Claudia am 13. Mai 2006 —

Digital Diary – wie weiter?

In all den Jahren, die es das Digital Diary schon gibt, war meine leitende Idee, optisch und formal Kontinuität zu bewahren: In einer Welt, in der sich alles immer schneller verändert, in der Webseiten verschwinden, bekannte Adressen mal eben ganz andere Inhalte bekommen, gar kostenpflichtig werden oder ihr Aussehen alle halbe Jahre ändern, wollte ich dem etwas Dauerhaftes und Verlässliches entgegen setzen – und ich denke, das ist auch bis zum heutigen Tag gut gelungen.

Der publizistische „Nachteil“, der darin liegt, dass das Digital Diary kein bestimmtes Thema hat, sondern einfach meine Sicht der Dinge zum Besten gibt, sah ich dadurch ausgeglichen, dass zumindest die FORM dieselbe blieb: Keine Kurzartikel, keine Texthäppchen, keine Zerstreuung in Richtung der unendlichen Weiten da draußen, sondern längere Beiträge, die fünf bis zehn Minuten Konzentration aufs Wesentliche erfordern: Ein Artikel soll im besten Fall wie ein geistiges Bad in einer klaren Quelle sein – ob mir das immer gelungen ist, müssten die Leser beurteilen, mein jeweiliges Schreiberlebnis hatte jedenfalls (meistens…) diese Wirkung.

Technisches Update – Kontakt mit der Blogosphäre

Durch die in den letzten Wochen vorgenommenen technischen Neuerungen (Einsatz des Blogscripts WordPress) bin ich zum ersten mal intensiver mit der Welt der Blogs in Kontakt getreten: nicht nur mal hier und da mitlesend, sondern auch forschend, was all die neuen Features, die damit verbunden sind, für mich bedeuten könnten und wie ich sie am besten nutze. Allerlei Einträge in einschlägige Verzeichnisse, die Kommentar- und Trackback-Möglichkeiten, das größere eigene Interesse an Fragen wie „woher kommen die Leser?“, das schlagartige Steigen der Abrufzahlen aufgrund der Erwähnung „fetziger Themen“ (=Porno für Frauen) in anderen Blogs hat mich beeindruckt!

Der ganze Hype um die schnellen Blogs erscheint mir als ein Recycling der Begeisterung der ersten Netzjahre: die „Homepage“ war damals der Dreh- und Angelpunkt, die Szene der Engagierten glaubte an die grundstürzende Veränderung der Welt, weil jetzt „jeder schreiben kann, was er mag“. Man war nett zueinander, hilfsbereit, freundlich, schrieb gerne Kommentare (noch einfach per Email! Das wurde dann „händisch“ publiziert!) und schaute auf Hitlisten wie „Webhits“, ob man es wieder einmal schaffte, mit dem eigenen Projekt unter den ersten 100 der gefragtesten Seiten zu sein. Lang ist’s her – es freut und amüsiert mich, nun all das Entschwundene „in neuem Gewand“ in der Bloggerwelt wieder anzutreffen!

Denn es war still geworden rund um das persönliche Publizieren: Kaum mehr geschriebene Resonanz, immer weniger „Selbermacher“, immer mehr Nur-Leser, die das Web nicht mehr als kreativen Abenteuerspielplatz kennen lernten, sondern als voll durchkommerzialisierte und perfektionierte Shopping-Mall, als sachliche Bibliothek, als allzeit befragbare Informationsquelle – alles ganz nützlich, manches auch schön, aber etwas fehlte, was früher einmal, in den wilden Anfangsjahren 1995 bis 1998 das „gefühlte Glück“ in den Netzen ausgemacht hatte. Wie schön, dass „die Jungen“ (darunter aber auch ein paar sehr aktive und erfolgreiche „Alte“) die alte Begeisterunge in der Blogger-Welt wieder erlebbar machen!

Ein Blog, zwei Blogs – vielleicht gleich drei?

