Claudia am 22. Juli 2007 —

Guter Stil, klare Sprache – 20 Handwerkstipps für Einsteiger

Wie man bessere Texte und Blogpostings schreibt

1. Viel schreiben, viel lesen!

Das beste, was man tun kann, um den eigenen Stil zu verbessern, ist: viel schreiben und viel lesen! Wer regelmäßig schreibt, verbessert die Qualität der Texte quasi automatisch. Die veränderte Haltung zum eigenen Schreiben, weg vom mühevollen Produzieren hin zum “Fließen lassen” bewirkt, dass bald nicht mehr nur auf die Inhalte geachtet wird, sondern auch auf den “Sound” des Geschriebenen. Es ist eine mitlaufende Gefühlswahrnehmung, kein Denken. Schreibend ergibt sich ein Oszillieren der Aufmerksamkeit: Erst schreibe ich einfach mit, was kommt, was mir ein-fällt – und sobald dieser Impuls ans Ende gekommen ist, schau ich mir die Form des Geschriebenen an und überarbeite den Absatz, wo nötig.

2.
Anschaulich schreiben

Nur wer genau beobachtet, kann auch anschaulich schreiben. Beschreibe konkret und in einfacher Sprache, was du siehst, hörst, riechst, schmeckst, denkst. Erzähle, was geschieht, Urteile und Bewertungen kommen später, in vielen Textsorten sind sie ganz entbehrlich. Abstrahiere so wenig wie möglich, denn mit jeder Abstraktion nimmst du dem Leser die Möglichkeit, in den Text zu versinken wie in ein eigenes Erleben und sich eigene Gedanken dazu zu machen.

3.
Meide Sammelbegriffe, sei konkret!

Ungeziefer, Unkraut, Bäume sind Sammelbegriffe, die kein Bild im Kopf entstehen lassen – vielleicht, weil wir selber gar nicht hingesehen haben? Besser: Küchenschaben, Kakerlaken, Spinnen, Brennnesseln, Beifuß, Kastanien, Linden…

4.
Wegstreichen und löschen tut gut!

Manchmal fällt es schwer, sich von einmal hin geschriebenen Wörtern und Sätzen wieder zu trennen, doch für einen guten Text ist es unvermeidlich, diese Kunst zu erlernen. Überflüssige Wiederholungen, Füllwörter, Formulierungen, die nur der Absicherung dienen, abgegriffene Vergleiche – all das kann weg.

5.
Vorsicht mit Fremdwörtern, Abkürzungen, Fachbegriffen und Jargon

Je mehr solche Worte und Begriffe in einem Text vorkommen, desto mehr Leser werden vom spontanen Verstehen ausgeschlossen. Wenn du auch neuen Lesern eine Chance geben willst, gilt also: Vermeiden oder erklären! Im Besonderen kommt es auf den Kontext an, in dem du schreibst. Auf einer Website, die sich an Jugendliche wendet, ist ein einschlägiger Jargon oft passend – wenn er missglückt, wirkt er anbiedernd und damit schlechter als ein Text in “erwachsener Sprache”.

Unter Fachkollegen sind Fachbegriffe, Traditionen und Konventionen des jeweiligen Fachs normal (in der Blogosphäre seien hier die “SEO-Blogs” genannt, Blogs, die sich intensiv mit der Optimierung von Webseiten für die Suchmaschinen befassen). Auch hier kann es aber nicht schaden, zumindest den Versuch zu machen, für ein breiteres Publikum verständlich zu schreiben. Wer literarisch schreibt und gar an die Nachwelt denkt, tut gut daran, zu überlegen, ob Worte wie “Windows” oder “Browser” in zwanzig Jahren noch verstanden werden. Und wer in einem Weblog persönliche Texte für unbestimmte Zielgruppen schreibt, ist mit “vermeiden oder erklären” meistens auf der sicheren Seite, hat aber keinen Grund, netzübliche Begriffe auszulassen.

6.
Aktive, dynamische Verben anstatt passiver statischer Substantive

“Nach Aushebung einer Vertiefung liegt auch für den Urheber ein Stürzen im Bereich der Möglichkeit”? Besser: “Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.”

Ist es mein Anliegen, die Frustration meiner Leser zu vermeiden – oder will ich sie schlicht nicht anöden? Soll ich zur Erörterung der Planung der Neugestaltung meiner Wohnung einen Freund hinzuziehen – oder doch lieber mit ihm besprechen, wie ich mich neu einrichten könnte? Will ich etwas unter Beweis stellen oder einfach beweisen? Werden Verben nominalisiert, so kann ein Substantiv (mit Attributen) einen ganzen Satz ersetzen (“Das Ziel wird erreicht” wird zu “Das Erreichen des Ziels”). Weil die Informationsdichte größer ist, sind solche Nominalisierungen schwerer verständlich, als die Sätze, die sie ersetzen – und allermeist hören sie sich übel an!

