Claudia am 16. Februar 2010 —

Weniger ist mehr – Erfahrungen mit Fitness-Centern

Im Kommentargespräch zum Artikel „Transfer“ (über die Schwierigkeiten des Wechsels zwischen physischer Welt und „online“) ergab sich ein Thema, dem ich lieber einen eigenen Beitrag gönne. Ottmar schrieb da als Antwort auf eine Bemerkung über „Glamour-Klitzer-Fitness-Studios“:

Glamour-Klitzer ist nicht leicht zu verdauen. Aber das gehört zum Training dazu. Du must mentale Stärke entwickeln und auch unter widrigsten Umständen trainieren. Nimm ein Laufband mit Blick auf eine graue Wand und dann zwei Stunden durchdonner. Das macht stark. Aber Kieser ist auch eine extreme Herausforderung. Dort wird versucht den Spass an der Bewegung, an der Konzentration in krankengymnastische Übungen aufzulösen. Dass es auch ja keinen Spass macht und jeder nur brav zahlt, aber das Studio nicht länger als unbedingt nötig belegt. Ich komm damit nicht zurecht. Ich will auch mal verrückt sein und auch mal extrem. Mit gestutzen Flügeln kann ich nicht abgheben.

Na, was für eine Steilvorlage! :-) Früher hab‘ ich nämlich auch gerne über den Purismus der Kieser-Center gelästert, heute weiß ich, warum der seine Berechtigung hat. Gewiss nicht für alle, aber für solche wie mich, die im Fitness-Center nichts anderes suchen als das, wozu es eigentlich da ist: die körperliche Ertüchtigung, den Kraftgewinn – und das bitte mit möglichst wenig Aufwand.

Denn: ich gehe EIGENTLICH nicht in ein Fitness-Center, um „Spass zu haben“, mich zu zeigen, mit Leuten zu plaudern, nett zu saunieren, im neuesten Fit-for-Fun zu blättern, mich mit Mainstream-Musik beschallen zu lassen und und und… das alles sind nur Ausweich-Aktivitäten, weil das eigentliche Krafttraining (und „Cardio“ erst recht) ganz furchtbar langweilt.

Das Fitness-Center als Wohnzimmer

Drei Jahre war ich Mitglied in einem „normalen“, gut ausgebauten Fitnesscenter mit allem Drumrum – die Hälfte der Zeit als Karteileiche. 15 Fußminuten von meiner Wohnung entfernt verbrachte ich dort ca. drei Stunden (Sauna inklusive), also fast vier, bis ich wieder zuhause war. Ein angeleitetes Training gab es ein einziges Mal zu Beginn: da wurden mir Übungen mit Leichtgewicht angediehnt, die ich so ca. 20 Mal pro Maschine machen sollte. Und dann bittschön mindestens noch einmal die Runde (=Mehrsatztraining). Das alles nach einigem „Aufwärmen“ auf Laufband, Fahrrad, Stepper oder Ruder-Geräten.

Es war zum Einschlafen öd! Wie ich irgend etwas Interessantes in dieses Training hätte bringen können, wurde mir nicht vermittelt: ich war ja schon Kunde und man musste sich nicht mehr um mich kümmern, nur nett sein, gute Stimmung machen und auf Wunsch auch mitgebrachte CDs der Besucher auflegen.

Ok, ich zog mit und versuchte, mir die Center-Stunden als eine Art „externen Wohnzimmerbesuch“ angenehm zu machen – ähnlich wie in jüngeren Jahren die Stammkneipe. Bald hing ich mehr in der Sauna ‚rum als an den Geräten, probierte zur Abwechslung immer mal wieder einen neuen „Hüpfkurs“ aus, und las in den Magazinen über die neuesten „Workouts“, schicke Sportklamotten und allerlei Diät-Varianten. Manche Besucher legten sogar während ihres Cardio-Trainings den Lesestoff nicht weg – es war mir also nicht alleine langweilig.

Mal ein paar Kilo mehr..

