Claudia am 10. Oktober 2008 —

Finanzkrise, Klimakatastrophe, Vogelgrippe…

…fehlt noch was?? Ja, mich beutelt eine heftige Erkältung, die mir den krassen Unterschied zwischen wirklich fiesem Befinden und diffusen mentalen Ängsten deutlich macht. Zum Glück spüre ich schon am dritten Tag den Weg der Besserung, wogegen die Welt der Wirtschaft & Finanzen sich in Erwartungen des Niedergangs suhlt: da werden 30% weniger Autos gekauft und schon herrscht Untergangsstimmung.

Keine Überstunden mehr, keine Wochenendarbeit, die Produktion wird herunter gefahren – und irgendwie finde ich das gar nicht so schlecht! Denn wie schützenswert ist eigentlich eine Arbeitswelt, die das Aussaugen der Mitarbeiter bis an die Grenze des Möglichen als Normalzustand etabliert hat? Das Malochen bis zum Umfallen für den Sharholder Value, die extreme Verdichtung der Arbeit, dazu eine Flexibilität, die individuelle Lebensplanungen verunmöglicht – ist es nicht toll, dass da mal die Bremse rein gehauen wird??

Der Volksmund sagt: Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht. So ein Brechen erleben wir wohl derzeit, denn das Spielkasino Börse ist an seine „systemischen Grenzen“ geraten. Etwas, das Kundige seit Jahren voraus sagten, sogar so glaubhafte Gestalten wie der Spekulant Sorros und der Ex-Manager Goeudevert. Alles virtuelle Geld, das da als reine Wette auf MEHR auf trickreiche Art und Weise erzeugt wurde, ist nur zu zehn Prozent mit realen Werten aus der Wirtschaft unterlegt, las ich in diesen Tagen. Und plötzlich gehen allen die Augen auf und siehe da: der Kaiser ist ja nackt!

Die Ursache aller aktueller Verwerfungen ist die schrankenlose Vergottung des Geldes: die klassische Sünde von Babylon, mythisch visualisiert durch den Turmbau des „höher-schneller-weiter“. Wenn es (selten genug) um Ethikfragen rund um den Menschen geht, gilt als unverhandelbarer Grundpfeiler der Menschenwürde, dass Menschen niemals Mittel zum Zweck sein dürfen. Gerade das aber ist in der neoliberalen, vom Finanzkapital getriebenen Wirtschaft Alltag: Es geht nicht um gute Produkte, um Innovation, um bessere Befriedigung der Kundenwünsche, gar um Selbstverwirklichung in der Arbeit, sondern einzig um die Profitmaximierung bezogen auf den nächsten dreimonatigen Berichtszeitraum. Wobei die Gewinnerwartungen ins Astronomische stiegen und Wachstumsraten um die 20 Prozent und mehr auf einmal als untere Messlatte galten.

Damit bekam Geld genau die Eigenschaft zugeschrieben, die man eigentlich dem Menschen und seiner Würde vorbehalten wollte: Geld ist letzter Zweck, eine abstrakte Gottheit, der man dient und alles andere unterordnet. Nicht das, was man damit machen kann (z.B. eine florierende Wirtschaft und bessere Lebensstandards weltweit) ist Sinn allen Strebens, sondern einzig die Anhäufung von immer mehr Profiten.

Und dieser „Gottesdienst“ frisst die Seelen der Menschen, denn es ist unter den Bedingungen der schönen neuen Wirtschaftswelt nur noch sehr beschränkt möglich, sich durch eigenes Handeln „bei den Guten“ zu verorten. Geh‘ in einen Supermarkt, kaufe ein und du wirst zum Täter: zum Ausbeuter von Menschen, die weltweit wie Sklaven malochen, um unsere Konsumbedürfnisse zu bedienen. Denn weltweit konkurrieren die Konzerne um maximale Profite und scheren sich einen Dreck um die sozialen Verhältnisse. Geht ja auch nicht, denn es würde die Gewinnerwartungen senken!

All dieses „systemisch Böse“ ist jedoch nicht beschränkt auf Spekulanten, Banker, Aktionäre und Manager: die „Geiz-ist-geil“-Mentalität der breiten Masse der Verbraucher gehört ganz ebenso auf die Anklagebank. Alles immer noch ein wenig billiger haben wollen bedeutet, die Arbeitsbedingungen der Produzenten noch ein wenig weiter zu verschlechtern. „Optimierung der Produktionsprozesse“ heißt das dann – und die Produkte, die heraus kommen, werden im Lauf der Jahre ebenfalls schlechter, da alles vermeintlich Überflüssige eingespart wird.

Ich glaube nicht, dass die menschliche Gier durch Wirtschaftskrisen grundsätzlich verändert wird, jedoch steigt im „Tal der Tränen“ die Bereitschaft, sich Regeln zu unterwerfen, die die schlimmsten Auswüchse verhindern. Und das ist es, was ich von „der Politik“ egal welcher Partei zur Zeit erwarte: Weltweite Vereinbarungen, die das Börsengeschehen auf den Boden der Tatsachen zurück führen. Wenn das gelingt, wird auch das im Wirtschaftskreislauf kostbarste aller Güter wieder zur Verfügung stehen – das VERTRAUEN.