Mittlerweile juckt es mich durchaus in den Fingern, auch mal „auf die Schnelle“ der Welt was Kurzes zu gönnen! Allerdings werde ich dieser Lust nicht hier im Digital Diary fröhnen, sondern dafür eigenständige Blogs errichten. Lange schon reizt es mich, ein „Webzine aus der Hauptstadt“ zu lancieren, das von allem handelt, was sich für mich mit meiner Wahlheimat Berlin verbindet, bzw. gut verbinden lässt. Natürlich wird es nicht von Dingen handeln, die dem Zuzügler, Bewohner und Besucher in den großen Berlin-Seiten schon ausreichend geboten werden: weder die WM 2006, noch die üblichen Sehenswürdigkeiten und „Locations“, wie man neudeutsch so sagt, sondern eher Blicke auf das, was mich persönlich in meiner Umgebung fasziniert, irritiert, verstört und begeistert. Dazu Themen, die zur „Geistgestalt Berlin“ passen: das offene, ewig Unfertige, niemals wirklich adrett und sauber zu kriegende an dieser einzigartigen Stadt empfinde ich als Inspiration, die über einzelne Baukörper, Stadtlandschaften und Kiezgeschichten hinaus weist. Ja, das ist noch ein wenig verschwommen, konkreter wird es dann „beim Machen“ – demnächst im Modersohn-Magazin.de.

Weiter überlege ich, auf Lustgespinst.de ein „Erotik-Blog“ einzurichten. Dort ist ein besserer Platz, um der Frage nachzugehen, welche Art filmischen Schaffens mit weiblicher Erotik kompatibel ein könnte. Die erotischen Geschichten aus den Kursen werden dort sowieso (soweit von den Autoren frei gegeben) veröffentlicht, dazu passen dann auch gut Rezensionen von Filmen, Büchern, Webseiten – und wenn es ins nicht mehr Jugendfreie geht, warum nicht auch ein „Adult-Bereich“??

„Das Lustgespinst – Claudias Erotik-Blog“ – wie sich das anhört! Ob ich mit fast 52 Jahren auf dem Buckel so was wirklich tun sollte???? Je länger ich drüber nachdenke, desto mehr denke ich: JA!!! Gerade!! Es ist nämlich der Lust und dem Frieden mit dem anderen Geschlecht ausgesprochen dienlich, nicht mehr jung zu sein. Auf keinem anderen Gebiet empfinde ich eine solch „leidenschaftliche Gelassenheit“ wie im Reich des Erotischen. „Beziehungsstress“ kenn‘ ich schon lange nicht mehr, hab‘ ihn aber in der Vergangenheit mit mehreren aufeinanderfolgenden Partnern exzessiv zelebriert. Mit Ende dreißig hatte ich davon die Nase so voll, dass ich in Askese ging: 10 Jahre mit einem (noch heute geliebten) Mann, mit dem mich das philosophische Gespräch „über Gott und die Welt“ verband, nicht aber Romantisches oder gar Sexuelles. Die reine Erholung! Daran anschließend, endlich wieder alleine wohnend, dann eine neue, aktive Phase, die bis heute anhält und mir – im Gegensatz zu früher – Abenteuer, Lust und Liebe beschert, ohne das stressige Kampfgeschehen früherer Jahre. Warum also nicht die Welt an meiner „Altersweisheit“ teilhaben lassen?

Normalerweise spiel ich ja nicht gerne die Ankündigungsministerin! Oft genug zerbröselt nämlich die Motivation zum einen oder anderen Vorhaben in den Wüsteneien des Alltags. Vielleicht hält mich aber das „drüber schreiben“ dieses Mal am Ball – und vielleicht haben ja auch ein paar alte Stammleser/innen Lust, zum Thema „Digital Diary – wie weiter?“ etwas beizutragen. Das ist ja jetzt (dank Blogscript) so einfach wie nie zuvor!

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Diskussion

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12 Kommentare zu „Digital Diary – wie weiter?“.