Dann unternahm ich einen Versuch, MEHR aus der Sache zu machen: Ich wollte FORTSCHRITTE sehen und bat den „Trainer“ um Tipps für ein individuelles, spürbare Ergebnisse bringendes Trainung. Der meinte, sowas gäbe es nur für Spitzen-Leistungssportler und sei sauteuer, aber ich könne ja gerne mal in die Bücher gucken (…und reichte mir drei davon über den Tresen).

Da las ich dann eine Menge über verschiedene Formen des Bodybuilding (!) und ECHTES Krafttraining, wobei der Muskel bis an die Grenze belastet wird. Es klang alles ziemlich kompliziert, aber den Unterschied zu meinem bisherigen Herangehen begriff ich recht schnell. Voll motiviert legte ich nächstens bei jeder Maschine mal ein paar Kilo drauf und freute mich über die fühlbare Anstrengung: endlich mal was Neues! Die Freude währteallerdings nur kurz: Trotz „aufwärmen“ erlitt ich an einem der Geräte einen Muskelfaserriss im Oberschenkel, den ich während der Übung nicht mal bemerkte. Erst dachte ich, es sei normaler Muskelkater, doch beim Blick in den Spiegel entdeckte ich die deutliche Delle in der bis dahin normalen Schenkelkontur – gruslig!

Das wars für mich erstmal in Sachen Fitness-Center. Ich kündigte die Mitgliedschaft und fand mich damit ab, ein kraftloser Monitor-Potate zu sein und zu bleiben. Dass ich später zu einem Garten kam, entschärfte das Problem ein wenig, denn Gartenarbeit ist ja auch anstrengend – doch leider nicht im Winter.

Krafttraining – und sonst gar nichts!

Eine Werbeaktion von KIESER kam mir da gerade recht: ein halbes Jahr für nur 199 Euro. Da das nächste Center nur drei Minuten von meiner Wohnung entfernt liegt, griff ich sofort zu. Keine langen Fußwege mehr und eine ganz andere Trainungsphilosophie – das wollte ich jetzt ausprobieren!

KIESER hat das Kraft-Gewinnen konzentriert und optimiert: keine Laufbänder und Fahrräder, keine Hüpfkurse, keine Bar, keine Sauna, keine Musik. Nur eine Fabrikhalle, eine spartanische Umkleide, die Kraftmaschinen und ich. An zehn Maschinen vollführe ich jeweils zwölf mal eine einzige Bewegung, mehr ist nicht angesagt. Bald wird mich das Ganze nicht mehr als zweimal die Woche 40 Minuten kosten – und schon bin ich wieder draußen.

Es gab bisher drei angeleitete Trainings und eine ärztliche Beratung. Für 20,- hab ich mir auch einen computergestützten Rückenkraft-Test gegönnt. Jetzt hab‘ ich hübsche Diagramme, die mir aufzueigen, an welcher Stelle der Rückenmuskulatur ich wieviel Kraft habe, auch im Vergleich zu den Altersgenossen. So kann ich in einem halben Jahr sehen, ob und was sich verbessert hat – sehr motivierend!

In der schmucklosen Fabrikhalle sehe ich Menschen zwischen 25 und 80plus trainieren, alle konzentriert auf das, was sie gerade tun. Am Trinkbrunnen gibts Wasser, jedoch keinerlei Gastronomie. Nächste Woche werde ich wieder ein begleitetes Training haben, denn man ist gefordert, eigenständig die Gewichte vorsichtig zu erhöhen, um binnen einiger Wochen (!) in den Bereich des „geht nicht mehr“ zu gelangen: Langsam genug, um keine Verletzungen zu riskieren. Aufwärmen entfällt, denn das langsame und genaue Ausführen der Bewegungen erwärmt den Muskel schon genug – so die Trainingstheorie, die mir sehr entgegen kommt.
Wer Ausdauer-Training will, muss das anderswo machen. (Bei mir zum Beispiel bietet sich da der „Gruß an die Sonne“ an, eine fordernde, fließend verbundene Übungsreihe im Yoga, die ich zuhause machen kann).

Nun, allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Ich rechne damit, dass mich auch KIESER nach einiger Zeit langweilen kann, allerdings immer nur kurz. So richtig „Mittagspausen-tauglich“ halt, wie ich mir ein Krafttraining wünsche.