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
6 Kommentare zu „Finanzkrise, Klimakatastrophe, Vogelgrippe…“.

  1. Der vorletzte Ansatz trifft es ganz gut. Auch jeder Einzelne kann, entgegen landläufiger Meinung, etwas bewegen.

  2. Ein wahnsinnig guter Beitrag zu der generellen Lebenshaltung der letzten Jahre und Jahrzehnte.
    Immer zu erwarten dass es NOCH besser wird, Gewinnerwartungen von 20, 30 und mehr Prozent das ist unmoralisch. Und wie es oben steht – mit jedem Kauf im Supermarkt sorgt jeder dafür, dass das System immer schlimmer wird. Oder glaubt jemand, dass Kleidung um 5- 20 Euro, Fleisch für 3 Euro pro Kilo (gerede heute hab ich wieder im Radio irgend ein Angebot für 2,95 pro Kilo gehört), dass nachgeschmisse kostenlose Handys und und und … nicht doch irgendwann von irgendjemanden bezahlt werden müssen. Und sei es eben über den Weg dass diese Welt deratiges nicht ewig aushält. 
    Ich glaub fast dass die jetzt nur ein „Krischen“ ist – da kommt noch viel mehr. 

  3. Liebe Claudia
    da hast Du ja uns allen schön ins Gewissen geschrieben, wir alle die im Aldi und im Lidel einkaufen und ich muss sagen da hast Du recht. Aber eben was soll den der einfache Mann machen, der muss mit seinem Geld Auskommen, er hat nicht mehr. Das Geld das der Arbeiter früher mehr zur Verfügung hatte, diese Geld haben ihm die Arbeitgeber gestohlen. Der einfache Mann schaut, dass  er für sein Geld soviel als möglich bekommt. Der Hund(Wirtschaft) beisst sich am Schluss selber in den Schwanz. Erst wenn alles fein säuberlich in Gesetzten geordnet ist. wie viel ein Manager Verdienen darf und wenn ein Big Boss auch zur Verantwortung mit seinem eigen Vermögen gezogen wird, dann vielleicht könnte sich, dann etwas ändern.
    Liebe Grüsse zentao

  4. Das System Börse war mir noch nie geheuer. Irgendwie kann man machen was man will und auch so gut man es meint. Ist ein Produkt, oder eine Firma etc. an der Börse, dann wirds teuer. Letztes mir bekanntes Beispiel: Strom. Man wollte die Strompreise bzw. den Markt liberalisieren und natürlich alles zum Nutzen der Verbraucher. Was ist passiert? Die Preise sind gestiegen. Ist ja auch logisch. So funktioniert eben eine Börse . In diesem Fall die EEX. Darum geht es ja. Das Geld was an Börsen verwendet wird, ist niemals vorhanden. Es geht ja im Normalfall um zukünftige Geschäfte bzw. Entwicklungen.

  5. Freut mich sehr das zu lesen, Claudia! Imponiet, spricht fuer die richtigen, unvergaenglichen Werte, pylosophisch. Sehr stark, wirkungsvoll. Da bin ich einverstanden. Der Mensch – ein Mittel zum Zweck, Geld als letztes Zweck, Gottheit, Vergottung des Geldes. Ja, ich bin total begeistert, dass ein Mensch, die Dinge so versteht. Wenn wir mit MP3 Player wie Verrueckte in U-Bahn Stationen herumgehen, wenn wir nicht genug Zeit fuer unsere Kinder haben, wohin gehen wir?!!! Alle wir wissen, das unseres Dasein beschraenkt ist, wir sind es eigentlich bewusst, glauben es aber nicht. Eine solche Krise ist auch mit der Frage verbunden fuer den Sinn des Lebens, in was fuer einer Welt wollen wir leben. Unsere Kinder stehen vor dem Computer, viele wissen nicht was Sport heisst oder Spaziergang. Wir sin Zeugen von Gewaltaten zwischen Kinern. Am naechsten Tag sagt die Lehrerin – „Er war ein der besten Schueler, kann nicht glauben?!“ Was passiert in dem Kopf, wo ist das Humane geblieben. Irgendwo zwischendurch. Welcher Wert hat heutzutage das menschliche Leben. Man schuert sich eine Bombe um den Koerper und toetet damit Leute, die gar nicht von der Weltpolitik wissen…und wissen wollen. Und solche Leute /Kamikadze/ leben mit dem Bewusstsein, das sie sich selbst und andere Menschen toeten werden. Grosse Finanzinstitutionen und Unternehmen haben das Geld als letzte Autoriatet gestellt. Mehr und immer mehr – Geld, Gewalt, Geld, Mord, Geld, Hunger. Egal! Und dieses Egal-sein ist das Schlimmste. Die Hunde bellen, der Wagen geht weiter.

  6. Schoen, wenn zwischen den Leuten, die solche Situationen loesen sollen, einige sogar der Meinung. ich bin eigentlich gluecklich so was zu lesen, spricht fuer Moral. Claudia sieht die Dingen mit „anderen Sinnen“. Redlich gesagt, will ich jetzt auch andere Texte lesen von Claudia.