7.
Behördendeutsch meiden

Bin ich wohnhaft oder wohne ich? Benutze ich Postwertzeichen oder nicht doch lieber Briefmarken?

8.
“Ich”, “wir”, oder “man” – wer ist der Täter?

Wie bei den meisten Tipps und Hinweisen geht es nicht darum, sich sklavisch an eine Richtlinie zu halten – etwa grundsätzlich nur in der ersten Person zu schreiben, um das immer noch allzu häufig verwendete “man” um jeden Preis zu vermeiden. Aber es ist gut, ein Bewusstsein für die jeweilige Wahl zu entwickeln: die Ich-Form zeigt persönliches Engagement und Identifikation mit dem Erlebten, mit dem “wir” gemeinden wir uns in eine Gruppe ein, die die Verantwortung trägt. Und hinter dem “man” kann jedwede Verantwortung versteckt, bzw. ans große Allgemeine abgegeben werden.

9.
Doppelte Verneinung: warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?

“Das soll nicht heißen, dass es grundsätzlich nicht möglich ist…” – doppelte Verneinungen erschweren das Verstehen und bringen den Lesefluss ins Stocken. Positive Formulierungen sind besser: “Dennoch ist es durchaus möglich…”. (Die Füllwörter “durchaus” und “grundsätzlich” können wir uns auch sparen!).

10.
Füllwörter weglassen, Ballast abwerfen

Irgendwie, sozusagen, ja nun, wirklich, grundsätzlich, gewissermaßen, selbstredend, schlichtweg, insbesondere, regelrecht, üblicherweise und überhaupt – wann immer möglich solche Worte streichen! Wenn das Gefühl aufkommt, ein Satz sei dann nicht mehr lang genug und brauche noch eine Vertiefung, dann ist er vielleicht ganz entbehrlich. Es lohnt, sich neu zu besinnen, was man sagen will – nicht eigentlich, sondern tatsächlich!

11.
Floskeln und Klischees öden an!

Er setzte alle Hebel in Bewegung; da beisst die Maus keinen Faden ab; langer Rede kurzer Sinn: Floskeln und abgegriffene Wendungen möglichst ganz vermeiden!

12.
Gefühle beschreiben?

Gefühle lassen sich allenfalls benennen und mit bewertenden Adjektiven ausschmücken: Ich hab’ schreckliche Angst, bin furchtbar deprimiert, fühle leidenschaftliche Liebe, bin unsagbar traurig – ja, Gefühle sind unsagbar, aber vermittelbar: Ich kann die konkreten Umstände beschreiben, die sie auslösen, oder ihre Auswirkungen, ganz sinnlich und detailliert. Je konkreter das gelingt, desto größer die Chance, dass der Leser sich identifiziert und mitfühlt.

13.
Sei einzigartig, schreib’ nicht Anderen hinterher!

Wie langweilig, wenn so eine typische Sau durchs Dorf getrieben wird und nun alle, alle darüber schreiben! Wenn Du nichts Neues und wirklich Originelles dazu zu sagen hast, lass es lieber – nur mal so als Tipp! :-) Kurzfristig mögen die Zugriffe auf dein Blog steigen, doch bleibst du den Besuchern mit solchen “Me-Too-Artikeln” nicht im Gedächtnis und schaffst keinen Grund, wieder mal vorbei zu schauen.

14.
Adjektive einsparen

Eigenschaftswörter sparsam verwenden! Im persönlichen Schreiben ist man leicht verleitet, bewertende Adjektive anzuhäufen: gut, schlecht, fantastisch, grauenhaft, ekelhaft, widerlich, angsteinflößend, bewundernswert… All das sind persönliche Einschätzungen, die ohne “Datenlage” in der Luft hängen. Sie geben dem Leser keine Chance, sich selber “ein Bild zu machen” von dem, was wir schreibend schildern. Es langweilt schnell, sowohl als Text als auch in persönlicher Rede. Statt dessen: den “inneren Film” genau ansehen, und dann konkret beschreiben, wie die Dinge sind: heiß, kalt, grün, faltig, stinkend (nach was?), strahlend, glatt, grau und eingefallen, prall, bonbonfarbig…