Diskussion

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5 Kommentare zu „Weniger ist mehr – Erfahrungen mit Fitness-Centern“.

  1. Hiho!

    Deine Erfahrung mit den hippen Fitnessstudios kann ich bestätigen. Offensichtlich sind die auf Maximierung der Kundenzahl aus und nicht auf hochwertiges Training. Auch ich und meine Frau haben nur am Anfang 2-3 begleitete Trainings gehabt und dann nichts mehr. Obwohl am Anfang überschwenglich die tolle Betreuung als Alleinstellungsmerkmal des Centers gerühmt worden war.

    Hinzu kam dann noch, dass das Center zu oft überfüllt war. D.h. man mußte warten, um an das nächste Gerät zu kommen und seine Trainingsreihenfolge spontan umwerfen. Beides ist nicht gerade optimal (Stichwort: Antagonisten, Abkühlen).

    Was mich aber am meisten an allen Centern stört, ist die Vertragsbindung. Wenn ich überhaupt nochmal ein Fitness-Center betreten sollte, dann nur eines, in dem ich jedes Training einzeln zahlen kann oder eine 10ner Karte kaufen kann.

    Aber eigentlich bin ich mit meinen Übungen für zu Hause ganz zufrieden. Im wesentlichen sind das isomtrische Übungen, die nicht so sehr auf die Arbeitsmuskeln, sondern eher auf den Halteapparat gehen. Das hilft zumindest gut gehen Rücken- und Nackenprobleme. Und im Winter gibt’s das Holzsägen und -Hacken und im Sommer den Garten… :)

  2. Ja, das muss ich zugeben. Das Studio, in dem ich bin ist auch hipp. Die bieten auch esoterische Yogastunden mit Buddha und Räucherstäbchen, mit Sauna und Wellness an (http://www.lifeparkmax.de). Du kannst dir da sicher auch erfolgreich den Bauch pinseln lassen. Du kannst aber auch gut trainieren. Nach der Jahreswende kommen alle die guten Vorsätze und das erfolgreiche Marketing des Inhabers und der Laden ist proppe voll. Aktuell kann ich am Laufband 10 Minuten warten, bis ich loslegen darf. Aber muss ich unbedingt kommen, wenn viel los ist? Und die Erkrankungen – ein unendliches Thema. Nach einem halbem Jahr hatte ich sofort einen Leistenbruch und vor zwei Jahren konnte ich meine Schulter nicht mehr bewegen. Das musste ich ein halbes Jahr Auskurieren. Zwei mal war ich beim Halbmarathon dabei, aber mit zwei Jahren Abstand dazwischen. Beim Training fürs zweite Mal hatte ich so Wadenschmerzen, dass ich das Training abbrechen musste. Heuer lauf ich ihn nicht, eine Stunde Laufen ist genug. Das sind die Widerstände, aber der Gewinn macht es einfach wieder wet. Und der Gewinn ist ein anderes Körpergefühl und eine Konzentration, die ich so noch nie erlebt habe. Und – mir macht das Training Spaß. Ich kann Geräte machen, in den Freihantelbereich zu den starken Burschen gehen oder mit dem Nachbarn den Milan-Zirkel durchmachen. Oder, wer nicht allein trainieren kann nimmt einen Kurs, sei es mit einem Radl im Spinning, BodyBump (Krafttraining in der Gruppe), oder Yoga mit Omgemurmel. Ich brauch vieles davon nicht. Ich war noch nie in der Sauna oder im Wellnessbereich, war aber auch nicht beim Sportarzt. Bei Verletzungen oder speziellem Training bei den Physiologen. Ansonsten, wenn ich Fragen habe gehe ich zu den üblichen Trainern, die aber nur ihren einfachen Trainerschein haben.

    Kieser ist, wie mir scheint ein Minimalansatz, so wie ihn der Herr Kieser (ein echter Schweizer) sich ausgedacht hat. Klar, ich finde ihn auch genial. Er macht so viel, wie unbedingt sein muss. Und damit macht er sein Geld, wie alle anderen auch. Aber wichtiger als Kraft ist doch die Ausdauer. Wie soll ich einen Tag durchhalten, wenn ich keine Ausdauer habe. Auch die entsprechende Durchblutung, die die Ausdauer mit sich bringt ist durch nichts zu ersetzen. Mir macht Kraft mehr Spaß, klar. Aber Ausdauertraining ist wegen der ordentlichen Durchblutung wichtiger. Gut, ich mach noch Kampfsport und Yoga dazu. Doch nach Yoga, wenn eine Mediation dabei den Kreislauf wieder in Schuss zu bringen hat schon was brachiales.

