Claudia am 05. Februar 2007 —

Das GANZE Digital Diary

Was für eine Arbeit! Gestern hat es mich gepackt und binnen fünf Stunden hatte ich, was ich lange für „nicht so wichtig“ hielt: ein Gesamtinhaltsverzeichnis ALLER Diary-Beiträge seit dem Start Anfang 1999!

Auch jetzt kommt es mir noch ziemlich eitel vor, an der Stelle Arbeit zu investieren. Ich schaue ja sonst nie zurück, lese keine alten Artikel und pflege keine „erotische Beziehung“ zu vergangenen Werken. Allerdings hat es mich zunehmend gestört, dass die Texte kaum mehr auffindbar waren: hier mal ein Jahresverzeichnis, dann wieder keines, alle zwei, drei Jahre eine Veränderung der Darstellungstechnik und Systematik – ein Verhau! Ich hab‘ überlegt, alles bis 2005 ‚raus zu nehmen und nur das zu belassen, was seit 2006 von WordPress verwaltet wird. Hach, aber das bring‘ ich nicht über mich! All die Links, die dann ins Leere laufen – eine Sünde am Netz!

Es deprimiert mich ja selbst, wenn Texte von Autoren, die ich gerne lese, plötzlich nicht mehr zu finden sind – zum Beispiel hat Gerd-Lothar Reschke seine gesammelten Werke aus dem Web genommen und gibt jetzt nur noch Bücher heraus. Tolle Bücher, ohne Frage, aber es ist nun mal etwas Anderes, am aktuellen (!) Denken und Schreiben eines Menschen, der etwas zu sagen hat, teilzuhaben, als ein- bis zweimal im Jahr ein Buch zu lesen. Das gilt erst recht, wenn die Texte „webgerecht“ verfasst sind, also keineswegs das „lange Lesen am Stück“ erfordern. Wer kann sich schon fortwährend diesen Luxus gönnen! Ich bin zwar noch als Leseratte sozialisiert, doch heute brauch‘ ich eigentlich Urlaub, um mich auf ein gehaltvolles Buch richtig einlassen zu können – und URLAUB ist mir in meiner Freiberufler-Existenz immer noch nicht zur Gewohnheit geworden.

Ich schweife ab… – die Arbeit am Gesamtinhalt verführt aber auch dazu! Himmel, hab‘ ich früher häufig geschrieben: auch mal kürzere Beiträge, mehr aus dem Alltag, sogar komplett inhaltsfreie Postings wie „heute erkältet, ich komm‘ nicht zum schreiben“ – sowas hatte ich glatt aus der Erinnerung verdrängt. 1999 bis 2001 war ich raus auf’s Land gezogen und hatte in Gottesgabe, einem kleinen Dorf in Mecklenburg, sehr viel mehr Zeit und Muße, beschauliche Texte über Gott und die Welt zu schreiben. Komisch eigentlich, denn in Berlin gehe ich auch nicht öfter „raus“ als damals: mal zum Supermarkt, mal in den Garten, ab und an in die Sauna. Doch die Zeit scheint sich beschleunigt zu haben und auch meine Lust auf’s Schreiben hat sich verändert: Ich brauche mehr Inhalt, um motiviert zu sein – die bloße Lust auf kommunikative Erregungszustände reicht bei weitem nicht mehr aus.

Dass es jetzt DA ist, das Gesamtinhaltsverzeichnis, verlockt mich plötzlich doch, mal zurück zu schauen: Wer war ich vor zwei, vor vier, vor acht Jahren?? Hat sich Wesentliches verändert – im Leben? Im Schreiben?

Im „realen Leben“ sammle ich lange schon keine Erinnerungen mehr und immer wieder werfe ich noch vorhandene Restbestände weg (alte Liebesbriefe, Schreibhefte aus Workshops und Kursen, Fotos, etc.). Unser Leben ist in den Sand geschrieben, ich will dem eigentlich nicht entgegen arbeiten und „Dinge anhäufen“, die das Loslassen erschweren. Nun ist da eine neue Versuchung zum „Anhaften“ – mal sehen, was ich damit noch erlebe!

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Diskussion

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2 Kommentare zu „Das GANZE Digital Diary“.

  1. Kann nicht irgendjemand den verdammten Gerd-Lothar Reschke dazu bringen, seine inspirierenden aktuellen Tagebucheinträge wieder ins Web zu stellen, wo sie auch meiner Meinung nach hingehören.
    Die Klingers und Reschkes prägen die Qualität des Webs und sind unverzichtbar !
    Dank an dieser Stelle.

    Grüße aus Hannover
    Jochen

  2. Hmm…
    Ich kann nicht für GLR sprechen.
    Aber wenn mich jemand als „verdammt“ bezeichnete, würde das nicht meine Neigung erhöhen, einem Wunsch desjenigen an mich nachzugehen.

    Gruß
    Ralf