15.
Kurze Sätze – lange Sätze

Oft werden Richtlinien angegeben: kein Satz mit mehr als 15 Wörtern (20, 30…); alle zwei Zeilen ein Punkt; möglichst keine Verschachtelungen und Nebensätze, schon gar keine Reihung aufeinander bezogener Nebensätze; lange und kurze Sätze abwechseln – ich halte nichts von diesen Regeln. Es kommt auf die Textsorte, den Ort der Veröffentlichung, den persönlichen Stil und die Gesamtgestalt des Textes an, ob ein langer Satz Mühe macht oder kurze Sätze langweilen. Mit wachsender Schreiberfahrung stellt sich ein Gefühl dafür ein, wann ein Satz besser in zwei Sätze aufgeteilt wird oder auch nicht. Um dieses Gefühl zu bekommen, ist es manchmal gut, sich den Absatz laut vorzulesen.

16.
Textlänge: Wenn alles gesagt ist, ist Schluss!

Im Web will niemand lange Texte lesen, heißt es immer wieder. In dieser Verallgemeinerung stimmt das nicht: Wenn es der Autor schafft, mich zu fesseln mit dem, was er schreibt, kann ich gar nicht genug davon kriegen. Lange Texte sind nur dann öde, wenn sie durch Aufgeblasenheit langweilen und mit Füllwörtern und abgegriffenen Redewendungen kostbare Lesezeit verschwenden; wenn der Schreibende einfach nicht zum Punkt kommt, keinen klaren Gedanken darstellt oder ein Erlebnis berichtet, sondern sich in ‘zig Nebenthemen verliert. Deshalb: Lies’ deine Texte mehrfach durch und kürze alles weg, was nicht unbedingt nötig ist!

17.
Texte gliedern

Ein Satz ein Gedanke, ein Gedankengang ein Absatz – wer zu fortlaufenden ungegliederten Buchstabenwüsten neigt, sollte es mal versuchen! Zwischenüberschriften sind in Web-Texten besonders hilfreich, bieten sie doch eine Stütze für den Blick und machen es all denen leichter, die beim Anblick langer, ununterbrochener Texte gleich die Flucht ergreifen würden.

18.
Auf die Sprache hören, Moden meiden

Meint sie das ernst? Nicht wirklich! Das macht doch keinen Sinn! – Auch in der Sprache gibt es Moden, bestimmte Redewendungen tauchen plötzlich auf, verbreiten sich in Windeseile und auf einmal reden und schreiben alle so. “Nicht wirklich” ist so eine Wendung – warum wohl? Trauen wir uns kein klares “Nein” mehr zu? Es lohnt, auf die Sprache zu hören und gelegentlich darüber nachzusinnen – über die konkrete Wortbedeutung hinaus. Ob das “Sinn macht” oder Sinn “hat”, ist überlegenswert: im Deutschen haben (bzw. hatten) die Dinge Sinn, bei den Amerikanern wird er gemacht (“making sense”). Haben wir uns plötzlich geändert, weil wir auf einmal auch alle “Sinn machen” ?

19.
Rechtschreibung, Grammatik, Tippfehler

Auch auf Webseiten, die Millionen gekostet haben, finden sich Fehler. Vermutlich sind auch diese Seiten nicht garantiert fehlerfrei. Trotzdem gehört es zu den Selbstverständlichkeiten, einen fertigen Text auch auf Formalien wie Rechtschreibung, Grammatik und Tippfehler durchzusehen – gerade auch im Web und in der E-Mail, wenn wir denken, es sollte alles ganz schnell gehen. Sorgfalt in der Form, auch in kleinen Dingen, drückt Wertschätzung gegenüber dem eigenen Schreiben und gegenüber den Lesern aus, ein hingeschmuddelter Text das Gegenteil, auch wenn wir es nicht so meinen!

20.
Das Wichtigste: Regeln brechen

Alle Regeln für guten Stil können und sollen gebrochen werden, wenn es der Text verlangt. Allerdings kann man sie erst bewusst im Einzelfall “brechen”, wenn man sie sich zu eigen gemacht hat.

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Dieser Artikel wurde zuerst am 21.7. im WebWriting-Magazin veröffentlicht: im Rahmes des Gruppen-Schreibprojekts »Blogtipps für Einsteiger«, eine Idee von Jan Tißler vom Upload – Magazin für digitales Publizieren.

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Ein Kommentar zu „Guter Stil, klare Sprache – 20 Handwerkstipps für Einsteiger“.

  1. Für das alles hilft Papyrus Autor!