    Claudia, ich habe deinen Beitrag mit Interesse gelesen. Sicher ist weniger mehr. Aber mein Leben besteht doch nicht darin nur Mittelmaß und Mäßigung walten zu lassen. ‘Leben ist Überleben’ hat J.Derrida mal gesagt. Das ist doppeldeutig wie so alles von ihm. In dem ‘Über’ steckt das ‘Mehr’ drin. Und dieses Mehr fehlt mir halt bei Kieser. Obwohl es sicher mehr als gar nix is.

    schöne Woche noch

    Ottmar

  3. @Ansgar: alle Achtung, dass du es schaffst, allein zuhause Krafttraining zu machen!

    @Ottmar: danke für deinen interessanten Bericht! Wie ich ja schrieb: Ausdauertraining muss man anderswo machen, das bietet Kieser explizit nicht an. Was aber doch nicht heißt, dass man keines machen soll…

    Meine Wahl war: GAR KEIN Krafttraining oder Kieser um die Ecke. Nochmal einen längeren Anweg mache ich ja dann doch nicht, wenn die erste begeisterte Phase vorbei ist.

    Dass du noch nie in der Sauna warst, find ich regelrecht seltsam. Wenns doch im Preis enthalten ist, gibts doch nichts Besseres, als in der Sauna nach dem Trainung entspannen! War für mich ein Hauptargument, in diesem anderen Vollangebot-Center 3 Jahre zu bleiben.. :-)

    Um auf meinem Stuhl vor dem Monitor zu sitzen, brauch ich übrigens kein Ausdauertraining – sondern eben Rückenmuskeln, die die Wirbelsäule entlasten. Und sollte ich mich aufraffen, mal für Ausdauer was zu machen (außer Fahrrad fahren in den Garten und dort bisschen arbeiten..), dann ist der „Gruß an die Sonne“ aus dem Yoga ja wirklich super: da wird richtig „ganzheitlich“ der ganze Körper tainiert – und je nachdem, wie viele Durchgänge man sich zumutet, ist man danach ziemlich fertig mit der Welt und ausgepowert genug!

    Na, im Grunde bin ich ein Sportmuffel und könnte gut auf den ganzen Kram verzichten – außer Yoga, ohne das ich körperlich schon ein Wrack wäre!

  4. Da schreibst Du mir aus der Seele! Ich habe ganz ähnliche Erfahrungen gemacht und mich immer über die ewig schwätzenden „Fitness-Fans“ geärgert. Es geht doch nur darum, dass man eben fit wird bzw. Muskeln aufbaut und nicht rumsteht und quatscht.
    Im Fitness-Center in die Sauna gehen finde ich allerdings auch recht nett, obwohl selbst da manche sich lautstark unterhalten.

  5. Ach ja … bei mir war es viel früher Aerobic, bis ich in der Dusche ausrutschte und mir die Hand brach. Irgendwann später: spartanisches „medizinisches“ Krafttraining. Viel zu teuer für viel zu wenig „Medizinisches“ dabei, dafür eng und intensiv nach Schweiß riechend. Nächste Stufe: Fitness-Studio mit schönem Ausblick und viel Platz. Mal unten ausgerenkt gewesen, mal oben. – Momentan ist Ashtanga-Yoga angesagt – eine Ecke nur von meiner Wohnung, das war die Motivation. Der kollektive Wahn mitsamt Schickimicki-Oberteilen fehlt im angenehm abgedunkelten Raum, wo jeder für sich vor sich hin atmet … und nicht quatscht. Bis jetzt das Sympathischste aller Anstrengungsvarianten. Und mehr Kraft als der Sonnengruß auch nur halbwegs ordentlich durchgeführt verlangt, will ich nicht haben…