeglicher Arbeitssuchender bzw. Unterhaltszahlungen erbittender sind.

  19. Ja, da würde v.d.Leyen und dir FTD&FDP gerne hin, aber das wird hier nicht gehen. Holland ist ein vergleichsweise kleines Land, da klappt eine Menge mehr und anders als bei uns – vielleicht, weil sie leichter zu einem Konsens kommen (und nicht auf die Westerwelle-Art kommunizieren) in ihrer überschaubaren Gesellschaft.
    Ich verweise auf die hiesigen Ansätze dazu und bleibe bei meiner da fortmulierten Haltung:
    https://www.claudia-klinger.de/digidiary/2009/07/16/1-euro-jobs-demuetigende-sinnlose-beschaeftigungen/

    Gestern sah ich eine Doku (leider den Sender vergessen, evtl. RBB), da haben sie gezeigt, warum so wenige aus dem Hartz4-Bezug wieder raus kommen: weil nämlich kaum jemand Leute über 55 einstellt und die älteren Arbeitslosen einen riesigen Anteil ausmachen. Es wurden Leute gezeigt, die der Sender vor 5 Jahren schon kontaktet hatte – und aufgezeigt, wie sie seitdem kein bisschen „gefördert“ wurden, obwohl sie sich verdammt gern weiter gebildet hätten, mit ganz konkreten Zielen. Statt dessen gab es nach Jahren mal eine Park-Pflege-Maßnahme usw. etc.

    Freunde von mir waren in „Maßnahmen“, deren Besuch definitiv als völlig blödsinnig für eine angebliche „Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt“ war. Der „Träger“ hat gut verdient und die Leute bekamen mehr oder weniger Beschäftigungstherapie weitab ihrer individuellen Belange.

    Das Beschäftigen Arbeitsloser in Bereichen, wo auch Auftragnehmer und Arbeiter/Angestelle des ersten Arbeitsmarkts tätig sind, trifft hier auf sehr viel Widerstand, denn schließlich wirkt das auf diese Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbe zurück! Bei den Kommunen geschieht es trotzdem, es wird dann gern als „Qualifizierungsmaßnahme“ bezeichnet (Maler mit 40 Jahren Berufserfahrung streicht Schule..)

    In Unternehmen wäre es noch katastrophaler: wie sollte noch jemand erfolgreich um Lohnhöhen und Arbeitsbedingungen kämpfen, wenn der Staat die Arbeitslosen für’n Appel&Ei in die Unternehmen schickt?

    Mich widert jedenfalls die ganze Art an, wie diese abgestandene Debatte (die ebenso bei Kohl und Schröder schon ganz genauso lief) immer vor Wahlen zwecks Feindbild-Erschaffung wieder neu zelebriert wird. Und immer mit dem angeblich faulen Arbeitslosen als Schuldigen, was doch voll an den Realitäten vorbei geht, wie immer wieder von sachlicheren Experten, sogar von der ARGE selbst bestätigt wird.
    Es kommt mir echt der Kotzreiz und ich kann Politiker nicht mehr ernst nehmen, die WOHL WISSEND um die wirklichen Verhältnisse immer wieder auf die Westerwelle-Schiene Stimmen fangen wollen!

  20. Dein angewidert sein von bestimmten „Säuen“ die immer wieder gern auf Ekel erregende Weise durchs politische Dorf getrieben werden, kann ich nur zu gut verstehen liebe Claudia.

    Immerhin sieht es momentan aber VIELLEICHT danach aus, dass eine etwas breiter als gewohnte Diskussion zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ geführt wird.

    In Spiegel online gibt es heute einen kenntnisreichen Artikel:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,679461,00.html

    Ärger Dich nicht so dolle über den Bullshit – Du stärkst damit das was Dich ärgert, wie Du sicher weißt.

    Na ja, das bringt dann halt wieder Stoff für Dich zum Schreiben – so what…

    liebe Grüße nach Berlin

    Hermann