  1. Also, warum denn nicht. Wenn nicht Jetzt, dann wann?
    Viel Spaß und Freude! Würde gern vorbeischauen.
    Lieben Gruß, dein Leser

  2. das mit der formalen kontinuität kann ich gut nachvollziehen, praktiziere es bei limone.de auch. das empfand ich auch immer sehr wohltuend im digital diary, und ich bin froh, dass du dem grundlegenden design trotz update treu geblieben bist.
    ich habe mir auch ein paar blogsatelliten angelegt, das praktische daran ist, dass man themen auch einfach mal antesten kann, um herauszufinden, ob sie wirklich genug potenzial bieten, um sie größer aufzurollen…

  3. Oh, da mache ich mich heute Morgen auf, mal alte Lesezeichen zu durchforsten und gleich beim Zweiten kommt dann die große Überraschung: Claudia schreibt wieder!
    Sehr gut, dann wird das Internet doch hin und wieder mal etwas besser.

  4. Irjendwat ist hier anders… *kleinerScherz*.
    Haste gut umgesetzt, man sieht wirklich kaum einen Unterschied. Ich persönlich werde das zwar nicht machen – mir ist die Feed-bekloppte Welt viel zu verrückt und schnell – doch wenn du damit klar kommst, so what.
    Jedenfalls Kompliment zur gestalterischen Umsetzung.
    Viele Grüße :-)

  5. „Der ganze Hype um die schnellen Blogs erscheint mir als ein Recycling der Begeisterung der ersten Netzjahre“ … aber hallo!

    das kannst du laut sagen. oder sogar lauter! als eine, die sich auskennt mit dem netz, seit LANGEM, kannst du das mit fug und recht, mit kompetenz und herz.

    früher geocities, heute blogger. allerdings, zwar gab es eine templatisierung der netzwelt auch seinerzeit, aber die neuen mittel, die die „blogs“ bieten, haben natürlich schon ihre klaren vorzüge gegenüber dem, was früher von hand als web-tagebücher auch schon da war, und dann, während der jahre der großen kommerzialisierung des netzes, wieder fast in vergessenheit gerieten.

    wie auch immer… schöner beitrag!

  6. Wer gerne schreibt, wünscht sich in der Regel Resonanz. Dieser Wunsch bleibt – ob Weblog oder irgend eine andere Form der Veröffentlichung. Die Themen sind vielleicht sogar zweitrangig. Sie sind da und schreibend nähere ich mich ihnen. Die Lust ist eine gute Wegbereiterin dabei…

  7. Falls es gewünscht sie, kann ich dir mal kurz das Motto für mein Projekt ausleihen:

    Eine Idee …
    … muss Wirklichkeit werden können, sonst ist sie eine eitle Seifenblase.

    Ich freue mich schon auf dein Lustgespinst!

  8. @claudia

    Das bleibt KEINE eitle Seifenblase!! :-))
    Das Lustgespinst-Blog ist gerade im Bau! Fehlt nur noch das „Gewand“, ein Artikel zum Thema ist schon drin, allerdings noch nicht offiziell verlinkt, weil eben nicht fertig:

    http://www.lustgespinst.de/index.php

    Achtung: da wird noch gearbeitet… kommentieren geht aber schon.

  9. Hey Claudia, ich finde deinen Mut zu bloggen gut, und 52 ist ja nun absolut kein Alter! ;) Aber was wird denn nun aus deinen Absichten, und wann geht es hier so richtig los?

  10. Doch, 52 IST ein fortgeschrittenes Alter! Falsch ist der Jugendwahn, der davon ausgeht, nur die jungen Jahre hätten ihre Freuden und Altern sei ausschließlich ein Horror und etwas, vor dem man sich fürchten und wegsehen müsste!

  11. […] und pfriemelte die Diary-Optik in die PHP-Dateien eines “Themes”. Zum ersten Mal nahm ich die Bloggerszene wahr, doch mit meiner Motivation hatte das nichts zu tun. Ich hatte einfach keine Lust mehr, für […]

  12. […] Mai 2006 dann der Umstieg auf das Blogscript WordPress: In „Von der Homepage zum Blog“ (2007) können […]